Schweizer uneins über Schutzmaßnahmen bei Firmenarchiven

Die in den neunziger Jahren geführte Debatte um die Geschichte der Schweiz im Zweiten Weltkrieg machte deutlich, dass Firmenarchive nicht nur für die Dokumentation der Geschäftstätigkeit der Unternehmen sehr wichtig sein können, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Der Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare (VSA) will nun die Diskussion über den Wert der Unternehmensarchive verstärken und konnte aus diesem Anlass 125 Wissenschaftler, Unternehmer und Archivare in Bern zu einer Arbeitstagung begrüßen (Programm). 

Einigkeit herrschte in der Auffassung, dass die Firmenarchive ein wichtiger Teil des nationalen Kulturguts und deshalb schützenswert seien. Umstrittener war hingegen die Frage, wie diese privaten Archive erhalten und der Forschung zugänglich gemacht werden können. Immer wieder werden Akten in den Unternehmen vernichtet oder können bei einem Konkurs oder einer Fusion nirgends untergebracht werden. 

Zudem erhalten Wissenschaftler oft nur sehr beschränkten Zugang zu den Akten. Dem Basler Historiker Mario König, der 1998 im Auftrag der "Bergier-Kommission" die so genannte "Interhandel-Affäre" aufgearbeitet hatte, wurden beispielsweise bei seinen Recherchen in der ehemaligen Schweizerischen Bankgesellschaft zentrale Akten bewusst vorenthalten. Die auf der Tagung anwesenden Firmenarchivare und Unternehmer entgegneten verblüffend offenherzig, dass eine Firma eben wenig Interesse daran habe, dass in der Öffentlichkeit über die "dunklen Seiten" ihrer Vergangenheit berichtet wird.

Akute Probleme entstehen, wenn eine Firma ihr Archiv nicht (mehr) pflegen kann oder will. Die Akten werden dann oftmals den öffentlichen Archiven, den Staats- und Gemeindearchiven, angeboten. Doch diese können aus Mangel an Geld und Lagerraum nur geringe Mengen übernehmen. Dabei stellt sich für die Archivare auch die Frage, welche Dokumente überhaupt erhaltenswert sind. Ein von Peter Witschi, Staatsarchivar Appenzell Ausserrhoden, präsentiertes Bewertungsmodell wurde deshalb allseits dankbar aufgenommen. Zudem widmen sich private Organisationen der Pflege und Rettung von Unternehmensarchiven.

In der Podiumsdiskussion sprach sich Ernst Willi, Konzernleitungsmitglied bei Georg Fischer, gegen staatliche Vorschriften darüber aus, was und wie lange aufbewahrt werden muss. Auch Hans Schüpbach vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz lehnte gesetzliche Vorschriften ab. Die Frage, wie und wo die Firmenarchive als Kulturgüter von öffentlichem Interesse gesichert werden können, blieb in der Diskussion auf der Tagung entsprechend weitgehend unbeantwortet.

Quelle: Stefan Frech, ZT online / Mittelland Zeitung, 18.4.2005 

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