Am vergangenen Wochenende haben 16 Südtiroler den ersten Chronistenlehrgang in italienischer Sprache abgeschlossen. „Mit diesem Kurs haben historisch interessierte italienische Mitbürger das Rüstzeug erhalten, um die Dorf- oder Stadtviertelgeschichte zu dokumentieren. Die Geschichte oder ‚Geschichten’ aus dem eigenen Lebensumfeld sind ein wichtiger Teil der Identität“, unterstreicht Landesrätin Sabina Kasslatter Mur, die für das Chronistenwesen zuständig ist.
Das Südtiroler Landesarchiv betreut über 400 Chronisten in Südtirol. Bisher beschränkte sich das Chronistenwesen jedoch nur auf die deutsche Sprachgruppe. Mit einer umfassenden Ausbildung in italienischer Sprache hat das Ressort von Landesrätin Sabina Kasslatter Mur heuer erstmals den Versuch unternommen, italienische Mitbürger für die Geschichtsschreibung vor Ort zu interessieren (siehe Bericht vom 17.1.2006). „Die Italiener in unserem Land können auf wenig Lokalhistorie zurückblicken. Die Dokumentation des täglichen Lebens fehlte bisher vollkommen. Italienischsprachige Chronisten können diesen Mangel beheben“, ist Landesrätin Kasslatter Mur überzeugt.
Der erste Chronistenkurs in italienischer Sprache war jedenfalls ein voller Erfolg. „Die 16 Teilnehmer, die großteils aus dem Raum Bozen/Leifers stammen und den verschiedensten Gesellschaftsschichten angehören, zeigten ungewöhnlich viel Engagement und haben sich teilweise schon an die Arbeit gemacht, die Geschichte vor Ort zu dokumentieren“, berichten Josef Nössing, der Direktor des Landesarchivs, und Margot Pizzini, die den Chronistenkurs betreut, unisono.
An acht ganztägigen Kurseinheiten sind den 16 Teilnehmern die Grundzüge des Chronistenwesens und der Arbeit des Historikers bzw. Archivars vor Ort nahe gebracht worden. Josef Nössing referierte beispielsweise über die Geschichte des historischen Tirol, Hans Heiss über Chronik und Erinnerung, Andrea Di Michele über die Geschichte Südtirols in der Zwischenkriegszeit und Christine Roilo über das Landesarchiv sowie die Grundlagen historischer Forschungsarbeit. Stefano Consolati, Kulturreferent der Gemeinde Branzoll und einer der wenigen bereits aktiven italienischsprachigen Chronisten hat die Kursteilnehmer hingegen über seine Erfahrungen aus der Praxis aufgeklärt. Als Anschauungsmaterial hat er seinen Film über den Branzoller Porphyr gezeigt.
Die letzte Kurseinheit im Schloss Rechtenthal bei Tramin widmete sich neben einem Referat über die Erinnerungskultur den möglichen zukünftigen Projekten, die die frisch gebackenen Chronisten in Angriff nehmen wollen. Das Südtiroler Landesarchiv betreut die Kursteilnehmer über den Kurs hinaus und hat die Absicht, bald weitere Schritte hin zu einer organisierten Chronistenarbeit für italienischsprachige Mitglieder zu unternehmen.
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Quelle: Autonome Provinz Bozen, Pressemitteilung, 4.4.2006
Abb.: Die angehenden Chronisten bei einer Kurseinheit im Landesarchiv (Foto: Südtiroler Landesarchiv)