Der »Service historique de la Marine« in Paris, eines der weltweit umfangreichsten Marinearchive, blickt auf eine reiche Tradition zurück. In seiner heutigen Form wurde es vor 85 Jahren im Juli 1919 gegründet (Link). Vorläufer dieser einmaligen Institution reichen jedoch bis ins Jahr 1699 zurück, als der damalige Staatssekretär Jérôme de Pontchartrain am Place des Victoires das erste Marinearchiv Frankreichs einrichten ließ. Doch unbeständiges Interesse der Marinebehörden und häufige Orts- sowie Führungswechsel bescherten den Marinearchiven bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts eine ausgesprochen turbulente Geschichte. Erst mit der Gründung des »Service historique« erhielten sie eine Struktur, die bis heute nahezu unverändert fortbesteht.
1919 wurden im neugegründeten »Service historique« zwei bereits seit längerem existierende Einrichtungen vereint: Die »Section historique de la Marine« und der »Service des Archives et bibliothèques de la Marine«.
Der Gründungserlass legte die Aufgabenteilung fest. Während der »Service des Archives« als zentrale Einrichtung die Archive der Marine sowohl in Paris als auch in den fünf Militärhäfen Cherbourg, Brest. Lorient, Rochefort und Toulon verwalten soll, hat die »Section historique« die Aufgabe, »nach wissenschaftlichen und kritischen Methoden die Vergangenheit auszuwerten«, damit der Führungsstab »auf soliden Grundlagen allgemeine Grundsätze für die Politik und die Seekriegsführung festlegen kann.«
Dazu stehen beeindruckende Bestände zur Verfügung: Die Zentralbibliothek allein umfasst 175.000 Bände. Neben Druckwerken besitzt sie eine umfassende Sammlung mit mehr als 1.000 Manuskripten zur französischen Marine und den Kolonien seit dem 15. Jahrhundert. Hinzu kommen mehr als 10.000 kartographische Werke über Frankreich und die Welt seit dem 16. Jahrhundert, mehr als 1.400 Karten, Pläne und Aufrisse der Marinearsenalgebäude, ein inkonographischer Bestand von etwa 100.000 Bildern, darunter mehrere Tausend Postkarten und Ansichten von Schiffen, Häfen, Szenen aus dem Leben an Bord und anderen Motiven.
Die Bibliotheken in den fünf Seehäfen verwalten jeweils noch einmal 10000 bis 20000 Bände, außerdem verfügen sie über zum Teil sehr umfangreiche Manuskriptsammlungen. Insgesamt füllen die Bestände des »Service historique« etwa 50 Regalkilometer.
Inhaltlich sind sie von unschätzbarem Wert. Die französische Marine hat in mehr als drei Jahrzehnten außergewöhnliche schriftliche Zeugnisse zusammengetragen, deren historische Bedeutung weit über die Kriegsmarine hinaus geht.
Seit 1974 sind die Leitung und die Zentralverwaltung des »Service historique« im Schloss von Vincennes untergebracht, das ebenfalls eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Nach umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen durch das Verteidigungsministerium beherbergt es heute neben dem »Service historique« die Paralleleinrichtungen des Heeres und der Luftwaffe.
Link: http://www.servicehistorique.marine.defense.gouv.fr/
Kontakt: contact@servicehistorique.marine.defense.gouv.fr
Quelle: Henri Sieber, Netecho.info, 24.4.2004