DÖW – Neue Dauerausstellung und neues Veranstaltungszentrum

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), eine der ersten Adressen zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen in Wien, kann mit einer neuen Dauerausstellung und einem neuen Veranstaltungszentrum aufwarten. Brigitte Bailer Galanda, die Leiterin des Dokumentationsarchivs im Hof des alten Rathauses in Wien hebt auf dessen Funktion als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ab.

Die 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche des DÖW sind für eine verknappte Form und ein Anreissen der Themen da, eine virtuelle Erweiterung findet durch aufgestellte PC-Terminals und im Netz statt. – Es war das Jubiläums- und Gedenkjahr in Wien, das die Stadt dazu motivierte, nach einem Viertel Jahrhundert eine Erneuerung der Stelle zu schaffen, die für Schüler und Studenten den Kontakt zum gesammelten Wissen über Nationalsozialismus und die Ausgrenzung und schließlich Vernichtung der Juden und politisch Andersdenkender bieten soll.

Kontakt:
DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Altes Rathaus
Wipplingerstr. 6-8
A-1010 Wien
Telefon: +43-1-22 89 469/319
office@doew.at

Quelle: Samuel Laster, die jüdische, 8.11.2005

Synagogen-Internet-Archiv ausgebaut

Seit dem 9. November 2002 ist das Synagogen-Internet-Archiv online. Es gestattet der Öffentlichkeit erstmals einen Überblick über die mehr als 2.200 Synagogen in Deutschland und Österreich, die 1933, zur Zeit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, noch in Benutzung oder als Gebäude vorhanden waren.

Zusätzlich zu diesen über 2.200 erfassten Synagogen sollen nun Synagogen des Mittelalters in die interaktiven Datenbank der TU Darmstadt aufgenommen werden. Damit können die Ergebnisse einer erst kürzlich am Institut für Baugeschichte der TU Braunschweig abgeschlossenen Forschungsarbeit von Dr.-Ing. des. Simon Paulus, Mitarbeiter der Bet Tfila-Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa zum mittelalterlichen Synagogenbau, nun einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

In den kommenden Monaten werden Grundinformationen zu über 240 belegbaren Bauten des Mittelalters eingegeben. Unter www.synagogen.info können vom 9. November an, dem 67. Jahrestag der Pogromnacht von 1938, erste Informationen und Abbildungen zu diesen Synagogen über das Internet abgerufen werden und durch Kommentare, Links und Bilder ergänzt werden.

Das Synagogen-Internet-Archiv ist Bestandteil einer umfangreichen Forschungsarbeit von Dipl. Ing. Marc Grellert an der TU Darmstadt, Fachgebiet IKA – Informations- und Kommunikationstechnologie in der Architektur. An der TU Darmstadt, Fachgebiet IKA, werden seit 1994 Synagogen am Computer mit der Absicht rekonstruiert, den kulturellen Verlust durch die Visualisierung zerstörter Architektur aufzuzeigen, die bauhistorische Bedeutung der Gebäude in Erinnerung zu rufen und einen Beitrag des Mahnens und Erinnerns in Bezug auf die NS-Zeit zu leisten.

Quelle: hagalil.com, 8.11.2005

Urkunden im ältesten deutschen Weinlokal entdeckt

Im ältesten deutschen Weinlokal, dem bereits 1543 von Hans Sachs literarisch verarbeiteten Gasthof "Goldenes Posthorn" in Nürnberg, sind bei einem Besitzerwechsel überraschend Jahrhunderte alte Urkunden zur Geschichte des Hauses aufgetaucht. Die Dokumente gäben Aufschluss über die Vorbesitzer des 1498 erstmals erwähnten Gasthauses in den Jahren 1526 bis 1633, erläuterte der Leiter des Nürnberger Stadtarchivs, Michael Diefenbacher.

Gasthofbesitzer Werner Behringer, der zugleich Vorstandsmitglied des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg ist, hatte das Haus vor zwei Jahren erworben und das Lokal restauriert. Die Urkunden wurden von der Vorbesitzerin in einer Holzkiste verwahrt. Behringer übergab die Dokumente sowie mehrere historische Gegenstände dem Nürnberger Stadtarchiv.

Kontakt:
Stadt Nürnberg / Stadtarchiv
Marientorgraben 8
90402 Nürnberg
Tel.: +49 911 / 231 – 2770, 2772
Fax: +49 911 / 231 – 4091
stadtarchiv@stadt.nuernberg.de 

Quelle: Der Standard, 7.11.2005

Archiv der Filmfabrik Wolfen ein Fundus für die Wissenschaft

Manfred Gill wurde vor 35 Jahren zum Hüter des Archivs der Filmfabrik Wolfen. Auch nach der Wende ist er dort geblieben. Das große Werk gibt es nicht mehr, aber der Arbeitsplatz des Historikers und Archivwissenschaftlers Gill ist dort verblieben: im heutigen Industrie- und Filmmuseum. 1998 wurde dem Industrie- und Filmmuseum Wolfen der historische Teil des Betriebsarchivs der ehemaligen Filmfabrik Wolfen übergeben. Das Wolfener Archiv umfasst 2,1 Kilometer Schriftgut, dazu gesellen sich Sammlungen: 18.000 Fotos und auch die historische Handbibliothek, die momentan in die Museumsbibliothek eingearbeitet wird.

500 Tonnen Papier pro Jahr sind zu Filmfabrik-Zeiten verarbeitet oder beschrieben worden. So nimmt die Arbeit mit den Akten heute kein Ende. Nach der Wende habe man zunächst einmal alles vor den Abrissbirnen gerettet, was zu retten war. Die aufwendige Erschließung kam danach und dauert noch an. Zugleich erreichen aber auch immer mehr Anfragen das Archiv. \“Mit unserem Material\“, sagt Manfred Gille, \“werden Diplomarbeiten, Dissertationen geschrieben.\“ Zum Beispiel die \“Über die Faserproduktion 1932-1939\“ an der Jenaer Universität. Auch die Schriftenreihe des Fördervereins lebe von dem Archivmaterial und so manche Ausstellung des Museums.

Kontakt:
Industrie- und Filmmuseum Wolfen
Chemiepark Bitterfeld-Wolfen
Areal A
Bunsenstrasse 4
06766 Wolfen
Tel. 03494-636446
ifm-wolfen@gmx.de

Quelle: Brigitte Mittelsdorf, Mitteldeutsche Zeitung, 4.11.2005

Ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landeskirchlichen Archivs Kassel erhält Hessischen Archivpreis 2005

Auf Vorschlag des Landeskirchlichen Archivs Kassel wird Herrn Dekan i.R. Christian Hilmes am 17. November 2005 der Hessische Archivpreis in der Kategorie Ehrenamt durch Herrn Staatsminister Udo Corts verliehen. Herr Hilmes erhält den mit 1.000,- € dotiertem Preis für seine herausragendes Engagement im Dienste des Kulturgutschutzes bei der Erschließung von Pfarrarchiven. Seit 2001 verzeichnet er die zwölf Pfarrarchive „seines“ Kirchenkreises Kaufungen und macht dieses Kulturgut in besonderer Qualität für die Öffentlichkeit zugänglich.

Der Preis wurde zum ersten Mal von einer Jury vergeben, die sich u.a. aus dem Vorstand des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare (Landesverband Hessen), Vertretern der Hessischen Staatskanzlei und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen zusammensetzt. 

Die Preisverleihung wird im Stadtarchiv Pfungstadt stattfinden, da diese Einrichtung den Preis in der Kategorie Archiv erhalten hat. 

Bettina Wischhöfer (Kassel)

Film über Bischof von Galen jetzt auf DVD

Sechs Wochen nach seiner Premiere ist der vieldiskutierte Film des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) über Clemens August Graf von Galen jetzt auch als DVD erhältlich. Das Porträt zeichne auf der Basis zahlreicher, zum Teil bislang unveröffentlichter historischer Filmaufnahmen ein respektvolles, aber differenziertes Bild der Persönlichkeit des Bischofs, erläutert Dr. Markus Köster, Leiter des Westfälischen Landesmedienzentrums des LWL. Gegenüber der ersten Fassung sei die Produktion vom Autor Markus Schröder leicht überarbeitet worden, insbesondere durch den Austausch eines falsch datierten Zitats. An seinen kritischen Aussagen über die Haltung Galens zu Demokratie und Krieg halte der Film aber unverändert fest. Galen war von 1933 bis zu seinem Tod 1946 Bischof von Münster.

Bei seiner Vorstellung im Rahmen des Filmfestivals Münster am 23. Oktober fand die überarbeitete Fassung gleichwohl ungeteilte Zustimmung. Der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Wilhelm Damberg zeigte sich von dem Film \“sehr beeindruckt\“. Es gelinge ihm in hervorragender Weise, in die Lebenswelt des Bischofs und seine Zeit einzuführen. 

Domkapitular Martin Hülskamp unterstrich, die sehenswerte Produktion des Landesmedienzentrums habe einen wichtigen Anstoß zur Neubewertung der Person Clemens August Graf von Galen gegeben. Und selbst Museumsdirektor a.D. Hans Galen, bislang einer der schärfsten Kritiker des Films, erklärte, dass dieser sich durch die Überarbeitung \“entschieden verbessert\“ habe. Der Schriftsteller Burkhard Spinnen, Moderator des Filmgesprächs, konstatierte angesichts der überraschenden Einigkeit auf dem Podium, offenbar habe der Film mit seinen kritischen Aussagen im katholischen Münster einen Schock ausgelöst, den man erst habe verarbeiten müssen.

Die DVD mit dem Titel \“Nicht Lob noch Furcht. Clemens August Graf von Galen\“ kann ab sofort zum Preis von 14,90 Euro zuzüglich Versandkosten beim Westfälischen Landesmedienzentrum (48133 Münster, medienzentrum@lwl.org) erworben werden.

Kontakt:
Dr. Markus Köster
Westfälisches Landesmedienzentrum
Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Fürstenbergstr. 14, 48133 Münster
Tel.: 0251/591-3901
Fax: 0251/591-3982

www.westfaelisches-landesmedienzentrum.de

Geschichte im Plakat 1933-1945

Sonderausstellung im Stadtmuseum vom 1. Dezember 2005 bis zum 26. Februar 2006: Die Stadtarchive – Institute für Stadtgeschichte – Karlsruhe und Mannheim präsentieren mit der Ausstellung „Geschichte im Plakat 1933-1945“ den zweiten Teil eines insgesamt vierteiligen Ausstellungszyklus, der wichtige Abschnitte in der Geschichte der beiden größten badischen Städte im 20. Jahrhundert beleuchtet (siehe Meldung vom 23.11.2004).

Die Ausstellung gliedert sich in zwei Abteilungen mit jeweils 4 Kapiteln. Im ersten Bereich „Leben unter dem Hakenkreuz“ zeigen die Plakate aus den Sammlungen der beiden Institute sowie dem Institut für Zeitungsforschung Dortmund anschaulich die Gleichschaltung, den Hitlerkult und nationalsozialistische Propaganda, die Volksgemeinschaft sowie die Judenverfolgung. Die Abteilung „Der Zweite Weltkrieg“ behandelt die Themen Kriegsverlauf und -propaganda, Luftkrieg, Heimatfront und das Kriegsende. Ergänzend zu den Plakaten sind Karlsruher und Mannheimer Photos zu sehen. Führungen und Vorträge werden im Begleitprogramm angeboten.

Die Ausstellung wird vom 22. März bis 5. Juni 2006 im Stadthaus N 1 in Mannheim gezeigt.

Kontakt:
Institut für Stadtgeschichte
– Stadtarchiv –
Markgrafenstraße 29
76133 Karlsruhe
Tel. 133-4225
Fax 133-4299
archiv@kultur.karlsruhe.de
http://www4.karlsruhe.de/kultur/stadtgeschichte/stadtarchiv

\"Foto\"

Ausstellungseröffnung im Landeskirchlichen Archiv Kassel zur Zweiten Reformation in Hessen-Kassel 1605 am 31. Oktober 2005

Am Reformationstag hat das Landeskirchliche Archiv der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck zum ersten Mal eine Ausstellung im eigenen Haus eröffnet. 50 geladene Gäste aus den Bereichen Kirche und Kultur wohnten der Eröffnung bei. Dr. Bettina Wischhöfer, Leiterin des Archivs, führte in die Ausstellung ein. Kerstin Langschied und Peter Unglaube, beide Mitarbeiter des Archivs, entwickelten ihre Ausstellungskonzeption anschließend in einem Streitgespräch.

\"Kerstin

Abb.: Kerstin Langschied und Peter Unglaube, die Kuratoren der Ausstellung, während der Eröffnung (Foto: LkA EKKW)

Am 18. Juni, dem Stichtag der Reform durch Landgraf Moritz vor 400 Jahren, gab es zwar einen Hinweis im Internet auf dem „Bildungsserver Hessen“, es fand aber nirgendwo eine Ausstellung statt. Also konzipierte das Archiv eine Ausstellung, die an die Ereignisse um die Zweite Reformation und die weitreichenden Folgen der drei Verbesserungspunkte von Landgraf Moritz erinnert (anderes Verständnis von Christus in der Welt, Bilderverbot, neues Abendmahl). 

Bei einem Rundgang durch die Ausstellung gibt es viel zu entdecken: schwarze Tücher, gebrochenes Brot, zerbrochene Bilder, ja – Prügeleien in einer Kirche und eine Mordgeschichte: der Ermordete war lutherisch, der Täter reformiert. Die von Landgraf Moritz initiierte Reform löste in der Bevölkerung teilweise offenen Widerstand aus. So wurden in manchen Kirchengemeinden jahrelang die Konfirmationen boykottiert, da sich die Bevölkerung mit dem neuen Abendmahl nicht anfreunden konnte.

Die zwölf Ausstellungstafeln sind zu gut 60 Prozent mit bisher nicht ausgewerteten und veröffentlichten Archivalien und Exponaten des Landeskirchlichen Archivs Kassel bestückt worden. Die sozialgeschichtliche Auswertung der Quellengattungen Kirchenbücher und Kirchenrechnungen lieferte zentrale Daten zur Mikrogeschichte der Reform in den einzelnen Kirchengemeinden. Es ist eine zentrale Aufgabe des Archivs, „in Mitverantwortung für das kulturelle Erbe“ an der „Auswertung und Vermittlung“ seines Archivgutes mitzuwirken.
Die Ausstellung reiht sich auch in die Initiative der EKD zur Förderung kirchlicher „kultureller Kompetenz“ ein.

Das Landeskirchliche Archiv gestaltet kirchliche Erinnerungskultur anschaulich und lebendig. Auch deshalb wird diese Ausstellung im nächsten Jahr als Wanderausstellung durch die Landeskirche gehen. Eine Publikation zur Ausstellung ist in Vorbereitung.

Die Ausstellung „Von gebrochenem Brot und zerbrochenen Bildern – Die Zweite Reformation in Hessen-Kassel 1605“ ist vom 1. November 2005 bis zum 22. Dezember 2005 Dienstags bis Donnerstags von 8.00 bis 16.00 Uhr im Foyer des Landeskirchlichen Archivs Kassel, Lessingstraße 15 A, 34119 Kassel, zu sehen. Führungen sind nach Voranmeldung möglich (Tel. 0561/ 788760, Mail: archiv@ekkw.de). 

Bettina Wischhöfer 

Links:

Kontakt:
Dr. Bettina Wischhöfer
Landeskirchliches Archiv Kassel / Vorsitzende Verband kirchlicher Archive 
Lessingstraße 15 A
34119 Kassel
Tel. 0561 / 78876-12
Fax: 0561 / 78876-11
archiv@ekkw.de
www.ekkw.de/archiv

Kein Weltkulturerbe ohne das Stadtarchiv

Für die Lüneburger Stadtarchivarin Dr. Uta Reinhardt ist es selbstverständlich, dass das Archiv eine bedeutende Rolle bei der geplanten Bewerbung Lüneburgs für das UNESCO-Weltkulturerbe spielt. Das insgesamt rund vier Regalkilometer Archivalien umfassende Stadtarchiv, darunter das Original der Stadtrechtsurkunde von 1247, sei eine sprudelnde Quelle für die Wissenschaft.

Längst reicht aber der Platz im Rathaus nicht mehr aus, in Kellern des Bürgeramtes und des Heinrich-Heine-Hauses lagern Unterlagen. Es gibt laufenden Zugang, darunter auch CDs und CD-Roms. Zur Frage, wie die digitalen Medien aufzubewahren sind, wird es im nächsten Jahr in Lüneburg eine Tagung geben.

Auch private Nachlässe Lüneburger Familien haben im Stadtarchiv ihren Alterssitz gefunden, ebenso wie Gemälde und Reste des Ratssilbers. Die meisten Originalgefäße verkaufte die klamme Stadt 1874 für 660.000 Mark an das Berliner Kunstgewerbemuseum. Noch heute fragen Museen an, ob sie sich etwas aus dem reichen Fundus des Archivs ausleihen können. Aktuell hängt ein Bild zur Geschichte der Hugenotten in einem Berliner Museum – ein Schatz aus Lüneburgs großem Erbe. 

Kontakt:
Stadt Lüneburg
45 – Stadtarchiv
Dr. Uta Reinhardt
Waagestraße
21335 Lüneburg
Telefon: 04131 / 3 09 – 2 23 
Fax: 04131 / 3 09 – 5 86
stadtarchiv@stadt.lueneburg.de

Quelle: Landeszeitung für die Lüneburger Heide, 2.11.2005

Über die Haltbarkeit von Bits und Bytes in den Archiven

Das Ziel von \“nestor\“ , dem \“Network of Expertise in Long-Term Storage of Digital Resources\“, ist es, die verschiedenen Kompetenzen, Interessen und Anforderungen in der digitalen Langzeitarchivierung zusammenzuführen und eine Organisationsform zu finden, die den Erhalt des digitalen kulturellen Erbes für zukünftige Generationen sichert. Während des 75. Deutschen Archivtags Ende September 2005 in Stuttgart ist einmal mehr deutlich geworden, dass die Entwicklung von einem \“Königsweg\“ für ein optimales Speicherformat noch weit entfernt ist. Und das hat seinen Grund, wie Dr. Christian Keitel vom Landesarchiv Baden-Württemberg erläutert: \“Digitale Unterlagen in Behörden, Gerichten, Unternehmen oder ganz allgemein an Stellen, die ihre Altunterlagen Archiven anbieten oder auch anbieten müssen, liegen praktisch in allen Ausgangsformaten vor, die wir zur Zeit kennen. Und wir wissen so gut wie nichts über die Technologie der Zukunft, mit der die Daten noch in Hunderten von Jahren lesbar sein sollen.\“

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen Daten, die schon digital entstehen – \“born digital\“ – und die auf Papier oder einem anderen \“herkömmlichen\“ Medium auch gar nicht darstellbar sind. Um solche Unterlagen dauerhaft zu erhalten und zugänglich zu machen, setzen die Archive auf die Migration der Daten in einige wenige standardisierte Formate. \“Das ist nur eine Strategie von mehreren, und es ist uns wichtig, diese Möglichkeiten nicht nur in der Theorie zu erforschen, sondern vor allem auch in der Praxis zu erproben\“, beschreibt Keitel die Aufgabe, vor der die Archive heute stehen.

Eine Alternative zur Datenmigration ist die so genannte \“Emulationsstrategie\“, ein bisher noch eher theoretisches Modell, das vor allem für Bibliotheken interessant ist. Obwohl es – technologisch gesehen – vielversprechend ist, die \“veraltete\“ Umgebung einer Datei in neuer Hardware nachzubilden, sieht Keitel die Entwicklungsmöglichkeiten für die Umsetzung in Archiven kritisch: \“Bei der Vielfalt der archivierten Dateiformate ist die Emulation extrem aufwändig und außerdem mit dem Risiko behaftet, dass die Objekte zukünftig zwar visuell dargestellt, aber nicht mehr bearbeitet werden können.\“ Denn das ist nur möglich, wenn man die Dateien – mitsamt ihrer ursprünglichen Funktionalität – auch in die dann gängigen Formate exportieren kann.

Als eine weitere Strategie wird die Konversion der Daten diskutiert. Die digitalen Daten sollen auf Mikrofilm ausbelichtet und im Falle der Benutzung erneut eingescannt werden, sodass sie später mit elektronischen Texterkennungssystemen lesbar gemacht werden können. \“Wir müssen uns dabei aber klar machen, dass bei zeichenbasierten Dateien eine Erkennungsquote von 99,8 Prozent beim Einlesen von Daten absolut unzureichend ist, wenn wir beispielsweise an eine Datenerhebung denken, bei der knapp 10 Millionen Datensätze mit jeweils rund hundert Zeichen erfasst werden, von denen 2 Promille einfach falsch wiedergegeben werden.\“ 

So gesehen bietet die \“Migrationsstrategie\“ eine relative Sicherheit für den Erhalt der Inhalte aus den gespeicherten Dateien. Aber schon angesichts der Unmenge an Darstellungsmöglichkeiten auf graphischen Oberflächen, die außerhalb des Computers gar nicht zu visualisieren sind, muss die Entwicklung weitergehen, wie Keitel fordert. In einem amerikanischen Großprojekt erforscht beispielsweise die \“National Archives and Records Administration\“ (NARA) derzeit einen \“Mittelweg\“ zwischen Migration und Emulation. Der Grundgedanke ist dort, dass man die ursprünglichen Eigenschaften eines Objekts unabhängig von der Originalsoftware beschreiben kann. In welchen Formaten solche Metadaten (\“Daten über Daten\“) zu formulieren sind, ist allerdings von vielen Faktoren abhängig und eine alleingültige Lösung für alle Datentypen ist kaum zu erwarten. Für Keitel ein Grund mehr, nicht \“eingleisig\“ zu forschen, sondern gerade das Potenzial der verschiedenen Ansätze auszuschöpfen. Denn der Austausch praktischer Erfahrungen aus einzelnen Projekten, die sich mit digitaler Langzeitarchivierung befassen, ist unverzichtbar, wenn es um die Entwicklung (buchstäblich) zukunftstauglicher Strategien geht: \“Die Theorie kann die Entwicklung der kommenden Jahrhunderte nicht vorweg nehmen und unser wichtigstes Ziel muss das Sammeln von Erfahrungen in allen Bereichen der digitalen Langzeitarchivierung sein.\“ Nur auf der Basis von Technologien, die in der Praxis erprobt sind, könne man Standards entwickeln, die den langfristigen Erhalt archivierter Daten befördern – und nicht die Entwicklung wichtiger Alternativen blockieren.

Link: http://www.langzeitarchivierung.de 

Quelle: nestor, Presseinformation, 2.11.2005