Im Februar 1943 wurde der achtzehnjährige Pierre Cordier aus seiner Heimatstadt Remiremont in den Vogesen als Arbeiter auf die Schiffswerft Mainz-Gustavsburg gebracht. Er war einer von mehreren hunderttausend Franzosen, die im Rahmen des „Service du Travail Obligatoire“ zur Arbeit im Deutschen Reich zwangsverpflichtet wurden. Er litt nicht nur unter Heimweh, unter der ungewohnt schweren körperlichen Arbeit, der beengten Unterbringung und dem ständigen Hunger, sondern auch unter der herrischen, feindseligen Art einzelner Vorgesetzter. Hinzu kam die Todesangst während der Luftangriffe, die gegen Kriegsende im Rhein-Main-Gebiet immer bedrohlicher wurden. Ein Fluchtversuch schlug fehl. So musste er bis zur Befreiung durch die U.S.-Truppen im März 1945 ausharren.
Viele Jahre später schrieb er seine Erinnerungen an diese einschneidende Zeit nieder. Darin berichtet er sehr einfühlsam und scharf beobachtend, mit Humor und feiner Ironie über deutsche Kollegen und Vorgesetzte – einige darunter fanatische Nazis, andere hilfsbereit, human und kritisch gegenüber der NS-Kriegspolitik -, über das Zusammenleben mit den ausländischen Kollegen aus vielen europäischen Ländern, über die vielen angstvollen Stunden in den Luftschutzräumen und über die kleinen Momente der Freundschaft und des Glücks, die es in diesen trostlosen zwei Jahren ebenso gab. Aus seinem Text spricht auch das tiefe Mitgefühl, das er für die deutsche Zivilbevölkerung empfand, wenn er nach schweren Luftangriffen die Stadt Mainz brennen sah. Trotz der schlimmen Erfahrungen, die er während der Zeit des Nationalsozialismus hier gemacht hatte, fühlte sich Pierre Cordier sein Leben lang mit der Region Mainz und der Mainspitze und ihren Menschen eng verbunden.
Info:
Im Verein für Sozialgeschichte Mainz erschien jetzt:
Pierre Cordier: Als Zwangsarbeiter auf der Schiffswerft in Mainz Gustavsburg 1943 bis 1945. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Hedwig Brüchert. Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter, Mainz 2005, 93 Seiten, ISSN-Nr. 1435-8026, 6,00 Euro.