10 Jahre VG Nesse-Apfelstädt-Gemeinden

Bürgerfreundlicher und kostengünstiger sollte es werden – daher schlossen sich genau vor zehn Jahren die Gemeinden Gamstädt, Ingersleben, Neudietendorf und Apfelstädt zur Verwaltungsgemeinschaft „Nesse-Apfelstädt“ zusammen. Im Rahmen der Thüringer Kommunalverordnung wurde im April 1994 ein eigenständiger Verwaltungssitz für benannte Gemeinden in Neudietendorf eingerichtet. Dass die Rechnung aufgegangen ist, kann die Vorsitzende der VG, Andrea Becker, heute nur bestätigen.

„Die Zusammenführung ist auf jeden Fall effektiv gewesen, der gemeinsame Verwaltungssitz hat sich positiv auf die Entwicklung der VG ausgewirkt“, so Becker. Die Gemeinden hätten mit ihren Räten und Bürgermeistern noch immer ihre Eigenständigkeit bewahrt. Für den Bürger seien andererseits Amtswege konzentriert unter einem Dach und damit schnell und unkompliziert erreichbar.

Die Effektivität wird bis zum heutigen Tag ausgebaut: Derzeit sind Angestellte der VG damit beschäftigt, ein kommunales Archiv einzurichten. „Wir tragen aus den Gemeinden, aus dem Kreisarchiv Gotha, von Dachstühlen und entlegenen Räumen Unterlagen zusammen“, so Becker. Damit könnten wiederum Wege und Zeit eingespart werden. „Das kommt zu allererst den Verwaltungsangestellten zugute, aber auch beispielsweise den Ortschronisten“, erklärt die VG-Vorsitzende. Nach dem Auszug eines Ingenieurbüros aus dem Erdgeschoss des Bürgerhauses habe sich diese Konzentration an Ort und Stelle angeboten; bis zur großen Jahrfeier am 8. Mai soll alles eingeräumt und katalogisiert sein.

Kontakt:
Verwaltungsgemeinschaft „Nesse-Apfelstädt-Gemeinden
Zinzendorfstraße 1
Postfach 1144
99192 Neudietendorf
Tel.: 036202/8400
Fax: 036202/84011

Quelle: Sylvia Kreyßel, TLZ (Gotha), 13.4.2004

Datenbank jüdischer Periodika jüngstes Weltkulturerbe

„Compact Memory“ ist das jüngste Weltkulturerbe der UNESCO. Das Online-Archiv digitalisiert deutschsprachige jüdische Periodika. Das Gemeinschaftsprojekt „Retrospektive Digitalisierung jüdischer Periodika im deutschsprachigen Raum“ hat ein klares Ziel: Die wichtigsten Periodika von 1806 bis 1938 zusammen tragen. Auf der Online-Plattform „Compact Memory“ können Nutzer das Wissenschaftsarchiv kostenlos erreichen und recherchieren.

Die Bereitstellung der Periodika ist wichtig für die Erforschung des Judentums, den Jüdischen Studien. In den Zeitungen und Zeitschriften sind die sozialen, politischen und religiösen Strömungen der jeweiligen Epoche dokumentiert. Außerdem behandeln sie Themen wie Pädagogik, Beruf, Literatur und Wissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts.

Aufgenommen wurde das Gemeinschaftsprojekt von der UNESCO als digitales Weltkulturerbe. Damit ist die virtuelle Plattform ein Bestandteil von weltweit über 700 Kultur- und Naturstätten. Projektpartner des neuen Weltkulturerbes sitzen in Aachen, Köln und Frankfurt: Das Lehr- und Forschungsgebiet Deutsch-Jüdische Literaturgeschichte der RWTH Aachen, die Kölner Bibliothek Germania Judaica und das Sondersammelgebiet Judentum der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek. Die drei Partner stellen ihre Literatur zur Verfügung und widmen sich der Suche nach weiteren jüdischen Publikationen.

Finanziell unterstützt wird Compact Memory von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Das Projekt ist auf sechs Jahre angelegt. Noch bis 2006 läuft das Digitalisierungsprojekt. Zunächst sind nur deutschsprachige Publikationen online. Periodika in hebräischer und jiddischer Sprache sollen folgen.

Zur Zeit stehen auf der Internetplattform 25 Periodika mit insgesamt 300.000 Seiten zur Verfügung. Nach Anklicken der gewünschten Publikation kann der Nutzer den Jahrgang auswählen. Danach Heftnummer und schließlich die Seitenzahl. Bis 2006, dem Projektabschluss, möchten die Kooperationspartner eine Millionen Seiten für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Dann stünden insgesamt 125 Periodika bereit. Auch nach Ende des Projektes wird das Lesen und Abrufen der einzelnen Seiten kostenlos bleiben.

Verantwortlich für den Internetauftritt und der technischen Leitung der „Compact Memory“ ist der Kooperationspartner in Aachen. Alexander Wesendonk, technischer Leiter des Projekts, erklärt den Weg der Zeitung ins Internet: „Zunächst wird die Publikation von einem externen Dienstleister auf Mikrofilm kopiert. Vom Mikrofilm erfolgt dann die Digitalisierung.“ Auf CD-ROM erreichen die Daten das technische Leitzentrum. Nach Einpflegen der Daten ins interne System, stehen die Seiten zum Lesen bereit.

Die komplizierteste Aufgabe liegt nach wie vor in Menschenhand: Suchen und Finden alter deutschsprachiger jüdischer Periodika aus aller Welt. Bibliothekare der drei Kooperationspartner kümmern sich um die Findung der wichtigen Quellenzeugnisse, wenngleich nicht alle der rund 5.000 Periodika, die in den vergangenen Jahrhunderten publiziert wurden, in die virtuelle Bibliothek aufgenommen werden.

Kontakt:
Projekt „Compact Memory“
Till Schicketanz, M.A.
Lehr- und Forschungsgebiet Deutsch-jüdische Literaturgeschichte
RWTH Aachen
Templergraben 55, D-52056 Aachen
Fon ** 49 * 2 41-80 96 084
Fax ** 49 * 2 41-80 92 158
schicketanz@compactmemory.de

Quelle: Miriam Beiseler, Deutsche Welle, 8.4.2004

Seit wann bringt der Hase die Eier?

Seit wann gibt es eigentlich bunte Ostereier? Seit wann bringt der Hase die Eier? Und welche Osterbräuche gab es in der Nordheide? Darüber gibt eine kleine aber durchaus attraktive Ausstellung im Vortragssaal der früheren „Landtechnik“ im Kiekeberg-Museum Auskunft.

Dr. Martin Kleinfeld, Mitarbeiter des Freilichtmuseums, hat bei der Ausstellung vor allem auf das Archiv des Museums zurückgegriffen. Das Museum hat eine Sammlung aus dem Lüneburger Bereich aufgekauft. Und so gibt es alte Osterhasen und betagte bunte Ostereier zu sehen, auch Bilderbücher und andere Darstellungen, an denen Eltern und Großeltern ebenso ihre Freude haben, wie die Kinder. Auf Schrifttafeln wird auch die Geschichte beleuchtet. Bunte Ostereier gibt es seit dem späten 19. Jahrhundert, Osterhasen etwas länger. Und Osterbräuche wie das Holen von Osterwasser sind seit dem 18. Jahrhundert bekannt.

Info:
Die Ausstellung des Freilichtmuseums wird bis zum 18. April gezeigt. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr. Ebenso am Ostermontag.

Kontakt:
Freilichtmuseum am Kiekeberg
21224 Rosengarten 
Tel.: 040/ 790 176-0
Fax: 040/792 64 64 
info@kiekeberg-museum.de

Quelle: Hamburger Abendblatt, 10.4.2004

Interesse an Ahnenforschung wächst

Dass das Interesse an Familiengeschichte wächst, merken besonders die Mitarbeiter der Archive. Deshalb hatten Stadt- und Staatsfilialarchiv Bautzen jetzt zu einem Vortrag zum Thema „Wie finde ich meinen Opa in den Akten“ eingeladen (Link: Archivverbund). 60 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten den interessanten Ausführungen von Archivarin Anja Moschke.

Zunächst wurden die Zuhörer mit den Grundregeln vertraut gemacht, die bei der Benutzung des Archivs zu beachten sind, um eine möglichst effektive Forschungsarbeit zu gewährleisten. Das beginnt bereits bei den Anmeldemodalitäten und reicht bis zur Nutzung der verschiedenen Hilfsmittel wie Findbuch, Katalog oder Mikrofiches. Anschließend stellte Anja Moschke die wichtigsten Quellen zur Ahnenforschung vor. Sie erläuterte die Handhabung der „Mendelschen Familienkartei“ und der Häuserkartei des Stadtarchivs und erklärte, was man in Adressbüchern, Hof- und Staatskalendern und so genannten geschlechterkundlichen Taschenbüchern alles entdecken kann. Weitere Quellen für Familienforscher sind unter anderem Aufgebotsbücher, Geschoss-, Gewerbe- und Stadtsteuerrechnungsbücher, Gewerbeanmeldungsregister, Bürgerbücher und Lehrlingsrollen. All das ist im Bautzener Stadtarchiv einsehbar. Im Staatsfilialarchiv lassen sich Volkszählungslisten, Gerichts-, Flur- und Besitzstandsbücher, Steckbriefe aus Polizeiakten, Auswanderungsgesuche und Militärheberegister finden.

Besonders begeistert waren die Zuhörer von den Ahnentafeln aus dem Landständischen Archiv. Diese zum Teil auf Pergament gezeichneten, mit colorierten Wappen versehenen, kunstvoll gezeichneten Tafeln stellte Anja Moschke zum Abschluss ihrer Ausführungen vor.

Kontakt:
Archivverbund Stadtarchiv / Staatsfilialarchiv Bautzen
Schloßstraße 10
02625 Bautzen
Postfach 1109
02601 Bautzen
Grit Richter-Laugwitz (Leiterin) 0 35 91 / 5 31 – 0 86
Anja Moschke (Staatsfilialarchiv) 0 35 91 / 5 31 – 0 88
grit.richter-laugwitz@bautzen.de
anja.moschke@bautzen.de

Quelle: Ralf Haferkorn, Sächsische Zeitung, 10.4.2004

Arbeitskreis Stadtgeschichte Ennepetal nun e.V.

Seit mehreren Jahren gibt es einen Arbeitskreis Stadtgeschichte am Ennepetaler Stadtarchiv. Dieser Kreis gibt die begehrten Hefte „Ennepetaler Forschungen“ heraus. Um die Arbeit auf gesicherte Grundlagen zu stellen, trafen sich nun eine Reihe von Mitarbeitern im Stadtarchiv zur Gründung eines Vereins „Arbeitskreis Ennepetaler Stadtgeschichte“.

Zweck dieses neuen Vereins ist die Erforschung der Geschichte der Stadt Ennepetal, ihrer Vorgängergemeinden und der Umgebung sowie die Organisation von Informationsveranstaltungen, Ausstellung und die Veröffentlichung der regionalen Forschungsergebnisse. So steht es nun in der Vereinssatzung.

Erstes Ziel der Vereinsgründung ist die Eintragung ins Vereinsregister beim Amtsgericht und der Antrag auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit, damit möglichen Spendern eine entsprechend wirksame Quittung ausgestellt werden kann.

Zum Vorsitzenden und in Personalunion zum Pressesprecher wählten die Gründungsmitglieder den bisherigen Arbeitskreis-Sprecher Hans Hermann Pöpsel, ein pensionierter Redakteur aus Ennepetal. Geschäftsführerin ist Stadtarchivarin Ingrid Windmöller.

Die Arbeit an der Ennepetaler Forschungen setzt der Verein wie gewohnt fort. Im Herbst 2004 wird zudem ein Bildband mit alten Fotos aus dem Stadtarchiv erscheinen. Herausgeber ist der Sutton-Verlag. Außerdem will sich der Verein demnächst mit Büchertischen an öffentlichen Veranstaltungen beteiligen.

Kontakt:
Arbeitskreis Ennepetaler Stadtgeschichte
Hans Hermann Pöpsel
hhpoepsel@t-online.de

Stadtarchiv Ennepetal
Lindenstr. 8
D-58256 Ennepetal
Telefon: 02333-912 927
Telefax: 02333-795188

Quelle: Westfalenpost, 9.4.2004

Initiative zum Schutz gefährdeter Archive

Die bisher größte internationale Initiative zum weltweiten Schutz gefährdeter Archive – das „Endangered Archives Programme“ – wird im Herbst unter der Ägide der British Library gestartet.   
   
Im Rahmen des Programms werden zehn Millionen Pfund (15,2 Mill. Euro), finanziert vom Lisbet Rausing Charitable Fund, aufgewendet, um von Kriegen, Naturkatastrophen, Ignoranz und Vernachlässigung gefährdete historische und kulturelle Aufzeichnungen zu erhalten. Die ersten Gelder sollen 2005 ausgeschüttet werden. 
   
Die gefährdeten Archive sollen identifiziert und danach in Archiv-Institutionen gebracht werden, die zwar dem selben kulturellen Umfeld angehören, aber als sicher erachtet werden. Darüber hinaus sollen solche Archive kopiert und allgemein zugänglich gemacht werden. Eine Masterkopie soll in der British Library aufbewahrt und dort für andere Institutionen und Forschungseinrichtungen verfügbar sein.

Das Programm werde „unzweifelhaft eine weit reichende und langfristige Auswirkung auf die internationale Forschung“ haben, so Clive Field, Direktor für Stipendien und die Sammlung bei der British Library.  „Wir glauben, dass es lebensnotwendig ist, diese heiklen kulturellen Aufzeichnungen zu bewahren und derzeitigen und zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu geben, von der Vergangenheit zu lernen“, so die Geldgeber Lisbet Rausing und Peter Baldwin.

Dies müsse in einer Weise geschehen, die jedermann Zugang zu den Archivaufzeichnungen gewährleistet. Die primäre Dotierung mit zehn Mio. Pfund garantiert eine Laufzeit von acht Jahren, mit Hilfe weitere Sponsoren hofft man, diese verlängern zu können. 

Kontakt:
The British Library
96 Euston Road
London
NW1 2DB

Quelle: ORF.at, 8.4.2004

Zusammenlegung von Stadt- und Kreisarchiv in Celle im Gespräch

23.700 Euro hat die Stadt Celle im Jahr 2002 für ein Gutachten ausgegeben, das die „haushaltswirtschaftlichen Effekte bei verändertem Aufgabenbestand“ untersuchen sollte. Während das nach seinem Verfasser „Diekwisch-Gutachten“ genannte Werk für die Region Südheide ein Schubladen-Dasein fristet, arbeiten Celler Stadt- und Kreisverwaltung damit. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat sich in den Behörden einiges getan.

Seit Oberbürgermeister Martin Biermann im Celler Rathaus der erste Mann ist, hat sich die Anzahl der Stellen in der Stadtverwaltung von 1146 im Jahr 1990 auf nun 825 Stellen verringert. Hauptursache des Stellenabbaus sind aber nicht Streichungen, sondern Auslagerungen und gemeinsam mit dem Landkreis geschaffene, eigenständige Organisationen wie der Zweckverband Abfallwirtschaft und die Tourismus Region Celle. Im Bereich des Landkreises verringerte sich die Zahl der Stellen im gleichen Zeitraum von 608 auf 519.

Um positive finanzielle Effekte durch Zusammenlegung von Aufgabenbereichen zu erzielen, haben Stefan Diekwisch und Gabriele Wauge in ihrem im Juli 2002 vorgelegten Gutachten sieben Aufgaben der Verwaltung beleuchtet. Es hat schon einige vorzeigbare Ergebnisse gezeitigt, wie Wilhelm von Fintel, bei der Celler Stadtverwaltung Fachbereichsleiter für Bildung, Jugend und Soziales, meint.

Bei einer Zusammenlegung von Stadt- und Kreisarchiv müsse man auch die Frage beantworten, auf welche Standards man sich einige. Das Raumangebot reiche an keinem der jetzigen Standorte aus, um beide Archive zusammenzulegen. Der Landkreis hat die Stadtverwaltung gebeten, dieses Thema zu verschieben, da dort „erhebliche Ressourcen durch die Übernahme der Schulträgerschaft gebunden waren“, erläutert von Fintel.

„Wir haben etwas anderes gemacht, um Kosten zu sparen. Wir streichen die A-14-Stelle der Leitung des städtischen Archivs. Damit sparen wir 110.000 Euro“, so von Fintel.

Kontakt:
Kreisarchiv für den Landkreis Celle
Kreisverwaltung,
Trift 26, Gebäude 6,
29221 Celle

Stadtarchiv Celle
Westerceller Str. 4,
29227 Celle

Quelle: Andreas Babel, Cellesche Zeitung, 7.4.2004

Außerschulischer »Lernort Archiv« etabliert

Neue Lehrpläne verlangen nicht nur in Baden-Württemberg kreative Lösungen, wenn Schulen ihr eigenes Profil schärfen müssen. Für den Unterricht in den Fächern Geschichte und Gemeinschaftskunde ist dabei der „außerschulische Lernort“ ARCHIV längst in den Blick genommen worden. Oft fehlen allerdings Ideen zur Umsetzung. Die Karlsruher Tagung für Archivpädagogik – eine Initiative des Generallandesarchivs Karlsruhe mit dem Oberschulamt und dem Landesmedienzentrum – bietet seit einigen Jahren in vorbildlicher Form Lehrern und Archivaren hierfür eine intensiv genutzte Plattform des Austauschs, wie Oberschulamtspräsident Dr. Schnatterbeck in seiner Begrüßung hervorhob.

Zur nunmehr 5. Tagung am 12. März 2004 wurde aufgrund des zu verspürenden starken Interesses an Lebensgeschichten das Thema Biographie gewählt. Der Einstieg in geschichtliche Zusammenhänge erfolgt vielfach – wieder – über einzelne Personen und Lebensschicksale.

Überzeugend war das Tagungsprogramm durch die bewährte Mischung aus Grundsätzlichem und Praxisorientiertem. Dabei wurde aufgezeigt, an welchen – auch unerwarteten – Stellen biographisch auswertbares Material in Archiven zu finden ist. Jürgen Treffeisen von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg forderte detektivischen Spürsinn, denn nicht nur in Personalakten, in denen eine gesuchte Person gleichsam „Subjekt“ ist, sind Hinweise zu Lebenssituationen zu ermitteln, sondern auch in den Akten, in denen Personen „Objekte“ staatlichen Handelns waren. Am Beispiel des ersten (Nord-)Badischen Oberpräsidenten 1945 Karl Holl konnte er mit Hilfe der Personalakte eine Karriere nachzeichnen, aber auch mit der Akte des Spruchkammerverfahrens die Verstrickungen Holls in der NS-Zeit freilegen. Während bei Personen des 19. und 20. Jahrhunderts mit Akten vielfach detailliert Lebensumstände beleuchtet werden können, bieten Quellen des Mittelalters selbst für historisch bedeutende Gestalten kaum individuelle Informationen. Der Weg, den Treffeisen vorführte, Auskünfte zu einem Tennenbacher Abt zu erhalten, ist zwar äußerst spannend, aber diese aufwändige Arbeit ist für Schülergruppen in der Regel nicht zu leisten. Dennoch sollte der Zugang zu über Personen stärker als bisher genutzt werden, denn die Quellenlage in den Archiven ist zumindest für die neueste Geschichte ausgesprochen gut und – so bilanzierte Treffeisen „mit logischem Denken und etwas Geduld, lassen sich beeindruckende Ergebnisse erzielen.“

Gerade bei Themen zum 20. Jahrhundert lassen sich aber viele Interessenten von der Archivarbeit durch das Schlagwort „Datenschutz“ abschrecken. Martin Stingl vom Generallandesarchiv Karlsruhe rief dazu auf, den Schutz der Persönlichkeitsrechte Betroffener und damit eine Hürde zur zeitgeschichtlichen Forschung ernst zu nehmen, aber auch die gegebenen Chancen zu nutzen. Durch ganz klare archivgesetzliche Verfahren werden bei der Nutzung Möglichkeiten eröffnet, die stets nachgefragten Akten zum Verhalten von Personen während der NS-Zeit auszuwerten. In der intensiven Diskussion unter den Teilnehmern wurde deutlich, dass die Vorlage der Quellen in den Archiven ausschließlich den rechtlich vorgegebenen Rahmenbedingungen folgt, die keineswegs forschungsfeindlich sind. Dabei werden aber bei der Auswertung gerade Schülergruppen oft vor Probleme gestellt: Sie erhalten durch das Aktenstudium nicht nur bei entsperrten Akten Informationen, die sie nicht verwerten dürfen, die aber für sie gleichwohl „belastend“ wirken können. Offen blieb die Frage nach der ethisch motivierten Steuerung von Archivnutzung in solchen Situationen durch Lehrer und Archivare.

Am Nachmittag wurde den etwa 100 Teilnehmern im Rahmen einer Messe zehn aus ganz Deutschland zusammengetragene Projekte z.T. von den beteiligten Schülern selbst präsentiert; darunter befanden sich zum ersten Mal Datenbanken für historische Dokumente. Methodisch reichte der Bogen von Plakat-Ausstellungen und klassischen Broschüren über elektronische Präsentationen bis zu aufwändigen Unterrichtsmodellen und Projekten mit außerschulischen Partnern, wie z.B. der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt.

Das Stadtarchiv Bruchsal präsentierte das Projekt „500 Jahre Bundschuh unter Joß Fritz“, das im Rahmen des Bruchsaler Gedenkjahres 2002, bei dem u.a. durch einen Schulwettbewerb ausgeschrieben Schüler aller Klassenstufen und Schularten mit Beiträgen zum Thema Mittelalter, Bauernkriege usw. beteiligen konnten. Die attraktiven Wettbewerbsbeiträge reichten von einem lebensgroßen „Bauernkriegsfähnrich“ aus Eisenteilen, den eine berufliche Schule gefertigt hatte, über das Hörspiel „Der Pfeifer von Niklashausen“ bis hin zu einem Würfelspiel „Bauer-ärgere-dich-nicht“. Der Präsident des Oberschulamtes Karlsruhe hatte die Patenschaft über den Wettbewerb übernommen und Sponsoren stellten attraktive Geld- und Sachpreise zur Verfügung zu stellen. Die Wettbewerbsbeiträge konnten im Rahmen der Ausstellung „Das verborgene Feuer“ über die Bauernkriege unter Joß Fritz im Schloss Bruchsal gezeigt.

Ebenfalls alle Klassenstufen und Schulfachgrenzen überschritt das Archiv des Erzbistums München und Freising mit dem archivpädagogischen Projekt „Kirschgeist und Trompetenschall. Der Freisinger Fürstbischof auf Firm- und Kirchweihereise im Oberland 1786“: Mit Gefolge und drei Kutschen bereiste der Freisinger Fürstbischof Ludwig Joseph von Welden den Raum des heutigen Landkreises Miesbach, um Kirchen zu weihen und mehr als 8.000 Kindern und Jugendlichen das Sakrament der Firmung zu spenden. Als Quelle diente das im Archiv des Erzbistums erhaltene Reisetagebuch eines fürstbischöflichen Hofkavaliers mit einer sehr anschaulichen Beschreibung des Reiseverlaufs, der Aufenthalte an den einzelnen Orten und der Eigentümlichkeiten von Land und Leuten. Weiter hinzugezogen wurden Firmungsbücher, Personalakten, Singspieltexte, Musikalien, Porträts und Ortsansichten, Abrechnungen, Essenslisten, Weiheurkunden und Briefe aus denen sich ein überaus farbiges Bild der damaligen kirchlichen Verhältnisse und des Lebens von Bischöfen, Mönchen, Beamten, Bauern und Kindern in Oberbayern ergab.

Alle Schulen des Landkreises wurden eingeladen, sich mit den archivischen Quellen in alters- und schulartgemäßen pädagogischen Formen zu beschäftigen und dabei den Zielen des fächerübergreifenden Unterrichts, des Projektunterrichts, des Regionalbezugs und der Einbeziehung außerschulischer Lernorte (Archiv, Kirche) Projektergebnisse in den Fächern Musik, Kunst, Geschichte, Deutsch, Latein, Mathematik, Physik und Religion von Schülern von der 3. Klasse bis zur Oberstufe sowie die Originalarchivalien waren vom 17.2. bis 1.4.2002 in einer Ausstellung im Miesbacher Kulturzentrum \“Waitzinger Keller\“ zu sehen. Die Ausstellung samt Begleitveranstaltungen erreichten rund 3.500 Besucher.

Beide Präsentationen zeigten, dass mit entsprechender Vorbereitung auch Quellen vor 1800 trotz der für Schüler nicht einfachen Schrift mit Erfolg ausgewertet und genutzt werden können.

Eine hohe Motivation ist bei Schülerinnen und Schülern in der Regel durch die Beschäftigung mit Schicksalen von Opfern des Nationalsozialismus zu erreichen.

Einen langen Atem, der bei der Arbeit mit historischem Material oft nötig ist, bewiesen vier Schülerinnen einer 5. Klasse des Ludwig-Marum-Gymnasiums in Pfinztal. Eine angestrebte Dokumentation über die jüdischen Friedhöfe der Region entwickelte sich mit Zeitzeugenbefragungen und Quellenstudium zu einem größeren Beitrag, der zwei Jahre später im Rahmen eines Wettbewerbs prämiert wurde. Dabei konnte festgestellt werde, dass auch Schüler der Sekundarstufe I für Archivarbeit interessiert werden können, insbesondere wenn eine lokale Verwurzelung des Themas möglich ist.

Dass auch in schulischen Projekten auf „Neuland“ vorgestoßen werden kann, zeigte sich an der Ausstellung einer Arbeitsgruppe der Stufe 13 des Kurfürst-Friedrich-Gymnasiums in Heidelberg. Dabei wurde den Lebensläufen der Juden nachgegangen, die nach den ersten Deportationen durch ihre christlichen Ehepartner noch eine Zeitlang vor der Ermordung geschützt waren. Am Beispiel des Historikers Paul Hirsch wurde an die Deportation der jüdischen Ehepartner aus „Mischehen“ vom 14. Februar 1945 (!) erinnert.

Über den – umstrittenen – lippischen Widerstandskämpfer Willi Langenberg (1910-1944) präsentierte das Staatsarchiv Detmold eine Unterrichtsreihe. Der einzige über seine Heimatregion hinaus bekannte Widerstandskämpfer aus Lippe stößt in seiner Heimatstadt aufgrund der Art und Weise seines Kampfes gegen Hitler bis heute auf Misstrauen. Langenberg beteiligte sich 1932 an nächtlichen Aktionen der KPD, wurde 1932 in eine Schießerei mit SA- und SS-Leuten verwickelt und verhaftet. Nach einem Ausbruch lebte er in der Illegalität und führte ab 1942 mit seinen Freunden Widerstandaktionen unterschiedlicher Art durch: Handzettelverteilungen, Wandparolen, Anschläge auf Bahnlinien, Sabotage von Stromleitungen, Brandanschläge, Einbrüche, darunter in ein provisorisches Waffendepot der Wehrmacht. Einer drohenden Verhaftung entzog er sich durch Selbstmord.

Bei der Vorbereitung der dargestellten Unterrichtsreihe erfuhr der durchführende Lehrer, dass viele bisher schweigende Zeitzeugen nun bereit seien, über die Vorgänge von 1942-44 zu reden. Zugleich wurden die einschlägigen Bestände im Staatsarchiv Detmold gesichtet. Der Pädagoge entschloss sich, die Unterrichtsreihe im Politikunterricht in einer Fachoberschul-Klasse (FOS) mit den Schwerpunkten Elektro / Metall durchzuführen. Es wurde von Anfang eine Präsentation der Ergebnisse für die Schule angedacht – dass sich daraus zwei Ausstellungen entwickeln würden, war nicht vorgesehen. Diese Differenz zwischen Planung und Realisation erweist sich rückblickend als Stärke der Reihe, da sie dazu führte, dass auch nach Abschluss des eigentlichen Unterrichtsprojektes einzelne Schüler bzw. Gruppen weiter arbeiteten, bis sie den sich selbst gestellten Auftrag erfüllt hatten.

Auf lange Sicht von vorneherein angelegt ist das „Gedenkbuch Karlsruher Juden“, das im Karlsruher Stadtarchiv betreut wird. Hier forschen nicht nur Schüler und Jugendliche nach Biographien Vergessener, sie sind aber ausdrücklich als Autoren gesucht worden. Dabei ist das Ziel, den am 27. Januar 2001 enthüllten Gedenkstein für die ermordeten Juden auf dem Karlsruher Friedhof durch die diese etwa 1-3 Seiten langen Biographien gleichsam zu verlebendigen. Das Stadtarchiv stellt als fachkompetente Anlaufstelle für diese Spurensuche die ersten Hinweise auf Archivquellen bereit. Durch die Möglichkeit der Kontaktaufnahmen mit den Nachfahren der Ermordeten erhält dieses Projekt zudem dem eine aktuelle Perspektive (www.karlsruhe.de/Aktuell/Stadtzeitung02/sz0503.htm).

Eine private Quelle, das „Journal de mon séjour en Allemagne“, das Tagebuch eines belgischen Zwangsarbeiters, stellt die Grundlage für eine außer unterrichtliches Engagement von Schülerinnen und des Karlsruher Humboldt-Gymnasiums dar. Nach dem Besuch des Zeitzeugen in Deutschland erhielt die Gruppe die Erlaubnis, die mit Dokumenten, Fotos und eigenen Handzeichnungen angereicherten handschriftlichen Erinnerungen an die Zeit als Zwangsarbeiter in Karlsruhe und Stuttgart im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft „Geschichte im Archiv“ aufzuarbeiten sowie sie im französischen Urtext und einer deutschen Übersetzung zu veröffentlichen.

Die Biographie des Politikers und Juristen Gebhard Müller (1900-1990) stellten die Realschule und Gymnasium Mengen beispielhaft sowohl unter innenpolitischem Aspekt – „Mittler zwischen Baden und Württemberg“ – wie unter außenpolitischem Blickwinkel „Deutsche und Franzosen 1945-1963“ vor. Die Verknüpfung mit Unterrichtsinhalten konnte hier besonders deutlich herausgestellt werden, da die Entwicklung des Verhältnisses von Deutschen und Franzosen eines der wichtigen Themen der europäischen Nachkriegsgeschichte ist, dem im Bildungsplan Baden-Württemberg für das vierstündige Neigungsfach Geschichte ein besonderes Gewicht zukommt. Für die Präsentation war im regionalen Zeitungsarchiv und im Staatsarchiv Sigmaringen von den Schülern eigenständig recherchiert worden. Ebenso wie bei dem Mengener Projekt wird überlegt, die Präsentation unter Einhaltung datenschutzrechtlicher und urheberrechtlicher Bestimmungen im Internet zugänglich zu machen.

Die erfolgreiche Arbeit eigener Archivpädagogen an den Archiven war ablesbar an den vorgestellten Internetseiten des „Digitalen Archivs Marburg“ (www.digam.net/) beim Staatsarchiv Marburg. Hier werden archivische Quellen in ihren Zusammenhängen aufbereitet und sind dementsprechend nach Themen abrufbar. Das kommt den Bedürfnissen der Pädagogen entgegen, die in der Regel wenig Zeitressourcen haben, für den Unterricht zusätzliche regionale Materialien außerhalb der Schulbücher aufzuspüren und aufzuarbeiten. Neben dieser an den Quellen orientierten Strukturierung nach Themen soll künftig zudem eine an den Lehrplänen ausgerichteten Auswahl von Dokumenten angeboten werden.

Allgemeiner und in seinem Medienangebot breiter ist das Projekt SESAM des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg angelegt, in dem das LMZ neuartige Formen der Online-Verteilung von Medien erprobt. Die schulische Arbeit mit Medien wird dadurch wesentlich erleichtert und unterstützt. Basierend auf den neuen Bildungsstandards werden in SESAM Mediensammlungen zu bestimmten Themen (sogenannte „Themenbanken“) bereitgestellt, die als Quellen neben archivischen Unterlagen auch Filmsequenzen, Bilder, Arbeitsblätter und anderes didaktisches Material zu spezifischen Unterrichtsthemen enthalten.

Die Inhalte von SESAM stehen allen Lehrerinnen und Lehren in Baden-Württemberg online zur Verfügung und können jederzeit kostenlos herunter geladen und sowohl für die Unterrichtsvorbereitung als auch im Unterricht verwendet werden (http://sesam.lmz-bw.de/home/inhalte/uebersesam_7.htm).

Nachfrage bestand auch nach einer allgemeinen Informationsplattform zu „Archiv und Schule“. Zugriff auf alle von Archivpädagogen erarbeiteten Projekte sowie eine ausführliche, aktuelle thematisch strukturierte Literaturliste finden sich unter der Seite www.archivpaedagogen.de, die ebenfalls vorgestellt wurde.

Das Ziel der Organisatoren, so Clemens Rehm vom Generallandesarchiv Karlsruhe, Mut zur Archivarbeit zu machen und Lust auf Quellen zu vermitteln, um damit für Unterricht und Projekte Motivation zu schöpfen, sei bei der Tagung voll erfüllt worden. Die Diskussion anhand der Projekte habe eine große Bereitschaft zum Engagement von gezeigt und ließe ertragreiche Ergebnisse erhoffen, die über den schulischen Rahmen hinaus wirken könnten. Als Rahmen böte sich dabei besonders der am 1. September 2004 startende Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten an.

Verfasser: Dr. Clemens Rehm, Generallandesarchiv Karlsruhe (März 2004)

400 Jahre „Haager Vergleich“

Am 8. April 1603 wurde der „Haager Vergleich“ abgeschlossen. Mit diesem Vertrag zog man endgültig der Schlussstrich unter die Emder Revolution von 1595. Der Vergleich umfasst 15 Kapitel, ist in Niederdeutsch abgefasst und dokumentiert das Ende einer langen Phase von Auseinandersetzungen der Stadt Emden gegen die regierenden Landesherrn Edzard II. (1532 bis 1599) und Enno III. (1563 bis 1625).

Es gibt zwei Urkunden von diesem Vertrag. Die eine Ausfertigung lagert heute im Staatsarchiv in Aurich, die andere befindet sich im Emder Stadtarchiv. Mit diesen Papieren wird der Stadt die Eingliederung ihrer Vorstädte bestätigt, desweiteren die Steuerhoheit im städtischen Jurisdiktionsbereich, die militärische Hoheit. Der Vergleich nahm dem Grafen den letzten Einfluss auf die Emder Magistratsbesetzung; er schrieb den ostfriesischen Ständen das Recht zu, sich bei Einberufungsverweigerung durch den Grafen selbständig versammeln zu dürfen; er legte vor allem fest, dass Emden eine von den Ständen finanzierte, ständige Garnison von 600 bis 700 Mann Stärke erhalten solle.

Enno III. Cirksena war sich darüber klar, dass dieser Friede seine landesherrliche Hoheit weiter reduzierte und ihm zumal ihre Wiederherstellung in Emden vorerst unmöglich machte. Entsprechend sträubte er sich, den „Haag’schen Vergleich“ anzunehmen. Aber die generalstaatischen Friedensvermittler konfrontierten ihn kühl mit der Macht der Verhältnisse: „Ihr sollet willigen, was wir wollen oder Kriegh haben.“ Angesichts einer solchen Alternative blieb Enno III. Cirksena nur eine Wahl. Er musste unterschreiben, was er dann auch am 8. April 1603 tat.

So konnte Emden – im Schutz der Generalstaaten – seine Selbständigkeit gegenüber dem Landesherrn auch rechtlich so weit ausdehnen wie bisher noch nie. Den Emder Patrioten aber reichte zunächst dieser Erfolg noch nicht; ihre Wünsche gingen auf radikales Zerschneiden aller Bindungen zum lutherischen Landesherrn. Aber schließlich fügten sich die Emder, besonders auf Druck der vereinigten niederländischen Generalstaaten.

Allerdings war mit der Unterschrift von Enno III. Cirksena unter diesem Vergleich nicht alles geleistet, denn diesem sogenannten „Haager Vergleich“ mussten die ostfriesischen Landstände noch zustimmen, was ihnen sehr schwer fiel. Sahen sie doch, wohin das Emder Stadtregiment sie gebracht hatte. Die Landstände sollten sich nämlich an den Kosten für die niederländische Garnison in der Stadt Emden beteiligen, ein Punkt der zu unendlichen Streitereien in den kommenden Zeiten führte.

Vergebens protestierte Kaiser Rudolf II. dagegen, und auch König Jacob I. von England und Schottland äußerte seine Bedenken. Beide Herrscher befürchteten ein politisches Übergewicht der Generalstaaten. Tatsache ist, dass es langer Verhandlungen bedurfte, um endlich den „Haager Vergleich“ zu ratifizieren. Das geschah dann schließlich am 28./29. November 1603, dokumentiert mit den Unterschriften und Siegeln des Grafen Enno, der Stadt Emden, der Generalstaaten durch deren Abgesandten Maximilian von Cruiningen, Freiherrn von Seeland, und des Vertreters der Stände, des Freiherrn Ico, Reichsfreiherr zu Inn- und Knyphausen (1555 bis 1604).

Die Geschichte des Vertrags geht auf den 18. März 1595 zurück. In der „Emder Revolution“ triumphierten die Emder über Graf Edzard II. und trieben ihn aus der Stadt. Unterstützung fanden sie durch eine Garnison der 17 Staaten der vereinigten niederländischen Provinzen, genannt Generalstaaten. So unterzeichneten diese auch mit ihrem anhängenden Siegel den Delfzijler Vertrag vom 15. Juli 1595.

Das erste Siegel der Generalstaaten, das sich auch am Delfzijler Vertrag findet, zeigt die Umschrift „Siggium Ordinum Belgii“. Später wurde es noch mit der lateinischen Aufschrift „Concordia res parvae crescunt“ (Durch Einigkeit wachsen die kleinen Dinge) vermehrt, eben der Aufschrift die sich heute noch am erhaltenen Renaissanceportal des Emder Rathauses, aber auch am „Stadhuis“ von Appingedam, findet.

Um die Spannungen zwischen dem Grafenhaus, den ostfriesischen Ständen und der Stadt zu mildern, wurde am 7. November 1599 ein Vertrag geschlossen. Zuerst schien der Friede auch wieder hergestellt, doch dann entwickelte sich ab 1600 ein Bürgerkrieg zwischen Emden und Enno und dessen gräflichen Landesteilen. Die vereinigten niederländischen Generalstaaten entsandten im September 1602 als General und Befehlshaber Werner von dem Holze mit seinen Garnisonen, um den Emdern gegen den Cirksena-Grafen zu helfen. Er nahm die von Enno angelegte Logumer Schanze – gelegen außerhalb des Seedeiches in der Nähe Emdens – in einer siegreichen Schlacht gegen den gräflichen Heerführer Wilhelm zu Inn- und Knyphausen. Dieser erfolgreiche Kampf, der vom 4. bis zum 14. Oktober 1602 dauerte, sorgte bei den Generalstaaten, aber auch bei den Emdern für große Genugtuung.

Nach der verlorenen Schlacht war Enno III. sofort abgetaucht. Wohin er ging, ist indes nie bekannt geworden. Tatsache ist, dass seine vollständige Niederlage die wahren Machtverhältnisse offen gelegt hatten, auch seine Berufung auf den Kaiser Rudolf II. hatte keinen Erfolg gebracht. Im übrigen zogen im Winter 1602 auf 1603 Beauftragte der Stadt Emden allenthalben in Ostfriesland Kontributionen ein; das heißt, die Stadt Emden übte, wenn auch nur für kurze Zeit, die landesherrlichen Funktionen aus, die vorher nur Enno erlaubt waren.

Erst im Februar 1603 tauchte Enno wieder aus der Versenkung auf. Er erschien mit dem Kanzler des mit ihm verwandten Bremer Erzbischofs, dem Rechtsgelehrten Caspar Coccius, mit Wilhelm zu Inn- und Knyphausen (1557 bis 1631), gräflicher Heerführer an der Logumer Schanze und mit Dothias Wiarda (1565 bis 1637) in Den Haag. Letzterer, später gräflicher Kanzler und vorher als Syndicus auf der Seite der Emder Vierziger, hatte sich „als verschlagener und unverschämter Mann“, so der ostfriesische Historiker Ubbo Emmius, auf die Seite des Grafen geschlagen.

Als man in Emden von der Ankunft dieser Leute in Den Haag erfuhr, wurden schnellsten auch Gesandte von dort mit dem Emder Stadtsiegel „Engelke up’t Mür“ nach Den Haag geschickt. Bürgermeister Ubbo Remets (gestorben am 26. Juli 1627) fuhr nach Den Haag, begleitetet von dem Emder Stadtsekretär Daniel Alting und nahm in der Funktion des Stadtsyndicus den vierten Emder Bürgermeister Harmannus Meyer mit (gestorben 22. Mai 1614).

Emden verfügte im Frühjahr 1603 über keinen offiziellen Rechtsberater: der Emder Stadtsyndicus Dothias Wiarda war auf die gräfliche Seite gewechselt, und der Rechtsgelehrte Johannes Althusius kam erst im Jahre 1604 nach Emden. Der Ratspensionär und Sachverwalter der Generalstaaten, der den Vertrag von Den Haag am 8. April diktierte, war Johan von Oldenbarnevelt (1547 bis 1619). Dieser war zusammen mit Maurits von Nassau, Prinz von Oranien dem Sohn von Willem (1533 bis 1584), bei den Beginn der Verhandlungen in Den Haag anwesend. Maurits von Nassau und Johan von Oldenbarnevelt hatten wichtige Heeresreformen durchgeführt.

Ab 1589 eroberte Maurits gemeinsam mit seinem Vetter Willem Lodewijk, Graf von Nassau, in den nördlichen Niederlanden einen Ort nach dem andern, den die Spanier besetzt hielten. Doch diese Ereignisse waren schon lange Geschichte, als Enno „mit eigener Hand“ jenen Vertrag unterzeichnete, den er zwar selber vereinbart hatte, den er aber wohl kaum freudigen Herzens abgeschlossen hatte.

Quelle: Gudrun Dekker, Emder Zeitung, 7.4.2004

Augenblicke der Ingelheimer Stadtgeschichte

Das Stadtarchiv Ingelheim zeigt bis zum 30. April die Ausstellung „Augenblicke der Ingelheimer Stadtgeschichte“ im Neuen Rathaus. Zu sehen sind historische Schriften, Karten, Zeitungen und Dokumente. Mit der Auswahl der gezeigten Archivalien möchte Stadtarchivar Hans-Jürgen Finkenauer einen Einblick in die Möglichkeiten einer thematischen Recherche im Stadtarchiv geben. Die Ausstellung möchte zudem historische Facetten der Ingelheimer Stadtgeschichte am Beispiel von zeitgenössischen Dokumenten beleuchten (siehe auch die Pressemitteilung).

Dabei ist der Bogen weit gespannt. Das älteste Dokument der Ausstellung ist ein Ehevertrag aus dem Jahre 1767. Zu sehen sind aber auch originale Unterlagen zu Ingelheimer Stadtratswahlen und den Kreistagswahlen im Jahre 1946. In die Ausstellung eingebunden sind zudem Luftbildaufnahmen aus dem Jahre 1930, die vor allem die Stadtteile Ober- und Nieder-Ingelheim sowie Groß-Winternheim zeigen. Aber auch persönliche Fotografien gehören ebenso zum Ausstellungsinhalt, wie Lagepläne und Bauzeichnungen zum Beispiel vom alten Lokschuppen in Frei-Weinheim, dem Rathaus Nieder-Ingelheim oder dem Güterschuppen der Selztalbahn. Ein Band der historischen Katasterkarten aus dem Jahre 1844 ist darüber hinaus in einer Vitrine zu sehen.

Freunde alter Handschriften kommen auch auf ihre Kosten. Sie können eine Gewerberolle aus dem Jahre 1819 und die Ratsprotokollbücher aus den Jahren 1789, 1840 bis 1843 oder 1899 bis 1904 bewundern. Zu sehen ist auch das Goldene Buch der Stadt Ingelheim, 1940 bis 1978, mit dem Eintrag anlässlich des Besuches von Bundeskanzler Willy Brandt in Ingelheim im Jahre 1973. 

Die Ausstellung im Neuen Rathaus Ingelheim ist während der Dienstzeiten zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

Kontakt:
Stadtarchiv Ingelheim
Neuer Markt 1
55218 Ingelheim
Tel.: 06132-782131
Fax: 06132-782134
Ansprechperson:
Hans-Jürgen Finkenauer
Stadtarchivar
Tel.: 06132-782131
Fax: 06132-782134
http://www.ingelheim.de/

Quelle: Main-Rheiner, 7.4.2004