Tausende von Ahnen- und Familienforscher sowie professionelle Genealogen zieht es in das Personenstandsarchiv nach Brühl – das Mekka nicht nur für Familienforscher, sondern auch für Historiker und Nachlassverwalter, die für Erbschaftsangelegenheiten Verwandtschaftsverhältnisse klären müssen. 2.435 Benutzer zählte das Archiv 2003 – Tendenz steigend.
In über neun Kilometer langen Regalen liegen in den Nebengebäuden von Schloss Augustusburg tausende Kirchenbücher mit Tauf-, Heirats- und Sterbeeintragungen sowie Akten aus Standesämtern, so genannte Zivilstandsregister (1798-1875) und Personenstandsunterlagen (ab 1876), die Geburten, Eheschließungen und Todesfälle verzeichnen. Ein Datenbestand, der bundesweit einmalig ist. „Nirgendwo sonst findet man Kirchenbücher und zivile Personenstandsakten in dieser Fülle in einem Archiv“, erklärt Archivleiter Dr. Christian Reinicke.
Überhaupt gibt es mit Brühl und Detmold bundesweit nur zwei Archive, die über einen systematischen Bestand von kirchlichen und weltlichen Personenstandsquellen verfügen. Der Vorteil: Wer beispielsweise die Lebensdaten und Abstammung seiner Vorfahren ausfindig machen will, braucht nicht mehr etliche Pfarrarchive und Standesämter abklappern, sondern bekommt fast alle notwendigen Unterlagen an einem Ort. Und damit die Akten schnell beim Benutzer sind, schicken die Magazinmitarbeitern sie per vollautomatischer Schienenbahn zur Lesesaalaufsicht.
Bis um 1800 helfen bei der historischen Spurensuche die Standesamtsregister, die seit der Einführung des staatlichen Personenstandswesens durch die Franzosen im Jahr 1798 angelegt werden. Wer weiter zurück möchte, muss auf die über 6.000 Kirchenbücher zurückgreifen, die ebenfalls im Brühler Archiv schlummern.
Seine Entstehung verdankt das größte Personenstandsarchiv der Bundesrepublik ursprünglich dem politisch-weltanschaulich begründeten Interesse der nationalsozialistischen Machthaber an Quellen, die man als Belege für Sippen-, Abstammung- und Vererbungsverhältnissen brauchte. Aus diesem Grund brachte das damalige Landessippenamt der Rheinprovinz im Kriegsjahr 1942 den größten Teil der vor 1900 entstandenen Personenstandszweitbücher aus den Standesämtern sowie die Kirchenbücher aus den Pfarreien seines Gebiets vor allem auf der Festung Ehrenbreitstein in Sicherheit.
Nach Kriegsende übernahm die Landesarchivverwaltung NRW den nordrhein-westfälischen Teil der Bestände. Im rheinland-pfälzischen Teil der vormaligen Rheinprovinz wurden die Akten größtenteils an Standesämter und Kirchenarchive zurückgegeben. Das Personenstandsarchiv in Brühl dagegen wurde zum Vorbild für das 1965 gegründete westfälisch-lippische Pendant in Detmold.
Um auch die alten Teile unter den bis zum Jahr 1938 reichenden Archivbeständen zu erhalten (das älteste Kirchenbuch in Brühl ist das 1571 einsetzende „Buch der Taufen und Trauungen der niederländischen reformierten Gemeinde in Köln“), werden die Dokumente seit einiger Zeit eingescannt. Bislang sind bereits 800 von 4.060 Kirchenbüchern digitalisiert.
Kontakt:
Landesarchiv NRW Personenstandsarchiv Brühl
Schloßstr. 10-12
D-50321 Brühl
Telefon: 02232/ 94538-0
Telefax: 02232/ 94538-38
psa@lav.nrw.de
Öffnungszeiten:
montags von 8 bis 18 Uhr sowie dienstags bis freitags von 8 bis 15 Uhr.
Quelle: Guido Wagner, Kölnische Rundschau, 19.4.2004