CFP: 77. Deutscher Archivtag 2007 in Mannheim

Vom 25. bis 28. September 2007 findet in Mannheim der 77. Deutsche Archivtag statt. Er steht unter dem Rahmenthema \“Lebendige Erinnerungskultur für die Zukunft\“. Ein Call for Papers des VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. lädt zur Mitwirkung ein.

Call for Papers

»Welche Rolle kommt den Archiven in der Erinnerungskultur zu, die sich in der Bundesrepublik Deutschland so lebendig entwickelt hat und ein gewichtiger Teil des kulturellen Lebens geworden ist? Welchen Beitrag können, sollen oder müssen die Archive aktiv oder inaktiv auf diesem Feld leisten? Sind sie mit ihrer Facharbeit in den gesellschaftspolitischen Diskurs eingebunden? Wird bei der Bildung archivalischer Überlieferung aus den Unterlagen unserer Zeit hinreichend das richtige Material für eine zukünftige Erinnerungskultur – z.B. der Migranten – gesichert oder bestehen hier eventuell Defizite? Welche Funktion erfüllen Archivbildungen gesellschaftlicher Gruppierungen jenseits der „klassischen Archive“ und Spezialarchive dabei? Von diesen Leitfragen sollen die Referate und Diskussion auf dem Archivtag ausgehen. 

Alle Kolleginnen und -kollegen sind eingeladen, sich mit Beiträgen an dem Archivtag zu beteiligen, ihre Erfahrungen, Beobachtungen, Ansichten und Anregungen einzubringen. Dafür sind wiederum vier Sektionen vorgesehen, die im Folgenden näher skizziert sind. Genannt sind dabei die Sektionsleiter, an die jeweils Vorschläge für Beiträge zu richten sind. Die Vorschläge sollten neben dem Titel auch eine kurze inhaltliche Erläuterung von maximal einer Schreibmaschinenseite umfassen. Bitte geben Sie auch Ihren vollständigen Namen und Ihre Wirkungsstätte an. 

Für die Referate sind jeweils 20 Minuten vorgesehen. Als Themen können zunächst auch nur Arbeitstitel vorgeschlagen werden, die dann in Abstimmung mit den Sektionsleitern noch modifiziert werden können. Die Sektionsleiter stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Abgabeschluss ist der 1. Oktober 2006. Der Programmausschuss des VdA wird aus den Vorschlägen eine Auswahl unter dem Gesichtspunkt treffen, dass möglichst vielfältige Aspekte in den Sektionen angesprochen werden können. Die Beiträge sollen dann wie bisher in einem Tagungsband publiziert werden. Dazu erhalten die Referentinnen und Referenten später nähere Informationen. 

Über eine breite Resonanz würden wir uns sehr freuen.

Stuttgart, 12. Juni 2006 
Dr. Robert Kretzschmar 
Vorsitzender des VdA« 

Sektionssitzungen 

Sektion I: Archivische Erinnerungsarbeit im gesellschaftspolitischen Diskurs 

Nicht selten haftet den Archiven bei geschichtspolitisch Engagierten das Image an, eine retardierende, hemmende Rolle zu spielen. Mitunter wird gar der Verdacht geäußert, sie wollten wesentliche Informationen verbergen oder legten sie nur eingeschränkt vor. Demgegenüber wird von den Archiven auf den gesetzlich ausgestalteten Anspruch auf öffentliche Benutzung verwiesen, ihr Selbstbild ist von Zukunftsfähigkeit gekennzeichnet. Damit wächst den Archiven als Hüter der Vergangenheit wie als historisches Gewissen im Eigenverständnis eine treuhänderische Funktion zu, die Offenheit für alle Gruppen und eine aktive Beteiligung an gesellschaftspolitischen Debatten impliziert. Andererseits hemmt diese treuhänderische Funktion wiederum die eindeutige Positionierung in strittigen gesellschaftspolitischen Fragen und erfordert weit eher eine vermittelnde Kompetenz. Beispielhaft an der Gedenkstättenarbeit zu Themen der jüngeren deutschen Vergangenheit, insbesondere der NS-Zeit und der DDR-Geschichte, soll die Rolle der Archive in der Erinnerungsarbeit im gesellschaftspolitischen Diskurs thematisiert werden. Welche Formen erscheinen dabei, jenseits des klassischen bildungsbürgerlichen (Lese-)Publikums zulässig, wenn ein wachsender Anteil der Bevölkerung den zugrunde liegenden historischen Vorgängen nicht (mehr) direkt betroffen ist – oder sein will? Welche Sehweisen und Erwartungshaltungen werden von dieser Seite formuliert und von den Archiven aktiv aufgegriffen.
Dabei soll auch die Frage diskutiert werden, ob das Bestehen auf Authentizität sich gegen ästhetische, fiktionale und dramatisierende Angebote behaupten soll – und will! Muss es sich abgrenzen oder darf es zu solchen Auseinandersetzungen ermuntern, die sowohl Betroffenheit wie die Vorstellungskraft wecken sollen, und wo sind die Grenzen zu ziehen? 

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Dr. Ulrich Nieß (Mannheim) 
Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte. Collinistraße 1, 68161 Mannheim, Tel.: (0621) 293-7025, Fax: (0621) 293-7476, E-Mail: ulrich.niess@mannheim.de

Sektion II: Überlieferungsbildung und -sicherung für Migranten

Seit über 50 Jahren kommen Migranten aus aller Welt nach Deutschland. Zunächst wurden zwischen 1955 und 1975 so genannte Gastarbeiter gezielt für eine Beschäftigung in der BRD angeworben. Viele der Migranten blieben dauerhaft, holten ihre Angehörigen nach oder gründeten hier Familien. Auch in der DDR siedelten sich seit Ende der 1970er Jahre ausländische Arbeitnehmer an, von denen ein großer Teil nach der Vereinigung Deutschlands in ihr Heimatland zurückkehren musste. Später kamen Menschen aus sehr unterschiedlichen Gründen. Neben den Arbeitsemigranten leben Flüchtlinge, Zugezogene aus Osteuropa, Juden aus der ehemaligen Sowjetunion und Exilanten an den unterschiedlichen Orten. Rund sieben Millionen Menschen haben eine ausländische Herkunft. Angesichts eines stetig wachsenden Bevölkerungsanteils kann Deutschland als Einwanderungsland bezeichnet werden. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die archivische Überlieferung. Folgende Fragen können in der Sektionssitzung diskutiert werden: Welche Überlieferung wird von den Migranten selbst gebildet? Wer fühlt sich für die Dokumentation über das Leben der Migranten zuständig? Welche staatliche, kommunale oder sonstige Überlieferung existiert in den herkömmlichen Archiven? Welche Projekte zur Dokumentation der Migration existieren bereits oder sollten ins Leben gerufen werden? Gibt es ein Dokumentationsprofil für die Überlieferung archivischer Quellen zur Migration? Welche Forschung zur Geschichte der Migration benötigt welche Quellen? Gerne soll auch der Blick über der Grenzen gerichtet werden: Gibt es Beispiele aus dem europäischen Ausland, die richtungweisend sein können? 

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Dr. Ulrich S. Soénius (Köln)
Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln, Tel.: (0221) 1640-800, Fax: (0221) 1640-829, E-Mail: ulrich.soenius@koeln.ihk.de

Sektion III: Überlieferungsbildung und -sicherung in „Freien Archiven“ 

2003 wurde ein Archivführer mit dem Titel „Archive von unten“ publiziert. Darin sind Archive dargestellt, die seit den sechziger Jahren im Umfeld der Neuen Sozialen Bewegungen entstanden sind. In solchen Archive, die sich auch als Bewegungsarchive und in letzter Zeit als Freie Archive bezeichnen, werden wichtige Überlieferungen der letzten Jahr-zehnte gebildet und gesichert. Häufig sind sie zugleich Bibliotheken, zum Teil haben sie Netzwerke ausgebildet. In der Sektion soll anhand von Beispielen die Bedeutung solcher Archive für die Erinnerungskultur diskutiert werden. Welche Relevanz kommt den Beständen in dieser Hinsicht zu? Welche Strategien und Methoden der Überlieferungssicherung werden von Freien Archiven verfolgt? Dabei wird auch nach ihrem Verhältnis zu den „klassischen“ Archiven und nach Möglichkeiten der Kooperation zu fragen sein. Angesichts einer jüngsten Veröffentlichung zur aktuellen Situation der Freien Archive (in: Der Archivar, Heft 2/2006, S. 166-172) soll auch diese zur Sprache kommen, berührt sie doch elementar die Nachhaltigkeit der Überlieferungsbildung und -sicherung.

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Dr. Michael Diefenbacher (Nürnberg) 
Stadt Nürnberg – Stadtarchiv, Marientorgraben 8, 90402 Nürnberg, Tel.: (0911) 231 2770, Fax: (0911) 231 4091, E-Mail: stadtarchiv@stadt.nuernberg.de

Sektion IV: Funktion und Zukunft von Spezialarchiven 

In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene Spezialarchive für besondere Aufgabenstellungen und Dokumentationszwecke öffentlich-rechtlich institutionalisiert. In der Sektion soll anhand von Beispielen die Bedeutung solcher Spezialarchive und der darin gesicherten Überlieferung für die Erinnerungskultur diskutiert werden. Welchen Wert haben die Bestände welcher Spezialarchive unter diesem Gesichtspunkt? Welche Nutzungsmöglichkeiten bestehen in dieser Hinsicht? Welche Rolle spielen Spezialarchive – welcher Art auch immer – als Orte der Erinnerung in der historisch-politischen Bildungsarbeit? Gibt es Spezialarchive, die sich ganz der Erinnerungskultur verschrieben haben? Vielfach wird sich auch die Frage stellen, welche Zukunftsperspektiven Archive haben, die für besondere Aufgabenstellungen und Dokumentationszwecke eingerichtet wurden. 

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Prof. Dr. Hans Ammerich (Speyer) 
Bistumsarchiv Speyer, Kleine Pfaffengasse 16, 67346 Speyer, Tel.: (06232) 102-260, FAX: (06232) 102-477, E-Mail: bistumsarchiv@bistum-speyer.de

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