Mitverantwortung für das kulturelle Erbe

Die evangelischen Kirchenarchive in Deutschland sind im Verband kirchlicher Archive in der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der evangelischen Kirche zusammengeschlossen. Der seit 25 Jahren bestehende Verband hat das Ziel, das Archivwesen in Mitverantwortung für das kulturelle Erbe auf allen Ebenen zu fördern und erfüllt dabei Aufgaben, die von einzelnen kirchlichen Archiven nicht geleistet werden können.

In einer kleinen, aktuellen Selbstdarstellung im Rahmen der Publikationsreihen, die durch den Verband kirchlicher Archive erscheinen (Aus evangelischen Archiven, Rundbrief, Kleine Schriften), werden Struktur und Geschichte des Verbandes (9-12), seine Publikationsreihen und Medien (Mailingliste und Internetauftritt www.evangelische-archive.de) (13-15) ebenso kurz vorgestellt wie archivische Grundsatzfragen angesprochen werden (17-20). Zu den Aufgaben des Verbandes gehören zudem Archivberatungen und die Erstellung von Gutachten (21-22) sowie die Durchführung von Fachtagungen, Fortbildungen und Kooperationen (23-29).

Ein Schwerpunkt in der archivischen Arbeit des Verbandes wird auch künftig der Einsatz von neuen Medien im Archiv sein. Dabei gehe es im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit unter anderem um die Frage, wie die archivischen Serviceleistungen noch transparenter und benutzerfreundlicher gestaltet werden können. Das Internet biete hier bereits entscheidende Vorabinformationen für die Benutzerinnen und Benutzer, erhöht dadurch auch die Chance für eine "emanzipierte" Archivbenutzung.

Info:
Verband kirchlicher Archive. Struktur – Aufgaben – Leistungen,
erarbeitet i.A. des Verbandes kirchlicher Archive von Bettina Wischhöfer, Gabriele Stüber und Annette Göhres,
Kassel 2004, 33 Seiten, ISBN 3-937564-01-2

Bezug:
Landeskirchliches Archiv Kassel
Lessingstraße 15A
34119 Kassel
info@evangelische-archive.de

Quellen zur Geschichte der Anstaltspsychiatrie in Westfalen

Das Hungersterben in den psychiatrischen Anstalten im Ersten Weltkrieg, die Weimarer Geisteskrankenfürsorge im Zeichen von Reform und Weltwirtschaftskrise, der nationalsozialistische Vernichtungsfeldzug gegen die psychisch Kranken und geistig Behinderten sowie die Psychiatrie der 1950er Jahre zwischen politischem Neuanfang und Reformbeginn, zwischen Verdrängung und Aufarbeitung – das sind die Schwerpunkte des soeben in der Veröffentlichungsreihe des LWL-Instituts für Regionalgeschichte erschienenen zweiten Bandes der großen Quellensammlung zur Geschichte der Anstaltspsychiatrie in Westfalen. Die Publikation knüpft an den ersten, ebenfalls epochenübergreifenden Band von Thomas Küster an, der den Zeitraum von 1800 bis 1914 umfasst. Eine vergleichbare Quellensammlung zur Psychiatriegeschichte gibt es bislang für keine andere deutsche Region. 

Der über 800 Seiten umfassende Band von Franz-Werner Kersting und Hans-Walter Schmuhl spiegelt und vertieft die breite zeithistorische Forschung zur Geschichte (und Vorgeschichte) der NS-Psychiatrie. Gleichzeitig greifen die beiden Herausgeber erstmals systematisch über die Zäsur von 1945 hinaus. Sie bieten eine Auswahl von 210 Einzeldokumenten unterschiedlicher Herkunft. Ihre Zusammenstellung berücksichtigt die Perspektiven der Akteure – und Täter – aus Verwaltung, Ärzteschaft und Pflegepersonal, trägt aber auch den leidvollen Erfahrungen von Patienten, Opfern und betroffenen Familien Rechnung. Alle Dokumente sind mit textkritischem Kommentar und ergänzenden Erläuterungen versehen. Eine umfangreiche Einleitung führt in die Gesamtthematik und in die Quellenauswahl ein.

Gleichwohl bildet der Band keine Aktenedition im strengen herkömmlichen Sinne. Er versteht sich vielmehr als \“Studienausgabe\“, die den Leserinnen und Lesern mit Hilfe aussagekräftiger Quellen den Einstieg in ein vielschichtiges und schwieriges Problemfeld erleichtern möchte. In diesem Sinne wendet sich die aktuelle Veröffentlichung des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte ganz bewusst nicht nur an Wissenschaft, Forschung und Studierende, sondern auch an heutige oder ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter psychiatrischer Einrichtungen innerhalb wie außerhalb Westfalens.

Info:
Franz-Werner Kersting/Hans-Walter Schmuhl (Hg.), 
Quellen zur Geschichte der Anstaltspsychiatrie in Westfalen.
Bd. 2: 1914-1955, "Forschungen zur Regionalgeschichte", Band 48. 
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004.
ISBN 3-506-71694-8, Euro 64,-. 
Subskriptionspreis bei Abnahme der Bände 1 und 2: 
Bd. 1: Euro 44,-
Bd. 2: Euro 52,-.

Lob für Ausstellung des Güstrower Stadtarchivs

Neben den Baudenkmalen der Residenzstadt Güstrow und den umfangreichen klassizistischen Bürgerbauten gehören auch viele Bauten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den bedeutenden Kulturwerten der Stadt. Hier ist für Güstrow wesentlich, dass diese Baudenkmale entstanden als Ernst Barlach Bürger Güstrows war. Dazu gehören u.a. der Wasserturm Südstadt, die Kongresshalle, aber auch ganze Stadtteile wie Südstadt und Dettmannsdorf.

Das Stadtarchiv Güstrow hat – aus denkmalpflegerischer Sicht – eine hervorragende Ausstellung zusammengetragen, die in diesem Umfang erstmals die bedeutenden Architekten dieser Zeit würdigt, vor allem die überregional bedeutenden Baumeister Adolf Kegebein (1894-1967), Martin Eggert (1883-1978) und Paul Korff (1875-1945). Die Exponate boten Vergleichsmöglichkeiten, wodurch die individuelle Handschrift der Architekten verdeutlicht werden konnte.

Kontakt:
Stadtarchiv Güstrow
Franz-Parr-Platz 10
18271 Güstrow
Tel: 03843/769160 
marketing@guestrow.de 

Quelle: Jürgen Höhnke, Güstrower Anzeiger / SVZ, 9.11.2004

Positionen des AK Archivische Bewertung im VdA

Nachdem sich im Dezember 2001 erstmals der Arbeitskreis Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Verband deutscher Archivarinnen und Archivare getroffen hatte, konnte er nunmehr in seiner siebten Sitzung, die am 12.10.2004 in Berlin stattfand, ein in dieser Zeit erarbeitetes Positionspapier zur archivischen Überlieferungsbildung vorstellen.

Durch den Bewertungsvorgang formen Archivarinnen und Archivare aus den Unterlagen des politischen und gesellschaftlichen Lebens die Basis der geschichtlichen Forschung und den Rahmen des künftigen historischen Wissens. In dem vom Arbeitskreis Archivische Bewertung erstellten Positionspapier werden inhaltliche und methodische Eckpunkte für die notwendige fachkundige archivische Überlieferungsbildung genannt.

Neben grundsätzlichen Hinweisen zum Bewertungskontext beinhaltet das Papier Thesen zum Bewertungsverfahren, zur Bewertung massenhaft gleichförmiger Fallakten, zur Bewertung statistischer Unterlagen, zur Bewertung elektronischer Unterlagen und schließlich zur Bewertung audiovisueller Unterlagen.

Vor der Festlegung von Bewertungsentscheidungen und Bewertungsmodellen müsse, so heißt es im Positionspapier, eine Festlegung der Dokumentationsziele erfolgen, die mit der Überlieferungsbildung im betroffenen Bereich verfolgt werden. Die Ziele seien auf der Grundlage einer eingehenden inhaltlichen Analyse zu definieren, bei der potenzielle Auswertungsmöglichkeiten erfasst und bewertet werden. Die Bewertung sollte möglichst zeitnah zum Entstehen der Unterlagen erfolgen und grundsätzlich unter Beteiligung der aussondernden Stellen erfolgen. Archive unterschiedlicher Träger sollten sich bei Überschneidungen bzw. Berührungen so weit wie möglich abstimmen, um die Überlieferungsbildung zu optimieren und bei Anerkenntnis unterschiedlicher Perspektiven die jeweils wechselseitigen Interessen zu berücksichtigen. Dies sollte sich als Standard etablieren. Die archivübergreifende Überlieferungsbildung nach den Grundsätzen der so genannten vertikalen und horizontalen Bewertung habe sich bewährt. Sie setzt jedoch eine verlässliche strukturierte Akten- und Registraturführung voraus. Bei jeder Bewertungsentscheidung sei eine mögliche Beteiligung von Vertretern der Forschung bzw. von Nutzerkreisen zu prüfen. Jede Bewertungsentscheidung müsse dokumentiert und zumindest pauschal begründet werden.

Info:

  • Ergebnisprotokoll der 7. Sitzung des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare am 12. Oktober 2004 bei der Bundesbeauftragen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in Berlin (doc-Datei) (pdf-Datei)
  • Positionen des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare zur archivischen Überlieferungsbildung vom 15. Oktober 2004 (doc-Datei) (pdf-Datei)

Kontakt:
Leiter des Arbeitskreises: Dr. Robert Kretzschmar
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Konrad-Adenauer-Str. 4
70173 Stuttgart
Tel.: 0711/212-4335
Fax: 0711/212-4360
Kretzschmar@s.lad-bw.de

Pilzbefall und Bildarchivierung – Archivmitteilungen Nr. 8 der Ev. Kirche im Rheinland

Nach sieben Jahren Pause ist nunmehr mit der Nummer 8 eine neue Ausgabe der \“Archivmitteilungen\“ der Evangelischen Kirche im Rheinland erschienen. Das 60 Seite starke Heft beinhaltet Beiträge, Mitteilungen, Erfahrungsberichte aus der Archivpflege sowie das Historische Stichwort zu Begebenheiten der rheinischen Kirchengeschichte. Der Düsseldorfer Biologe Dirk Bockmühl erläutert in seinem Beitrag die Gefahren, die durch Schimmelpilzbefall für Menschen und Materialien in Archiven und Bibliotheken drohen. Da die nachträgliche Bekämpfung des Pilzbefalls schwierig ist, muss mit Hilfe eines geeigneten Raumklimas hier bereits prophylaktisch gehandelt werden. Gleichwohl bleibe die Entwicklung eines Mittels zum dauerhaften Stoppen des Pilzbefalls ein ebenso wichtiges Ziel wie die eingehende medizinische Betrachtung der Zusammenhänge und die Erstellung verbindlicher Richtlinien zum Umgang mit Schimmelpilzen in Bibliotheken und Archiven.

Im zweiten größeren Beitrag der vom Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland herausgegebenen Archivmitteilungen stellt der Archivmitarbeiter Michael Hofferberth Hard- und Softwarehinweise zur Bildarchivierung mit dem PC vor. Neben dem Zubehör, das für eine Digitalisierung von Vorlagen benötigt wird, wird zunächst der Digitalisierungsvorgang erklärt, sodann das Nachbearbeiten der Scans mit einer Bildsoftware. Des Weiteren gibt der Autor einige Hinweise zur externen Speicherung der Digitalisate, ihre Übernahme in eine Bilddatenbank sowie ihren Aus- und Abdruck.

Für die Bildspeicherung komme allein das Tif-Dateiformat in Frage, das man – beispielsweise für eine Internetveröffentlichung – anschließend immer noch auf 72 oder 100 dpi Auflösung reduzieren könne. Der Dateiname der gescannten Bilder sollte sich aus drei Komponenten zusammensetzen: einer Gliederungskennziffer (z.B. für Porträts, Personengruppen, Gebäude, Ereignisse etc.), einer fortlaufenden Nummer und einer Kurzbezeichnung des Motivs.

In der Rubrik Mitteilungen der sich speziell auch an die im Heft benannten Archivpflegerinnen und Archivpfleger der Rheinischen Kirche richtenden Zeitschrift wird neben Kurzvorstellungen von Publikationen zur EKIR-Archivgeschichte und der Homepage des Landeskirchlichen Archivs auch von dem neuen Einheitsaktenplan der Evangelischen Kirche im Rheinland berichtet. Die Kirchenleitung hat im Frühjahr 2004 erstmals eine Schriftgutordnung erlassen, mit der für alle Organisationsebenen (Kirchengemeinden, Kirchenkreise, Landeskirche) der Umgang mit den Dokumenten in Registratur und Archiv verbindlich und einheitlich geregelt wird. Kernstück dieser Ordnung sei der Einheitsaktenplan, dessen Vorläufer – u.a. ein Registraturplan von der 1969, der zugleich Gliederungsplan und Stichwortverzeichnis war – nicht mit den Anforderungen heutiger Daten-Management-Systeme konform gingen. Der Einheitsaktenplan ist untergliedert in in einstellige Hauptgruppen (z.B. \“1 Kirchliche Mitarbeiter\“), zweistellige Gruppen (z.B. \“11 Pfarrerinnen und Pfarrer\“), dreistellige Untergruppen (\“11-1 Bewerbungen der Pfarrerinnen und Pfarrer\“) etc. Entsprechend den Bedürfnissen der einzelnen kirchlichen Einrichtungen müsse auf der Basis des Einheitsaktenplans ein spezifischer Registraturplan erstellt werden, der weiter zu untergliedern wäre.

Inhalt der Archivmitteilungen Nr. 8:
– Vorwort (2)
– Dirk Bockmühl: Pilzbefall in Archiven und Bibliotheken (3-21)
– Michael Hofferberth: Die Bildarchivierung mit dem Personalcomputer (22-38)
– Schriftgutordnung und Einheitsaktenplan (39)
– Anvertraute Zeit. 150 Jahre Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland und 50 Jahre Evangelische Archivstelle Boppard (42)
– Die Internet-Seite des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland (45)
– Andreas Metzing: Zusammenlegungen von Kirchengemeinden – eine Herausforderung für die kreiskirchliche Archivpflege (47)
– Neue Findbücher der Evangelischen Kirche im Rheinland (49)
– Archivpfleger der Evangelischen Kirche im Rheinland (53)
– Gustav Schellack: Branntweingenuss der Frauen bei Taufen (57)

Impressum:
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland
Hans-Böckler-Straße 7
40476 Düsseldorf
www.archiv-ekir.de
Tel: 0211/4562-225
Fax: 0211/4562-421
eMail: archiv@ekir-lka.de

Die Historiker vor ihren Quellen

Im Rahmen der École de l\’Érudition en Réseau veranstaltet die Mission historique française en Allemagne (MHFA) in Zusammenarbeit mit der École nationale des Chartes (Paris), dem Institut de Recherche et d\’Histoire des Textes (IRHT, Paris und Orléans), dem Centre d\’Études Supérieures de la Civilisation Médiévale (CESCM, Poitiers) und den Monumenta Germaniae Historica (München) zwei Studientage für Doktoranden unter dem Titel: \“Der Historiker vor seinen Quellen: Möglichkeiten und Grenzen der Quelleneditionen". Es handelt sich um zwei voneinander unabhängige, aber sich ergänzende Veranstaltungen, deren Ziel es ist, die Erkenntnismöglichkeiten der Quelleneditionen unter Berücksichtigung des historiographischen Kontextes zu erfassen.

Das erste Treffen findet am Samstag, dem 26. Februar 2005 in Paris unter dem Titel \“Quellenedition und Historiographie: die Edition als Spiegel der historiographischen Fragestellung und ihre Auswirkung auf das Quellenverständnis\“ statt. Dieser Tag ist einerseits der historischen Einordnung der verschiedenen Quelleneditionen gewidmet, auf die sich die aktuelle historische Forschung vorwiegend stützt, andererseits geht es um die Analyse der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Quellengattungen, den Formen der Editionen, die sich daraus ergeben, und der Auswertung der Quellen durch Historiker oder andere Wissenschaftler. Um den Blick nicht nur auf die Vergangenheit zu richten, wird selbstverständlich auch die heutige Typologie der Quellen thematisiert werden sowie ihre Folgen für die Auswertung geschichtlicher Dokumente.

Das zweite Treffen wird am Samstag, den 9. April 2005 in München stattfinden, das Thema lautet: "Die Formen der Quellenedition und ihre Nutzung durch den Historiker, zwischen Tradition und Innovation: einige aktuelle Unternehmungen\“. An diesem Studientag wird der Vergleich verschiedener Quelleneditionen im Mittelpunkt stehen (Quellen aus dem Mittelalter bis heute) und zwar nicht unter einem technischen Gesichtspunkt, sondern die Überlegungen sollen den Vorgaben und Auswirkungen einiger in Arbeit befindlichen oder kürzlich erschienenen Editionen gelten: Was waren die Gründe für die Entscheidungen der Herausgeber in Bezug auf die Publikationsform (Transkription oder Faksimile, Papier oder elektronisch), auf die Vorgehensweise, auf die Möglichkeiten der Auswertung? Welchen Anforderungen wollten die Herausgeber entsprechen, gleich ob es sich um diplomatische, juristische, liturgische oder narrative Quellen handelt? Kurz: welche Edition für welche Historiographie?

Info:

Das Bewerbungsformular kann im Internet unter der Adresse der MHFA abgerufen werden: http://www.mhfa.mpg.de/fr_vie.html 

Kontakt:
Mission Historique Française en Allemagne
Hermann-Föge-Weg 12
Postfach 2833
D-37018 Göttingen
Tél.: (0) 551 – 552 13
Fax: (0) 551 – 46455

Quelle: H-Soz-u-Kult, 5.11.2004 und 8.11.2004

Statuten des jüdischen Gemeindelebens in Haltern

Durch einen Zufall entdeckte der Halterner Stadtarchivar Gregor Husmann die Statuten der Jüdischen Gemeinde im Staatsarchiv Münster. Bei der Bearbeitung der schwer zu lesenden Schrift half ihm dann die Realschülerin Annika Wieschus!

Die Statuten, die aufgrund ihrer demokratischen Strukturen von großer Bedeutung für die Stadtgeschichte seien, regelten unter anderem die Gemeindearbeit sowie die Aufgabenbereiche von Vorstand und Repräsentationsgremium. Die vor hundertfünfzig Jahren rund 70 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Haltern-Dülmen organisierten auf dieser Grundlage auch die Kultus- und Schulangelegenheiten und den Neubau der neuen Synagoge, die 1860 erstellt wurde. Damals hatte die Jüdische Gemeinde für ihre Kinder eine gesonderte Schule und musste diese auch finanzieren.

Kontakt:
Stadtarchiv Haltern
Rathaus
45721 Haltern
Telefon: 02364-933-104

Quelle: WAZ, 9.11.2004

Keine pappnasige Geschichte

War das Mainzer Fastnachtsmuseum vor einigen Wochen bereits Pressethema, als aus den Reihen kleinerer Fastnachtsvereine Kritik an der Ausstellungspräsentation geübt wurde, so stellte die Allgemeine Zeitung in ihrer Wochenendausgabe nun den Leiter von Fastnachtsmuseum und -archiv einmal näher vor. Friedrich Schütz, der von 1993 bis 2002 Leiter des Mainzer Stadtarchivs war, hat nach seiner Pensionierung den Arbeitsplatz ins Mainzer Fastnachtsmuseum verlegt. 

Der gelernte Werkstoffprüfer der Hüttenindustrie Siegen kam vor nunmehr 38 Jahren in die Domstadt, um über den zweiten Bildungsweg sein Abitur zu machen. Schütz studierte dann Geschichte und Germanistik bis zum Staatsexamen, machte seine Ausbildung im Landeshauptarchiv Koblenz und in der Archivschule Marburg und schlug 1976 endgültig in Mainz Wurzeln. 

Als Historiker vor allem mit der neueren Mainzer Geschichte und dem Mainzer Bürgertum des 19. Jahrhunderts befasst, stieß Friedrich Schütz zufällig auf die Gründungsdokumente des Mainzer Carneval-Vereins (MCV). Nachdem er dann 1980 im Jahrbuch für Westdeutsche Landesgeschichte einen Aufsatz über die MCV publizierte, bat ihn der Verein, im und am Vereinsarchiv mitzuarbeiten. In den folgenden Jahren wurde die Verbindung zum MCV immer enger, Schütz zeichnete 1988 unter anderem auch für die Festschrift des damals 150-jährigen MCV mitverantwortlich.

Kurz vor seiner Pensionierung wurde Schütz dann gebeten, die ehrenamtliche Leitung des 1972 gegründeten Fastnachtsarchivs zu übernehmen. Da er die Fastnacht nie als "pappnasige Geschichte" angesehen habe, sie hingegen Teil der Mainzer Geschichte und der Mainzer Kultur sei, ließ Schütz sich auf das neue Amt ein. Als \“Fastnachtsarchivdirektor\“ übertrug man ihm auch die Leitung des Fastnachtsmuseums, das ein Team von rund 20 Helfern besitzt.

Kontakt:
Fastnachtsarchiv Mainz
Proviant-Magazin
Neue Universitätsstr. 2
55116 Mainz
Tel: 06131/1444071
helau@mainzer-fastnachtsmuseum.de
www.mainzer-fastnachtsmuseum.de 

Quelle: Bernd Funke, Allgemeine Zeitung, 6.11.2004

Ficklers Inventar der Münchner Kunstkammer von 1598

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften veröffentlicht das älteste Verzeichnis eines der ersten deutschen Museen. Mit über 6.000 Objekten war die Kunstkammer Herzog Albrechts V. von Bayern einmalig nördlich der Alpen. Sie umfasste Gegenstände aller damaligen Wissensgebiete, Kostbarkeiten und Kuriositäten aus der ganzen Welt.

Im Lauf des 16. Jahrhunderts haben die bayerischen Herzöge nahe bei ihrer Residenz eine „Kunstkammer“ begründet, eine Art Universalmuseum. Es diente der Freude an exquisiten Kunstgegenständen ebenso wie der Belehrung auf allen erdenklichen Wissensgebieten. Kostbarste Goldschmiedearbeiten waren darin zu sehen, Skulpturen, antike Münzen, wertvolle Bücher und Kupferstiche, Gegenstände aus fremden Ländern und Kontinenten, aus China, Afrika und der Neuen Welt, Gemälde von Dürer, Tizian, Cranach, Altdorfer, die heute herausragende Objekte in den Museen darstellen. Unter ihnen kennen wir beispielsweise Altdorfers Alexanderschlacht oder das ceylonesische Kästchen der Schatzkammer. Naturalien der verschiedensten Art stellten eine wissenschaftliche Lehrsammlung dar, darunter so spektakuläre wie ein präparierter Elefant, Geschenk Kaiser Maximilians II., und mehrere Krokodile. Modelle der fünf bayerischen Regierungsstädte, Landkarten und anderes brachten das Interesse des Fürsten am Gebiet seiner Herrschaft zum Ausdruck. Ergänzend kamen wissenschaftliche und technische Geräte hinzu. 6000 oder mehr einzelne Objekte muss diese Kunstkammer beherbergt haben; mit ihren Gemälden und der reichhaltigen Münzsammlung stellt sie den Grundstock der Münchner Museen dar.

Die Münchner Kunstkammer war, soweit die kargen überlieferten Daten einen Schluss zulassen, die früheste der großen fürstlichen Sammlungen dieser Art im Heiligen Römischen Reich, ihr folgten in freundschaftlichem Wettstreit die Kunstkammer Erzherzog Ferdinands II. von Österreich auf Schloss Ambras über Innsbruck und, eine Generation später, die legendäre Sammlung Kaiser Rudolfs II. auf dem Hradschin in Prag.

Herzog Albrecht V. von Bayern (reg. 1550?1579) war der Gründer von vier zu seiner Zeit in Deutschland einzigartigen Sammlungen: der herzoglichen Schatzkammer, der Kunstkammer, einer Antikensammlung und der Hofbibliothek. Für Antiken, Kunstkammer und Bibliothek ließ der weitblickende Fürst eigene Sammlungsgebäude errichten, den freistehenden Antiquariumsbau mit der Bibliothek im Obergeschoss, der später in die herzogliche Residenz mit eingeschlossen wurde, und für die Kunstkammer die noch heute erhaltene Vierflügelanlage der Alten Münze, jetzt Landesamt für Denkmalpflege, mit ihrem prachtvollen Renaissanceinnenhof.

Da das Gebäude der Münchner Kunstkammer erhalten ist, können wir uns auch in den Dimensionen eine Vorstellung von der Aufstellung ihrer Objekte machen. In den vier Flügeln des zweiten Obergeschosses waren auf tausenden von Quadratmetern die Kunstwerke und anderen Stücke auf Tischen, in Schränken, auf Wandborden oder an den Wänden hängend ausgestellt, zweckmäßig, eher schlicht und hell. Bei Staatsbesuchen gehörte eine Besichtigung der Kunstkammer zum festen Programm, doch auch nichtadelige Besucher, Künstler oder Gelehrte konnten, wenn sie darum nachsuchten, die Kunstkammer besichtigen.

Die Münchner Kunstkammer überdauerte nur drei Generationen: Bei der Plünderung durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg 1632 wurde, was Kurfürst Maximilian nicht zuvor in Sicherheit gebracht hatte und was die Schweden und ihre Verbündeten nicht mit sich nahmen, zum Großteil zerstört. Eine Vorstellung von den vielseitigen Beständen vermittelt jedoch ein umfangreiches Inventar, das glücklicherweise in der Bayerischen Staatsbibliothek in zwei Handschriften erhalten ist: die 1598 von dem herzoglichen Rat Johann Bapist Fickler angelegte Kurzbeschreibung jeder einzelnen der 3.407 Nummern.

Seit rund hundert Jahren ist es ein Vorhaben der Münchner Forschung, dieses sogenannte Ficklersche Inventar zu veröffentlichen; es scheiterte immer wieder an dem enormen Umfang der Aufgabe. Dieses Projekt ist nun in die Tat umgesetzt worden: Eine Arbeitsgruppe von Münchner Kunsthistorikern hat sich zusammengetan, um den originalen Text zu edieren und die Stücke, soweit sie noch erhalten sind, zu identifizieren oder sie doch in ihrem Typus zu beschreiben. So wird die seit langem nicht mehr existierende, einst bedeutende herzogliche Kunstkammer wieder erlebbar werden. Das Projekt wird von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit Stiftungsmitteln unterstützt. Soeben erschienen ist der erste Band mit der Transkription des Handschriftentextes (Bayerische Staatsbibliothek München, cgm 2133). Der ausführlich bebilderte Katalog, der den einzelnen Gegenständen daraus nachgeht, ist weit gediehen und soll innerhalb zweier Jahre folgen.

Bibliographische Angaben:
Johann Baptist Fickler, Das Inventar der Münchner herzoglichen Kunstkammer von 1598. Editionsband: Transkription der Inventarhandschrift cgm 2133, 
herausgegeben von Peter Diemer in Zusammenarbeit mit Elke Bujok und Dorothea Diemer. München, Verlag C.H. Beck, 2004. 319 S., 42 Abb. in s/w, (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Abhandlungen, Neue Folge, Heft 125), ISBN 376960120 3, € 90,-

Bild: Titelblatt des Fickler-Inventars, cgm 2133 (Bayerische Staatsbibliothek München)

Kontakt:
Bayerische Akademie der Wissenschaften
Marstallplatz 8
80539 München
Tel.: 089-23031-1141
Fax:089-23031-1281
http://www.badw.de

Neue Ära der Ahnenforschung in Harburg

Im Landkreis Harburg kann genealogischen Forschern in vielen Fällen künftig schnell geholfen werden. Denn die Brüder Heinrich und Wilhelm Marquardt haben jetzt im Hanstedter Geidenhof eine einzigartige Sammlung mit zigtausenden Karteikarten und Zetteln aus dem Nachlass ihres Vaters, des Heimat- und Ahnenforschers Wilhelm Marquardt, an die Gemeinde-Archivare aus dem Landkreis Harburg übergeben.

Die nach Orten sortierte Sammlung umfasst Daten von rund 56.000 Personen aus insgesamt 1.410 Familien aus dem Westteil des Landkreises Harburg. Wilhelm Marquardt hatte in den 1920er und 1930er Jahren die Kirchenbücher auf Karteikarten, später dann auf Zettel übertragen. Zahlreiche Karteikarten enthalten auf der Rückseite Aufzeichnungen aus dem Staatsarchiv Hannover über besondere Vorkommnisse, Zahlungen, Gerichtsurteile oder Verträge, die den jeweiligen Hof betreffen. 

Die Originale seien beim Hochwasser der Leine im Jahre 1943 verlorengegangen. Besonders viele Zusatztexte hätten die Karten über die Höfe aus dem Kirchspiel Elstorf enthalten. Diese rund 35.000 Personendaten seien vom Kirchenbüro Elstorf im Jahre 2000 allerdings aus Platzgründen vernichtet worden, erinnerte Heinrich Marquardt, der hofft, dass sich ein solcher Frevel nicht wiederholt. 

Kontakt:
Kreisarchiv Harburg
Schloßplatz 6
D – 21423 Winsen (Luhe)
Fon: (04171) 693475 
Fax: (04171) 3391

Quelle: Carsten Weede, Harburger, 5.11.2004