Massenarbeitslosigkeit und ein rasanter Abbau von Industriearbeitsplätzen kennzeichnen den tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahre. Sie erfordern die Entwicklung eines neuen Verständnisses von Arbeit und Arbeitsbiografien eines anderen Verhältnisses zu ihnen. Literatur und Kunst können dazu einen wichtigen Beitrag leisten, denn sie reflektieren und verarbeiten auf besondere Weise menschliche Erfahrungen.
Die Darstellung von Arbeit in der Literatur, insbesondere in der Arbeiterliteratur, war und ist einer der Sammlungsschwerpunkte des Fritz-Hüser-Instituts. Die Literatur der Arbeitswelt hat Arbeit als Faktor gesellschaftlicher Desintegration genauso thematisiert wie die Phänomene von Arbeitslosigkeit und Arbeitsverweigerung. Damit bieten die Bestände des Instituts eine exzellente Basis dafür, die Arbeitsproblematik bis in die Gegenwart weiterzuverfolgen.
Mit dem Verlust der industriellen Arbeit im Strukturwandel ist weder die Arbeit noch die Notwendigkeit des Nachdenkens darüber verschwunden. Kernfragen eines Symposions vom 23. bis 25. März 2006 zum Thema \“\’Arbeit – Kultur – Identität\‘. Zur Transformation von Arbeitslandschaften in der Literatur\“ sind: Welche Rolle spielten und spielen Literatur und Kunst der Arbeitswelt in der Bildung und Abgrenzung von Gruppenidentitäten? Welchen Beitrag können sie dazu leisten, die derzeitigen Veränderungen in der Arbeitswelt zu begreifen? Wie sollten die notwendigen Parameter zur Anregung eines aktualisierten Diskurses über Arbeit in der Literatur aussehen?
Sektion 1: Arbeit in der Literatur
Arbeit ist vielleicht kein Topthema der schönen Literatur wie die Liebe oder der Tod es sind. In bestimmten historischen Epochen gerät Arbeit – wie auch die Figur des Arbeiters, seltener der Arbeiterin – dann aber doch ins Visier der Literatur. Das gilt in besonderem Maße für die Weimarer Republik, der klassischen Phase industrieller Produktion, zugespitzter Klassenauseinandersetzungen und wachsender Arbeitslosigkeit. Wie ist die Literatur dieser Zeit, insbesondere die proletarische Literatur, mit den Themen Arbeit, Arbeitslosigkeit und Arbeitsverweigerung umgegangen? Wie geht die Gegenwartsliteratur in Deutschland damit um? Ist – nach Bestrebungen der Gruppe 61 und des Werkkreises Literatur der Arbeitswelt in den 1960er und 70er Jahren – Arbeit heute überhaupt noch Thema von Literatur? Wie wird sie dargestellt? Welche „Arbeits-Perspektiven“ tun sich womöglich auf?
Sektion 2: Arbeiterkultur nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Förderung schreibender, malender und singender Arbeiter erfuhr in den 1950er Jahren in beiden deutschen Staaten einen enormen Aufschwung. Im Osten wurde sie in den sozialistischen Aufbruch integriert, im Ruhrgebiet in den Aufbau einer neuen Revierkultur, an der viele gesellschaftliche Kräfte wie Gewerkschaften, Unternehmen und Kommunen mit je eigenen, teilweise aber auch gemeinsamen Interessen mitwirkten. Ziel der Sektion ist es, einen vergleichenden Einblick in die Entwicklung neuer Formen von Arbeiterkultur nach dem Zweiten Weltkrieg herauszuarbeiten, dabei Akteure, Zweckbündnisse und Intentionen sichtbar zu machen und damit nicht zuletzt die Literatur der Arbeitswelt in einem größeren kulturellen und kulturpolitischen Kontext zu stellen.
Sektion 3: Arbeit und Identität
Arbeit dient der Identitätsbildung und war in der Vergangenheit trotz ihres ausbeuterischen und zerstörerischen Charakters eine klassenintegrierende Kraft. Gleichzeitig trennt die Abwesenheit von Arbeit, sei es durch Arbeitslosigkeit oder durch bewusste Arbeitsverweigerung, die Arbeitenden von den Arbeitslosen. Die Entwicklung von Arbeit und Arbeitsethos ist in Deutschland aktuell durch das Verschwinden ganzer Arbeitsbereiche gekennzeichnet. Dies riss die Menschen aus ihren tradierten kulturellen Zusammenhängen und veränderte die sozialen Strukturen. Im Mittelpunkt der Sektion steht der Zusammenhang von Arbeit und Identität in literarischen Texten aus unterschiedlichen sozialen Kontexten und Epochen.
Sektion 4: Autobiografie und Migrantenliteratur
Die autobiografische Literatur, in den letzten Jahrzehnten erweitert durch die Erinnerungsliteratur von Migrantinnen und Migranten ist ein wichtiger Bestandteil der Literatur der Arbeiterbewegung. Ihr Kennzeichen ist das Spannungsfeld von persönlichem Erleben und literarischer Wirklichkeitsverarbeitung. Vor dem Hintergrund der erzählten Lebensgeschichte werden aktuelle Krisensituationen gedeutet und im Hinblick auf zukünftige Handlungsperspektiven erörtert. Krisen ergeben sich gerade in den industriellen Ballungsräumen aus der Forderung nach Mobilität und dem damit verbundenen Verlust von Heimat. Die Sektion fragt nach literarischen Verfahren und Symbolen in der autobiografischen Literatur der Arbeitswelt sowie der Vagabunden- und Migrationsliteratur.
Tagungsablauf
23.-25.03.2006
Donnerstag, 23.03.2006
Ab 11.00
Anmeldung, Anmeldung im
Westfälischen Industriemuseum (WIM) oder im
Fritz-Hüser-Institut (FHI)
12.00 Angebot einer Führung durch das FHI
13.15 Bustranfer zum Tagungsort
14.30
Begrüßung: Dirk Zache, Museumsdirektor WIM
Einführung: Hanneliese Palm, FHI und Dr. Dagmar Kift, WIM
15.00
Eröffnungsvortrag:
Prof. Dr. Erhard Schütz, Humboldt-Universität zu Berlin
„Literatur – Museum der Arbeit?“
16.00
Kaffeepause
16.30 – 18.30
Sektion 1: Arbeit in der Literatur
Moderation: Prof. Dr. Walter Fähnders, Universität Osnabrück
PD Dr. Torsten Unger, Georg-August-Universität Göttingen:
Arbeit, Arbeitslosigkeit und Arbeitsverweigerung in der proletarischen Literatur der Weimarer Republik
PD Dr. Julia Bertschik, Freie Universität Berlin:
„Junge Talente“. Über Jobs und Müßiggang in der Gegenwartsliteratur
Dr. Enno Stahl, Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf:
„Wir schlafen nicht”. New Economy in der Literatur
19.30
Abendessen
20.30
Filmabend „ Filmschätze: Kultur im Revier in den 1950er Jahren“
Freitag 24.03.2006
9.00-11.00
Sektion 2: Arbeiterkultur nach dem Zweiten Weltkrieg
Moderation: Prof. Dr. Gertrude Cepl-Kaufmann, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Dr. Dagmar Kift, Westfälisches Industriemuseum Dortmund:
Über die Klassengrenzen hinweg: die neue Kulturpolitik im Bergbau
Dr. Simone Barck, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam:
Der Bitterfelder Weg – schreibende Arbeiter in der DDR
Dr. Ludger Claßen, Klartext Verlag Essen:
Träger und Akteure der Arbeiterkultur im Ruhrgebiet
11.00
Kaffeepause
11.30-13.00
Führungen Westfälisches Industriemuseum Zeche Zollern II/IV oder Ausstellung „Aufbau West“
13.00
Imbiss
13.30 –15.30
Sektion 3: Arbeit und Identität
Moderation: Moderation: Dr. Ludger Claßen, Klartext Verlag Essen
PD Dr. Franz-Josef Deiters, Eberhard-Karls-Universität Tübingen:
Wozu braucht der Intellektuelle das Proletariat? Literarisierung ,Arbeit und Identitätsbildung des Intellektuellen bei Bertolt Brecht
Mag.a. Rita Garstenauer, Ludwig Boltzmann Institute of Rural History, St. Poelten: Gebrochen, zerbrochen oder wiederhergestellt: Lebensgeschichtliche Diskontinuität in der Landarbeit
Dipl.-Soz. Daniel Tech, Sozialforschungsstelle Dortmund:
Ein Unternehmen stiftet „Kultur“. Die EKO Stahl GmbH zwischen DDR-Tradition und Weltkonzernstandort
15.30
Kaffeepause
16.00-18.00
Sektion 4: Autobiografie und Migrantenliteratur
Moderation: Hanneliese Palm
Fritz-Hüser-Institut Dortmund
Dipl. Soz.Wiss. Volker Zaib
Fritz-Hüser-Gesellschaft, Dortmund:
Zur Bedeutung von (auto-)biografischen Quellen in der Forschung zur Kultur der Arbeitswelt
Michael Tonfeld, Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, Augsburg:
Von der Gastarbeiterliteratur zur Migrantenliteratur
Prof. Dr. Ute Gerhard, Universität Dortmund:
Literarische Zwischen-Räume. Fragen zur Vagabunden- und Migrationsliteratur
18.30
Abendessen
20.00
Grußwort Bürgermeisterin Birgit Jörder, Stadt Dortmund
Lesung
Michael Kamp liest: 150 Jahre Arbeit und Literatur
Studio B Stadt- und Landesbibliothek, Königswall 14, Dortmund
Samstag 25.05.2006
10.00 –13.00
Exkursion: Land der Arbeit, Land der Arbeiterkultur?
Zu exemplarischen Orten der Montangeschichte, Industriekultur und ruhrpolnischen Migration
Leitung: Dr. Thomas Parent
Anmeldung erforderlich
Info:
Symposion „Arbeit – Kultur – Identität“. Zur Transformation von Arbeitslandschaften in der Literatur
Datum: 23.-25.-03.2006 (Flyer)
Veranstaltungsort: Westfälisches Industriemuseum, Zeche Zollern /II/IV, Grubenweg 5, 44388 Dortmund
Anmeldung:
Fritz-Hüser-Institut
Ostwall 64
44135 Ostwall
e-mail: jpalm@stadtdo.de
Tel.:+49-(0)231-50-23135 / 26061
Fax: +49-(0)231-50-23229
Bitte geben Sie an, ob Sie an Symposion und Exkursion teilnehmen oder nur an einer der Veranstaltungen, für welches Datum Sie eine Hotelreservierung wünschen.
Anmeldeschluss:10.03.2005
Das Symposion ist eine gemeinsame Veranstaltung des Fritz Hüser-Instituts und des Westfälischen Industriemuseums in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Osnabrück
Hanneliese Palm, Dr. Dagmar Kift, Prof. Dr. Gertrude Cepl-Kaufmann, Prof. Dr. Erhard Schütz, Prof. Dr. Walter Fähnders