Der Stadtbürgermeister von Kirn, Fritz Wagner (SPD), kann mittlerweile auf 60 Ein-Euro-Jobber in seiner Stadt verweisen. Diese dürfen nach dem Gesetz nur Arbeiten im öffentlichen Interesse ausüben, die ohne diese Regelung überhaupt nicht erledigt worden wären. Eine dieser Tätigkeiten ist die Übertragung alter Super-8-Filmaufnahmen auf DVD. Da eine \“richtige\“ Stelle für einen Archivar im Stadtarchiv Kirn, das ehrenamtlich geleitet wird, undenkbar sei, wird auch hierfür ein sog. Ein-Euro-Jobber eingesetzt.
Klaus Pies (47) ist gelernter Gartenbauer und musste sich gesundheitsbedingt zum Bürokaufmann umschulen lassen. Für 1,25 Euro pro Stunde ersetzt er der Stadt Kirn siebeneinhalb Stunden täglich einen eigenen Filmarchivar, um mehr als 3.000 Filmrollen aufzuarbeiten. Diese sind aus dem Privatbesitz des Hobbyfilmers Dieter Dreyer der Stadt überlassen worden. Dreyer war 30 Jahre lang immer zugegen, wenn in Kirn etwas los war, hat alles auf Super-8 gebannt.
Ein-Euro-Jobber Klaus Pies ist technisch hinreichend versiert, um die anfallenden Aufgaben leisten zu können: Filme ansehen, in die richtige Reihenfolge bringen, schriftlich dokumentieren und mithilfe eines Entzerrungsglases und eines Spiegels vom altmodischen Filmprojektor vor die Linse einer Filmkamera bringen, die das Ereignis per Kabel in den DVD-Brenner überspielt. Die Aufgabe ist für Pies reizvoll, da er sowohl Interesse an der Geschichte \“seiner\“ Stadt wie an der Technik verspürt. Bisher hat er rund 60 Stunden Film auf DVD gebrannt, gerade einmal die Hälfte dessen, was ansteht.
Pies hofft auf eine Festanstellung; Stadtbürgermeister Fritz Wagner setzt hingegen auf die Ein-Euro-Regelung – und darauf, dass Klaus Pies ab August noch ein halbes Jahr dranhängen darf. Den Antrag habe die Stadt gestellt. Schließlich mache Pies seine Sache \“akribisch\“. – Fragen des rechten archivischen Umgangs mit dem für die Stadtgeschichte so wichtigen Filmmaterial, dessen Erschließung und Verzeichnung, wie auch Fragen nach den zu erwartenden Problemen und Folgen der Datenmigration auf DVD scheint man in Kirn aufgrund des Verzichts auf eine facharchivarische Betreuung hingegen nicht zu kennen.
Kirn ist ein Mittelzentrum im Landkreis Bad Kreuznach mit rund 9.500 Einwohnern. Das Kirner Stadtarchiv hat einen Bestand von etwa 100 lfd Metern Akten, der bis zum Jahre 1409 zurückreicht.
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Quelle: Steffen Weyer, Allgemeine Zeitung, 6.7.2005