Als die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2002 die Arbeitsgruppe „Informationsmanagement der Archive“ einsetzte, beabsichtigte sie, Perspektiven für zukünftige Arbeitsfelder und Strategien, für Kooperationen zu Bibliotheken, Museen und vor allem der Geschichtswissenschaft zu eröffnen. Über den in diesem Kontext am 5. Oktober 2004 im Westfälischen Landesmuseum durchgeführten DFG-Workshop \“Die Geschichtswissenschaften und die Archive. Perspektiven der Kooperation\“ berichten Ragna Boden, Christine Mayr, Christoph Schmidt und Thomas Schwabach (alle Staats- und Personenstandsarchiv Detmold) im Forum Bewertung.
Als erster Referent und Vertreter der universitären Geschichtswissenschaft trug Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer (Universität Münster) vier Vorschläge zu möglichen Kooperationsfeldern zwischen Forschung und Archiven vor. Er betonte dabei zunächst den seit dreißig Jahren voranschreitenden Wandel der historischen Fragestellungen, die eine Zusammenarbeit beider Institutionen bei der Erschließung neuer Quellengruppen ebenso sinnvoll erscheinen ließen wie bei der Zugänglichmachung historisch relevanter Altakten in den Behörden. Ein verstärktes Engagement der Archive sei aus Sicht der Geschichtswissenschaften zudem bei der Betreuung und Erschließung nicht-staatlichen Schriftgutes notwendig, da diese eine wertvolle Ergänzungsüberlieferung zu behördlichen Unterlagen darstellen könnten, sowie bei der immer noch problematischen Erschließung visueller Quellen.
Den zweiten Referatsteil der ersten Sektion eröffnete Dr. Robert Kretzschmar, der die aktuelle Diskussion der Überlieferungsbildung aus archivischer Sicht skizzierte und mögliche Formen der Kooperation mit den Geschichtswissenschaften aufzeigte. Unter Bezugnahme auf das DFG-Positionspapier sowie ein Positionspapier des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA erläuterte Kretzschmar aktuelle, prospektiv orientierte Bewertungsmodelle und skizzierte die dazugehörigen Arbeitsschritte. Eine mögliche Mitwirkung der Geschichtswissenschaften bei der Überlieferungsbildung sei weniger bei der genuin archivischen Aufgabe der Bewertung anzustreben, als vielmehr bei der Evaluation des „Erfolges“ von Bewertungsmodellen, bei der Diskussion um Zielsetzungen von Bewertungen sowie bei der Förderung der Historischen Hilfswissenschaften.
In das Thema der Nachmittagssektion, „Informationsvermittlung für die Geschichtswissenschaften aus Archiven – Angebot und Nachfrage“, führte Dr. Mechthild Black-Veldtrup ein, indem sie betonte, dass die Archive vor allem durch die verstärkte Bereitstellung von Metainformationen, wie etwa online zugänglichen Findmitteln, ihre Öffentlichkeitswirkung verbessern könnten. Gerade hier wirke sich auch die Zusammenarbeit mit der DFG positiv aus, welche die Nutzung des Internets durch Archive bereits sehr früh gefördert habe.
Als erster Referent stellte dann Prof. Dr. Hartmut Weber das Internetangebot des Bundesarchivs und die Planungen für ein gemeinsames Internet-Portal der deutschen Archive vor. Als Ziele des Bundesarchivs beim Angebot von Online-Dienstleistungen im Rahmen des Regierungsprogramms „Bund online 2005“ nannte er die Beratung von Behörden, die Koordinierung der Übernahme von Archivalien sowie deren Publikation. Anschließend referierte Dr. Frank M. Bischoff (Archivschule Marburg) zur „Kommunikation im Internet“, insbesondere über Austauschformate. Ebenso wie Weber forderte er, die Wahrnehmung der Archive im Internet zu stärken und sich dabei insbesondere auf die Präsentation von Findmitteln zu konzentrieren. Große Bedeutung maß er der Erstellung und dem Ausbau von Archivportalen zu, die die Archivlandschaft einer Region oder Sparte transparent machten und Archiven wie Benutzern einen „informationellen Mehrwert“ böten.
Im zweiten Teil dieser Sektion forderte Prof. Dr. Ute Daniel (Technische Universität Braunschweig) eine Überwindung der „Ressentimentkultur“ zwischen den „Zünften“ der Historiker und Archivare, die vor allem auf wechselseitiger Unkenntnis bei gleichzeitiger Abhängigkeit „engsten Grades“ voneinander beruhe. Schließlich sprach Prof. Dr. Gudrun Gersmann (Universität Köln) zum Thema „Geschichtswissenschaften und neue Medien“. Das Internetangebot, auch das von Archiven und Bibliotheken, habe in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Anhand einiger Beispiele erläuterte sie die Vorteile, die gut strukturierte Online-Angebote besonders für den universitären Lehrbetrieb böten.
Einstimmigkeit herrschte in der anschließenden Diskussion hinsichtlich der Auffassung, dass die Archive verstärkt allgemeinere Informationen über Bestände und Findbücher als Zugangsvoraussetzung in ihr Online-Angebot integrieren sollten. Es existierten im Internet bereits diverse hilfswissenschaftliche Angebote von Archiven und anderen Einrichtungen, die durch eine verstärkte Verlinkung besser integriert werden könnten, woraus sich Synergieeffekte ergäben.
Quelle: DFG-Workshop \“Die Geschichtswissenschaften und die Archive. Perspektiven der Kooperation\“ 5. Oktober 2004 Westfälisches Landesmuseum Münster
Tagungsbericht von Ragna Boden, Christine Mayr, Christoph Schmidt und Thomas Schwabach (Staats- und Personenstandsarchiv Detmold)