Nachrichten aus dem Datengrab

Während der vorjährigen Jahresversammlung des Internationalen Ausschusses für den Internationalen Suchdienst (Jerusalem, 1.6.2004) bekräftigten die Vertreter der Mitgliedstaaten, dass die Öffnung der Archive des Internationalen Suchdienstes erfolgen solle. Dafür sollte im Laufe eines Jahres u.a. ein Regelwerk über die Praxis der Öffnung ausgearbeitet werden. In der gerade absolvierten diesjährigen Versammlung haben die Vertreter im Internationalen Ausschuss das Vorhaben allerdings auf einen Unterausschuss abgeschoben, wie aus einer Presseerklärung vom 1. Juni 2005 über die "Jahresversammlung des Internationalen Ausschusses für den Internationalen Suchdienst am 30. Mai 2005 in Rom" hervorgeht:

"Die Vertreter des Internationalen Ausschusses haben in ihrer Jahresversammlung am 30. Mai 2005 in Rom entschieden, dass ein Unterausschuss die Modalitäten für die Öffnung der in Bad Arolsen verwahrten personenbezogenen Dokumente der zivilen Opfer des NS-Regimes erarbeiten soll. Der Unterausschuss besteht aus Vertretern von 5 Mitgliedstaaten im Internationalen Ausschuss, nämlich Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA und Niederlande.

Zwei diesbezügliche Vorschläge, einer aus den USA und einer aus Frankreich, standen zur Beratung auf der Tagesordnung. Beide Vorschläge sind als nicht widersprüchlich aufgefasst worden, wobei nur die französische Eingabe zur Abstimmung kam. Der amerikanische Vorschlag, welcher die Duplizierung der Unterlagen der jüdischen Opfer und die Abgabe dieser Daten an die Mitgliederstaaten im Internationalen Ausschuss vorsah, kam nicht zur Abstimmung.

Der ISD wird seit 1955 vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz in Genf geleitet und verwaltet. Die Auskünfte, die er auf Anfrage der ehemaligen Verfolgten oder deren Rechtsnachfolger erteilt (derzeit noch über 200.000 jährlich), werden bisher gemäß der Bonner Verträge nur für die Betroffenen selbst oder deren Rechtsnachfolger erstellt. Eine Änderung der Verträge in Hinsicht auf die Historische Forschung kann nur durch einen Entscheid der 11 im Internationalen Ausschuss vertretenen Mitgliedstaaten erfolgen. Das IKRK hat dabei kein Stimmrecht.

Der ISD hofft auf eine schnellstmögliche Regelung, die im Einklang mit Wissenschaftsfreiheit und Persönlichkeitsschutz steht.

***

Der Internationale Ausschuss setzt sich zusammen aus Vertretern der Regierungen: Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Israel, Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen, Großbritannien, USA.

Bereits 1995 stimmte der Internationale Ausschuss der Öffnung aller Dokumente zu, die keine Personaldaten enthalten, d.h. ca. 2 % des Gesamtbestandes. Diese Dokumente stehen den Forschern seither zur Verfügung.

1998 beschloss der Internationale Ausschuss im Grundsatz, dass die verbliebenen 98 % des Bestandes ebenfalls für die Historische Forschung geöffnet werden sollen. Voraussetzung: die humanitären Aufgaben des ISD genießen weiterhin Vorrang und Sicherheitsmaßnahmen, die die Personaldaten schützen, müssen eingerichtet werden.

In Bezug auf den Datenschutz konnten die Mitglieder im Internationalen Ausschuss bisher keine einheitliche Regelung finden, da in allen 11 Staaten unterschiedliche Regeln zum Schutz persönlicher Daten gelten.

Das IKRK und der ISD würden es begrüßen, wenn möglichst schnell eine solche Regelung getroffen würde."

Kontakt:
Internationaler Suchdienst
Große Allee 5-9
34444 Bad Arolsen
Telefon: (+49) 5691 629 0
Telefax: (+49) 5691 629 501
itsdoc@its-arolsen.org (Dokumente)
itstrace@its-arolsen.org (Suchdienst)
itspress@its-arolsen.org (Pressestelle)

http://deutsch.its-arolsen.org/

Quelle: ITS Bad Arolsen (Aktuelles), 2.6.2005; Bernhard Bremberger, Mailingliste Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, 9.6.2005

Zwangsarbeit: Neuss keine Ausnahme

Während des Zweiten Weltkrieges schufteten in Neuss 10.000 Fremd- und Zwangsarbeiter. Sie arbeiteten in Privathaushalten, bei Landwirten, vor allem aber in Unternehmen wie dem Landmaschinenhersteller IHC, der allein die Arbeitskraft von 2.800 Fremdarbeitern ausbeutete. Viel besser als andernorts im Reich erging es diesen Menschen auch am katholisch geprägten Niederrhein nicht. Das belegt die Dokumentation „Zwangsarbeit in Neuss während des Zweiten Weltkrieges“, die gut fünfeinhalb Jahre nachdem der Rat diese Studie angeregt hatte, jetzt im Stadtarchiv Neuss vorgestellt wurde. 

Sie kommt unter anderem zu dem Schluss, dass der Ausländereinsatz nicht hinterfragt wurde sondern in der Stadt als Phänomen der Kriegszeit breite Akzeptanz fand. Für die Gruppe der führenden Industrievertreter in Neuss stellten die Autoren Dr. Andrea Niewerth und Christoph Roolf sogar fest, „dass sie während des Krieges die lokale Zwangsarbeiterpolitik sehr rigide durchzusetzen bemüht war und somit Ermessensspielräume bei der Ausgestaltung der Gesetze und Erlasse zugunsten ihrer Unternehmen ausschöpfte“. 

Bei ihrer Arbeit konnten Roolf und Niewerth auf eine Reihe von Quellen zurückgreifen, die bisher noch nicht ausgewertet wurden. Dazu zählten die bislang ungeordneten Bestände des Hafens, vor allem aber die Archive von Neusser Unternehmen, allen voran der Firmengruppe Wilhelm Werhahn, die den Forschern zugänglich gemacht wurden. Die Firmen hätten sich der Auseinandersetzung mit dem Thema offensiv gestellt, lobt Stadtarchivleiter Dr. Jens Metzdorf. Als unbekannte Quellen sind aber auch die Skizzen, Berichte, Briefe und Fotos zu bewerten, die von den ehemaligen Zwangsarbeitern selbst stammen und meist ans Stadtarchiv kamen, weil die Autoren auf Anerkennung als Zwangsarbeiter und Entschädigung hofften. Gut 500 solcher Anfragen konnten bestätigt werden. Angesichts von 5.100 dem Stadtarchiv namentlich bekannten Zwangsarbeitern eine geringe Zahl.

Info:
Andrea Niewerth/Christoph Roolf: Zwangsarbeit in Neuss während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945), Neuss 2005 (Dokumentationen des Stadtarchivs Neuss, Bd. 7).

Kontakt:
Stadtarchiv Neuss
Oberstr. 15
41460 Neuss
Telefon 0 21 31 / 90 42 50
Fax 0 21 31 / 90 24 33
stadtarchiv@stadt.neuss.de

Quelle: Christoph Kleinau, NGZ-online, 9.6.2005

Bad Radkersburgs Weg seit 1945

2005 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 60. Mal, die Unterzeichnung des Staatsvertrages zum 50. Mal und der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zum 10. Mal. Anlässlich dieses Jubiläumsjahres hat das steirische Landesarchiv ein großes Projekt unter dem Titel „Die Neue Steiermark. Unser Weg. 1945-2005“ ins Leben gerufen. Das Museum im alten Zeughaus in Radkersburg ist eines der zwölf steirischen Regionalmuseen, das mit der Sonderausstellung „Überwinden von Grenzen“ daran teilnimmt. Anschaulich gemacht werden in der Schau die vergangenen 60 Jahre in der Geschichte der Grenzstadt. 

In sieben Themenschwerpunkten, vom Kriegsende über Wirtschaft, Sport, der Jugoslawienkrise und dem EU-Betritt Österreichs und der EU-Osterweiterung, sowie die Schlüsselrolle und Chancen Radkersburgs als Zukunftsregion werden in den Schauräumen beleuchtet. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Bad Radkersburg, sämtliche Ereignisse und Aspekte werden aber auch grenzüberschreitend betrachtet. Die Schau ist noch bis Ende Oktober in Radkersburg zu sehen. 

Kontakt:
Landesarchiv Steiermark
Karmeliterplatz 3A
A-8010 Graz
Tel.: +43 (0)316/877-4028
Fax: +43 (0)316/877-2954 
fa1d@stmk.gv.at

Museum im alten Zeughaus 
Emmenstraße 9, 
8490 Bad Radkersburg 
Tel.: +43 (0) 3476 / 4043 
Fax: +43 (0) 3476 / 250938 
museum@stadtbadradkersburg.at
  

http://www.2005.steiermark.at 

Quelle: Bildpost, 8.6.2005

Brandgefährliche Bilder im Bunker

Bei wie vielen Bränden in Privathäusern die auf dem Dach gelagerten Fotoalben die Initialzündung gaben, ist nicht bekannt: Bereits bei 38 Grad kann\’s brenzlig werden, weiß Roland Brühl vom Stadtarchiv Reutlingen. Sein Haus besitzt mit einer Million Bilder wohl eines der größten kommunalen Fotoarchive (siehe Bericht).

Über die Brandgefahr von rund 50 bis 70 Jahre alten Fotonegativen berichtet der Reutlinger General-Anzeiger kostenpflichtig hier.

Kontakt:
Stadtarchiv Reutlingen
Marktplatz 22
72764 Reutlingen
Telefon: 07121 / 303 – 2386
Telefax: 07121 / 303 – 2758
stadtarchiv@reutlingen.de

Quelle: Andrea Glitz, Reutlinger General-Anzeiger, 7.6.2005

Physiker im Archiv

Das Österreichische Staatsarchiv in Wien präsentiert im Rahmen einer Ausstellung zum "Jahr der Physik" Spuren von PhysikerInnen. Die Schau ist bis zum 7. Oktober 2005 zu sehen. Für sie wurden kartonweise Akten im Wiener Staatsarchiv erschlossen und Spuren großer österreichischer Physiker gefunden, darunter Loschmidt, Schrödinger, Doppler, Boltzmann und Mach. 

Eines der Glanzstücke der Ausstellung ist die Akte für die Berufung von Albert Einstein auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik an die Universität Prag. Besonders kurios sind die meist handschriftlichen Ergänzungen und Korrekturen auf den historischen Schriftstücken. So wurden als Begründung für die Berufung Einsteins ursprünglich seine \“epochalen\“ Leistungen genannt, die später dann auf \“glänzend\“ geändert wurden.

Neben den österreichischen Nobelpreisträgern ist ein wesentlicher Teil der Ausstellung den Frauen (u.a. Lise Meitner) gewidmet. Eine umfangreiche Broschüre gibt an Hand von rund 100 intensiv recherchierten Einzelbiografien einen tiefen Einblick in die Zusammenhänge zwischen Zeitgeschehen und persönlichem Schicksal der Wissenschafter.

Kontakt:
Österreichisches Staatsarchiv
Nottendorfergasse 2, A-1030 Wien 
Tel.: +43/1/79540-0 
Fax: +43/1/79540-109 
gdpost@oesta.gv.at

Quelle: Der Standard, 7.6.2005

Geschichtswettbewerbe – Chance für die Bildungsarbeit? Bericht über die 6. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik (11. März 2005)

Es ist ein pädagogischer Wandel im Schulbereich festzustellen: Projektorientiertes Lernen wird verstärkt im Unterricht angewandt und die dort erzielten Leistungen fließen immer häufiger in die schulischen Bewertungen ein; sie können sogar mündliche Prüfungen im Abitur ersetzen. Das hatte das Generallandesarchiv Karlsruhe bewogen, für die nunmehr 6. Tagung das Motto \“Geschichtswettbewerbe – Chance für die Bildungsarbeit?\“ zu wählen und dabei unter anderem den \“Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten\“ näher vorzustellen. Beibehalten wurde die bewährte Mischung aus Grundsätzlichem und Praxisorientiertem. Wie üblich bestand nach den Vorträgen ausreichend Gelegenheit zum praxisorientierten Austausch über Archivarbeit anhand von Projekten und Wettbewerbsangeboten. Die Tagung wurde vom Landesarchiv Baden-Württemberg / Generallandesarchiv Karlsruhe mit den Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 7, Schule und Bildung (ehemals: Oberschulamt) in Zusammenarbeit mit dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, Karlsruhe in dessen Räumen veranstaltet.

1. Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Ideen und Anliegen
Der Projektleiter des Schülerwettbewerbs des Bundespräsidenten, Sven Tetzlaff, wies darauf hin, dass zwar die Euphorie der Anfangsjahre nachgelassen habe, der Wettbewerb als solcher aber weiterhin Möglichkeiten und Impulse für schulische Bildungsarbeit in sich berge. Die Ursprungsidee, „Schüler im Rahmen eines Wettbewerbs demokratische Traditionen vor Ort erforschen zu lassen“, sei weiterhin aktuell, nicht zuletzt mit Blick auf die Ergebnisse der Pisa-Studie. Forschendes Lernen als Grundprinzip böte die Chance Fragestellungen zu entwickeln, den Lernprozess zu organisieren, ergebnisoffen vorzugehen und das Erforschte nach eigenen Gesichtspunkten zu präsentieren. Zudem erlaube und erfordere die Spurensuche vor Ort, an eigene lebensweltliche Bezüge, biographische Erfahrungen anknüpfen zu können.

Schwierigkeiten ergaben sich anfangs – und sie sind auch heute noch nicht ausgeräumt –, wenn Schüler als Forscher in Archiven akzeptiert werden wollten. Tetzlaff wünschte sich mehr archivpädagogische Anleitung, die angesichts der dünnen Personaldecke in den Archiven weiterhin eher die Ausnahme denn die Regel sei.
Die Auswirkungen auf den Schulbetrieb schätzen die Tutoren des Wettbewerbs eher gering, die Folgen für die Teilnehmer dagegen sehr positiv ein: Ihre Urteilsfähigkeit, ihr Gerechtigkeitsempfinden seien gestiegen und sie seien im Arbeiten selbständiger und sicherer geworden.

Es sei beeindruckend, dass sich jährlich 5000 Schüler beteiligten – für einen Wettbewerb eine gute Resonanz; im Vergleich zu knapp 10 Millionen Schülern nähme sich die Zahl allerdings gering aus. Zudem stammen etwa 60-70% der Arbeiten von Gymnasiasten, was eine Folge der Wettbewerbs-Anforderungen sein dürfte.
Chancen und Grenzen eines Wettbewerbs lägen hier dicht beieinander. Doch die zunehmend auf Projektarbeit ausgerichteten Lehrpläne – so Tetzlaff – böten weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen für Schüler und die vielen Anstöße für die lokale Geschichtsforschung seien schon heute nicht zu unterschätzende, nachhaltige Impulse, die durch den Wettbewerb ausgelöst worden wären.

2. Wettbewerbe im schulischen Curriculum
Ein aufmunterndes Ausrufezeichen wollte Frau Tatsch, Lehrbeauftragte am staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Karlsruhe, hinter die Verbindung von „Geschichtswettbewerb“ und „schulisches Curriculum“ setzen. Wettbewerbe unterstützen die Öffnung des Unterrichts, selbstverantwortliches Lernen und die Öffnung der Schule zur Lebens- und Lernumgebung der Schüler – Vorgaben, die seit Jahren die Bildungsarbeit in vielen Bundesländern bestimmen würden.
Offenkundig seien aber die Auswirkungen, wenn – wie z.B. in Baden-Württemberg bis vor einiger Zeit – in den Bildungsplänen die Erarbeitung und Vermittlung überregionaler, nationaler und internationaler Phänomene ins Zentrum gestellt würde. Eine Ausbildung einer „Wettbewerbskultur“ sei da nicht möglich, was sich an der Beteiligung in früheren Jahren deutlich nachweisen lasse.

Dennoch prognostizierte Frau Tatsch den Wettbewerben ein wichtiges pädagogisches und bildungspolitisches Entwicklungspotenzial. Sie kategorisierte die inzwischen etablierten und neu entstandenen Wettbewerbe zuerst nach Themen:
a) geschichtsspezifische Wettbewerbe, die projektorientiertes Arbeiten im Nahraum voraussetzen
b) überregional ausgerichtete Wettbewerbe, die an allgemeinen Themen ausgerichtet sind. Anlass können z.B. Jubiläen sein.
Unterscheidbar seien die Wettbewerbe ferner nach ihren Anforderungen:
a) intensives Forschen
b) kreative Gestaltung
Zudem gäbe es Sonderbedingungen wie fächerübergreifendes Arbeiten. Differenziert werden müsste ferner nach Anspruchsniveau und Bewertungsverfahren. Als Schüleranreiz seien die recht uneinheitlich vergebenen Preise wichtig und legitim.

Zum zweiten erläuterte Frau Tatsch den Bildungsbegriff, der in Baden-Württemberg dem neuen Bildungsplan zugrunde liegt. Er wird aufgefächert nach Einstellungen, Fähigkeiten und Kenntnissen. Neu wird unter Fähigkeiten die Handlungskompetenz eingeführt, die nochmals in personale Kompetenz, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz und Fach- (oder Sach-) Kompetenz aufgegliedert wird. In Kombination mit dem Punkt 10 des Bildungsplans Gymnasien (2004) – „Außerschulische Erfahrungen und außerschulischer Einsatz tragen in hohem Maß zur Lernmotivation bei, sind darum systematisch einzubeziehen und bei der Bewertung hoch zu veranschlagen“ – spricht vieles für die Einbeziehung von Wettbewerben in den Unterricht.

Die „Themenorientierte Projektprüfung“ an der Hauptschule, die „Besondere Lernleistung“ in der gymnasialen Oberstufe und die „Andere Lernleistung“ bzw. „Gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen“ (Gymn. ab Kl. 7; Realschule ab Kl. 8 und 9; verpflichtend eingeführt!) bieten auch formal hervorragende Instrumentarien für den Einsatz von Wettbewerben im Unterricht. Die Rahmenbedingungen seien geschaffen, diesen mit Blick auf die umfassende Bildung der Schüler sinnvollen Weg intensiver einzuschlagen.

3. Präsentation der Wettbewerbsbeiträge
War in den vergangenen Jahren eine zunehmende Technisierung der vorgestellten Projekte beobachtbar gewesen, so blieb 2005 der mediale Overkill mit Powerpoint, Internetpräsentation und Videokonferenz aus. Zwar haben sich die neuen Medien im Rahmen der Projekte etabliert, aber die klassischen papiergebundenen Formen der Präsentation wie Wandzeitungen und Facharbeiten werden weiterhin intensiv genutzt. Arbeitsmethodisch wurde die ganze Bandbreite genutzt, die sich von der privaten Schüler-Einzelarbeit über die außerschulische Projektarbeit bis zum klassenweise ausgearbeiteten Werk bietet.
Im traditionellen Rahmen bewegten sich klassische, quellenbasierte Facharbeiten von Caroline Meyer und Anna Senft vom Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim (gymnasiale Oberstufe), und von Nikolaus Sexauer vom Theodor-Heuss-Gymnasium in Freiburg (Kl. 10). Für die Arbeit über das soziale Engagement des Unternehmers Hermann Lanz (Landmaschinen) und über die Straßenbahn in Freiburg samt der Veränderungen der Arbeitsbedingungen für Straßenbahnfahrer waren Kontakte zu den Betrieben geknüpft worden, ohne dass in allen Fällen den Wünschen nach Recherchen im Firmenarchiv entsprochen wurde. Im ersten Fall hatte eine Prämierung im Bundeswettbewerb 2003 für einen neuen Anlauf 2004/05 motiviert und im zweiten hatte eine nun studierende, ehemalige Teilnehmerin sich als Tutor gemeldet und an einer Schule Teilnehmer geworben.

Anhand dieser Beiträge zeigte sich deutlich, dass durch das Prinzip des „forschenden Lernens“ – wie beim Wettbewerb des Bundespräsidenten – wissenschaftliches Arbeiten gefördert wird. Eine Kombination von Archivstudium und Oral History wurde von den Schülern des Pamina-Schulzentrums in Herxheim/Pfalz für den aktuellen Wettbewerbsbeitrag eingesetzt, um Aufstieg und Niedergang der Fa. Akkord zu beleuchten. Deren Ansiedlung war von öffentlicher Seite unterstützt worden, um den Verlust von Arbeitsplätzen in der örtlichen Tabakindustrie auszugleichen.

Dass mit Schülern auch langfristig gearbeitet werden kann, bewies die Lessing-Realschule aus Freiburg, an der seit 2001 über die „Zwangsschule für jüdische Kinder 1936-1940“ geforscht wird. Dabei wird das Projekt von Schuljahr zu Schuljahr an die nächste Klasse (Stufe 9) weitergegeben. Hier ergaben sich nach Archivrecherchen sogar Kontakte mit Überlebenden; neue Quellen aus Privatbesitz von Zeitzeugen konnten ermittelt werden, „Stolpersteine“ wurden verlegt und eine Jahresarbeit in Klasse 10 entstand.

Die Zerstörung Pforzheims am 23.2.1945 hat in der Stadt einen unauslöschlichen Eindruck und eine andauernde Erinnerungskultur bewirkt. Für die Feier zur 60. Wiederkehr 2005 wurden von Schülerseite (8. Klasse, Osterfeld-Realschule im Fach Wirtschaften-Verwalten-Recht) nach eigenen Recherchen, Interviews etc. eine Präsentationen entwickelt – HTML-Seite, CD und Wandposter –, die in die öffentlichen Feiern im Pforzheimer Stadttheater eingebunden wurde.
Ganz andere Ziele verfolgten die Projekte der Grund- und Hauptschule Wendelsheim. Hier ging es v.a. darum, bekannte Informationen zusammen zu stellen und eine ansprechende Form der Präsentation zu finden. Bei der CD über das Dorf Wendelsheim waren im historischen Teil Zeitzeugenberichte ebenso eingebaut wie ein Archivbesuch. Das Werk, das inzwischen für die Partnerstadt noch auf Französisch übersetzt worden ist, hat 2004 den Heimatpreis Baden-Württemberg, Schülerpreis, erhalten.

Einen ersten Preis in einem regionalen Wettbewerbs erreichte der Filmbeitrag „Zwangsarbeit in Essen“ der Gesamtschule Holsterhausen (Klasse 8/9), in dem örtliche Arbeitserziehungslager, Kindergräber und ein Lager durch Dokumente und Interviews anschaulich gemacht wurden. Ebenfalls einen Film stellte Dirk Eilers von der Maximilian-von-Welsch-Realschule in Kronach vor, der in einer Kombination von Unterricht (hier: Projektentwurf und teilweise Durchführung) und freiwilliger Nachmittagsarbeit (hier: v.a. Filmschnitt) entstanden war. Auch dabei wurde in erster Linie das Ziel verfolgt, historisches Material, das im Prinzip bekannt war, einem größeren Publikum nahe zu bringen. Wie im vergangen Jahr hat sich die Präsentation der Projekte durch die Schüler selbst bewährt. Zusätzlich wurde ihnen am Vormittag alternativ zu den Einführungsvorträgen eine Archivführung angeboten, was dankend angenommen wurde.

4. Präsentation der Wettbewerbe
Neue Perspektiven für Lehrer wie für Archivare ergaben sich durch die Präsentation von Wettbewerbsausschreibungen bzw. Wettbewerben überhaupt. Dies war ohnehin der Bereich, der zumindest den Mitarbeitern von Archiven die größten Überraschungen bot. Bekannt war selbstverständlich der Preis der Bundespräsidenten der Körber-Stiftung. Arbeiten aus diesem „Urvater“ aller Wettbewerbe waren auch auf den vergangenen Tagungen stets vertreten gewesen. Wenigstens dem Namen nach bekannt war unter dem Kurzbegriff „Heimatpreis“ der Landespreis für Heimatgeschichte Baden-Württemberg, der seit 2002 einen separaten Schülerpreis mit großem Erfolg auslobt. Als Beispiel für regionale Wettbewerbe standen Ausschreibungen und Projektarbeiten der Geschichtswettbewerbe der Stadt Essen und des Geschichtsverein der Oberpfalz bereit. Mit relativ wenig finanziellem Preisgeld-Aufwand sind hier Arbeiten angeregt worden, die z.T. Neuentdeckungen beinhalten. Auch in der Form sind hier eher andere Wege möglich, wie die oben beschriebenen Filme bewiesen.
Noch wenig bekannt sind die Ausschreibungen von „Step 21: Weiße Flecken“, die projekthaft angelegt sind. Historische Arbeiten passen oft in den „Schülerwettbewerb zur politischen Bildung“ der Bundeszentrale für politische Bildung. Meist ungenutzt bleiben die (regionalen) Ausschreibungen der Kreditinstitute wie der Sparkassen, bei denen historische Arbeiten je nach Themenstellung durchaus erfolgversprechend eingereicht werden können.

Häufig ist ein Wettbewerbs-Fieber festzustellen: An einzelnen Orten oder in einzelnen Schulen sind „Wiederholungstäter“ zu finden. Zum einen sind es die Schüler, die durch Preise motiviert gerne weitermachen, zum anderen sind es vor allem die Betreuer, die aus langjähriger Erfahrung wissen, worauf es ankommt und die Schüler dementsprechend „auf die Spur“ setzen können. Die „Krönung“ war sicherlich eine Tutorin, die als Schülerin mehrfach sich beteiligt hatte und nun als Lehramtsstudentin begonnen hat, Schüler zu motivieren. Die Rückkoppelung dieses Projektes in der Schule war aber noch wenig befriedigend.

5. Diskussionsergebnis und Ausblick
Zwei wesentliche zukunftsträchtige Ergebnisse standen am Ende des spannenden Tages:

5.1 Präsentationsmöglichkeiten für Wettbewerbsbeiträge
Zu einen stellte sich heraus, dass angesichts des erheblichen Arbeitsaufwands der Schüler (Lehrer und Archivare) bei solchen Projekten unbedingt nach Präsentationsmöglichkeiten der Projektergebnisse gesucht werden muss. Vielfach ist hier schon aus Eigeninitiative eine Menge geschehen. Gerade Arbeiten aus regionalen Wettbewerben erfreuen sich naturgemäß der Unterstützung der örtlichen Presse. In manchen Fällen (wie in Hof) ergaben sich sogar Publikationsmöglichkeiten in den regionalen Geschichtszeitschriften. Dennoch blieb festzuhalten, dass gerade bei Arbeiten, die im nationalen Wettbewerbs-Vergleich nicht preiswürdig sind, die für die beteiligten Schüler aber sehr wohl eine außerordentliche Leistung darstellen, eigentlich keine Präsentationsmöglichkeit vorgesehen ist. Nicht zuletzt die von den Schülern während der Karlsruher Tagung spürbare Begeisterung, dass ihre Arbeiten auch über das unmittelbare Lebensumfeld hinaus wahrgenommen wurden, zeigt den großen Bedarf.

Wenn von den Ausrichtern der Wettbewerbe darauf hingewiesen wurde, dass im Vergleich zu den möglichen Teilnehmern aber eigentlich nur eine verschwindend geringe Zahl von Schülern an Wettbewerben wirklich teilnehme, so würden Präsentationen für die Ausrichter die Chance bieten, ihren Wettbewerb bekannter zu machen. Zusammen mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe, Abteilung Schule und Bildung, wird das Landesarchiv Baden-Württemberg – Generallandesarchiv Karlsruhe – für die Realisierung dieser Idee Vorschläge entwickeln.

5.2 Ein strukturierter Überblick über Geschichts-Wettbewerbe
Das zweite Feld offener Fragen war in Karlsruhe auf der Projektmesse mit Händen greifbar: Es gibt viel mehr Wettbewerbe mit historischem Hintergrund als sich v.a. die Archivare vorstellen konnten. Die Lehrer fühlen sich, wie in der Diskussion deutlich gemacht wurde, schlichtweg von der Masse der Ausschreibungen erschlagen. Dabei würden Anforderungen vom Ankreuztest bis zur Forschungsarbeit reichen und gleichzeitig die Preise untereinander in keiner nachvollziehbaren Relation stehen. Es fehlt für Schule wie für Archive gleichermaßen ein strukturierter Überblick über die Wettbewerbe, in die historische Themen eingebracht werden können. Denn, auch das ergab die Ausstellung der Wettbewerbe, auch Ausschreibungen, die auf den ersten Blick nicht historisch ausgerichtet sind, ermöglichen die Einreichung historischer Arbeiten. Hier wird das Landesarchiv Baden-Württemberg – Generallandesarchiv Karlsruhe – ebenfalls mit dem Regierungspräsidium durch eine Auswertung von Ausschreibungsbedingungen eine Kategorisierung von bekannten Wettbewerben vornehmen, die zum einen den Lehrern ermöglicht zu entscheiden, ob bzw. welcher Wettbewerb für ein Vorhaben geeignet ist und zum anderen den Archiven offenlegt, welche Art von Vorarbeiten und Betreuung notwendig ist. Die Zuarbeit und Hinweise für Forschungsarbeiten der Geschichtswettbewerbe wird sicher aufwändiger ausfallen, als die reine Präsentation von Archivalien für schon erarbeitete Themen in neuen Blickwinkel. Die Aufstellung wird aber auf Zuarbeit angewiesen sein, denn insbesondere die regional ausgeschriebenen Wettbewerbe sind nur wenig bekannt.

5.3 Ausblick
In der Abschlussdiskussion wurde angeregt, im Jahr 2006 Projekte aus der gesamten archivischen Bandbreite vorzustellen. Gleichsam als Gegenstück zu den Nutzungs- uns Anwendungsmöglichkeiten in Form von Wettbewerben sollten die vorhanden „Schatzkammern“ ausgebreitet werden. Manches Projekt würde sicherlich davon profitieren, wenn auch neben den meist genutzten Stadt- und Staatsarchiven auch Wirtschafts- und Pressearchive von Schülern ertragreich aufgesucht werden könnten. Dass hier bei der Benutzung sicher andere Bedingungen herrschen, könnte dabei herausgearbeitet werden.

Clemens Rehm (Karlsruhe)

Dr. Clemens Rehm
Landesarchiv Baden-Württemberg
– Generallandesarchiv Karlsruhe –
Nördliche Hildapromenade 2
76133 Karlsruhe
Tel: 0721/ 926-2267
Fax: 0721/ 926-22 31
clemens.rehm@la-bw.de
www.landesarchiv-bw.de/glak

Ehem. Zwangsarbeiter auf der Suche nach der verlorenen Jugend

Bei einem erstmaligen Besuch in Erfurt 60 Jahre nach ihrer dort erlittenen Zeit als Zwangsarbeiter erfuhren zwölf Männer und Frauen aus der Ukraine, dass während des Zweiten Weltkrieges insgesamt zwischen 10.000 und 15.000 Zwangsarbeiter in Erfurt waren. Dr. Astrid Bauer, Archivarin im Erfurter Stadtarchiv, erläuterte, dass die alte Röntgenkartei des Gesundheitsamtes etwa 9.000 von ihnen aufliste. 

Aus den Karten gehe auch hervor, dass etwa 2.000 Zwangsarbeiter, die vorrangig aus Osteuropa kamen, in den Feinmechanischen Werken (Feima) gearbeitet haben. Andere arbeiteten in der Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pels und auch bei Topf & Söhne. Insgesamt gab es mehr als ein Dutzend Betriebe, in denen Zwangsarbeiter angestellt waren. Sie lebten in den extra angelegten Lagern. \“In dem Lager der Feima herrschten KZ-ähnliche Bedingungen\“, weiß die Archivarin Dr. Bauer zu berichten.

Kontakt:
Stadtarchiv Erfurt
Gotthardtstraße 21
99084 Erfurt
Tel. 03 61 / 6 55 29 01
Fax 03 61 / 6 55 29 09
stadtarchiv@erfurt.de

Quelle: Jana Heintze, Thüringische Landeszeitung, 3.6.2005

Erschließungszustand des Archivs der Familie Landsberg-Velen

Das Archiv der Familie Landsberg-Velen wird seit dreieinhalb Jahren im Auftrag der Stadt Drensteinfurt und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe erschlossen und neu verzeichnet. Der damit 17 Stunden pro Woche beauftragte Archivar Dr. Ralf Klötzer erstellt zusätzlich die Historische Dokumentation der Stadt Drensteinfurt.

Die größtenteils ungeordneten Schriftstücke des Familienarchivs werden gesichtet und klassifiziert, um ein Findbuch zu erstellen. Damit könnte Klötzer etwas gelingen, woran seine Vorgänger scheiterten: 1775 legte ein Archivar ein erstes Verzeichnis an, das unvollständig blieb. Ein Nachfolger im späten 19. Jahrhundert kam nicht wesentlich weiter. In den ersten beiden Jahren seiner Tätigkeit hat Klötzer die lückenhaften Verzeichnisse neu geordnet. Übrig geblieben seien 45 Regalmeter Dokumente (Briefe, Rechnungen, Urkunden und Gerichtsurteile), die derzeit im Westfälischen Archivamt unter konservatorischen Gesichtspunkten aufgearbeitet werden.

Der Wert des Archivs Landsberg-Velen sei für Drensteinfurt immens hoch, weil das Gemeindearchiv im Zweiten Weltkrieg verbrannte, so Klötzer vor dem Kulturausschuss der Stadt. Die Sammlung greife zudem weit über Drensteinfurt, sogar über das Münsterland hinaus. Schließlich nahm die Adelsfamilie erst Ende des 18. Jahrhunderts Besitz von Haus Steinfurt.

Zwar läuft die Stelle des Archivbearbeiters in Drensteinfurt Ende August aus, aber da Klötzer noch rund ein Jahr bis zur endgültigen Erschließung des Bestandes veranschlagt, prüft die Stadt derzeit Mittel und Wege für eine Fortführung der Arbeit.

Kontakt:
Stadtverwaltung Drensteinfurt
Kulturamt
Dr. Ralf Klötzer
Landsbergplatz 7
48317 Drensteinfurt

Quelle: Jörn Funke, Westfälischer Anzeiger, 4.6.2005

Zusammenarbeit mit Polen in Sachen »Beutekunst«

Durch die Verschiebung der polnischen Westgrenze gerieten die nach Pommern und Schlesien ausgelagerten Depots der Museen und Bibliotheken 1945 unrechtmäßig auf polnischen Boden. Die Bestände der Staatsbibliothek Berlin seien durch die Auslagerung zerrissen worden, so der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, der hofft, dass man mittelfristig über die nach Polen gelangten Kulturgüter substanziell verhandeln könne.

Lehmann erklärte seine Bereitschaft, im Rahmen der deutsch-polnischen Verhandlungen zur Kulturgut-Rückführung die 73 Urkunden des Deutschen Ordens in Preußen zurückzugeben, darunter das 80 mal 50 Zentimeter große Pergament des Friedensvertrages von Melnosee (1422), in dem die Lehnshoheit Polens über Ostpreußen anerkannt wird. Die Urkunden waren 1525 von Königsberg ins polnische Kronarchiv (damals in Krakau) gekommen. 1941 wurden sie von deutschen Archivaren aus dem Warschauer Archiv mitgenommen. Seit 1979 befinden sich die Schriftstücke im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Diese unrechtmäßige Handlung soll nach Auffassung Lehmanns geheilt werden.

Kontakt:
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Hauptverwaltung
Von-der-Heydt-Str. 16-18
10785 Berlin
Tel. 030/25463-0
Fax 030/25463-268
info@hv.spk-berlin.de

Präsident:
Prof. Dr. phil. h.c. Klaus-Dieter Lehmann
Tel. 030/25463-201, Fax 030/25463-292
lehmann@hv.spk-berlin.de

Quelle: Westfälische Rundschau, 3.6.2005

Die Informationen sind frei …

… wer konnte das erraten? Nach jahrelangen Verhandlungen hat der Bundestag am 3. Juni ein "Informationsfreiheitsgesetz" beschlossen, das die Transparenz des Verwaltungshandelns gewährleisten soll. Bürger sollen künftig bessere Möglichkeiten haben, Bundesbehörden über die Schulter zu schauen. Das Informationsfreiheitsgesetz ermöglicht jedem Deutschen die Akteneinsicht in Verwaltungsunterlagen. Ausgeschlossen sind die Landesverteidigung, der Kernbereich der Geheimdienste sowie die Finanzverwaltung. 

Mit dem Gesetz wird Peter Schaar, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, zugleich die Aufgabe eines \’Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit\‘ übertragen. Rot-Grün sprach von einem großen Schritt für mehr Demokratie und Transparenz in Deutschland. Das Gesetz soll am 1. Januar 2006 in Kraft treten.

Ein Aktionsbündnis aus dem Netzwerk Recherche e.V., dem Deutschen Journalisten-Verband, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, der Humanistischen Union e.V. und Transparency International/Deutsches Chapter e.V. begrüßt das neue Recht auf Akteneinsicht. Das Bündnis von Journalisten- und Bürgerrechtsgruppen bezeichnet diese Entscheidung als notwendig und überfällig. \“Als einer der letzten Staaten in der Europäischen Union hat Deutschland endlich diese Reform gewagt und damit den obrigkeitsstaatlichen Zopf des Amtsgeheimnisses abgeschnitten\“, kommentierte der DJV-Vorsitzende Michael Konken die Entscheidung. \“Wir sind erleichtert, dass dieses wichtige Transparenzgesetz in der laufenden Legislaturperiode noch verabschiedet worden ist.\“ 

Als wichtiges Instrument der Korruptionsprävention lobte Transparency Deutschland das neue Gesetz: \“Wer mit öffentlicher Kontrolle rechnen muss, wird vor Machtmissbrauch eher zurückschrecken. Es ist deshalb wichtig, das Gesetz jetzt bekannt zu machen und für seine Nutzung zu werben\“, so Dr. Hansjörg Elshorst, Vorsitzender der deutschen Sektion von Transparency International. 

Frühere Versuche, ein IFG einzuführen, waren stets am Widerstand der Verwaltung gescheitert, obwohl das Reformprojekt 1998 und erneut 2002 in die Koalitionsvereinbarungen aufgenommen worden war. Daraufhin hatte das Aktionsbündnis aus Netzwerk Recherche, DJV, dju, Transparency International und Humanistischer Union im April 2004 einen eigenen Gesetzentwurf an Bundestagspräsident Thierse übergeben und an alle Abgeordneten verschickt. \“Offenbar war es nötig, den Gesetzgebungsprozess durch Druck aus der Zivilgesellschaft zu befördern\“, so Ulrike Maercks-Franzen, Geschäftsführerin der dju. Das Informationsfreiheitsgesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, kann aber mit einem Einspruch noch gestoppt werden – was nicht erwartet wird.

Quelle: RP Online, 4.6.2005; Pressemitteilung: direct/Netzwerk Recherche, 3.6.2005