Der Verband schleswig-holsteinischer Kommunalarchivarinnen und -archivare (VKA) hat bereits auf seiner Arbeitstagung im vergangenen Jahr angesichts der Finanzkrise der Kommunen thematisiert, wie sich Archive stärker als Dienstleistungsunternehmen präsentieren und profilieren können. Dabei hat sich der VKA bemüht, sich weder allein auf das Landesarchivgesetz zu verlassen noch beim Klagen über die Lage stehen zu bleiben, sondern nach vorne zu schauen. Archive bieten, so führte Jutta Briel anlässlich des schleswig-holsteinischen Archivtages am 8. Juni 2004 in Eckernförde aus, eine in unserer Gesellschaft dringend benötigte und hoch angesehene Dienstleistung: Die Organisation von Wissen, von Informationen! Diese Kompetenz müsse stärker mit dem Archiv in Verbindung gebracht werden. Man habe, um vom überkommenen Image verstaubter Archive wegzukommen, sich professionell über das Thema Marketing für den Dienstleister Archiv beraten lassen. Als eine Maßnahme wurde die Erstellung eines Leistungskatalogs für Archive vorgeschlagen. Im vergangenen Jahr ging es hingegen mehr um das Wie der Kommunikation.
Während sich die Beziehung zwischen Archiv und Besuchern meist problemlos bis freundlich gestaltet, funktioniert die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen dem Archiv und der Verwaltung, sprich den Archivträgern nicht ohne Reibungsverluste. Immer wieder stößt der Archivar, die Archivarin auf überraschende Unkenntnis und auch Desinteresse bei den Kollegen in der Verwaltung. Eine große Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis der Archivare und dem Fremdbild bereitet dem Archiv nicht selten Schwierigkeiten. Regelmäßige Aktenabgaben mit ordentlichen Verzeichnissen einerseits und intensive Nutzung der Archivalien durch die Verwaltung selbst andererseits bleiben daher meist Vision. Die Aktenübernahme durch das Archiv wird von manchen eher als lästige und unnötige Pflicht, denn als Dienstleistung seitens des Archivs verstanden. Anerkennung der fachlichen Kompetenz für das Managen der großen Informationsmengen ist selten. Das Image des Archivs steht nicht im richtigen Verhältnis zur Qualität seiner Leistung.
Hier etwas zu verbessern, bedeutet für die Archivmitarbeiterinnen und -mitarbeiter den Arbeitsalltag wesentlich fruchtbarer und erfreulicher zu gestalten. Und für den Tag an dem die Existenzberechtigung des Archivs wieder einmal nachgewiesen werden muss, sind gute Kontakte und Zusammenarbeit mit der übrigen Verwaltung enorm wichtig. Es genügt nicht, ein gutes Produkt anzubieten, es muss auch bekannt gemacht werden.
Eine an den Bedürfnissen des „Kunden“ orientierte Werbung für die verwaltungsinterne Dienstleistung „Archiv“ scheint daher an der Zeit. Der Verband schleswig-holsteinischer Kommunalarchivarinnen und -archivare (VKA) hat sich hier professionelle Beratung für die Erarbeitung eines Marketingkonzepts geholt. Der Management- und Marketing-Berater Frank Willhausen aus Seevetal erläuterte in seinem Einführungsvortrag anlässlich der 4. Arbeitstagung des VKA zunächst die Grundsätze des Marketings:
MARKETING-BASICS
- Marketing als zielorientierte Gestaltung von Austauschbeziehungen hat als Unternehmensaufgabe den Aufbau, die Aufrechterhaltung und Verstärkung der Beziehungen zum Kunden, zu anderen Partnern und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen zu gestalten.
- Marketing ist ein Prozess, durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen und miteinander austauschen.
- Marketing ist leicht gesagt und schwer getan!
Grundlage ist das MARKETINGKONZEPT, das Antworten auf folgende Fragen gibt:
Wo stehen wir? (Situationsanalyse)
Wo wollen wir hin? (Ziele)
Wie kommen wir dahin? (Strategien)
Mit welchen Maßnahmen? (Aktivitäten)
MARKETINGINSTRUMENTE:
- Produkt- und Servicepolitik
sämtliche Entscheidungen, die mit der Gestaltung der Leistung zusammenhängen
- Kommunikationspolitik
Übermittlung von Botschaften zur Einstellungsbildung
- Distributionspolitik
Gestaltung des Weges des Produktes zum Kunden
- Preispolitik
- Personal- und Ausstattungspolitik
Gestaltung der personellen und sachlichen Ressourcen
Das spezielle Marketing für Dienstleistungen muss deren besondere Merkmale berücksichtigen. Diese sind neben der Immaterialität vor allem die schwere Standardisierbarkeit der Leistung und der hohe Erwartungswert des Kunden. Zu Betrachten ist die gesamte Phase der Dienstleistung, d.h. die sachlichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen des Dienstleisters, der Prozess der Erstellung und schließlich Ergebnis und Wirkung der Dienstleistung.
Die besonderen Problembereiche der Dienstleistung „Archiv“ innerhalb der Verwaltung liegen in
- der Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung.
- der mangelnden Anerkennung des archivarischen Auftrags. Weder Wert, noch Nutzen, noch Bedeutung sind ausreichend bekannt.
- dem mangelnden Rückhalt in der Verwaltung. Desinteresse, Unkenntnis, Vorbehalte im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeiten des Archivs und die Anforderungen an die Archivierung.
- der mangelnden Ausstattung mit Ressourcen durch die Politik.
- der mangelnden Priorisierung der notwendigen Mittel.
Die möglichen Folgen sind nicht nur nicht ausgeschöpfte Potentiale der Archivarbeit, sondern auch Ermüdungserscheinungen und Resignation bei den Archivarinnen und Archivaren.
Aus den oben skizzierten Problembereichen leitet sich ab, dass die Marketingstrategie für Archive vor allem auf eine verbesserte Kommunikation abzielen muss.
Ein erfolgreiches Marketing wird vor allem davon abhängen, ob es gelingt, in einen echten Dialog mit dem „Kunden“ einzutreten.
Es gilt, das Produkt kreativ und phantasievoll nahe zu bringen und den Kunden da abzuholen, wo er steht. Neben die Darstellung objektiver Leistungskennzahlen und Fakten muss die Vermittlung der Faszination „Archiv“ treten. Prägnante Botschaften und Bilder sollen die Vorzüge des Produkts herausarbeiten und auch die emotionale Ebene ansprechen. Besonderen Erfolg verspricht es, wenn man mit hohem Wiedererkennungswert das Archiv als Dienstleistungsmarke darstellen kann (wie z.B. Persil für Waschmittel steht).
Was hiermit gemeint ist, zeigen 2 der Bildmotive, die Willhausen den Archivaren vorführte:
Hier wird mit einer Prise Humor Aufmerksamkeit für archivische Aufgabenfelder erzielt und ein frisches Image vermittelt.
In mehreren Workshops erarbeiteten die Archivarinnen und Archivare Maßnahmenkataloge für eine Kommunikationsoffensive; hier ein paar Stichpunkte:
- Aufmerksamkeit wecken, z.B. durch Plakate, Ausstellungen, Pressearbeit, Vorträge, Aktionen, Archivalie des Monats, Tag der offenen Tür
- Kontaktpflege, z.B. Anwesenheit auf Veranstaltungen, persönliche Kontakte zur Politik, zu Firmen und historisch orientierten Vereinen etc. ,
- Informationen geben, Nutzen für die Verwaltung darstellen, Erstellung eines Leistungskatalogs, Informationen/Schulung für Auszubildende und Registratoren, Verwaltungshistorie darstellen, Einladungen in das Archiv, Führungen, Informationen im Berichtswesen, Artikel in Internen Medien, Jahresbilanz, Leistungskennzahlen, Vorstellung eines Bestandes
- Beratung, z.B. Beratung in der Schriftgutverwaltung, Schulung Aktenplan, Merkblätter für die Aktenabgabe
- Zusätzliche Leistungen, z.B. Aktenübernahme vor Ort, rationell organisierte Aktenübernahme, Recherchearbeiten, schnelle und flexible Bereitstellung von Informationen
Diese Instrumente werden den meisten wohl bekannt sein und sollen hier nicht ausführlich dargestellt werden. Details und weitere Ideen können im Mitteilungsheft 2003 des VKA nachgelesen werden. Der Phantasie der Archivarinnen und Archivare ist hier keine Grenze gesetzt.
Entscheidend ist, die Zielgruppe, nämlich Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung, Entscheidungsträger und Politiker nicht aus den Augen zu verlieren und deren Bedürfnisse nach Arbeitserleichterung, Information, Unterstützung und auch Spaß zu berücksichtigen.
Positive Begriffe wie z.B. Informationsmanagement, Wissensspeicher, Wahrung des kulturellen Erbes, historische Kompetenz, Problemlöser, guter Service und freundliche Beratung sollen mit dem Archiv in Verbindung gebracht werden.
Der VKA hat sich entschlossen, zwei der oben genannten Maßnahmen weiter zu verfolgen. So wurde auf der Arbeitstagung 2004 ein Katalog möglicher Leistungen eines Kommunalarchivs für die Verwaltung erarbeitet. Dieser soll den einzelnen Verwaltungszweigen und der Selbstverwaltung ganz konkret und anschaulich aufzeigen, welchen Nutzen sie aus dem Archiv ziehen können. Dabei kam eine erstaunliche Vielfalt zu Tage. Hierüber berichtet ein gesonderter Artikel unter dem Titel „Angebote an eine starke Kommunalverwaltung – aus dem Leistungskatalog schleswig-holsteinischer Kommunalarchive“.
Für die Verbesserung des Images und der Bekanntheit der Archive soll eine Plakataktion sorgen. Im Auftrag der schleswig-holsteinischen Archivarinnen und Archivare werden 2 verschiedene Plakatmotive gedruckt, die innerhalb der Verwaltungen für Aufmerksamkeit sorgen sollen:
Rechts unten im Plakat kann sich das jeweilige Archiv mit Logo und Adresse präsentieren.
Auf den Originalen ist auch noch Raum für die Sponsoren vorgesehen.
Das Thema Marketing bietet noch ein großes Betätigungsfeld und eröffnet neue Perspektiven.
Die Chance, mehr Interessenten, Freunde und Unterstützer für das Archivwesen zu gewinnen lohnt den Aufwand.
Jutta Briel (Verband schleswig-holsteinischer Kommunalarchivarinnen und-archivare)
Zusätzlicher PDF-Download:
Angebote an eine starke Kommunalverwaltung – aus dem Leistungskatalog schleswig-holsteinischer Kommunalarchive
(Vortrag anlässlich des s-h Archivtages am 8. Juni 2004 in Eckernförde von Jutta Briel – Leistungskatalog erarbeitet auf der 5. VKA-Tagung am 26. April 2004)