AOK-Karteikarten entpuppten sich als Schatz

Da mit dem heutigen Tag die Tätigkeit des Sachbearbeiters für die Zwangsarbeiternachforschungen im Stadtarchiv Braunschweig, Frank Wegener, endet, soll kurz an die dortigen Recherchen erinnert werden. Als besonderer Schatz entpuppten sich die Karteikarten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). „Schicksalsträger“ nennt Wegener diese abgegriffenen Karteikarten mit Eselsohren und ausgefransten Rändern. Sie sind der Grund dafür, warum Braunschweig die beste Nachweisquote in ganz Niedersachsen hat: Im vergangenen Jahr konnten 361 von 859 gesuchten NS-Zwangsarbeitern ermittelt werden. Das sind 42 Prozent. Im übrigen Niedersachsen seien Quoten im einstelligen Bereich die Regel, so Wegener.

Nach Anfragen von Archiven, denen ein Beschluss der AOK Niedersachsen folgte, die Akten zugänglich zu machen, wurde die Kartei schließlich im März 2002 aus dem Keller der Braunschweiger AOK-Hauptstelle ans Tageslicht befördert. 45.000 Meldekarten von überwiegend osteuropäischen Arbeitern, die in der Stadt und dem damaligen Landkreis Braunschweig unter anderem in der Rüstungsindustrie, in Konservenfabriken, der Landwirtschaft und Privathaushalten eingesetzt waren, sind für das Stadtarchiv ein wertvoller Bestand.

„Das Besondere ist, dass Ausländer überhaupt in einer eigenen Kartei erfasst wurden – das ist deutschlandweit eine Seltenheit“, sagt Dr. Bettina Schmidt-Czaia, die das Stadtarchiv leitet. Allerdings seien nicht alle Ausländer Zwangsarbeiter gewesen, auch freiwillige Arbeitskräfte befänden sich in der Kartei. Und nicht alle Zwangsarbeiter waren bei der AOK gemeldet. „Einige waren gar nicht versichert, andere in einer werkseigenen Krankenversicherung, etwa bei VW“, so Wegener. Dennoch komme der AOK-Kartei eine enorme Bedeutung zu: 95Prozent der Nachweise gelängen dadurch, der Rest werde mit Hilfe von Unterlagen des Standes- und des Einwohnermeldeamtes ermittelt.

Dass die so genannten Fremdarbeiter, die oft unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten und leben mussten, überhaupt krankenversichert waren, erklärt Wegener so: „Die wurden bis aufs Blut ausgepresst, sollten aber am Leben bleiben – wegen ihrer Arbeitskraft.“ „Man hat im Dritten Reich versucht, die bürokratische Hülle zu wahren“, ergänzt Bettina Schmidt-Czaia.

Kontakt:
Stadtarchiv Braunschweig
Postfach 33 09
38023 Braunschweig
Tel.: (05 31) 4 70-47 11/-47 19
Fax: (05 31) 4 70-47 25
stadtarchiv@braunschweig.de

Quelle: Katja Dombrowski, Newsclick.de, 11.4.2003

Landesarchivtag Sachsen-Anhalt am 9./10. Juni in Zeitz

Vom 9. bis 10. Juni findet der Landesarchivtag Sachsen-Anhalt 2004 in Zeitz statt. Programm und Anmeldungsmodalitäten sind der Homepage des VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare zu entnehmen (Download als .doc-Datei).

Aus dem Programm:

9. Juni 2004

  • 10.00-10.45   Eröffnung des Landesarchivtages durch den Vorsitzenden     
  • 10.45-12.30 Theorie und Praxis der Bewertung im kommunalen Archiv – ein Erfahrungsbericht aus dem Stadtarchiv Erfurt (Frau Dr. Bauer, Stadtarchiv Erfurt)
  • 13.30-16.00 Konservierung und Restaurierung von Archiv- und Sammlungsgut (workshop, durchgeführt von der Restauratorin des Stadtarchivs Halle, Frau Knobloch, und Herrn Roth, Firma Bucheinband „exquisit“ GmbH, Leipzig)
  • 16.30    Zeit(z)-Reise (Führung durch das Gelände der ersten Landesgartenschau Sachsen-Anhalts, Kostenbeitrag: € 7,00)

10. Juni 2004   

  • 9.00-10.00   Digitalisierung von dienstlichem Schriftgut und Archivgut, Pro und Contra (Dr. Brigitta Nimz, Westfälisches Archivamt Münster)
  • 10.00-10.30 Archive als Quellen der politischen Bildungsarbeit (Herr Lüdkemeier, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Magdeburg)
  • 11.00-12.30 Referate zur Notfallplanung in kommunalen und Medienarchiven (Frau Engel, Stadtarchiv Bitterfeld, und Ute Essegern, Archiv der „Sächsischen Zeitung“, Dresden)

Die Anmeldung zum Archivtag, der Landesgartenschauführung und dem gemeinsamen Abendessen kann bis zum 15.05.2004 über beiliegendes Formular erfolgen oder direkt über:

Stadtarchiv Zeitz
Frau Pentzek
Schloßstraße 6
06712 Zeitz
Tel: 03441/212054
Fax: 03441/214040
Mail: stadtarchiv@zeitz.de

Deutsches Kabarett-Archiv in neuen Räumen

Am Samstag wird das Deutsche Kabarett-Archiv seine neuen Räume im historischen Ambiente des Mainzer Proviantamts vorstellen. Bei Jürgen Kessler, dem Leiter und Geschäftsführer der Stiftung Deutsches Kabarettarchiv e.V., herrscht wohldosierte Umzugshektik. Bis zum Samstag wird ein Großteil der Räume im Erdgeschoss des Proviantmagazins fertig eingerichtet sein. Archivar Matthias Thiel wird seinen Part erledigt haben und Franz Heinz hat bis dahin rund 700 Meter Regale gebaut. „Insgesamt sind 1300 Meter vorgesehen“, erklärt er. Seit einem Jahr hat man sich auf den Umzug vorbereitet, seit Ostern werden die neuen Räume bezogen. „Wir haben unseren Zeitplan einhalten können“, freut sich Jürgen Kessler. Vom 3. Mai an werden auch wieder Anfragen beantwortet.

So richtig fertig sei man allerdings erst nach der Sommerpause, glaubt der Archiv-Chef. „Hier kommt noch ein Computer-Terminal hin“, erklärt Kessler im Eingangsbereich, zeigt auf eine Couch aus dem „Wintergarten“, eine der beiden Tischorgeln des Hanns-Dieter Hüsch und deutet in einem anderen Raumsegment an: „Hier entsteht das Café Größenwahn – ganz klein.“ Wer vom Schillerplatz aus ins Proviantamt kommt, wird lediglich einen „Show-Raum“ sehen. Und den Hinweis, dass der Eingang sich auf der Rückseite des Gebäudes befindet.

Und wer das Büro Kesslers bestaunt, dem erklärt er: „Unsere Außenstelle in Bernburg an der Saale, wo die Kabarett-Geschichte der DDR gezeigt werden wird, ist feudaler. Sie befindet sich in einem Renaissance-Schloss…“

Kontakt:
Stiftung Deutsches Kabarettarchiv e.V.
Neue Universitätsstr. 2
55116 Mainz · Deutschland
Telefon: +49 (0) 6131 – 14 47 30
Telefax: +49 (0) 6131 – 23 16 75
info@kabarettarchiv.de

Quelle: Bernd Funke, Allgemeine Zeitung (Main-Rheiner), 29.4.2004

Walter Kempowski 75

Der am 29. April 1929 in Rostock geborene Walter Kempowski gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller der Gegenwart. Der Autor befasst sich in seinen Büchern vor allem mit der jüngeren deutschen Geschichte, mit seiner Kindheit in Rostock, mit der Kriegs- und Nachkriegszeit sowie mit dem geteilten Deutschland.

Nach seinem Schulbesuch in Rostock und dem Tod seines Vaters, eines Rostocker Reeders und Schiffsmaklers, ging Kempowski 1947 nach Hamburg. Bei einem Besuch in Rostock ein Jahr später wurde er wegen angeblicher Spionage verhaftet und mit Mutter und Bruder vom sowjetischen Militärtribunal zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen kam Kempowski frei. Im niedersächsischen Nartum arbeitete er zunächst als Lehrer und fing dann an zu schreiben.

Kempowski selbst nennt als sein Hauptwerk das «Echolot»-Projekt: Sammlungen von Zeitzeugen-Berichten aus dem Krieg. Im ersten «Echolot» (1993) dokumentierte der Schriftsteller auf 3000 Seiten den Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Februar 1943. Sechs Jahre später erschien «Das Echolot. Fuga furiosa», das die Zeit vom 12. Januar bis 14. Februar 1945 umfasst. Das «Echolot. Barbarossa 41» (2002) behandelt den Russland-Feldzug im Zweiten Weltkrieg, die ersten Erfolge der Wehrmacht, den Kampf um das belagerte Leningrad und das Elend im Warschauer Ghetto. Derzeit in Arbeit ist ein letztes «Echolot», das vom Kriegsende im Frühjahr 1945 erzählt. Es soll im Frühjahr 2005 erscheinen.

Seit 1980 baute Kempowski in Nartum ein Archiv mit mehr als 300.000 Fotos und 7.000 Tagebüchern auf. Zu der Sammlung gehören auch Briefe, Schulhefte, Zeugnisse, Urkunden, Testamente, Warenhauskataloge und Firmengeschichten. Ein Teil davon ist seit 1992 in seiner Heimatstadt Rostock zu sehen, die Kempowski 1994 zu ihrem Ehrenbürger ernannte.

Link: www.kempowski.de

Kontakt:
Das Kempowski Archiv
Haus Kreienhoop
Zum Röhrberg 24
D-27404 Nartum
Tel.: 04288/438
Fax: 04288/600
info@kempowski.de

Quelle: ddp/NDR, Yahoo, 29.4.2004

Codex Egberti auf UNESCO-Schutzliste

Die um 983 hergestellte Handschrift «Codex Egberti» im Trierer Stadtarchiv ist von der UNESCO in die Liste der schützenswerten historischen Dokumente der Welt aufgenommen worden. Der reich illustrierte Codex sei der erste geschlossene aus dem Mittelalter überlieferte Zyklus der wichtigsten Ereignisse des Neuen Testaments, teilte die Stadt Trier mit. Die 165 Pergamentblätter sind in die Liste «Memory of the World» aufgenommen worden, die 91 Zeugnisse aus 45 Ländern umfasst.

Die Liste, zu der in Deutschland auch die Gutenberg-Bibel und die Partitur von Beethovens 9. Symphonie gehören, ist vergleichbar mit dem der Weltkulturerbe-Liste für Gebäude und Naturdenkmäler. Der Codex hat seinen Namen von dem Trierer Bischof Egbert, der von 977 bis 993 amtierte. Das Buch umfasst die einzelnen Evangelienabschnitte, wie sie im Lauf des Kirchenjahres in der Messe vorgestellt werden.

Kontakt:
Stadtarchiv Trier
Weberbach 25
54290 Trier
Tel. 0651/718-4420 oder 4421,
Fax 718-4428
stadtarchiv@trier.de

Quelle: Lausitzer Rundschau, 28.4.2004

Ab Mai neuer Münchner Kreisarchivar

Der ehemalige Leiter des Archivs der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Dr. Falk Bachter, wird neuer Münchner Kreisarchivpfleger. Bachter, der vor seiner Zeit in Höhenkirchen-Siegertsbrunn das Archiv des Radiosenders „Freies Europa“ führte, tritt die Nachfolge von Konrad Ganter an. Ganter stand als Kreisarchivpfleger 20 Jahre ehrenamtlich in Diensten des Landkreises München.

Seit April 1984 habe sich Ganter mit „unermüdlichem Elan für den Aufbau und die Pflege der Gemeinde- und Stadtarchive im Landkreis München“ engagiert. Er habe selbst dafür gesorgt, dass „diese so vorbildlich aufgebaute Archivarbeit kontinuierlich und erfolgreich weitergeführt“ wird, heißt es in der Sitzungsvorlage zum Kreisausschuss. Landrat Heiner Janik bezeichnete diese Tat Ganters als seinen „letzten, großen Verdienst“.

Janik war der Empfehlung Ganters gefolgt und hatte Bachter dem Staatsarchiv München schon im Februar als neuen Kreisarchivpfleger vorgeschlagen. Daraufhin bestellte die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns am 16. März Bachter mit Wirkung zum 1. Mai zum Nachfolger Ganters, der in einem Schreiben des Staatsarchivs als „Lichtgestalt unter den oberbayerischen Archivpflegern“ gewürdigt wird.

Bachters Ernennung gilt zunächst bis zum 30. April 2009. Aufgabe des Kreisarchivpflegers ist es, neben der Leitung des Staatsarchivs München die Gemeinden und deren Vereinigungen in seinem Zuständigkeitsbereich in allen Fragen des kommunalen Archivwesens zu beraten und zu unterstützen. Zudem berät er Rechts- und Stiftungsaufsichtsbehörden.

Kontakt:
Landratsamt München
Mariahilfplatz 17
81541 München
Tel.: 089/6221-0
Fax.: 089/6221-2278
E-Mail: poststelle@lra-m.bayern.de

Quelle: Merkur-Online, 28.4.2004

ITS Opfer-Archiv wird restauriert

Der Internationale Suchdienst des Roten Kreuzes (ITS) hat mit der Restaurierung seines Archivs zu Opfern der Nazi-Herrschaft begonnen. Die Dokumente auf minderwertigem Kriegspapier drohten sonst zu erfallen, sagte ITS-Sprecherin Maria Raabe.

Das 47 Millionen Dokumente umfassende Archiv des ITS mit Sitz im nordhessischen Bad Arolsen ist das weltgrößte zu den Nazi-Opfern. Es enthält Hinweise auf 17 Millionen Menschen.

Kontakt:
Internationaler Suchdienst
Große Allee 5 – 9
34444 Bad Arolsen
Telefon: (+49) 5691 629 0
Telefax: (+49) 5691 629 501
itsdoc@its-arolsen.org (Dokumente)
itstrace@its-arolsen.org (Suchdienst)
itspress@its-arolsen.org (Pressestelle)

Quelle: dpa / Neue Westfälische, 27.4.2004

Offene Türen im Kreisarchiv Zittau und im Altbestand

Das Kreisarchiv Löbau-Zittau und der Bereich wissenschaftlicher und heimatgeschichtlicher Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek in Zittau luden Sonnabend zum Tag der offenen Tür ein. Und die Besucher staunten. Da war im Kreisarchiv zum Beispiel das Waisenbuch der Gemeine Neuhörnitz von 1627 bis 1762 zu sehen, das Auskunft gibt über Erbauseinandersetzungen. Es enthält auch einen Nachweis über die Anzahl der Bauern, Häusler und anderer Gewerbetreibender, die Hochzeiten usw. Wie so manches alte Dokument ist es von großer Bedeutung für die Ortsgeschichte und Ahnenforschung.

Wenn man allerdings weiß, dass im Zittauer Kreisarchiv zurzeit etwa 3.500 laufende Meter unterschiedlichster Informationsträger verwahrt werden, darunter als umfangreichsten Anteil allein 1 300 aus dem Schriftgut der Räte der Kreise von 1945 bis 1990, erscheint das eine kleine den Besuchern zugängliche Zimmer für einen „Tag der offenen Tür“ etwas bescheiden.

Im Obergeschoss hielten sich die Besucher dagegen länger auf. Uwe Kahl, der Leiter des Altbestandes der Christian-Weise-Bibliothek, begann einen Rundgang mit der Vorstellung der Zittauer Missalen. Sieben sind es insgesamt, drei davon wurden präsentiert. „Das sind wirklich die wertvollsten Schätze unseres Bestandes“, sagt Uwe Kahl. „Eines dieser mittelalterlichen Messbücher, das Missale Pragense aus dem Jahre 1420, haben wir erst vor zwei Jahren zurückbekommen. Es wurde gestohlen und sollte verkauft werden.“ Nun befinde es sich leider in einem Zustand, der die höchste Alarmstufe auslösen müsse, unterstrich er. Etwa 2.000 Euro seien nötig, um das Kleinod zu retten.

Aber nicht nur beim Rundgang durch das Magazin, sondern auch bei der Betrachtung ausgestellter Stücke stieß man auf Beachtenswertes. Dazu gehörte der Majestätsbrief Kaiser Rudolf II. aus dem Jahre 1609, der den Böhmischen Ständen Religionsfreiheit gewährte und somit zum Prager Fenstersturz führte. Ebenso bedeutsam der Brief von Prof. Dr. Paulus Fabricius aus Lauban, den dieser 1564 an den Zittauer Bürgermeister Nikolaus von Dornspach schickte. Hier wurde zum ersten Mal die Zittauer Bibliothek erwähnt. „Auf dieser Grundlage begehen wir in diesem Jahr unser 440-jähriges Jubiläum“, so Kahl.

Kontakt:
Kreisarchiv des Landkreises Löbau-Zittau
Lisa-Tetzner-Str. 11  
02763 Zittau
Tel.: (0 35 83) 51 47 65
Fax: (0 35 83) 51 47 66

Christian-Weise-Bibliothek
Neustadt 47
02763 Zittau
Tel.: (0 35 83) 51 89 – 0  
Fax: (0 35 83) 51 89 22  
E-Mail: info@cwbz.de  
Internet: www.cwbz.de

Quelle: Rolf Hill, Sächsische Zeitung, 27.4.2004

Ortsarchiv bleibt in Kappishäusern

Die Neuffener Geschichte liegt säuberlich gesichtet, geordnet und katalogisiert in den Archivräumen des Rathauses. Die Stadt hatte die Archivbestände in den letzten Jahren durch das Esslinger Kreisarchiv durchforsten lassen. Was dem Neuffener Archiv zu Gute kam, will man nun auch dem Kappishäuserner Archiv angedeihen lassen. Bürgermeister Schmidt stellte das Angebot des Kreisarchivs in der jüngsten Sitzung vor. Die geschätzten Kosten von 23.000 Euro lösten Erstaunen in der Runde aus, war doch die wesentlich umfangreichere Ordnung der Neuffener Bestände nur mit 48.000 Mark in Rechnung gestellt worden.

Stadtrat Jörg Döpper schlug vor, das Archivgut über eine Vorauswahl zu reduzieren und damit Kosten zu sparen. Stadtrat Dieter Kammerer, der das gleiche Ziel  verfolgte, regte an, die Fachleute des Kreisarchivs durch städtisches Personal zu unterstützen. Für Stadtrat Dieter Reiss gingen diese Vorschläge nicht weit genug. Er könnte sich vorstellen das Kappishäuserner Archiv aufzulösen und nach Neuffen einzugliedern, da die Archivpflege dann zukünftig einheitlich betrieben werden könne.

Schon aus Platzgründen lehnte Bürgermeister Wolfgang Schmidt dieses Ansinnen ab. Er warb dafür, diese schwierige Materie ausschließlich Fachleuten zu überlassen. Darüber, dass die Ordnung des Kappishäuserner Archivs im kommenden Jahr angegangen werden müsse, herrschte dann doch Einigkeit. Über den Preis soll jedoch nochmals verhandelt werden.

Quelle: Nürtinger Zeitung, 27.4.2004

Urkunden kehren nach 60 Jahren ins Sächsische HSTA Dresden zurück

Zufällig stoßen im Herbst 2003 beim Entrümpeln eines unlängst übernommenen Hauses im kleinen Erzgebirgsvorort Bieberstein die neuen Besitzer auf dem Dachboden auf drei alte Kisten mit besonderem Inhalt: Siegel und Aktenstapel. Wenig später kreuzen die Leute mit dem Fund im Freiberger Bergarchiv auf. Freiberger Archivare erkennen, dass es sich um Urkunden und Akten vom sächsischen Hofe handelt. Sie benachrichtigen das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden. Dessen Spezialisten identifizierten schnell das Siegel Kaiser Karls V. (1500-1551) und Papiere des kurfürstlichen Geheimen Rates aus dem 17. Jahrhundert.

Der Fund gilt als kleine Sensation. Die Entdecker – sie erhielten eine „kleine Finderprämie“ – wollen unerkannt bleiben, sagt Guntram Martin, Leiter des Sächsischen Hauptstaatsarchivs. „Seit einem halben Jahrhundert werden diese Akten vermisst“, betont er. Es gehe um historisch einzigartige Dokumente der sächsischen Geschichte.

In der gesiegelten Urkunde mit der Archivnummer 11 005 bestätigte der römisch-deutsche Kaiser Karl V. am 27. Juli 1541 den Reichsfürstenstand der meißnischen Bischöfe. Zuvor hatte sich der Meißner Bischof Johann beim Kaiser beschwert, weil er sich vom sächsischen Kurfürsten ins politische Abseits gedrängt sah. Die wiederentdeckten Akten des Geheimen Rates behandeln vor allem Vorgänge in der Lausitz: Standesangelegenheiten, die Landesordnung in der Niederlausitz, Vermögenssteuerangelegenheiten der Stände, auch eine Strafermittlungsakte von 1607 ist dabei.

Die Dresdner Archivare können mittlerweile die Odyssee der alten Papiere einigermaßen rekapitulieren. Begonnen hat sie in den Wirren der letzten Monate des Zweiten Weltkrieges. In einer Zeit, in der auch das Dresdner Staatsarchiv eines der dramatischsten Kapitel in seiner Geschichte erlebte.

Schon am 18. Oktober 1943 inspiziert der Dresdner Archivinspektor Karl Jäger erstmals den Ort Bieberstein. Er ist auf der Suche nach „Ausweich- und Auffangstellen“ für sein Archivgut. Auch Schloss Bieberstein hat er dafür ins Auge gefasst. Es „liegt frei auf einer Felszunge über der Talsohle der Bobritzsch“, notiert Jäger damals und nimmt die Zusage von Rittergutsbesitzer Görg mit. Der will dem Archiv das Blaue Zimmer, eine ehemalige Wachstube und einen dritten Raum zur Verfügung stellen. Mit vielen Besitzern und Verwaltern von Burgen, Schlössern oder Rittergütern kommt es ab 1942 zu ähnlichen Verhandlungen. Ausweichquartiere auf dem Lande sind gefragt. Die Kriegsfurcht treibt die besorgten Verwalter der Dresdner Kunst- und Kulturschätze zur Suche nach Depots in der Provinz.

Im Sommer 1944 nimmt das Dresdner Hauptstaatsarchiv das Depot im Schloss in Anspruch. 128 Pakete mit Volkszählungslisten werden nach Bieberstein gebracht, auch zehn Kisten mit wertvollen alten Urkunden. Auch Akten des Geheimen Rates sind dabei, darunter ein Schriftwechsel der Jahre 1466 bis 1471, der als „Irrungen zwischen König Georg von Böhmen und dem Papste“ überliefert ist.

Bis zum Kriegsende reist Archivinspektor Jäger immer wieder durch Sachsen, um die ausgelagerten Bestände zu kontrollieren. Auch nach dem berühmten Wittenberger Archiv schaut er. Es sind quasi die ältesten überlieferten Aktenbestände Sachsens. Sie liegen mit Schätzen des Dresdner Grünen Gewölbes in den Kasematten des Königsteins. Wenige Tage nach dem Zusammenbruch des Naziregimes kommt Nachricht von Schloss Bieberstein. Der Verwalter teilt im Juni 1945 der Dresdner Archivverwaltung mit: „400 Russen“ hätten das Schloss besetzt. Mitte Juli macht sich Archivinspektor Jäger mit einem Kollegen auf den Weg nach Bieberstein, um selbst nach dem Rechten zu sehen. Sein Bericht ist erschütternd: „Schloss unbewohnt und ausgeplündert“, „Besitzer nicht anwesend“, „Akten im Keller durcheinander geworfen“, „8 Urkundenkästen fehlen offenbar“, „Abtransport vordringlich“, so schreibt er seine Beobachtungen nieder. Bei Jägers nächstem Besuch im Oktober hat die KPD vom Schloss Besitz ergriffen. Der Hausmeister erzählt, dass ganze Aktenpakete „aus dem Fenster geschmissen wurden“. Mit „größeren Verlusten“ sei zu rechnen, hält Jäger fest. Ein Teil der Dresdner Akten wird versehentlich nach Freiberg geschafft.

Anfang Dezember 1945 gehört das Schloss der SPD, und die verbliebenen Archivalien landen in einem alten Stollengang. „Bedeutend verschlechtert“ habe sich ihr Zustand, berichtet Jäger in Dresden. Im März 1946 alarmiert die Stadt Freiberg das Staatsarchiv: In der SPD-Arbeiterakademie Bieberstein würden „wertvolle Akten“ völlig unsachgemäß, verwahrlost und beschädigt lagern. Wenig später schildert Staatsarchivleiter Hellmut Kretzschmar dem Schulleiter in Bieberstein sein Dilemma. Ihm fehlen Autos und Benzin, um die ausgelagerten Bestände zurückzuholen. Im Großen und Ganzen seien die Akten „gut durch die Kriegswirren hindurchgekommen“, aber nun bestehe die Gefahr, dass „noch nachträglich schmerzliche Verluste eintreten“, schreibt er. Bis zum 30. März 1949 sollte es noch dauern, ehe Archivinspektor Jäger die letzten Akten aus Bieberstein zurück nach Dresden geholt hatte. Alle fand er nicht.

So sind die Bestände im Dresdner Staatsarchiv bis heute noch nicht wieder vollständig vorhanden. Ähnliches wie in Bieberstein erlebte Inspektor Jäger auch in Rochlitz und Schieritz bei Meißen. Das Schloss sei unbewohnt und „völlig ausgeplündert“, die Akten in „wüster Unordnung“, berichtet er am 19. Juli 1945 über Schloss Schieritz.

Fast 60 Jahre später hat Peter Wiegand, der stellvertretende Leiter des Dresdner Hauptstaatsarchivs, noch immer die stille Hoffnung: „Das kleine Wunder in Bieberstein ist vielleicht kein Einzelfall.“ So manche wertvolle Akte aus Dresden könnte auch in Schieritz und Rochlitz auf eine „Wiederentdeckung“ warten. Bis heute fehlen dem Staatsarchiv hunderte bedeutende Archivalien und historische Karten. Einige gelten als verschollen. Größtenteils ist allerdings bekannt und dokumentiert, wo sie derzeit liegen.

Auf Wiegands Schreibtisch steht ein unscheinbarer Karteikasten. Sein Inhalt: vergilbte, aber hoch brisante Ausleihscheine aus den Jahren 1945 bis 1947. Sie dokumentieren, wem die Dresdner Archivare historisch besonders wertvolle Akten in die Hand gegeben haben. Empfänger waren in allen Fällen Offiziere der damaligen sowjetischen Militäradministration (SMA). Schon wenige Tage nach Kriegsende erhalten Mitarbeiter des Archivs Anweisung, ihre Bestände nach Akten zur Geschichte Russlands, zu den deutsch-russischen Beziehungen und zur Entwicklung der Arbeiterbewegung zu durchsuchen. So muss Archivinspektor Jäger am 25. Mai 1947 die Ermittlungsakte des Leipziger Amtsgerichts gegen August Bebel wegen „staatsgefährlicher Schmähung“ bei der Archivabteilung der SMA abliefern. Auch andere Prozessakten landen dort, so die gegen Wilhelm Liebknecht oder Richard Wagner, Gottfried Semper und Michail Bakunin wegen deren Teilnahme am Dresdner Maiaufstand 1849.

Meist handschriftlich, aber bürokratisch exakt füllen die Dresdner Archivare bis 1950 für jede abgegebene Akte einen Leihschein aus – insgesamt kommen etwa 1 500 Einzelquittungen zusammen. Sie belegen unter anderem die Ausleihe so wertvoller Bestände wie Akten der sächsischen Gesandtschaft im Russland des 17. Jahrhunderts, Archivalien des „Geheimen Rates“ und des „Geheimen Kabinetts“.

Bis 1955 kommt knapp die Hälfte der Dresdner Bestände aus Moskau zurück. Außerdem fehlen zu dieser Zeit auch etwa 530 Bände des Wittenberger Archivs. Sie waren 1945 zusammen mit den Kunstschätzen vom Königstein nach Moskau verbracht worden. Etwa zwei Drittel der Wittenberger Akten kehren 1958 mit den Schätzen des Grünen Gewölbes nach Dresden zurück. Der beträchtliche Rest fehlt. Noch 1963 bemüht sich das Dresdner Staatsarchiv um die Rückkehr der „ausgeliehenen“ Bestände. Das Argument: DDR-Historiker, die im SED-Auftrag die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung aufschreiben, monieren die fehlenden, aber unerlässlichen Quellen. DDR-Archivare haben die Dresdner Bestände im Moskauer Archiv des Instituts für Marxismus-Leninismus sogar gesehen. Fast 700 Akten und historische Karten lagern bis heute in einem Moskauer „Sonderarchiv“, sagt Peter Wiegand. „Sie gelten als Teil des deutsch-russischen Beutekunst-Problems.“ Das heißt: Auf ungewisse Zeit bleiben sie Dauerleihgaben.

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Quelle: Thomas Schade, Sächsische Zeitung, 26.4.2004