Neue Honorarprofessorin am Potsdamer FB Informationswissenschaften

Am 4. Mai 2005 erhielt Dr. Gabriele Beger von Professor Dr.-Ing. Johannes Vielhaber, dem Prorektor der Fachhochschule Potsdam, die Urkunde zur Bestellung als Honorarprofessorin am Fachbereich Informationswissenschaften überreicht. Prof. Dr. Gabriele Beger ist Direktorin der Hauses Berliner Stadtbibliothek in der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin und seit langen Jahren in der bibliothekswissenschaftlichen Lehre tätig. Dem Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam ist sie seit seiner Gründung verbunden. Gabriele Beger ist eine über die Grenzen Brandenburgs und Berlins anerkannte \“Instanz\“ zum Thema Recht in Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Sie war u.a. maßgeblich an der Novelle des Urheberrechts beteiligt. So ist ihr zu verdanken, dass der § 52a des neuen Urheberrechtsgesetzes weniger restriktiv für Wissenschaft und Forschung ausfällt als dies ursprünglich geplant war.

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Bei ihrer Antrittsvorlesung an der FHP verwies Beger auf die Möglichkeit, sich nunmehr noch stärker als bisher für die Anerkennung und Modernisierung der Ausbildung von Bibliothekaren, Dokumentaren und Archivaren sowie für ihre Berufschancen in einem europäischen Arbeitsmarkt einsetzen zu können. Gabriele Begers herausragende Stellung im deutschen Informations- und Bibliothekswesen ist nicht nur gekennzeichnet durch ihre führende Rolle in der Fachdiskussion, die sie mit einer Vielzahl von Publikationen, ungezählten Gremienvorsitzen und öffentlichen Stellungnahmen belegen kann, sondern vor allem auch durch die Tatsache, dass sie seit 2002 Präsidentin der \“Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und -praxis\“ (DGI e.V.) ist. In dieser Funktion ist es ihr großer Verdienst, mit dazu beigetragen zu haben, dass die Fachwelt unlängst einen weiteren Schritt zu größerer Integration getan hat durch die Fusion der DGI mit der \“Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände\“ (BDB e.V.) zum neuen Verband: \“Bibliothek & Information Deutschland\“ (BID e.V.) – ganz entsprechend dem integrativen Potsdamer Modell der informationswissenschaftlichen Ausbildung.

Nach einer Ausbildung zur Bibliotheksassistentin und dem Studium zur Dipl.-Bibliothekarin an den FHS Leipzig und Berlin studierte Gabriele Beger (Jahrgang 1952) Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie promovierte 2002 an der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität mit einer Arbeit über den Interessenkonflikt zwischen Urheberrecht und elektronischen Bibliotheksangeboten (Berlin, Logos-Verlag, 2002). Sie war u.a. als Ausbildungsleiterin und wissenschaftliche Assistentin des Direktors der Berliner Stadtbibliothek tätig. Seit 1992 ist sie Direktorin der Berliner Stadtbibliothek und seit 1996 stellvertretende Vorstand der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Direktorin des Hauses Berliner Stadtbibliothek und zugleich Leiterin der Abteilung Medienzentrum und Justiziarin.

Kontakt:
Prof. Dr. Gabriele Beger
Fachbereich 5 Informationswissenschaften
Friedrich-Ebert-Str. 4
14467 Potsdam

Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Breite Straße 32/36
10178 Berlin
Telefon: 0 30/90 22 63 50
Telefax: 0 30/90 22 64 94
beger@zlb.de

Quelle: uni-protokolle.de, 4.5.2005

Mittelalterliche Rathäuser in Niedersachsen und Bremen

Am 6. Mai 2005 jährt sich zum 600. Mal die Grundsteinlegung des Bremer Rathauses. Zugleich nimmt die UNESCO das Rathaus offiziell in die Liste des Weltkulturerbes auf. Das Staatsarchiv Bremen zeigt aus diesem Anlass bis zum 3. Juni die Ausstellung des Hornemann Instituts Hildesheim "Mittelalterliche Rathäuser in Niedersachsen und Bremen". 

Eigentlich sei es eine "Doppelausstellung\“, sagt Dr. Konrad Elmshäuser, Leitender Archivdirektor des Bremer Staatsarchivs. Denn zusätzlich zu der Wanderausstellung haben die Bremer Archivare Fotografien der Preußischen Lichtbildanstalt von 1907 reproduzieren lassen. Die erstaunlich detailreichen Aufnahmen zeigen das Rathaus noch ohne den Anbau, der 1913 erstellt wurde. 

Ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist das Rechnungsbuch zum Rathausbau, in dem alle Rechnungsposten vermerkt sind und auch, welcher Handwerker am 6. Mai 1405 den ersten Stein setzte. \“Nur durch diesen einen Satz wissen wir überhaupt das genaue Datum der Grundsteinlegung\“, sagt Elmshäuser. Übrigens: Der Rohbau des Rathauses ohne Inneneinrichtung hat seinerzeit laut Rechnungsbuch 2.300 Mark gekostet. Zum Vergleich: Der Roland schlug mit 170 Mark zu Buche. Gleichwohl war das Rathaus damals schon sehr teuer. Neben dem Rechnungsbuch ist auch die Bremer Chronik von Wilhelm Dilich von 1603 zu sehen. Sie zeigt die erste Darstellung des damals noch recht schlichten Rathauses, das erst ab 1609 die heutige Fassadengestaltung im Stile der Weserrenaissance erhielt.

Link: www.staatsarchiv-bremen.de

Kontakt:
Staatsarchiv Bremen
Am Staatsarchiv 1
28203 Bremen 
Fon: 0421 / 361-6221 
Fax: 0421 / 361-10247 
zentrale@staatsarchiv.bremen.de

Quelle: Kerstin Buss, Syker Kreiszeitung, 3.5.2005

Erst ein Prozent der Oxyrhynchus Papyri bekannt

\“Endlich entschlüsselt\“, jubelte der Londoner "Independent" dieser Tage, und meinte damit die altehrwürdige Oxforder Sammlung der Oxyrhynchus-Papyri, denen nun durch eine neue Entzifferungsmethode alsbald umstürzende weltgeschichtliche Erkenntnisse entlockt werden würden (Link). Was aber wirklich geschehen ist und was zu erwarten ist, darüber äußerte sich Joachim Latacz in der FAZ. Latacz ist emeritierter Ordinarius für Griechische Philologie an der Universität Basel und unter anderen Begründer des \“Basler Homer-Kommentars". Seiner ersten Bewertung der bisher überschaubaren Fakten liegen Auskünfte zahlreicher, besonders Oxforder Kollegen zugrunde, darunter auch von Dirk Obbink (Christ Church/Oxford), dem \“General Editor\“ der Oxyrhynchus-Papyri, im zentralen internationalen Papyrologen-Forum \“PAPY-LIST\“ vom 21. April (jetzt zugänglich unter http://groups.yahoo.com/group/textualcriticism/message/745) sowie ein persönlicher E-Mail-Wechsel mit Obbink.

Zwar war schon immer vermutet worden, dass gerade in Ägypten, wo seit etwa 300 vor Christus in Gestalt des \“Museions\“ von Alexandria das Forschungszentrum der Antike lag, noch ungehobene Schätze von beschriebenen Papyrusrollen und -resten im konservierenden Trockensand verborgen liegen müssten. Doch über Zufallsfunde war man lange nicht hinausgekommen. Das änderte sich erst, als einige spektakuläre Funde diverse Reste längst verloren geglaubter griechischer Meisterwerke ans Tageslicht brachten, von denen man bis dahin nur durch spärliche Zitate in der schriftlichen Überlieferung gewusst hatte. Als im Jahre 1855 ein Papyrus 66 Verse aus einem \“Partheneion\“ des Dichters Alkman von Sparta (siebtes Jahrhundert vor Christus) zutage gefördert hatte, begannen sich in Europa wissenschaftliche und private Gesellschaften zum Zwecke der Papyrussuche zu konstituieren. Eine davon war die Londoner \“Egypt Exploration Society\“. Ihr ist die Bergung der bisher größten Einzelmenge von Papyri aus der einstigen Mülldeponie der unterägyptischen griechischen Verwaltungsstadt Oxyrhynchus zu verdanken. 

Die etwa 400.000 Papierfetzen – verschmutzt, zerknittert, zerlöchert, oft nur flüchtig abgewaschen und neu beschrieben, als Einkaufstüte, Babywindel und so weiter verwendet und danach entsorgt -, diese Überreste also werden heute in Oxford im Ashmolean Museum verwahrt. Keine andere Institution hat bisher ihren Bestand derart kontinuierlich und systematisch aufgearbeitet, wie es im Falle der Oxforder Sammlung geschehen ist. Seit 1898 der erste Band der Reihe \“The Oxyrhynchus Papyri\“ publiziert wurde, sind 68 Bände mit 4.704 Texten zusammengekommen. Sie stehen in jeder Universitäts- und klassisch-philologischen Seminarbibliothek. Das ist freilich nur etwas mehr als ein Prozent des Oxforder Bestandes.

In der Woche vom 11. bis zum 16. April 2005 hatte nun ein Forscherteam der Brigham Young University aus Utah (BYU) in der Bodleian und der Sackler Library in Oxford Aufnahmen von Papyri mit der Multi-Spectral-Imaging-Technik (MSI) gemacht. Diese Technik v.a. zur Verbesserung der Lesung ist nicht neu, ihre Funktionsweise, die im Internet genauer erläutert wurde (http://www.papyrology.ox.ac.uk/multi/), ist grundsätzlich bekannt. Seit 2002 wurde sie innerhalb eines Sonderprojekts auch an Oxford-Papyri erprobt und weiterentwickelt. 

Dirk Obbink stellt klar, dass der Artikel im "Independent" lediglich hätte darlegen sollen, dass man signifikante (und hinreichend spannende) Fortschritte in der Lesung und in der Bestätigung von Identifikationen bei bestimmten Stücken gemacht habe, dass weitere Stücke erstmals identifiziert wurden, davon manche, wie üblich, als (Teile von Werken) bestimmter klassischer Standard-Autoren – während andere nach wie vor komplette Rätsel bleiben. – Die Publikation der neu gelesenen Fragmente kündigt Obbink für die nächsten beiden Bände (Bd. 69 und 70) der \“Oxyrhynchus Papyri\“ an. 

Quelle: Joachim Latacz, FAZ, 29.4.2005, Nr. 99, S. 35

Tagung der Medienarchivare in Hamburg

Vom 2. bis 4. Mai 2005 treffen sich Dokumentare und Archivare aus den Medieninstitutionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, also die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Dokumentationen in Presseverlagen, privaten Fernsehsendern und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, in Hamburg zu ihrer „Frühjahrstagung 2005“. Diese Tagung steht unter dem Motto \“Menschen im Archiv – die Zukunft mediendokumentarischer Arbeit\“. Es geht darum, die Auswirkungen der Medienkrise auf die Archive und Dokumentationen zu diskutieren und Konsequenzen für Arbeit und Arbeitsplätze der Archive darzustellen. Natürlich ist dabei der Zusammenhang zwischen qualitativ anspruchsvoller Recherche, gutem Journalismus und dem Vorhandensein von Archiven und Dokumentationen ein wesentlicher Aspekt. Weiterhin wird sich der Medienstandort Hamburg vorstellen, weshalb es Workshops und Führungen bei dem NDR, dem Spiegel-Verlag, Axel Springer Verlag, Gruner + Jahr, Heinrich-Bauer Verlag und der dpa geben wird.

Die Fachgruppe 7 Die „Fachgruppe der Medienarchivarinnen und -archivare im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.“, kurz: FG7, ist die Fachgruppe \“der Archivare an Medienarchiven\“, jedoch versteht sie sich längst über das klassische Presse-, Rundfunk- oder Filmarchiv hinaus als die berufsständische Vereinigung der in Medienunternehmen und in Medienarchiven der Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft tätigen Archivare und Dokumentare aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

In der FG7 finden sich Berufsgruppen vertreten, die nicht nur die informationelle und archivarische Unterstützung der Journalisten und Programmmacher in Presse, Hörfunk und Fernsehen besorgen, sondern überhaupt der Bewahrung und Zugänglichmachung von Medienerzeugnissen aller Art als Quellen der Zeitgeschichte verpflichtet sind. Damit stehen sie in vorderster Linie der sich im Bereich der Inhalte (des Content) erst formierenden Informationsgesellschaft. Ihre Kompetenz umfasst sowohl technische und handwerklich-methodische Aspekte, als auch insbesondere die Bewertung und Selektion relevanter Inhalte inmitten der chaotisch anwachsenden Informationsfluten.

Die Frühjahrstagungen der FG7 haben sich in den letzten Jahren zum Hauptforum der Diskussion und Information unter den Mitgliedern und Fach-Kollegen der gesamten Branche entwickelt. Sie dienen der Behandlung fachspezifischer und berufsständischer Fragen und dem kollegialen Erfahrungsaustausch. Sie haben inzwischen einen guten Ruf über den Kreis der Mitglieder hinaus innerhalb des gesamten Umfelds von Information und Dokumentation (IuD), Archiv und Bibliothek. Insbesondere bilden sie den jährlichen Treffpunkt des Berufsstandes der Medienarchivare/Mediendokumentare in Einrichtungen des Staates, der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Medien selbst.

Auf den Frühjahrstagungen werden grundlegende Themen und Fragestellungen in Angriff genommen und mit Beispielen aus der praktischen Arbeit verbunden. Dies ist einer der Gründe, warum diese Tagungen als Forum für den Gedankenaustausch von den Führungskräften und Mitarbeitern der Medieninstitutionen gleichermaßen geschätzt werden. Zukunftsweisende technische Entwicklungen und praxisorientierte Fragestellungen aus der täglichen Arbeit stehen hierbei stets im Vordergrund der Diskussion. Themen der letzten Frühjahrstagungen waren unter anderem:

  • In Zürich 2004: Volle Speicher, leere Kassen. Verwerten und Kassieren als Chance.
  • In Mainz 2003: Informationsarbeit im Fluss. Workflow, Content Management und Digitalisierung der Mediendokumentation.
  • In Ravensburg 2002: Informationsprodukte auf dem Prüfstand. Informationsdienstleistung, Syndication und das Internet.

Auf der diesjährigen Frühjahrstagung in Hamburg wird man sich sicherlich auch mit der "Archivaufruhr" (FAZ) im stern-Archiv auseinanderzusetzen haben (siehe Bericht).

Link: www.fg7.de

Kontakt:
Vorsitzender der FG7:
Hans-Gerhard Stülb 
Vorstand 
Deutsches Rundfunkarchiv 
Wiesbaden – Potsdam-Babelsberg
Fon: 0611/2383-111
hs@dra.de

Ortskomitee Hamburg:
Günter Peters
Stellvertretender Leiter G+J Dokumentation
Gruner + Jahr AG & Co KG
Am Baumwall 11
20444 Hamburg
Tel.: 040-37032062
Fax: 040-37035652
Mail: Peters.guenter@online.guj.de

Quelle: dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH Digitale Pressemappe, 20.4.2005

\“Stern\“-Archiv vor dem Aus?

Einst war die Abteilung Dokumentation das \“Vorzeigeprojekt\“ des Hamburger Verlags Gruner + Jahr (G+J) und zählte zu den besten Verlagsarchiven der Welt. Die Dokumentation, die für die stern- Redaktion recherchiert und Texte aus über 200 Quellen archiviert, besteht seit 30 Jahren. 10,3 Millionen Texte sind derzeit unter Schlagworten gespeichert (siehe Pressedatenbank). Inzwischen ist dieser Luxus innerhalb des Verlags als \“Profitcenter\“ privatisiert worden, die Abteilung muss kostendeckend arbeiten. Das bedeutet, jede G+J-Zeitschrift, die Dienste in Anspruch nimmt, muss dafür zahlen. 

Jetzt soll sich die Abteilung bei einer Ausschreibung für eine Dokumentation im eigenen Haus bewerben. Für die über 40 Betroffenen ist hingegen klar: \“Die Verlagsleitung des stern macht keinen Hehl daraus: Die Schließung der Dokumentation ist die aktuelle Option\“, heißt es in einem Flugblatt. Es gibt Bestrebungen, künftig das Spiegel-Archiv zu nutzen. Das Montagsmagazin hat just das Springer-Archiv aufgekauft, arbeitet nicht als Profitcenter und kann daher die G+J-\“Doko\“ bei der Ausschreibung unterbieten. Von \“Empörung und Fassungslosigkeit\“, berichtet G+J-Betriebsrat Thomas Thielemann.

Die Wut der Archivare kann der G+J-Pressesprecher Kurt Otto nicht nachvollziehen. Es stehe weder eine Schließung des Archivs noch der Verlust von Arbeitsplätzen bevor, betont er.

Quelle: Kai von Appen, taz Hamburg Nr. 7643, 19.4.2005, S. 21; FAZ, 30.4.2005, S. 47

Im Magazin des Wittener Notarchivs

Seit sieben Jahren arbeitet Max Bäcker (54) als Magazinverwalter im Stadtarchiv Witten – und geht in dem Job vollends auf. Der Magaziner, der viele Jahre lang als Dachdecker und Kanalarbeiter tätig war, liebt die Ruhe in seinem Reich, den Kellerräumen des städtischen Verwaltungsgebäudes an der Herbeder Straße, wo das Stadtarchiv Witten noch bis zum Jahresende als \“Notarchiv\“ untergebracht ist. Bäcker ist allein zuständig für die Pflege der städtischen Archivalien. Hauptsächlich sind es Verwaltungsakten; die älteste vorhandene ist das \“Marktbuch von Witten\“, das für die Zeit von 1692 bis 1794 auflistet, welche Gewerbebetriebe in der Ruhrstadt aktiv waren. Immer wieder versetzt Bäcker Aktenberge von den Verwaltungsstellen ins Archiv. Die Dokumente werden von den Archivmitarbeitern gesichtet: 80 Prozent werden vernichtet, 20 Prozent eingelagert, weil sie als wertvoll erachtete Daten für die Geschichtsschreibung Wittens enthalten bleiben sollen.

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Was dann an Büchern und Akten auf dem Schreibtisch des Magazinverwalters landet, ist nicht selten in einem bedauernswerten Zustand: Einband und Buchblock haben sich durch schiefe Lagerung stark verzogen. Einzelne Papiere sind nicht nur vergilbt, vor allem sind sie zerknittert, brüchig bis zerfallen, ihre Ränder verwellt. Blätter haben sich gelöst, sie sind von mikroskopisch kleinen Pilzen und Stäuben befallen, mitunter feucht. Was feucht ist und erhaltenswert, das wird zunächst in speziellen Kühlstätten des Landschaftsverbandes tiefgefroren, um es zu konservieren und später zu bearbeiten. Was das Stadtarchiv in trockenem Zustand erreicht, das säubert Max Bäcker zunächst. Mit einem speziellen Industrie-Staubsauger mit Bürstenaufsatz befreit er die einzelnen Blätter, auch den oberen Schnitt, Vorsätze und Falze von grobem Staub und Ähnlichem.

Die Feinarbeit erfolgt dann mit einem kleinen doppelseitigen Schwämmchen: die grobe Seite für Schimmelbefall, die feine, stumpfe Seite für Stäube. Bäcker reibt, mit einem Atemschutz vor dem Mund, vom Buchrücken weg nach außen, um keinen Knick oder Riss zu riskieren. Neben Staub und Schimmel sind sämtliche Metallteile (etwa Büroklammern, Drahtheftung) aus den Akten zu entfernen – der Rost frisst sonst das Papier kaputt oder hinterlässt zumindest hartnäckige Flecken. Bei den schließlich gesäuberten Werken nimmt sich Bäcker dann der maroden Fadenbindung an. Früher war Aktenbinder ein eigenständiger Ausbildungsberuf, Bäcker hat dieses Handwerk in einer Fortbildung erlernt. An der Innenseite des Kartoneinbands bringt Bäcker ein Buchklebeband an, schließlich näht er mit Nadel an Faden die einzelnen gefalzten Papierbögen ein.

Bei wertvollen alte Büchern, deren Seiten schon auseinander bröseln, setzt Bäcker die Fetzen mit einer Pinzette wieder zusammen. Danach rührt er Weizenstärke an und bettet die beschädigten Blätter in sehr dünnes und weiches, aber zähes Japanpapier ein, das aus dem Bast bestimmter ostasiatischer Sträucher hergestellt wird. Das dauert Wochen – auch weil Bäcker noch andere Aufgaben im Archiv zu erledigen hat: Mikrofilme und Interview-Kassetten müssen regelmäßig gespult werden, damit sie nicht verkleben, Archivnutzer müssen betreut, Akten transportiert werden … Auch trägt der Magaziner jede Woche 30 Liter reines, destilliertes Wasser aus dem Archiv. Gesammelt wird das Wasser in Luftentfeuchtern, die für ein trockenes, staubfreies Raumklima sorgen. Im Archiv für Verwaltungsakten, Bücher, Dauerleihgaben und Nachlässe einzelner Vereinsarchive soll die Luftfeuchtigkeit bei 50, bei Filmen, Fotos und Mikrofischen bei 30 Prozent liegen. Das sorgt bei Besuchern des Archivs regelmäßig für trockene Kehlen. Auch die Temperatur ist wichtig; sie wird übers Jahr konstant gehalten.

In den Archivregalen lagern auf einer zusammengerechneten Länge von fünf Kilometern bearbeitete Archivalien, fünf Kilometer sind noch in unhaltbarem Zustand. Man werde nie fertig, erklärt Bäcker, denn beim Eintreffen seien die Akten kaum mehr als Altpapier. \“Wenn ich sie bearbeitet habe, sind sie Dokumente, die davon erzählen, wie die Menschen früher hier in Witten gelebt haben.\“

Kontakt:
Stadtarchiv Witten
Herbeder Straße 43
58449 Witten
Telefon: 02302-581-2415
Telefax: 02302-581-2497
stadtarchiv@stadt-witten.de

Quelle: Mirco Stodollick, WAZ Witten, 29.4.2005

Wirtschaftsarchiv dokumentiert ostdeutsche Firmengeschichte

Die Region Berlin-Brandenburg erleidet nach Ansicht von Historikern einen dramatischen Gedächtnisverlust. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurden 38.000 Firmen aus dem Berliner Handelsregister gelöscht. Um die andauernde Vernichtung von Firmenunterlagen als Folge der tiefgreifenden Veränderungen der Wirtschaftsstruktur entgegenzuwirken, haben sich Geschichtswissenschaftler jetzt zum Förderverein Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e.V. zusammengeschlossen. 

Als Grundstock für das neu gegründete Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv dienen 750 laufende Aktenmeter, die die IHK Berlin zur Verfügung gestellt hat. Es handele sich dabei u.a. um Daten von Wirtschaftsunternehmen, die zwischen 1945 und 2003 bei der IHK angemeldet waren, erklärt Förderverein-Mitglied Klaus Dettmer vom Landesarchiv Berlin. Nun gelte es, an die Nachlässe oder Hinterlassenschaften von Unternehmen, die Insolvenz anmeldeten, heranzukommen.

Kontakt:
Förderverein Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e.V.
Tel.: 030/90 26 42 14

Quelle: Berliner Morgenpost, 28.4.2005

Holocaust-Forscher in der Quisling-Villa

Schon vor seiner offiziellen Eröffnung macht das neue Osloer Zentrum zur Erforschung des Holocausts und religiöser Minderheiten ("Senter for studier av Holocaust og livssynsminoriteters stilling i Norge") von sich reden: Die Villa Grande ragt weit über die hohen Kiefern und Birken auf der Südspitze der Osloer Museumsinsel Bygdøy hinaus. 1917 hatte ein reicher Reeder den burgähnlichen Bau errichten lassen; das Gebäude blieb allerdings unbewohnt, bis Vidkun Quisling, Chef der Nazipartei Nasjonal Samling und ab Februar 1942 norwegischer Ministerpräsident von Hitlers Gnaden, die Villa okkupierte und zu einer fürstlichen Residenz herrichten ließ. Hier fällte der Mann, dessen Namen weltweit zu einem Synonym für Nazi-Kollaborateure werden sollte, gemeinsam mit Hitlers Reichskommissar Terboven Todesurteile gegen norwegische Widerstandskämpfer. Hier rüstete er sich für seine Reisen nach Berlin – Quisling war derjenige auswärtige Politiker, der Hitler am häufigsten traf. Und: Bereits im Oktober 1942 gingen von hier die ersten Befehle zur Vernichtung der norwegischen Juden aus. 

Der finden um die Villa Grande noch Bauarbeiten statt, in das Obergeschoss ist aber schon vor einigen Wochen ein neuartiges Forschungszentrum eingezogen, das sich nicht zuletzt mit der verbrecherischen Judenpolitik Quislings befasst. Professor Odd-Bjørn Fure (62) erklärt die Nutzung damit, dass die Verknüpfung der jüdischen Tragödie in Norwegen mit diesem Haus eine unglaublich symbolische Bedeutung habe. Nun wolle man Kultur und Geist der Villa Grande gleichsam um 180 Grad drehen, das einstige Haus des Bösen in ein Haus mit zivilisatorischer Ausstrahlung verwandeln.

Die Etablierung des Zentrums ist für Odd-Bjørn Fure "ein riesiger mentalitätsgeschichtlicher und zivilisatorischer Sprung nach vorn, weil der norwegische Holocaust eine lange Zeit außerhalb oder nur am Rande der kollektiven Erinnerung stand". Er sei tabuisiert worden, weil es für die Norweger lange unvorstellbar war, dass ihre um demokratische Kernwerte wie Eidsvoll-Verfassung, Storting und Menschenrechte zentrierte Gesellschaft "maßgeblich an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung des eigenen Landes beteiligt war". 

Bei der Gründung des Zentrums zur Erforschung des Holocausts und religiöser Minderheiten im April 2001 hat die jüdische Gemeinde des Landes Pate gestanden. Als Norwegens Holocaust-Opfer 1997 von der Osloer Regierung 250 Millionen Kronen (rund 80 Millionen Euro) als Entschädigung erhielten, entschieden sie, davon 40 Millionen Kronen als Stiftungskapital für eine besondere aufklärerische Institution zur Verfügung zu stellen. Als dessen "Hauptpfeiler" bezeichnen die Stiftungsdokumente die Erforschung des Holocausts und des alten und neuen Antisemitismus. Daneben sollen Studien über die anderen religiösen Minoritäten in Norwegen entstehen. Die Forscher in der einstigen Quisling-Villa hoffen, "dass wir ein Kraftzentrum für die Menschenrechte, für die Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und jeglicher Diskriminierung werden", umreißt Professor Fure den eigenen Anspruch.

Kontakt:
Senter for studier av Holocaust og livssynsminoriteters stilling i Norge.
Adresse:
Villa Grande
Huk aveny 56

Postadresse:
Postboks 1168 Blindern
0318 Oslo
telefon: 22 84 21 00
telefaks: 22 84 21 01
post@hlsenteret.no
http://www.hlsenteret.no/  

Quelle: Jochen Reinert (Oslo), Neues Deutschland, 29.4.2005