Der Protest der Familienforscher war lautstark, als ihnen das Staatsarchiv Bern aus Spargründen den Zutritt zu den Kirchenbüchern drastisch einschränkte. Ein findiger Amerikaner bietet die Quellen nun auf CD an.
Kein Mensch interessierte sich für sein erstes Buch. Ob Häuser, Bäume oder ein Pflasterstein: Lewis Bunker Rohrbach listete in seinem Werk minutiös auf, wer im Jahr 1821 was in Boston besass. Heute, 35 Jahre nach seiner ersten Publikation, führt der mittlerweile 63-Jährige in Rockport im US-Bundesstaat Maine einen auf Genealogie spezialisierten Buchverlag. Der Amerikaner, dessen Ururgrossvater vor 200 Jahren von Hinterfultigen in die USA auswanderte, hat seinen Wohnsitz nach Worb verlegt. Hier will er ein Zentrum für Familienforschung einrichten. Die Idee dazu kam ihm, nachdem das Staatsarchiv Bern aus Spargründen eine restriktive Regelung für Familienforscher einführte. Sie dürfen fortan nur noch an drei Tagen im Jahr ein Lesegerät reservieren, um auf Mikrofilmen die Kirchenbücher nach Ahnengeschichten zu durchsuchen. Rohrbach wollte die bernischen Kirchenbücher kopieren und sie in seinem Zentrum zum Verleih anbieten – gegen Entgelt. Das erschien den Familienforschern anfänglich suspekt. Sie zogen es vor, für den uneingeschränkten und kostenlosen Zugang zum Staatsarchiv zu kämpfen – vergeblich. Im vergangenen Jahr wies das Verwaltungsgericht eine Beschwerde der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft Bern (GHGB) ab.
In der Zwischenzeit sind die Familienforscher vom digitalen Zeitalter eingeholt worden: Rohrbach hat sämtliche 1225 Mikrofilme der bernischen Kirchenbücher gekauft, sie digitalisieren und auf CDs brennen lassen. Dazu kaufte er für 100 000 Franken eine Maschine. Während 14 Monaten waren sechs Frauen damit beschäftigt, die 400 Kirchenbücher zu kopieren und anschliessend einen Index zu verfassen. Familienforscher können nun eine CD ihrer gewünschten Gemeinde kaufen und sie bei sich zu Hause in den Computer schieben. Je nach Grösse der Gemeinde benötigt ein Kirchenbuch Speicherplatz zwischen einer oder sechs CDs. Der Erwerb einer CD kostet 150 Franken, jede weitere kommt auf 75 Franken zu stehen. Aus urheberrechtlichen Gründen dürfen die Daten auf den CDs aber nicht beliebig ausgedruckt oder ins Internet gestellt werden. Rohrbach hat sich dazu gegenüber dem Staatsarchiv verpflichten müssen. Die CDs verfügen deshalb über einen spezifischen Schutz.
Es interessierten sich nun auch Forscher für seine CDs, die ihm anfänglich skeptisch gegenübergestanden seien, sagt Rohrbach. Für ihn ist klar, dass Genealogen, wie jeder andere Mensch auch, für ihr Hobby bezahlen müssen. Der Verkauf der CDs werde für ihn nie selbsttragend sein. Sein Einkommen hat er sich als Börsenmakler erwirtschaftet. Die Genealogie sei seine Leidenschaft, die er von seinen beiden Grossmüttern geerbt habe, sagt der Wahl-Worber. Er liebe es, nach alten Familiengeschichten zu suchen.
Diesen Sommer will Rohrbach in seinem Haus am Paradiesweg in Worb ein Zentrum für Familienforschung eröffnen. Anders als ursprünglich geplant soll dort nur noch ein Lesegerät für Mikrofilme zu stehen kommen. Rohrbach ist überzeugt, dass die Familienforscher bis in ein paar Jahren nur noch auf CDs zurückgreifen werden. Im Stöckli neben dem Bauernhaus will er eine Genealogie-Bibliothek einrichten. Die 14 000 Bände hat er in 850 Kartons aus den USA nach Worb kommen lassen. Das Ordnen und Katalogisieren der Bücher werde vermutlich noch ein Jahr dauern, schätzt Rohrbach.
Worb soll zu einem Treffpunkt von Amerikanern werden, die in der Schweiz nach ihren Vorfahren suchen. Für viele Amerikaner sei die Suche nach den Wurzeln wichtig, um herauszufinden, wer man ist, sagt Rohrbach. Manche würden wegen ihres griechisch oder türkisch klingenden Namens immer wieder nach ihrer Herkunft gefragt, hätten aber selber keine Ahnung, woher ihre Vorfahren stammen.
Ursprünglich hatte der Familienforscher die Idee, Reisen für Amerikaner an ihren Herkunftsort zu organisieren. Stattdessen will er im August Studenten der Mercersbury Academy in Pennsylvania, die 1826 mit Schweizer Hilfe gegründet wurde, nach Worb bringen.
Quelle: espace.ch, 9.2.2005