„In antisemitischer Gesellschaft“ lautet der Titel einer Ausstellung, die am 2. Dezember um 18.30 Uhr im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt eröffnet wird. Begleitend dazu gibt es eine Vortragsreihe über das Thema Antisemitismus.
Die Schau, die noch bis zum 20. Dezember im Darmstadt zu sehen ist, dokumentiert antisemitische Gewalt in Deutschland und Europa und informiert über Ursachen, Funktionen und die Geschichte des Antisemitismus. Auf den Informationstafeln werden Themen wie \“2000 Jahre Antisemitismus\“ und \“Antisemitismus und Nahostkonflikt\“ beleuchtet. Die Langlebigkeit und der Wandel antisemitischer Stereotype und Bilder sowie alte und neue Erscheinungsformen des Antisemitismus sind zentrale Themen.
Konzipiert wurde die Ausstellung von der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin, in Darmstadt ist der Asta der Technischen Universität Mitveranstalter. Die Ausstellung ist montags von 8.30 bis 19.30 Uhr zu sehen, dienstags bis donnerstags von 8.30 bis 17.30 Uhr, freitags von 8.30 bis 15 Uhr, außerdem am 11. Dezember (Sonntag) von 10 bis 13 Uhr.
Begleitend gibt es mehrere Vorträge, jeweils ab 19.30 Uhr (Einlass 18.30 Uhr) im Staatsarchiv. Am 2.12. spricht der Soziologe Lutz Eichler über den „Alltag des Antisemitismus“, am 8. Dezember heißt das Thema des Publizisten Sebastian Bischoff „Wo der Ellenbogen regiert. Zur Kritik des Anti-Amerikanismus“ und am 15. Dezember referiert die Politikwissenschaftlerin Ljiljana Radonic über „Die friedfertige Antisemitin? Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus“.
Veranstaltungen:
Freitag, 02.12.05
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (Karolinenplatz 3)
Lutz Eichler (Soziologe, Frankfurt): \“Der Alltag des Antisemitismus\“
Potentielle atomare Bedrohung Israels durch den Iran, Selbstmordattentäter in Haifa, brennende Synagogen in Frankreich – Antisemitismus ist heute eine weltweite und akute Gefahr. Zur Einleitung der Veranstaltungsreihe soll es jedoch um den \“ganz normalen\“ Antisemitismus im post-nationalsozialistischen Alltag Deutschlands gehen, um den im Wohn- und Klassenzimmer, im Büro und im Cafe um die Ecke. Sekundärer, struktureller und antizionistischer Antisemitismus sind selbstverständlicher Teil der Wahrnehmung und Erklärung gesellschaftlicher Prozesse geworden. Wie lässt er sich quantitativ bestimmen, qualitativ beschreiben und erklären? Anhand einiger neuerer Studien wird der Frage nach einem antisemitischen Klima nachgegangen.
Donnerstag, 08.12.05
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (Karolinenplatz 3)
Sebastian Bischoff (Freier Publizist, ehem. wissenschaftlicher Mitarbeiter im Europäischen Parlament): \“Wo der Ellenbogen regiert. Zur Kritik des Anti-Amerikanismus\“
Dass die Weltmacht USA arrogant sei, die McDonaldisierung der Kultur voranschreite und jenseits des großen Teiches die soziale Kälte wohne, weiß der Punk genau so wie die Großbürgerin. Letzteres wird nicht mehr nur in der Linken oder in der \“Zeit\“ Neoliberalismus genannt, auch Blüm, Seehofer und Geißler geißeln die undeutschen Zustände. Manche sehen dann die ganze EU als Bollwerk gegen den anglo-amerikanischen Virus, der beharrlich seine Heuschrecken als Spähtrupp vorschickt.
Der Vortrag will erläutern, wann und warum sich die Wahrnehmung elender Zustände auf Objektsuche macht. Gesucht wird, wer sich verantwortlich zeichnet für die \“Auswüchse\“ des Kapitalismus halte dieser doch als solcher eine große Chance für jeden einzelnen bereit. Warum wird der Schuldige nicht zufällig regelmäßig in den USA, im \“Amerikanismus\“ und unter Amerikanern gefunden.
Montag, 15.12.05
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (Karolinenplatz 3)
Ljiljana Radonic (Politikwissenschaftlerin, Wien): \“Die friedfertige Antisemitin? Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus\“
Haben Frauen dasselbe Bedürfnis wie Männer, unerlaubte Regungen auf \“Sündenböcke\“ zu projizieren oder sind sie zu aggressivem Verhalten und Antisemitismus gar nicht fähig? Sind Frauen tatsächlich das \“friedfertige Geschlecht\“, wie beispielsweise Margarete Mitscherlich behauptete?
Jahrelang hat die \“neue Frauenbewegung\“ ein positives Bild von \“der Frau\“ im NS gezeichnet, was nicht selten zu einer den Holocaust verharmlosenden oder gar antisemitischen Argumentation führt(e). Frauen wirkten als KZ-Aufseherinnen, Denunziantinnen oder Fürsorgerinnen an der Ausgrenzung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden begeistert mit.
Ist dem feministischen Opfermythos die Grundlage entzogen, so lässt sich auf Basis einer kritischen Theorie des Antisemitismus die Frage stellen, ob dieser bei Frauen und Männern die gleichen Bedürfnisse befriedigt, oder ob entsprechend der verschiedenen Geschlechterrollen unterschiedliche Inhalte projiziert werden. Und welche Rolle spielt dabei die Entwicklung zu einer \“vaterlosen Gesellschaft\“, in der charakterlose Charaktere die autoritäre Persönlichkeit ablösen?
Kontakt:
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
Karolinenplatz 3
64289 Darmstadt
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Quelle: Echo Online, 1.12.2005