Thomas Grotums Darmstädter Dissertation, die die Erstellung und Auswertungsmöglichkeiten einer Datenbank behandelt, die nach Angaben des Verfassers \“alle vorhandenen Quellen über die ehemaligen Auschwitz-Häftlinge\“ beinhalten soll, rezensierte Karin Orth für H-Soz-u-Kult. Sie wies darauf hin, dass sich von 1990 bis 1996 drei Arbeitsgruppen mit diesem Vorhaben beschäftigt hatten: die Projektgruppe Historische Fachinformatik am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen, die Computerabteilung des Archivs im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau und die am Institut für Geschichte der TU Darmstadt angesiedelte Projektgruppe \“Archiv Auschwitz-Birkenau\“.
Vier Ziele wurden bei dem Unternehmen angestrebt: Man wollte mit der Datenbank erstens ein Denkmal für die Opfer errichten, zweitens eine Grundlage für weitere quellengestützte Forschungsarbeiten schaffen, drittens die Archivalien durch Digitalisieren dauerhaft konservieren und viertens eine Vernetzung mit ähnlichen Projekten in anderen KZ-Gedenkstätten bzw. Archiven erreichen, um so letztendlich ein \“,digitales Archiv\‘ zur Geschichte der NS-Konzentrationslager\“ zu etablieren. Im Mittelpunkt der Studie von Thomas Grotum steht die Entwicklung eines (Daten-)Modells für ein derartiges Archiv am Beispiel der Häftlingsakten von Auschwitz.
Im letzten Abschnitt des Buches zeigt Grotum am Beispiel zweier Teilbestände (\“Sterbebücher\“, \“Stärkebuch\“), dass und wie die dort vorhandenen Informationen sozialgeschichtlich ausgewertet und in den Kontext einer Lagergeschichte gestellt werden können. Schildert er zuvor, nach Ansicht der Rezensentin, zu ausführlich die technischen Verfahren und Abläufe, so weiss er dennoch um die Problematik einer \“digitalisierten Geschichte\“. Das Individuum soll nicht (erneut) hinter Zahlen und Codes verschwinden. So biete das beschriebene \“digitale Archiv\“ tatsächlich vielfältige, zuvor nicht realisierbare Chancen, sich mit dem Geschehen auseinander zu setzen und die Opfer der Anonymität zu entreißen – sei es durch öffentlich zugängliches, digitalisiertes Bildmaterial, sei es durch Gedenkbücher, sei es durch fachhistorische Analysen zur Sozialstruktur der Häftlingsgruppen.
Info:
Thomas Grotum: Das digitale Archiv. Aufbau und Auswertung am Beispiel der Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz.
Frankfurt am Main: Campus Verlag 2004. ISBN 3-593-37481-1; 381 S.; EUR 39,90.
Quelle: Karin Orth (Historisches Seminar, Universität Freiburg), Rezension für H-Soz-u-Kult: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-013