Trotz aller Überzeugungsarbeit weiß Horst Neißer, Direktor der Kölner Stadtbibliothek: "Es gibt Vorurteile, die kann man einfach nicht ausrotten." Dazu zählt die Ansicht, öffentliche Bibliotheken seien eine Einrichtung für Kinder und Menschen, die viel Zeit haben, um Romane zu lesen. Tatsächlich hat gerade die Kölner Zentralbibliothek in den 25 Jahren ihres Bestehens ihre Funktion als Ausleihstation für Bücher nach und nach verloren und ihren internationalen Ruf als vorbildliche "Public Library" weiter ausbauen können. Gezielte Informationsvermittlung für alle Zielgruppen heißt die Zauberformel, für die Direktor Neißer auch ein Beispiel nennen kann: "Vor einiger Zeit habe ich in einer Kneipe einen Herrn getroffen, der für die Teilnahme seiner Firma an einer Ausschreibung vergeblich nach der durchschnittlichen Luftfeuchtigkeit in Melbourne im September forschte. Nachdem ich ihn überredet hatte, zu uns zu kommen, hatte er nach zehn Minuten die gewünschte Information."
Mit einem Festakt zum 25-jährigen Bestehen wurde am Montag die Bedeutung von Zentralbibliothek und Heinrich-Böll-Archiv hervorgehoben. OB Fritz Schramma ehrte haupt- und ehrenamtliche Förderer der Einrichtungen und las Heinrich Bölls Satire "Auf der Suche nach dem Leser". Schramma sprach sich für das geplante "Haus der Literaturarchive" aus, mit dem das Stadtarchiv und das Heinrich-Böll-Archiv zusammengeführt werden sollen. "Mit diesen Einrichtungen ist ein großer Schatz entstanden. Wir sollten in Köln mit den Pfunden wuchern, die wir haben".
Am Rande der Veranstaltung wurden aber auch kritische Töne laut. So sei eine Verkürzung der Öffnungszeiten bei 8 000 Besuchern täglich das falsche Signal. Konrad Beikircher und Viktor Böll präsentierten beim Festakt eine satirische Lösung – sie forderten in einem feurigen Plädoyer kurzerhand, die Buchstaben abzuschaffen.
Quelle: David Ziegelmayer, Kölnische Rundschau, 16.2.2005