Als zum 8. Mai der "Bremer Anzeiger" unter der Überschrift \“60 Jahre Kriegsende\“ mit einem Bild von der zerstörten Bremer Innenstadt auf der Titelseite aufmachte, sah man Menschen Schutt schippen. Im Untertitel hieß es: \“Vor 60 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Auch in Bremen krochen die Menschen verstört aus den Kellern – verstört, aber befreit.\“ Die Menschen, die auf dem Foto vermeintlich \“verstört, aber befreit\“ in den Trümmern graben, waren jedoch nicht die Bremer nach Kriegsende, sondern Zwangsarbeiter und als solche gut zu erkennen durch ihre gestreiften Kleider und Mützen. Das Foto zeigt nicht das Kriegsende, sondern Bremen nach dem 122. Bombenangriff, am 20. Dezember 1943.
Nicht nur das Anzeigenblatt hat das Bild falsch datiert, auch auf der Internetseite des für die Kulturhauptstadtbewerbung zuständigen Büros \“Bremen 2010\“ wurde dasselbe Bild als \“zerstörtes Bremen nach dem Krieg\“ bezeichnet. Beide, Anzeiger und Kulturbüro, haben das Bild von der Domgemeinde bekommen, die es der Presseinformation über ihre Gedenkwoche zum Kriegsende beigefügt und dabei aber richtig datiert hatte. – Herbert Wulfekuhl von der Landeszentrale für politische Bildung hält den Schnitzer für ebenso "schmerzlich\“, wie zeittypisch, da der Zeitabstand zum Geschehenen mittlerweile groß, die historischen Kenntnisse und das Interesse an den Zusammenhängen jedoch im Überfluss der Medieneindrücke immer geringer werden. Das gilt offenbar auch für Redaktionen, wenngleich das Bremer Bildmaterial, das aus dem örtlichen Staatsarchiv stammte, dort leicht zu kontextualisieren gewesen wäre.
Quelle: taz Bremen Nr. 7661, 11.5.2005, S. 21