Brand-Notfallpläne fürs Staatsarchiv Amberg

Die Leiterin des Amberger Staatsarchivs, Dr. Maria Rita Sagstetter, spricht aus, was derzeit wohl viele denken: \“Auch uns kann es treffen.\“ Trotz umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen im Archiv sei keiner gegen derartige Katastrophen, wie sie jetzt beim Brand der Weimarer Herzogin Anna Amalia-Bibliothek eingetreten sind, gefeit. Wichtig sei die Existenz eines Notfallplans.

Das Staatsarchiv Amberg hat einen solchen vor wenigen Jahren aktualisiert. Darin finden sich bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen für Notfall, unter anderem Adressen von Einsatzdiensten, Magazinpläne und auch Flucht- und Bergepläne. Eine der wichtigsten Sicherheitsvorkehrungen für den Brandfall ist die Rauchmeldeanlage. Vorgebeugt wird aber auch organisatorisch, beispielsweise dadurch, dass über Nacht und übers Wochenende der Strom abgeschaltet wird.

Für die Archivalien stelle aber nicht nur Feuer, sondern auch Löschwasser eine enorme Gefahr dar, betont die Archivleiterin im Oberpfalznetz. Im Fall eines Wasserschadens muss durchnässtes Archivmaterial möglichst schnell schockgefroren und dann schonend gefriergetrocknet werden. Ansonsten bestünde Schimmelpilzgefahr. Fortbildungen auf dem Gebiet der Notfallplanung und der Erfahrungsaustausch mit Kollegen, wie jetzt auf dem Internationalen Archivtag in Wien, seien wegen der zahlreichen Implikationen von großer Bedeutung.

Kontakt:
Staatsarchiv Amberg
Archivstr. 3
92224 Amberg
Tel. 09621/307270
Fax 09621/307288
poststelle@staam.bayern.de

Quelle: Oberpfalznetz, 7.9.2004

Velberter Geschichte auf DVD

Filme seien \“das Medium der Gegenwart\“. Aus diesem Grunde intensiviert Christoph Schotten, der Leiter des Stadtarchivs Velbert, derzeit den Aufbau eines städtischen Filmarchivs. Er ist dabei auf die Zuträgerarbeiten der Velberter Bürger angewiesen. Meist bringen Besucher des Stadtarchivs Videocassetten oder alte Super 8-Spulen vorbei, die zunächst gesichtet, sortiert und auf DVD kopiert werden müssen. Bis eine DVD mit einer halben Stunde Material gezeigt werden kann, hat der Archivar viel daran zu arbeiten.

Doch die Mühe lohnt sich: Das Stadtarchiv findet bei Filmvorführungen viele Fans, denn auf DVDs, wie jener mit dem etwas großspurigen Titel \“Velbert – eine Stadt wird weltbekannt\“, erkennen die Zuschauer ihre Stadt der 1960er Jahre wieder: Das alte Schlossmuseum, das Milchviertel, auch ein Tennisturnier am Offers. Bei den Filmvorführungen mit Stadtarchivar Christoph Schotten wird die Erinnerung an Straßen und Gebäude Velberts wieder lebendig. Zwar sei das, was zu sehen ist, für ihn nicht neu, räumt Schotten ein, doch faszinieren bewegte Bilder, wenn auch meist Stummfilme, mehr als Papier und Akten.

Schotten ist an weiterem Filmmaterial aus den örtlichen Vereinen und Verbänden, aber auch aus Privathand interessiert. Denn oft zeigen die Familienfilme auch städtisches Leben. Die Filme werden dem Stadtarchiv vielfach geschenkt oder zum Kopieren ausgeliehen. Um Neuzugänge ohne großen Aufwand anschauen zu können, bräuchte Schotten allerdings noch ein Vorführgerät für alte Super-8-Filme.

Kontakt:
Stadtarchiv Velbert
Thomasstr. 1a
42551 Velbert
Tel.: 02051/ 26-22 64, -22 65
Fax: 02051/ 26-21 12

Quelle: WAZ, 6.9.2004.

Kreisarchiv Heinsberg ein \“Pfadfinder im Wust der Informationen\“

Immer wieder lassen sich in Regional- und Lokalzeitungen Artikel finden, die die Öffentlichkeit mit Grundwissen über Aufgabe und Struktur des örtlichen Archivwesens versorgen. Aufs Ganze gesehen mögen sie in ihrem Informationsgehalt redundant und wiederkäuend erscheinen, teilweise in ihrer Darstellung sehr vereinfachend, unkritisch oder auch nur stereotyp (wenn Archivare in Kellern und verstaubte Akten als Sinnbild für den Berufsstand herhalten müssen). Als Bereicherung der hauseigenen Öffentlichkeitsarbeit und als Einstieg in die Aufklärung über Funktion und Bedeutung von Archiven sind derartige Zeitungsberichte jedoch unentbehrlich. Ein guter \“Draht\“ zur Lokalpresse kann die archivische Arbeit transparenter machen, sie fördern und wohl zum Teil auch legitimieren.

Die Aachener Zeitung berichtete in diesem Stil Anfang des Monats über das Kreisarchiv Heinsberg. Wer das Archiv betrete, so startet der Bericht, der \“fühlt sich dort in der Tat nicht nur überaus freundlich aufgenommen, sondern auch fachkundig bei seinen Bemühungen begleitet, Wissenswertes aus der Vergangenheit in Erfahrung zu bringen.\“ Dies liege zuerst an Archivleiterin Anja Bayertz und ihrem Team, die sich als \“Pfadfinder im Wust der Informationen\“ gerne von den Bürgern in Anspruch nehmen lassen.

Gleichwohl kommt der Interessierte an eigener Quellensuche nicht vorbei, wobei die Bestände des Kreisarchivs imposant seien (1,5 km Aktenschriftgut der Kreisverwaltung und ihrer Vorläufer, fast 6.000 Fotos, über 10.000 heimatkundliche Bücher und wissenschaftliche Literatur). Die umfassenden Zeitungsarchive haben ihren Anfang im Jahr 1854. Dank einer \“immensen Fleißarbeit des Kreisarchivs\“ stünden Findbücher bereit, die den Suchenden zu den Quellen hinführen.

Der panegyrische Bericht resümiert schließlich: wenn Schülerinnen und Schüler während eines Praktikums im Kreisarchiv tätig sind, dann erfahren sie – ebenso wie der bis dahin noch unbedarfte Zeitungsleser -, \“dass der Umgang mit alten Dokumenten keine angestaubte Sache sein muss, nicht nur aus langweiligem Papierkram und Aktenbergen besteht.\“

Kontakt:
Kreisarchiv Heinsberg
Kreisverwaltung
Valkenburger Straße 45
52525 Heinsberg
Telefon : 02452/13-1066
Fax : 02452/13-1096
Anja.Bayertz@Kreis-Heinsberg.de

Quelle: Aachener Zeitung, 1.9.2004

Kreis Viersen: Moderne Zeiten für alte Akten

Das Kreisarchiv Viersen besitzt Akten von mehreren Kilometern Länge, mehr als 5.000 Karten, 40. 000 Fotos und über 40. 000 Bücher und Zeitschriften. Seit über sechs Jahren haben Archiv-Leiter Gerhard Rehm und seine Kollegen die Bestände in der Kempener Burg elektronisch erfasst. Eine Arbeit, die noch lange nicht abgeschlossen ist.

Über die neue Homepage kann man jetzt aber mit großer Zeitersparnis im Archiv des Kreises Viersen forschen und sich per Schlagwortsuche und digitaler Findbücher über die Bestände informieren. Es lassen sich Urkunden, Fotos oder Plakate abrufen, die zuvor digitalisiert worden sind. Die neu gestaltete Internet-Präsenz wurde jetzt in der Kempener Burg vorgestellt. Unter www.kreis-viersen.de bietet das Kreisarchiv nun neben den notwendigen Kurzinformationen über Benutzung und Bestände erstmals komplette Findbücher von Gemeindearchiven und Privatnachlässen im Netz an.

Kontakt:
Kreisarchiv Viersen
Thomasstraße 20 (Burg)
47906 Kempen
Tel. 0 21 52 / 14 99 21 – 25
Fax 0 21 52 / 14 99 14
archiv@kreis-viersen.de

Quelle: Achim Müller, Westdeutsche Zeitung, 2.9.2004

Wien 2004: Das bedrohte Gedächtnis der Welt

Alle vier Jahre, diesmal in der letzten Augustwoche, versammeln sich \“die Spitzenkräfte unter den professionellen Gedächtnishütern\“ (Tagesspiegel), also Archivarinnen und Archivare aus aller Welt, zum Internationalen Archivkongress. Mehr als 2.000 Archivarinnen und Archivare von China bis Kapstadt versammelten sich jetzt im „Austria Center Vienna“ am Stadtrand von Wien unter dem Motto \“Archive: Gedächtnis und Wissen\“.

Gerade Österreich habe den Archiven sein politisches Erwachen zu verdanken, erläuterte eingangs der Tagung der ehemalige Kabinettschef Bruno Kreiskys, Ferdinand Lacina, die Bedeutung der Archive, da nach und nach die Wahrheit über die NS-Geschichte aus dem Dunkel der Akten ans Licht gerückt werden konnte. Archive seien insofern \“hochpolitische Institutionen\“ (András Riedlmayer) und die Macht über das Archiv bedeute Verfügungsgewalt über die Vergangenheit und die Zukunft eines Landes. Der Harvarder Bibliothekar und Orientalist Riedlmayer benannte zahlreiche jüngere Beispiele, wie es Aggressoren mit Kalkül auf das Gesamtarchiv einer Gesellschaft, auf alte Bibliotheken, Moscheen, Kataster, Urkunden etc. abgesehen hätten.

Zu den großen und aktuellen Themen dieses Kongresses gehörte neben dem rapiden Wandel moderner Speichertechniken die zentrale Funktion der Archive bei der Bildung von Gruppenidentitäten – insbesondere der Staats- und Nationalarchive, in denen gelagert wird, was die „nationale Identität“ repräsentiert. In Deutschland reicht das vom Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar bis zum Bundesarchiv in Koblenz. Welches Material, das ist die entscheidende Frage, wird überhaupt aufbewahrt? Welche Dokumente bekommen die so genannte „Archivreife“ oder „Archivwürdigkeit“ zuerkannt? Wer entscheidet darüber und in wessen Namen? Und wer erhält Zugang?

Neben der Beantwortung dieser Fragen stellt sich den archivischen Fachleuten als eine besondere Herausforderung der natürliche Verfall des Materials dar, gegen den die Archivare von der Nordhalbkugel bis in die Tropen ankämpfen. Die Datenflut wachse schneller, als man speichern könne, klagte nicht nur ein südpazifischer Bibliothekar. Dabei erweise sich aber auch das Digitalisieren von Daten keineswegs als der Weg zu Ewigkeit.

Links:

Quelle: Caroline Fetscher, Der Tagesspiegel, 31.8.2004

TLZ-Rätsel (5): Wie wichtig Goethes Werke für Mörike waren

In der bis zum TAG DER ARCHIVE am 25. September erscheinenden Serie der Thüringischen Landeszeitung \“Das redende Blatt\“ stellt Wolfgang Altechel, Mitarbeiter im Goethe- und Schiller-Archiv das 5. Rätsel:

Es ist für jeden Dichter zweifellos eine Ehre, mit Goethe verglichen zu werden. Gegen Ende von Eduard Mörikes Lebenszeit gab es sogar Stimmen, die den schwäbischen Dichter über den Weimarer Olympier stellten. Friedrich Nietzsche notierte dazu im Sommer 1875, offenbar kurz nach Mörikes Tod, in ein Studienheft: \“Da lese ich, daß gar Mörike der größte deutsche Lyriker sein soll! Ist es nicht ein Verbrechen dumm zu sein, wenn man hier also Goethe nicht als den größten empfindet oder empfinden will? – Aber was muß da nur in den Köpfen spuken, welcher Begriff von Lyrik! Ich sah mir darauf diesen Mörike wieder an und fand ihn, mit Ausnahme von 4-5 Sachen in der deutschen Volkslied-Manier, ganz schwach und undichterisch. Vor allem fehlt es ganz an Klarheit der Anschauung.\“

Die Nachwelt hat sich diesem Verdikt in der Mehrheit nicht angeschlossen. Und auch Goethe, hätte er Mörikes Gedichte gekannt, wäre möglicherweise zu einer anderen Einschätzung gelangt.

Mörike freilich hat Goethe mit Bewunderung gelesen, hat sich mit ihm schon früh als einem Vorbild auseinandergesetzt – und ist schließlich eigene dichterische Wege gegangen. Er nennt und zitiert ihn häufig, vor allem in den Briefen finden sich immer wieder Aussagen zu seiner Beschäftigung mit Goethe. Sich selbst an den Großen in Weimar zu wenden, hat der zurückhaltende junge Dichter offenbar nicht gewagt. Das blieb seinem Bruder August vorbehalten, der als Sechzehnjähriger in einem Brief vom 4. März 1823 \“dem besten unserer deutschen Dichter, Goethe\“ seine verehrende Aufwartung machte, ohne allerdings die erbetene Antwort mit Namenszug zu erhalten.

Im Juni 1847 erfüllte der Verleger Georg von Cotta seinem Autor Mörike einen besonderen Wunsch. Er schickte ihm die 1840 in seinem Verlag erschienene vierzigbändige Ausgabe der sämtlichen Werke Goethes im Taschenformat. Mörike scheint diese Ausgabe nahezu vollständig durchgearbeitet zu haben. Davon zeugen die am Schluss jeden Bandes handschriftlich eingetragenen Bemerkungen. Sie waren dem Dichter so wichtig, dass er auf dem Vorsatzblatt des ersten Bandes die Verfügung traf, die Ausgabe solle aus seinem Nachlass nicht veräußert werden.

Besonderes Augenmerk fand Goethes Lyrik bei Mörike. In den Gedichtbänden der Ausgabe sind Blätter eingeschossen, auf denen er eigenhändig frühere Fassungen von Gedichten neben die abgedruckte Version stellte. Auch das Inhaltsverzeichnis weist Lesespuren auf. Einzelne Gedichte sind durch Anstreichungen hervorgehoben.

Zu diesen Gedichten Goethes zählt auch eines, von dem sich eine eigenhändige Abschrift Mörikes im Nachlass erhalten hat. Der Text ist nicht vollständig, Mörike greift vielmehr aus der Mitte des dreistrophigen Gedichts vier Verse heraus und schließt an sie unmittelbar die beiden Schlussverse an.

Seine Auswahl suggeriert demnach ein abgeschlossenes Gedicht: \“Lieber durch Leiden / Möcht` ich mich schlagen / Als so viel Freuden / Des Lebens ertragen / Glück ohne Ruh / Liebe bist du!\“

Hatte Goethe in seinem Gedicht Lust wie Leid der Liebe beschworen, erweckt Mörike mit den ausgewählten Versen den Eindruck, als sei Verzicht in der Liebe wesentlich und dem beglückten Erleben vorzuziehen.

Wer die Biographie Eduard Mörikes kennt, wird die getroffene Vers-Auswahl nicht als einen bloßen Zufall ansehen, sondern als Ausdruck einer zutiefst persönlichen Lebenserfahrung und Lebenshaltung.

Die Frage des 5. Rätsels lautet: Wie heißt der Titel des Goetheschen Gedichtes? Für das Lösungswort ist der zweite Buchstabe des zweiten Wortes zu notieren. Das komplette Lösungswort ist bis zum 30.9.2004 an die TLZ-Kulturredaktion, Marienstraße 14, in 99423 Weimar zu senden.

Paderborner Archivare fürchten Papierfraß

In Paderborn ist ein Projekt zum Erhalt von historischen Dokumenten gestartet worden. Das Stadtarchiv und das Kreisarchiv haben zusammen mit dem Altertumsverein Paderborn eine Spezialfirma aus Leipzig beauftragt, in einem ersten Schritt 2,7 Tonnen alte Akten vor dem Zerfall zu bewahren. Die betroffenen Dokumente werden in einem speziellen chemischen Bad aufgearbeitet und wieder für mehrere hundert Jahre haltbar gemacht. Die Aufbereitungskosten für die erste Lieferung liegen bei rund 66.000 Euro. Um sämtliche Dokumente aufzuarbeiten, benötigen die Paderborner Archive rund 15 Jahre.

Kontakt:
Stadtarchiv Paderborn
Pontanusstr. 55
33102 Paderborn
Tel. 05251/88-1593
http://www.archive.nrw.de

Kreisarchiv Paderborn
Lindenstr. 12
33142 Büren
Telefon: 02951-970-225
Telefax: 02951-970-228
fb41@kreis-paderborn.de

Quelle: WDR Nachrichten aus OWL, 31.8.2004

Stadtarchiv Brandenburg/Havel zieht 2005 um

Im Sommer 2005 soll für das Stadtarchiv Brandenburg an der Havel eine mehr als 20 Jahre währende Zeit der Provisorien beendet sein. Seit 1983 gab es immer wieder Versuche, das Stadtarchiv von den mittlerweile sieben Standorten auf einen einzigen zu konzentrieren, doch bisher mussten Akten und Mitarbeiterinnen auf den äußerst langen Laufwegen zwischen den Magazinen pendeln.

Die Bedingungen werden sich bessern, denn in wenigen Monaten wird das Stadtarchiv in einen Trakt der Brennaborhöfe ziehen, einem Industriekomplex, den die Stadt vor einiger Zeit an die Axma Beteiligungs- und Handelsgesellschaft verkauft hat und den sie nach deren Umbau zu Archivräumen für vorerst 20 Jahre zurückmieten wird. Auf 3.230 Quadratmetern werden die städtischen Akten im 2. und 3. Geschoss zweier Gebäudeteile gelagert. Die Leiterin des Stadtarchivs Anke Richter rechnet mit einer vollen Arbeitsfähigkeit im Sommer nächsten Jahres. Im März 2005 soll der Umbau allerdings bereits abgeschlossen sein, zum Jahresende werden die auf Schienen laufenden Rollregalanlagen montiert.

Diese werden eine Menge Papier zu tragen haben: Zu den fünf Kilometern Verwaltungsakten und 1,5 Kilometern Patientenakten gesellt sich das historische Archiv mit 1.600 Urkunden und Dokumenten seit dem Jahr 1170.

Kontakt:
Stadtarchiv Brandenburg/Havel
Potsdamer Straße 16
14776 Brandenburg an der Havel
Telefon: (03381) 58 47-01
Fax: (03381) 58 47-04

Quelle: Märkische Allgemeine, 2.9.2004

Wie weit darf ein Historiker bei der Jagd nach Akten gehen?

Russland begann 1992 damit, Fehlurteile ihrer Militärgerichte in Deutschland nach 1945 aufzuheben. Die Deutsche Botschaft in Moskau meldet dann das Ergebnis in die Heimat. Der Dresdner Historiker Klaus-Dieter Müller hatte allerdings aus Forscherinteresse, um eine Gerichtsakte einsehen zu können, einen Rehabilitierungsantrag für den Nazi-Massenmörder Hans Heinze gestellt. Peinliche Folge: \“Euthanasie\“-Heinze, der im Zweiten Weltkrieg Hunderte Kinder und Jugendliche in den Tod schickte, wurde von seinen Verbrechen freigesprochen. Der fast sieben Jahre zurückliegende Fall wurde erst jetzt publik gemacht.

Bereits im Februar 1998 hatte die Deutsche Botschaft in Moskau dem Historiker Müller, jetzt Angestellter bei der vom Land gegründeten Stiftung Sächsischer Gedenkstätten, brieflich mitgeteilt, \“dass die Militärhauptstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation in Moskau Hans Heinze […] rehabilitiert hat.\“ Die Rehabilitierung des 1983 verstorbenen Nazi-Verbrechers Heinze war nur eingeweihten Fachkreisen bekannt geworden, jetzt droht sie, laut SPIEGEL, zum Kollateralschaden wissenschaftlicher Arbeit zu werden.

Das notorische Problem dieser Arbeit sei der Zugang zu den Akten in den russischen Geheimdienst-Archiven. Da die Russen Informationen über einen Ex-Häftling nur in dem Fall herausrücken, wenn Angehörige oder Wissenschaftler aus Deutschland einen Rehabilitationsantrag stellen, so nutzte Klaus-Dieter Müller diesen \“Schleichpfad in russische Archive\“, den auch andere Wissenschaftler in Einzelfällen gingen. Müller stellte aber nicht nur einen Antrag, sondern bis zu 2.000. Hebt die russische Militärstaatsanwaltschaft dann nach ein paar Monaten ein Urteil tatsächlich auf, darf sich Müller mit einer Vollmacht der Angehörigen die ganze Akte ansehen. Bleibt es dagegen beim alten Spruch, bekommt er zumindest noch einige Informationen, warum die Russen damals einen Deutschen abgeurteilt hatten. – In einem in Kürze erscheinenden Aufsatz wird Müller sein Vorgehen erklären. Schon jetzt sagt er, dass dies ein Einzelfall geblieben sei, dass es in solchen Sonderfällen heute andere Mittel gebe, um in die russischen Archive zu schauen, Mittel ohne unerwünschte Nebenwirkungen wie bei Heinze.

Kontakt:
Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dr. Klaus-Dieter Müller (Leiter Dokumentationsstelle Widerstands- und Repressionsgeschichte in der NS-Zeit und der SBZ/DDR)
Dülferstraße 1
01069 Dresden
Tel. (03 51) 4 69 55 48
Fax. (03 51) 4 69 55 41
klaus-dieter.mueller@stsg.smwk.sachsen.de

Quelle: Jürgen Dahlkamp, SPIEGEL online, 24.8.2004

Hilfe für Weimarer Anna Amalia Bibliothek nach Großbrand

Der verheerende Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar am 2./3. September 2004, der Zeitungsberichten zufolge durch eine marode, zum Teil noch aus DDR-Zeiten stammende Elektroanlage im Dachstuhl ausgelöst worden sein soll, hat zehntausende unersetzbare historische Bücher zerstört und Schäden in zweistelliger Millionenhöhe angerichtet. Ein Stück Weltkulturerbe sei unwiederbringlich verloren, sagte Kulturstaatsministerin Christina Weiss in Weimar und sprach von einer „nationalen Kulturkatastrophe“.

Etwa 30.000 Bände aus dem 16. bis 18. Jahrhundert wurden vernichtet, rund 40.000 durch Wasser und Rauch beschädigt. Rund 120.000 Bände wurden in Sicherheit gebracht. Die Ursache für den Brand, der am Donnerstagabend in der zum Weltkulturerbe gehörenden Bibliothek der Klassikerstadt ausgebrochen war, ist unklar. In fünf Wochen sollten alle Bücher, nicht zuletzt wegen der unbefriedigenden Brandschutzsituation in der Bibliothek, in ein neues Tiefenmagazin umziehen, das im Februar 2005 eröffnet werden soll. Das am Freitagmorgen gelöschte Feuer hat auch den berühmten Rokokosaal beschädigt.

Die wertvollen Bestände sind nach Stiftungsangaben nicht versichert. Kulturstaatsministerin Weiss sagte vier Millionen Euro Soforthilfe des Bundes zu. Das Land Thüringen will bei der Rettung der Bücher ebenfalls helfen. Die vom Löschwasser beschädigten Bücher sollen – damit sie nicht aufquellen und aufweichen und sich Schimmelsporen und Fäulnis ausbreiten – schnellst möglich schockgefroren und ins Zentrum für Bucherhaltung nach Leipzig gebracht werden. Die Deutsche Bibliothek Frankfurt/Main schickte zwei Fachleute nach Weimar. Professor Norbert Reimann, Leiter des Westfälischen Archivamts in Münster, das sich mit dem Spezialtrocknen und Restaurieren beschädigter Dokumente einen Namen gemacht hat, rät, die historischen Bücher mit ihren wertvollen Einbänden vor dem Einfrieren mit Mullbinden fest zu umwickeln.

Die Mitarbeiter der Bibliothek legen mittlerweile eine Datenbank der verbrannten Bücher und handschriftlichen Originale an. Opfer der Flammen sind vor allem aus Anna Amalias Musikaliensammlung und der 1722 integrierten Bibliothek von Konrad Samuel Schurzfleisch zu beklagen. Vieles davon ist auch als Text für immer verloren. Bibliotheksdirektor Michael Knoche klagt, dass es große Lücken bei der Sicherheitsverfilmung gab. Mit diesen Arbeiten war in Weimar erst kurz vor der Wende begonnen worden.

Die Intendantin des Kunstfestes Weimar, Nike Wagner, rief ebenso wie Staatsministerin Weiss zu Spenden auf. Die Mittel für die bereits seit langem geplante Sanierung des Stammhauses der Bibliothek, für die acht bis neun Millionen Euro veranschlagt waren, reichten nicht aus, sagte Weiss. Bei der Sanierung sollen auch die Brandschutzeinrichtungen verbessert werden, sagte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU).

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek gehört seit 1998 zusammen mit anderen Weimarer Stätten der deutschen Klassik zum UNESCO-Weltkulturerbe. Von 1761 bis 1766 wurde das Grüne Schloss unter Herzogin Anna Amalia (1739-1807) zum Bibliotheksgebäude umgestaltet.

Spendenkonten:

  • Deutsche Stiftung Denkmalschutz: Konto 305 555 500, Commerzbank Bonn, BLZ 380 400 07, Kennwort Anna Amalia
  • Stichwort \“Gesellschaft Anna-Amalia-Bibliothek\“, Kontonummer 301 040 400, Sparkasse Mittelthüringen (Bankleitzahl 82 051 000).

Link: www.anna-amalia-bibliothek.de/spende.html

Kontakt:
Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Platz der Demokratie 1
99423 Weimar
Tel. (0 36 43) 545-205
Fax (0 36 43) 545-220
infohaab@swkk.de

Quelle: Aachener Zeitung, 3.9.2004; TLZ, 3.9.2004 und 6.9.2004.
<http://www.augias.net/art_archiv_net_4005.html>