Kretzschmar neuer Präsident des Stuttgarter Landesarchivs

Oberster baden-württembergischer Archivar wird Robert Kretzschmar, bisher Leiter des Hauptstaatsarchivs. Der 1952 in Frankfurt geborene Kretzschmar tritt die Nachfolge von Wilfried Schöntag als Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg an. Kretzschmar promovierte nach dem Studium der Geschichte und Anglistik an den Universitäten Tübingen und Innsbruck 1983 mit einer Arbeit in mittelalterlicher Geschichte. 

Stationen seiner Karriere waren unter anderem die Staatsarchive Sigmaringen und Ludwigsburg. 1993 wechselte er zur Landesarchivdirektion nach Stuttgart. Seit 2005 ist Robert Kretzschmar Vorsitzender des VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare. Er wird am 30. Januar 2006 in sein neues Amt eingeführt. 

Kontakt:
Landesarchiv Baden-Württemberg
Eugenstraße 7
70182 Stuttgart 
Telefon: ++49 (711) 212-4272 
Telefax: ++49 (711) 212-4283 
verwaltung@la-bw.de
http://www.landesarchiv-bw.de

Quelle: Eßlinger Zeitung, 29.12.2005

Stasi-Aufarbeitung mitgeprägt

Nach 13-jähriger Tätigkeit als Leiterin der mecklenburgischen Stasi-Unterlagenbehörde Görslow tritt Erika Schröder aus Banzkow in den Vorruhestand. Die 60-jährige ist seit den Anfangstagen der Schweriner Behörde für Stasi-Unterlagen dabei gewesen.

Lageplan, BStU-Außenstelle Schwerin in Görslow (Abb.: BStU)

Im Februar 1991 begann sie als Mitarbeiterin des Archivs. Zuvor leitete sie die Bibliothek in Plate und arbeitete im Greifswalder Staatsarchiv. Die Leitung der Unterlagenbehörde wurde ihr nach nur 14 Monaten übertragen. Sie war damals von allen Mitarbeitern am längsten dabei und hatte sich fachlich bewährt.

Gerade die Aufbruchstimmung unter den Mitarbeitern während der ersten Jahre ihrer Tätigkeit empfindet Erika Schröder als etwas Besonderes. Man arbeitete sich in das System des Ministeriums für Staatssicherheit ein, sortierte die Aktenberge, gab die ersten Auskünfte an betroffene Bürger. Die Arbeitstage dauerten nicht selten zwölf Stunden, und auch am Wochenende war man präsent. Es war mehr als ein Job, wenn es darum ging, den ehemaligen DDR-Bürgern klar zu machen, dass und wie man in einer Diktatur gelebt hatte. Neben der Bildungsarbeit gelang es der Schweriner Außenstelle aber auch als erster BStU-Behörde, ihre Unterlagen komplett zu erschließen.

Kontakt:
BStU
Außenstelle Schwerin
19065 Görslow
Tel. 03860/503-0
Fax: 03860/503-1419
astschwerin@bstu.bund.de

Quelle: Kristina Bumb, SVZ, 30.12.2005

Als Zwangsarbeiter in Mainz

Im Februar 1943 wurde der achtzehnjährige Pierre Cordier aus seiner Heimatstadt Remiremont in den Vogesen als Arbeiter auf die Schiffswerft Mainz-Gustavsburg gebracht. Er war einer von mehreren hunderttausend Franzosen, die im Rahmen des „Service du Travail Obligatoire“ zur Arbeit im Deutschen Reich zwangsverpflichtet wurden. Er litt nicht nur unter Heimweh, unter der ungewohnt schweren körperlichen Arbeit, der beengten Unterbringung und dem ständigen Hunger, sondern auch unter der herrischen, feindseligen Art einzelner Vorgesetzter. Hinzu kam die Todesangst während der Luftangriffe, die gegen Kriegsende im Rhein-Main-Gebiet immer bedrohlicher wurden. Ein Fluchtversuch schlug fehl. So musste er bis zur Befreiung durch die U.S.-Truppen im März 1945 ausharren.

Pierre Cordier

Viele Jahre später schrieb er seine Erinnerungen an diese einschneidende Zeit nieder. Darin berichtet er sehr einfühlsam und scharf beobachtend, mit Humor und feiner Ironie über deutsche Kollegen und Vorgesetzte – einige darunter fanatische Nazis, andere hilfsbereit, human und kritisch gegenüber der NS-Kriegspolitik -, über das Zusammenleben mit den ausländischen Kollegen aus vielen europäischen Ländern, über die vielen angstvollen Stunden in den Luftschutzräumen und über die kleinen Momente der Freundschaft und des Glücks, die es in diesen trostlosen zwei Jahren ebenso gab. Aus seinem Text spricht auch das tiefe Mitgefühl, das er für die deutsche Zivilbevölkerung empfand, wenn er nach schweren Luftangriffen die Stadt Mainz brennen sah. Trotz der schlimmen Erfahrungen, die er während der Zeit des Nationalsozialismus hier gemacht hatte, fühlte sich Pierre Cordier sein Leben lang mit der Region Mainz und der Mainspitze und ihren Menschen eng verbunden.

Info:
Im Verein für Sozialgeschichte Mainz erschien jetzt:
Pierre Cordier: Als Zwangsarbeiter auf der Schiffswerft in Mainz Gustavsburg 1943 bis 1945. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Hedwig Brüchert. Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter, Mainz 2005, 93 Seiten, ISSN-Nr. 1435-8026, 6,00 Euro.

Link: www.zwangsarbeit.rlp.geschichte.uni-mainz.de

Papierzerfall und Spardruck in Berlin-Brandenburg

Bibliotheken und Archive in Berlin und Brandenburg beklagen Papierzerfall, Tierfraß und Schimmel in ihren Beständen. Fast 70 Prozent aller Einrichtungen sollen Probleme haben. In Brandenburg ist besonders das Landeshauptarchiv betroffen. Schimmel hat dort vorrangig Grundbücher und Grundakten aus bestimmten Beständen betroffen, die Anfang der 1990er Jahre aus "katastrophalen Lagerbedingungen" ins Potsdamer Archiv übernommen wurden, so Archivleiter Klaus Neitmann.

Daneben gibt es Dokumente, die auf extrem säurehaltigem Papier gedruckt wurden. Der für Erhalt zuständige Referent Mario Glauert geht davon aus, dass 70 Prozent der Unterlagen des Archivs wegen säurehaltigen Papiers vom Zerfall bedroht oder schon beschädigt sind. Grob geschätzt müssten 24.000 laufende Meter Schriftgut, das nach 1850 entstanden ist, entsäuert werden. Das chemische Verfahren kostet etwa 50 Euro pro laufenden Meter. Für das Ausbessern von Rissen oder das Reinigen und Entfernen von Metallteilen seien je laufenden Aktenmeter 1.000 Euro zu veranschlagen. Dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam stehen für Restaurationen aber nur 30.000 Euro im Jahr zur Verfügung.

Unabhängig von der Frage einer Finanzierung der Restaurierung fehlten kleineren Kreis- und Gemeindearchiven in der Regel auch die Fähigkeiten, fachgerechte Anträge für Fördermittel zu formulieren. Archivare halten daher eine gemeinsame Fachstelle für Berlin und Brandenburg für sinnvoll, die kleinere Archive beraten könnte. Für das Landeshauptarchiv selbst ist laut Direktor Neitmann ein Neubau mit klimatisiertem Magazin erstes Anliegen.

Dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg sind die Schwierigkeiten bekannt. Ein Sonderprogramm für die Restaurierung von Beständen wird jedoch ausgeschlossen. Die Landesregierung geht nicht davon aus, dass Kulturgut in relevanter Größenordnung verloren gehen könne. Archive und Bibliotheken müssten ihre Arbeit koordinieren und die Restaurierung mehrfach vorhandener Exemplare einsparen.

Link: www.landeshauptarchiv-brandenburg.de

Quelle: Rüdiger Braun, Märkische Allgemeine, 27.12.2005

Stuttgart-Marketing und Stadtarchiv stellen Kalender 2006 vor

In Kooperation mit dem Stadtarchiv Stuttgart hat die Stuttgart-Marketing Gesellschaft zum FIFA-WM-Jahr 2006 einen Wandkalender mit historischen Sportplakaten aus Stuttgart herausgebracht. Laut Touristikdirektor Klaus Lindemann habe sich die Kooperation mit dem Stadtarchiv Stuttgart schon einmal bewährt: Der erste gemeinsame Jahreskalender 2002 war sehr schnell vergriffen. 

Historische Sportplakate aus Stuttgart, 2006 (Abb.: Stadtarchiv Stuttgart)

Der neue Wandkalender für das kommende Jahr wird mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren herausgegeben und kostet 19,90 Euro. Die Zusammenstellung der Plakate sei eine spannende Arbeit gewesen, so der Leiter des Stuttgarter Stadtarchivs, Roland Müller. Dreizehn historische Sportmotive prägen den Kalender. Die erste Kalenderhälfte ist dem Fußball gewidmet, die andere Hälfte besitzt einen breiteren Fokus. 

Der Kalender gelte als Botschafter für die Europäische Sporthauptstadt 2007. Der Wandkalender wird in die ganze Welt versandt: an die Außenstellen der Deutschen Zentrale für Tourismus, an die Deutschen Botschaften, an Reiseveranstalter, Journalisten und an die ausländischen Vertretungen deutscher Firmen.

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Silberburggasse 191
70178 Stuttgart
Tel. 0711 216-6327
Fax: 0711 216-4456
stadtarchiv@stuttgart.de

Quelle: Eßlinger Zeitung, 27.12.2005 (Abb.: Stadtarchiv Stuttgart)

Stadtarchiv Düsseldorf sucht KLV-Zeitzeugen

Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes 1945 steuerte das Stadtarchiv Düsseldorf eine Ausstellung bei, die sich hoher Besucherzahlen erfreute. Im Zusammenhang mit dieser Präsentation, die nicht zuletzt durch zahlreiche Leihgaben Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger realisiert werden konnte, wurde allerdings ein eigenes \“Kapitel\“ zur Kinderlandverschickung aus Düsseldorf vermisst. 

Das Stadtarchiv Düsseldorf plant nun eine Dokumentation zum Thema Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg und sucht Zeitzeugen, die sich an diese Zeit erinnern. Mehrere zehntausend Kinder und Jugendliche waren während des Krieges in ländliche Gebiete evakuiert worden, um sie vor den immer massiver werdenden Bombenangriffen zu schützen. Sie fanden in Lagern und Heimen in Thüringen, Franken, im Allgäu und anderen Orten ein Unterkommen.

Für die geplante Dokumentation sucht das Stadtarchiv Düsseldorf auch zeitgenössische Tagebücher, Briefe, Photographien und Zeichnungen, die in die Publikation einfließen sollen. Ebenso werden Dokumente über die Aufnahme von Düsseldorfer Kindern im Nachkriegsjahr 1947 im englischen Reading gesucht. 

Kontakt:
Dr. Benedikt Mauer
Stadtarchiv der Landeshauptstadt Düsseldorf 
Heinrich-Ehrhardt-Straße 61
40468 Düsseldorf
Telefon (0211) 89-95737
Telefax (0211) 89-29155
stadtarchiv@stadt.duesseldorf.de

Quelle: RP Online, 22.12.2005

Birthler: Stasiakten-Gesetz neu fassen

Der Bundestag soll nach dem Willen der Bundesbeaufragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, im Jahr 2006 den Zugang zu den Akten verbessern. Birthler und die Landesbeauftragten wollen das seit 15 Jahren gültige Stasiunterlagen-Gesetz im Bundestag überarbeiten lassen. Dazu gehöre etwa die Nutzung des Internets für die politische Bildungsarbeit. So dürfe die Behörde heute personenbezogene Informationen aus Akten gemäß der geltenden Rechtslage eigentlich gar nicht im Internet publizieren. 

Ein weiteres Problem sei, dass die Akten nur für Forschungen über den DDR-Staatssicherheitsdienst genutzt werden dürften. Sinnvoll wäre es hingegen, sie auch für die Diktaturforschung zu öffnen. Weiterhin sei eine Akte für Recherchen gesperrt, sobald die Person stirbt. Hier sollte aber nach einer Frist die Zugänglichkeit gewährt sein. Ein anderes Problem steht vor einer Lösung, denn das zentrale Melderegister der DDR, dessen Nutzungsfrist zum Jahresende 2005 ausläuft, werde nach kurzer Pause wieder zur Verfügung stehen. Ohne das Melderegister ist die Zuordnung von gefundenen Stasiakten zu den entsprechenden Personen stark erschwert.

Zur Debatte um eine Umwandlung der Behörde in ein Archiv sagte Birthlers Sprecher Christian Booß der "Netzeitung", dass es bei den geplanten Änderungen nur um das Stasiunterlagen-Gesetz, nicht um die Einrichtung selbst gehe. Die Behörde sei allerdings zu einem Wandel bereit, wie die Reduktion der BStU-Außenstellen von 14 auf zehn zeige. – Das Bundeskabinett hatte beschlossen, dem Bundestag die Wiederwahl Birthlers als Beauftragte für die Unterlagen des DDR-Staatssicherheitsdienstes für weitere fünf Jahre vorzuschlagen. 

Kontakt:
Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
Otto-Braun-Straße 70/72
10178 Berlin
(0 30) 23 24 – 50 oder
(0 18 88) 6 65 – 0
(0 18 88) 6 65 77 99 
post@bstu.bund.de
http://www.bstu.de/

Quelle: Netzeitung, 21.12.2005

Aargauer Verwaltung wird transparenter

Am Dienstag hat der Grosse Rat, die Legislative des Kantons Aargau, das Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG) in erster Lesung ohne Gegenstimme gutgeheißen. Das Gesetz, das in den meisten Schweizer Kantonen bereits existierte (siehe auch den Bericht vom 17.7.2005), bedeutet einen Paradigmenwechsel: Weg vom Geheimhaltungsprinzip mit Öffentlichkeitsvorbehalt, hin zum Öffentlichkeitsprinzip mit Geheimhaltungsvorbehalt. 

Alle Amtstellen, staatlichen Institutionen und für den Staat tätige Private sind künftig von Amtes wegen verpflichtet zu informieren. Die Einsichtnahme in amtliche Dokumente und Behördenakten ist kostenlos, sofern kein Zusatzaufwand entsteht. Das Öffentlichkeitsprinzip wird in der Verfassung verankert.

Kontakt:
Kanton Aargau
Regierungsgebäude
CH-5001 Aarau
Tel. +41 (0)62 835 35 35
Fax +41 (0)62 835 12 50
parlamentsdienst@ag.ch

Quelle: limmattalonline, 13.12.2005

Mannheimer Hofjuden des 18. Jahrhunderts

Das Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte und der Verein der Freunde des Stadtarchivs Mannheim e.V. freuen sich, ihre neue gemeinsame Publikation der Öffentlichkeit zu präsentieren: Britta Waßmuth, „Im Spannungsfeld zwischen Hof, Stadt und Judengemeinde Soziale Beziehungen und Mentalitätswandel der Hofjuden in der kurpfälzischen Residenzstadt Mannheim am Ausgang des Ancien Régime“. Die Dissertation von Britta Waßmuth greift mit den „Mannheimer Hofjuden des 18. Jahrhunderts“ ein Thema auf, das sowohl für die Mannheimer Stadtgeschichte als auch für die überregionale Geschichtsschreibung von großem Interesse ist.

Mit Lemle Moses erlangte zu Ende des 17. Jahrhunderts erstmals ein in Mannheim wohnhafter Jude den Status eines kurpfälzischen Hoffaktors. Nachdem die Stadt 1720 von Kurfürst Karl Philipp zur Residenz erhoben wurde, stieg die Zahl der Hofjuden in Mannheim an. Insgesamt lebten zwischen 1720 und 1778 in Mannheim 27 Hoffaktoren, mehr als die Hälfte aller bekannten kurpfälzischen Hofjuden. Karl Philipp brauchte Hofjuden für Finanztransfers, ohne die in Mannheim niemals das Schloss hätte erbaut werden können. Die Mannheimer Hofjuden konnten ihrer Rolle als Finanziers des Kurfürsten aber nur durch enge Vernetzung mit anderen wichtigen jüdischen Familien in Deutschland gerecht werden. Wichtige Kontakte bestanden nach Wien, München, Stuttgart, Frankfurt, Hannover und Berlin.

Der kurpfälzische Hofjude Elias Hayum (1707-1766) (Abb. Stadtarchiv Mannheim)

Abbildung: Der kurpfälzische Hofjude Elias Hayum (1707-1766) war zunächst Mitarbeiter des Stuttgarter Hofjuden Josef Süß Oppenheimer und siedelte erst 1740 – nach dessen Hinrichtung im Jahr 1738 – nach Mannheim um

Die Hofjuden standen „im Spannungsfeld zwischen Hof, Stadt und Judengemeinde“: tief in ihrem jüdischen Glauben verwurzelt, hatten sie als wichtige Finanziers des Kurfürsten direkten Zugang zum Hof und gehörten als Wirtschaftselite zu den reichsten Einwohnern der Stadt. Das eröffnete ihnen Chancen, führte aber auch zu Konflikten. Die Autorin lotet in ihrer interessanten Untersuchung, die auf einem breiten Quellenstudium basiert, sehr genau aus, wie sich Rahmenbedingungen, Lebensumfelder und individuelle Orientierungen auf das Handeln, die Handlungsspielräume und die sozialen Beziehungen zwischen Bürgertum und Adel sowie zwischen Juden und Christen auswirkten.

Britta Waßmuth: Im Spannungsfeld zwischen Hof, Stadt und Judengemeinde. Soziale Beziehungen und Mentalitätswandel der Hofjuden in der kurpfälzischen Residenzstadt Mannheim am Ausgang des Ancien Régime

Das Ansehen der Hofjuden bei der christlichen Stadtgesellschaft entsprach dem der jüdischen Oberschicht der Stadt. Es kam nur dort zu Neid und Anfeindungen durch die Stadtgesellschaft, wo Elemente der höfischen Lebensweise zu offensichtlich adaptiert wurden. Denn dies stand – nach Meinung der christlichen Mehrheit – einem Juden nicht zu.

Innerhalb der jüdischen Gemeinde jedoch war das Ansehen stark vom Eintreten für die eigene Gemeinde, von der verwandtschaftlichen Einbindung in diese und erst nachrangig vom Lebensstil abhängig. Viele der vermögenden und einflussreichen Hofjuden übernahmen wichtige Funktionen innerhalb des jüdischen Gemeindeverbands, wurden zu Vorstehern gewählt und riefen Stiftungen ins Leben. Ihre Nachkommen gingen im Mannheimer Großbürgertum auf, verschwägerten sich mit anderen aufstrebenden jüdischen Familien und gehörten damit zu den Mitbegründern der ältesten Bankhäuser in Mannheim (Ladenburg, Hohenemser u.a.).

Info:
Britta Waßmuth: Im Spannungsfeld zwischen Hof, Stadt und Judengemeinde. Soziale Beziehungen und Mentalitätswandel der Hofjuden in der kurpfälzischen Residenzstadt Mannheim am Ausgang des Ancien Régime. (Sonderveröffentlichung des Stadtarchivs Mannheim – Institut für Stadtgeschichte Nr. 32). 296 Seiten zzgl. 16 Seiten in Farbe. Ludwigshafen 2005. pro MESSAGE. ISBN 3-934845-30-4. 24,00 EUR.

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Elektronische Archivierung nicht nur IT-Sache

In der Schweiz finden sich die grundlegenden gesetzlichen Vorschriften über die rechtskonforme Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern im Obligationenrecht (OR) und in der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV). Seit 2002 dürfen die Bücher, die Buchungsbelege und die Geschäftskorrespondenz auch elektronisch geführt und aufbewahrt werden. Das damit verbundene Einsparungspotenzial scheint verheißungsvoll; Unsicherheiten bei der praktischen Umsetzung der OR- und GeBüV-Normen hindern aber noch viele Unternehmen daran, das vorhandene Papierarchiv durch ein elektronisches Archiv zu ersetzen.

Maria Winkler, geschäftsführende Partnerin der IT & Law Consulting in Zug und Luzern und Dozentin für Informatikrecht sowie Recht im Internet an der Hochschule für Wirtschaft Luzern, weist in ihrem sicherlich kontrovers zu diskutierenden Beitrag für die Online-Ausgabe der Schweizer Wochenzeitschrift für Informatik auf die rechtlichen Aspekte bei der Ablösung eines Papierarchivs durch ein elektronisches Archiv hin und formuliert Handlungsanleitungen für Unternehmen, die der Suche nach einem bestimmten Dokument "im unübersichtlichen Dschungel eines Papierarchivs" überdrüssig geworden sind: 

Für ein E-Archivierungsprojekt müsse neben der Evaluation der für das Unternehmen optimalen technischen Archivierungslösung die Frage geklärt werden, welche Dokumente auf Grund gesetzlicher Vorgaben, aus Gründen der Beweissicherung oder der internen Dokumentation in welcher Form aufzubewahren sind. Entgegen der weit verbreiteten Auffassung, dass Archivierungsprojekte als IT-Projekte auch die alleinige Aufgabe und Verantwortung der IT-Abteilung seien, liege die Identifikation der zu archivierenden Dokumente in der Verantwortung der Unternehmensführung. Ein Archivsystem könne die Unternehmensführung bei der rechtskonformen Archivierung unterstützen – ein großer Teil der Verantwortung bleibe jedoch beim Unternehmen selbst.

Die Integrität der elektronisch archivierten Dokumente müsse während der gesamten Aufbewahrungsdauer ("in der Regel 10 Jahre") sichergestellt werden. Der Gesetzgeber verlange jedoch nicht, dass diese absolut unveränderbar sind. Die GeBüV überlässt es dem Unternehmen, die entsprechenden technischen Verfahren zum Schutz der Datenintegrität (z.B. digitale Signatur und Zeitstempeldienste) selbst auszuwählen. Die archivierten Geschäftsdokumente müssen zudem während der gesamten Aufbewahrungsdauer innerhalb einer "angemessenen Frist" verfügbar sein. Abschließend weist Frau Winkler darauf hin, dass die Zuständigkeiten für die archivierten Informationen genau geregelt sein und Zugriffe aufgezeichnet und überwacht werden müssen. Zu diesem Zweck müssen die Archivdaten von den aktuellen Daten getrennt werden. Eine physische Trennung sei jedoch nicht zwingend erforderlich, es genüge, die Daten so zu kennzeichnen, dass eine entsprechende Unterscheidung möglich ist.

Quelle: Maria Winkler, Computerworld Online, 19.12.2005