Während zivile und militärische Strukturen am Ende des Zweiten Weltkriegs vor dem Zusammenbruch standen, verfügte die Kirche noch über ein funktionierendes Kommunikationsnetz. Am 31. Mai 1945, drei Wochen nach Kriegsende, rief der Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried alle 479 Seelsorgestellen in seinem Bistum dazu auf, schriftlich über die Ereignisse der letzten Kriegstage und die erste Zeit der Besatzung zu berichten.
141 solcher Niederschriften liegen derzeit im Archiv der Diözese vor, und mit ihnen haben sich die drei Historikerinnen Verena von Wiczlinski, Petra Ney und Verena Spinnler am Würzburger Lehrstuhl für Neueste Geschichte (Professor Wolfgang Altgeld) im Auftrag des Würzburger Diözesanarchivs befasst. 36 Berichte wurden schließlich ausgewählt und jetzt in dem Buch "Kirche in Trümmern?" herausgegeben, das die Quellen auch in einen größeren historischen Zusammenhang einordnet.
Wie verarbeitete der katholische Klerus Krieg und Untergang, wie dachte er über die Geschehnisse, wie deutete er den Zusammenbruch? Auch hinsichtlich dieser Fragen bieten die teils sehr detaillierten Schilderungen der Geistlichen gute Einblicke. Joseph Balling, Pfarrer der seinerzeit stark umkämpften Gemeinde Rottendorf, gab zu, dass ihn das Niederschreiben des Berichts Überwindung koste, denn: "Es war genug, alles erlebt zu haben." Der Pfarrer von Klingenberg führte das "unbeschreibliche Leid" auf den "Abfall von Gott und von Christus, die Vergottung der Rasse und des Volkes, Lüge, Hass und Leidenschaft" zurück.
Das neue Buch enthält unter anderem thematische Abrisse über die letzten Kriegsereignisse, die Eroberung Unterfrankens durch die Amerikaner, die Einrichtung von Militärregierungen und die Einsetzung der ersten deutschen Verwaltungen. Es informiert auch näher über die Lage der katholischen Kirche in Bayern und Franken am Ende des Kriegs und ihre Neupositionierung in der Zeit danach.
Info:
Verena von Wiczlinski (Hrsg.:) "Kirche in Trümmern? Krieg und Zusammenbruch 1945 in der Berichterstattung von Pfarrern des Bistums Würzburg", Echter-Verlag, Würzburg 2005, 325 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3-429-02717-9.
Kontakt:
Verena von Wiczlinski
Tel. (0931) 888-5537
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v.wiczlinski@mail.uni-wuerzburg.de
Quelle: pressrelations.de, Pressemitteilung, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 8.11.2005