Die jetzt zugängliche Arbeitskartei der Stasi-Hauptverwaltung A (HVA), allgemein unter der Bezeichnung „Rosenholz“ bekannt, wird häufig als der letzte verbliebene Schatz der DDR-Auslandsspionage bezeichnet (Bericht). Man erhofft sich davon einen detaillierteren Einblick in die Struktur des Agentennetzes der HVA. Die Hüterin des vermeintlichen Schatzes, BStU-Chefin Marianne Birthler, dämpft hingegen gern die Euphorie und hängt das auf 381 CD-Roms gespeicherte HVA-Material eher tief: Sensationen seien bei der Auswertung von Rosenholz nicht zu erwarten, sagt sie bei jeder Gelegenheit, und überhaupt diene das ganze Material nur als Findhilfsmittel für das noch existente Stasi-Archiv.
Helmut Müller-Enbergs, Wissenschaftler in der Birthler-Behörde und derzeit wohl der beste Kenner von Struktur und Arbeitsweise des früheren DDR-Auslandsgeheimdienstes, nannte das HVA-Material hingegen „überraschend detailliert und außerordentlich wertvoll“. Dank Rosenholz lasse sich in Verbindung mit anderen in der Behörde vorhandenen Dateien und Unterlagen das Auslandsagentennetz der HVA bis in die fünfziger Jahre zurück weitgehend rekonstruieren, sagte er. Zwar seien nur der geringere Teil der auf den insgesamt 280.000 Karteikarten gespeicherten Personen tatsächlich Inoffizielle Mitarbeiter der HVA gewesen – die Behörde geht von rund 6.000 Westdeutschen und über 20.000 Ostdeutschen aus – , doch ließen sich diese IM in den meisten Fällen eindeutig identifizieren.
Müller-Enbergs zweifelt auch nicht daran, dass Rosenholz Rückschlüsse auf zeitgeschichtlich interessante Spionagefälle aus der weiter zurückliegenden deutsch-deutschen Geschichte offenbaren wird. Für den Wissenschaftler, der seit Monaten mit den vom US-Geheimdienst CIA übergebenen Rosenholz-Silberlingen arbeitet, scheint die Arbeitskartei der HVA also wenn schon kein Schatz, so doch wenigstens ein „Schätzchen“ zu sein.
Auffällig ist unter anderem, dass in dem alphabetisch geordneten System ungewöhnlich wenige Einträge im Buchstabenbereich La- bis Li- vorliegen – der Grund ist unbekannt. Auch sind die Filmkopien einiger Karteikarten von so schlechter Qualität, dass sie nicht mehr entzifferbar sind – das betrifft aber maximal nur 10.000 der insgesamt 280.000 verfilmten Karteikarten.
Quelle: Andreas Förster, Berliner Zeitung / BerlinOnline, 20.3.2004
LWL unterstützt die Neukonzeption der Wewelsburg-Ausstellung
Seit 1982 dokumentiert die Dauerausstellung zur ehemaligen Kult- und Terrorstätte der SS auf der Wewelsburg, wie die SS während der Nazizeit die 1603 bis 1609 im Stil der Weserrenaissance gebaute Burg erst zur „Reichsführerschule-SS“ und später zur „SS-Kultstätte“ umfunktionierte und erweiterte. Maßlose Pläne sahen sogar vor, die Wewelsburg als kreis-förmige Burganlage zum „Mittelpunkt der germanischen Welt“ mit den Ausmaßen einer Großstadt auszubauen. 1939 entstand ein kleines Konzentrationslager, dessen Gefangene bis 1944 als Arbeitssklaven für die SS-Bauten missbraucht wurden.
Die Dauerausstellung muss nun überarbeitet werden, weil der große Besucherandrang ihr Schäden zugefügt hat, die nicht zu reparieren sind. Außerdem hat die Forschung neue Erkenntnisse gewonnen, die nicht in die bestehende Präsentation eingebaut werden konnten.
Für die neue Konzeption der Ausstellung muss das ehemalige Wachhaus umgebaut werden. Außer-dem soll auf dem Grundriss des ehemaligen Gebäudes der Wachmannschaften ein Neubau für Magazine, das Archiv, die Bibliothek und die Verwaltung errichtet werden. Das ursprüngliche Gebäude wurde im März 1945 zerstört, als die SS auf Befehl von Heinrich Himmler vergeblich versuchte die gesamte Anlage zu sprengen, damit die heranrückenden Amerikaner sie nicht einnehmen konnten.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) unterstützt den Kreis Paderborn mit über 680.000 Euro dabei, die Dauerausstellung auf der Wewelsburg neu zu gestalten und dazu das Kreismuseum Wewelsburg zu erweitern.
Kontakt:
Kreismuseum Wewelsburg
Burgwall 19
33142 Büren-Wewelsburg
Tel: 02955 / 7622-0
Fax: 02955 / 7622-22
kreismuseum.wewelsburg@t-online.de
FB45@kreis-paderborn.de
Quelle: Mailingliste www.westfaelische-geschichte.de, 18.3.2004
Wormser Beitrag zur Nibelungen-Ausstellung im Badischen Landesmuseum
72.000 Besucher hatten sich auf der Ausstellung „Uns ist in alten maeren – Das Nibelungenlied und seine Welt“ im Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Bericht) die bisher nie gemeinsam ausgestellten Handschriften A, B und C angesehen und sich einen Überblick über die Liedzeit verschafft. Zudem wurden sie über die Wormser Aktivitäten zum Nibelungenlied informiert.
Wie die Stadt nun zum Abschluss der Schau mitteilte, lagen u.a. Faltblätter zu den Nibelungen-Festspielen und zum Nibelungenmuseum im Museumsshop aus, auch ein eigens eingerichteter Infostand der Festspiel gGmbH habe guten Zuspruch gefunden.
Das Wormser Stadtarchiv trug zum Gelingen der Ausstellung bei, indem es neben Bildmaterialien aus dem Fotoarchiv die Entwurfszeichnungen zum Nibelungenzyklus im Cornelianum von Karl Schmoll, genannt Eisenwerth, zur Verfügung stellte.
Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
stadtarchiv@worms.de
Quelle: Wormser Zeitung / Main-Rheiner, 19.3.2004
Stadtarchiv Meschede öffnet im Internet die Pforten
Viele Schätze schlummern im Mescheder Stadtarchiv. Es bietet spannende Einblicke in die Geschichte der Stadt und seiner Ortsteile. Jetzt öffnet das Stadtarchiv seine Tore – im Internet. So ist zum Beispiel in der Straßenordnung von 1830 nachzulesen, dass man Unrat und totes Vieh nicht vor der Haustür entsorgt und was man alles nicht tun darf, wenn man nachts aus der Kneipe kommt.
Auch über das Internet kann man in die geschichtliche Entwicklung der Kreisstadt einblicken. Auf der Internetseite der Stadt Meschede www.meschede.de sind Geschichten, Ereignisse und Bilder zu finden, die Eindrücke von vergangenen Zeiten, Sitten, Gebräuchen und Personen vermitteln. All dies und noch viel mehr findet man unter der Rubrik „Stadtinfo/Geschichte“.
Auch die Findbücher können bereits teilweise im Internet eingesehen werden (als pdf-Dateien hinterlegt). Dieser Bereich wird in Kürze fertiggestellt sein. Mit Hilfe dieser „Findbücher“ kann im Bestand des Stadtarchivs recherchiert werden.
Info:
Ursula Jung archiviert und verwaltet die Akten und Urkunden im Archiv in der Verwaltungsstelle Freienohl. Sie ist montags bis donnerstags jeweils von 8 Uhr bis 12 Uhr unter Tel: 0291/205-412 zu erreichen. Wer das Stadtarchiv besuchen möchte, sollte sich am besten vorher telefonisch anmelden.
Kontakt:
Stadtarchiv Meschede
Altes Amtshaus
Hauptstraße 38-40
Meschede-Freienohl
(0291) 205-412
Quelle: Westfalenpost Meschede, 19.3.2004
Kapazität des Stadtarchivs Esslingen bald erschöpft
Ein nicht unbekanntes Problem spitzt sich in Esslingen zu: dem Stadtarchiv fehlt es an Platz. „2004 wird die Kapazität endgültig erschöpft sein“, erklärte Joachim Halbekann, Leiter des Stadtarchivs, in seinem Jahresbericht 2003 vor dem Kulturausschuss. Längst bekannte strukturelle Defizite würden weiter fortbestehen, heißt es gleich zu Beginn des Berichts. Das heißt vor allem, dass die Kapazitäten des Esslinger Stadtarchivs nahezu erschöpft sind. Schon vor Ablauf dieses Jahres könnte der archivarische Offenbarungseid besiegelt sein. Quer durch die Fraktionen war es denn einhellige Meinung, dass die Bemühungen um Ausweichquartiere intensiviert werden müssen.
Verhandlungen mit Vermietern potenzieller Räume in unmittelbarer Nähe des Archivs stagnierten, heißt es in dem Bericht, einige Objekte hätten sich zudem als untauglich erwiesen. Dass das „Gedächtnis der Stadt“ nicht bereits 2003 einen Aufnahmestopp für weiteres Material verhängen musste – was dem gesetzlichen Auftrag eines Archivs widerspricht -, sei nur den Mitarbeitern zu verdanken, die clever und mit viel Zeitaufwand die Regale optimal auszunutzen wussten. Noch enger im Wortsinn wird es in diesem Jahr werden, so Halbekann, wenn die Ortsverwaltungen möglicherweise aufgelöst werden und das Technische Rathaus wie vorgesehen umzieht.
Von digitalen Speichermedien, die vom Kulturausschuss als mögliches Gegenmittel für den drohenden Kollaps des Archivs und seiner Zweigstelle im Orgelbau ins Gespräch gebracht wurden, hält Chef-Archivar Halbekann aber überhaupt nichts: „Solange es keine stabilen Speichermedien gibt, würde ich mich nicht darauf einlassen.“ Zudem sei es ein immenser Kosten- und Zeitaufwand, alle Dokumente und Daten des Bestands zu digitalisieren. „Damit wäre ein einzelner Mitarbeiter gut 50 Jahre beschäftigt“, brachte Halbekann die Abwegigkeit des Vorschlags auf den Punkt. Zudem sei ein Archiv auch Kulturgut, „das man vernichten würde, wenn man die räumliche Dimension derart eindämmt“.
Durch die Bank lobten die Fraktionsvertreter die gute und intensive Arbeit des Archivs, die sich auch in den sprunghaft gestiegenen Besucherzahlen niederschlage. Ein Grund für das wachsende Interesse könnte verstärkte Öffentlichkeitsarbeit sein. So schön die Entwicklung ist, dass sich mehr Bürger für die Bestände interessieren, so arbeitsintensiv ist die Betreuung und Bearbeitung. Was das Personal angeht, seien die Ressourcen im Stadtarchiv fast aufgebraucht – auch das ein altbekanntes „strukturelles Defizit“.
Kontakt:
Stadtarchiv Esslingen
Marktplatz 20
73728 Esslingen am Neckar
Postfach 10 03 55
73726 Esslingen am Neckar
Quelle: Petra Pauli, Esslinger Zeitung, 18.3.2004
Diskussion um Unterbringung des Stadtarchivs Bad Münstereifel
Das Archiv der Stadt Bad Münstereifel schlummert zurzeit im Keller des Rathauses. Doch wegen unzureichender Klimatisierung und Platznot prüft die Verwaltung, es auszulagern. Von einer kompletten Auslagerung wollte Bürgermeister Achim Bädorf freilich nichts wissen, betont aber, dass es durchaus sinnvoll sei, einen Teil auszulagern.
Er bestätigte der Rundschau zudem, dass er ein Angebot eingeholt habe, den Tresorraum im alten Gebäude der Kreissparkasse für die Unterbringung des historischen Archivs zu nutzen. „Der Tresorraum wäre optimal geeignet“, meint der Verwaltungschef. Zum einen wären die Altertümchen dort sicher und auch die klimatischen Bedingungen seien gegeben. Die Sache hat freilich auch einen Haken, da die Immobilie einem Münstereifeler Investor gehört und die finanzgeplagte Stadt Miete zahlen müsste.
Daher musste sich Bädorf auch geharnischte Kritik aus dem eigenen CDU-Lager anhören. Einige Christdemokraten schimpften über den „Alleingang“ Bädorfs. Jetzt mehren sich die Stimmen, das Archiv in der ehemaligen Knabenschule am Klosterplatz unterzubringen. Dort soll nach dem Willen zahlreicher Volksvertreter eine Museumszeile mit Ausstellungen und Konzerten aus der Taufe gehoben werden. Gegen eine kommerzielle Nutzung, die Bädorf seinerzeit vorschwebte, hatte es damals Proteste von vielen Münstereifelern gegeben.
Die museale Nutzung ist heute eigentlich unstrittig, meint Bädorf. Doch kostenneutral könne das Stadtarchiv im Bereich der Knabenschule – etwa in der Küche – nicht untergebracht werden. „Dort müsste die Stadt einiges investieren.“ Dabei denkt Bädorf an Brandschutzauflagen und eine mögliche Luftbefeuchtungsanlage. Man werde prüfen, welche Variante für die Stadt günstiger ist.
Kontakt:
Stadtarchiv Bad Münstereifel
Marktstr. 11
D-53902 Bad Münstereifel
Telefon: 02253/542266
Telefax: 02253/542245
m.hochguertel@bad-muenstereifel.de
Quelle: Peter W. Schmitz, Kölnische Rundschau, 18.3.2004
Archäologische Bestandserhebung in NRW als Vorbild
Über 30 nordrhein-westfälische Innenstädte, darunter die von Minden, Tecklenburg und Paderborn, sind nun Modell für ganz Deutschland, da hier in den vergangenen 15 Jahren die im Boden verborgenen, archäologischen Reste der Stadtgeschichte vorbildlich erfasst worden sind. So jedenfalls präsentierte jetzt in Soest der Landschaftsverband Westfalen-Lippe das 200 Seiten starke Fachbuch „Stadtentwicklung und Archäologie“. Diese archäologischen Stadtkataster seien zu unverzichtbaren und zuverlässigen Planungsinstrumenten für Städtebauer, Architekten und Investoren geworden, hieß es dabei. Und sie erleichterten auch den amtlichen Bodendenkmalpflegern den Schutz und Erhalt der archäologischen Zeugnisse der Vergangenheit. Seit über zehn Jahren betreuen die Bodendenkmalpflegeämter in Münster, Bonn und Köln diese archäologischen Bestandserhebungen in den historischen Orts- und Stadtkernen des Landes.
Ihr Ziel ist es, alle bekannten Spuren und Zeugnisse der Stadtgeschichte, das Archiv unter unseren Füßen, möglichst vollständig zu erfassen. Eine solche archäologische Bestandsaufnahme ist ein zuverlässiges Planungsinstrument für alle, die mit Stadtplanung und Stadtentwicklung, vor allem mit dem Umbau und der Modernisierung historisch geprägter Innenstädte befasst sind.
Die Kosten für die Bestandserhebungen tragen das Land NRW- bislang circa 1,2 Millionen Euro -, die jeweiligen Gemeinden und die drei Bodendenkmalpflegeämter bei den Landschaftsverbänden Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) beziehungsweise der Stadt Köln.
Städte wie Minden, aber auch Warburg und Paderborn wahrten mit Hilfe ihres archäologischen Stadtkatasters die historischen Siedlungs- und Straßenstrukturen. In Köln war der Archäologische Schichtenatlas Voraussetzung für die neue U-Bahn-Linie, deren Trasse unter der Innenstadt verlaufen wird und damit durch 2000 Jahre Stadtgeschichte schneidet.
Info:
„Stadtentwicklung und Archäologie“, Klartext-Verlag, 17,50 Euro.
Quelle: Mindener Tageblatt, mt-online.de, 18.3.2004
Archive sorgen sich um Daten-Erhalt
„Wir befinden uns in der informationsreichsten Epoche aller Zeiten, aber wir müssen befürchten, dass aus keiner Zeit so wenig erhalten bleibt, wie aus unserer“, formulierte Norbert Reimann, Leiter des Westfälischen Archivamtes des Landschaftsverbandes in Münster, das Kernthema bei der Eröffnung des 56. Westfälischen Archivtags (16./17. März in Brakel).
200 Archivare aus dem westfälischen Raum – mehr als in allen Jahren zuvor – diskutieren dort wie das Wissen unserer Zeit bewahrt werden kann. Immer mehr Daten werden elektronisch übersendet und gespeichert. Was ist Datenmüll und was muss für die Nachwelt aufgehoben werden, sind Fragen, die Archivare heute beantworten müssen. 20 Jahre beträgt die Lebensdauer einer CD-Rom. „Wir denken in Zeiträumen von Jahrhunderten, da sind 20 Jahre ein Nichts“, sagte Reimann. Wer heute ein Archiv anlegt, muss es so führen, dass die Daten auch in hundert Jahren noch gelesen werden können. Und Lesbarkeit ist bis heute das entscheidende Argument bei der Archivierung. „Wir können schließlich nicht davon ausgehen, dass es in 50 Jahren überhaupt noch CD-Roms, geschweige denn entsprechende Lesegeräte gibt“, führte Archivleiter Reimann aus.
Für alle dauerhaften Archive gibt es trotz aller Datenbank-High-Tech keine Alternative zu Papierdrucken hinter Aktendeckeln in meterlangen Regalreihen. Nur so lasse sich Wissen dauerhaft aufbewahren, getreu dem Goethe-Zitat: „Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“
Quelle: Neue Westfälische, 17.3.2004
Wieder Zugang zu den Kirchenbüchern im STA Bern
Das Seilziehen um eine Sparmassnahme im bernischen Staatsarchiv nimmt immer groteskere Züge an: Seit Anfang Jahr wäre eigentlich für die meisten Familienforscher Schluss mit Durchstöbern von auf Mikrofilm gespeicherten Kirchenbüchern. Weil im Staatsarchiv eine Stelle nicht mehr neu besetzt werden sollte, regelte der Regierungsrat im letzten August den Zugang zu den historischen Dokumenten neu: Damit hätte künftig eine Person pro Jahr nur noch an drei Tagen Kirchenbücher einsehen dürfen – wobei die drei Tage erst noch auf drei verschiedene Wochen hätten verteilt werden müssen. Die Begründung des Regierungsrates: «übermässige Beanspruchung von einigen wenigen Personen». Die neue Besucherregelung wurde Anfang Januar zwar theoretisch eingeführt – und still und leise wieder außer Kraft gesetzt.
Im Kreis der Forscher machte die neu-alte Regelung schnell die Runde: Jetzt sitzen sie wieder an den Lesegeräten, als wäre nichts passiert. Die Genealogisch-Heraldische Gesellschaft Bern (GHGB), die sich stets gegen die neue Regelung wehrte, argumentierte jeweils, dass die Forschung in den Kirchenbüchern auch mit weniger Staatsarchivpersonal möglich wäre. Denn eine stattliche Zahl von Familienforschern verbringen im Staatsarchiv zwar Tage und Wochen und benützen dort die Lesegeräte und andere Infrastruktur, sind aber kaum auf die Hilfe des Personals angewiesen. Sie boten während der Diskussion um eine neue Benutzerregelung auch an, mit Frondiensten das Staatsarchiv zu entlasten.
Staatsarchivar Peter Martig will sich zur Zugangsregelung bei den Kirchenbüchern nicht äussern, bestätigt aber, dass zurzeit wieder «alles beim Alten» ist. Der Grund für die Kehrtwendung im Staatsarchiv liegt in einer Beschwerde, die der Familienforscher Hans Haldemann aus Boll gegen die eingeschränkte Einsichtnahme einreichte. Der Beschwerde wurde die so genannt «aufschiebende Wirkung» gewährt, sprich: Die neue Zugangsregelung im Staatsarchiv wurde auf Eis gelegt. Inzwischen haben drei Grossräte im kantonalen Parlament nachgedoppelt und als Vertreter der SVP, FDP und GFL eine überparteiliche Eingabe deponiert. Ihre Forderung: Das neue Reglement sei «ausser Kraft» zu setzen. Diese für dringlich erklärte Motion wiederum hatte zur Folge, dass die Beschwerde zwar beim Verwaltungsgericht zur Bearbeitung hängig ist, aber vorläufig nicht behandelt wird. Zuerst wird in der kommenden Aprilsession der Grosse Rat über die Forderungen von Thomas Heuberger (GFL), Lorenz Hess (SVP) und Robert Sutter (FDP) beraten. Und die drei Grossräte sparen nicht mit Kritik: Sie erinnern den Regierungsrat daran, dass dieser noch vor wenigen Jahren sage und schreibe 400.000 Franken investierte, um die Kirchenbücher auf Mikrofilm zu bannen. Damit, so das Ziel, sollten die Einsichtnahme erleichtert und die Originaldokumente geschont werden.
Harte Worte muss sich der Regierungsrat von den drei Parlamentariern auch in anderem Zusammenhang gefallen lassen: Die Genealogisch-Heraldische Gesellschaft habe im Rahmen des Sparprogramms «von Anfang an Hand geboten», um eine Lösung zu finden. Doch: «Sämtliche Angebote wurden von Staatsarchiv und Staatskanzlei abgelehnt.» Und: «Echte Einsparungen wären im Bereich Wappensammlung oder mit einer besseren Organisation möglich.» Bei der GHGB verfolgt man nach den Wirren um die neue Zugangsregelung die Entwicklung mit Argusaugen. So ist den Familienforschern auch nicht entgangen, dass ihnen bereits neues Ungemach droht: Auf der Internetseite des Verbands moniert die GHGB, dass die Gebühren zur Einsichtnahme in Zivilstandsbücher «unverständlicherweise drastisch angehoben» wurden. Mehrere Mitglieder seien bereits beim Preisüberwacher vorstellig geworden, heisst es weiter.
Aufgebracht sind die Familienforscher, weil die Gebühr für eine befristete Bewilligung zur Einsicht in die Zivilstandsregister bis Ende 2003 nur gerade 50 Franken kostete. Neu blättert bereits 120 Franken hin, wer ein halbes Jahr die Bücher einsehen will – und 200 Franken für ein ganzes Jahr. Die GHGB spricht von «Abriss» und glaubt, die Gebührenerhöhung habe zum Ziel, die Forscher «abzublocken», die nun im Staatsarchiv keinen Zugang mehr hätten.
Kontakt:
Staatsarchiv Bern
Falkenplatz 4
CH-3012 Bern
Tel. ++41 31 633 51 01
Fax ++41 31 633 51 02
info.stab@sta.be.ch
Quelle: Otto Hostettler, Bieler Tagblatt, 17.3.2004
Was Akten im Kreisarchiv Bad Doberan erzählen
Durch lange Gänge im Keller der Bad Doberaner Kreisverwaltung, die Wände in hellen Blautönen gehalten, gelangt man in das Büro von Rita Rossmann und ihren Mitarbeitern. Von staubbedeckten Regalen und jahrhundertealten Akten ist hier nichts zu spüren. Dennoch hilft das Kreisarchiv, manches Geheimnis zu lüften.
Wer sein Leben lang gearbeitet hat, möchte auch seine Rente bekommen. In den letzten Jahren arbeiten die Rentenversicherungsanstalten die Unterlagen für die Bürger im Osten von Deutschland auf. Die Menschen müssen dafür zahlreiche Nachweise erbringen. Nicht immer fällt das leicht. In manchen Fällen kann da das Kreisarchiv helfen, wie die Leiterin Rita Rossmann erklärt. „Wir besitzen beispielsweise die Steuerunterlagen von Selbständigen und von deren Mitarbeitern. Auch von mancher LPG haben wir die Lohnunterlagen.“ Und auch diese Bescheinigungen von den medizinischen Einrichtungen, die zu DDR-Zeiten oftmals kreisliche Einrichtungen waren, wurden im Keller der neuen Kreisverwaltung eingelagert. Rund 800 Anfragen haben die Mitarbeiter des Kreisarchives jährlich zu beantworten. Neben Rentenfragen sind es z.B. auch immer wieder Nachweise für geleistete Zwangsarbeit.
Die dafür eingangs genannten Unterlagen sind aber eher zufällig und deshalb nicht vollständig im Archiv zu finden. „Hauptaufgabe der Archive ist es, historisch Wertvolles zu erhalten. Zwischen 1952 und 1990 waren die Kreisarchive als Endarchiv auch für die Gemeindeunterlagen zuständig“, erklärt die Archivarin. Protokolle von Gemeindevertreter- und Ratssitzungen sowie Beschlüsse sind nach Jahren geordnet abgelegt. Bei der Suche nach bestimmten Ereignissen helfen so genannte Findbücher. In einem für die Jahre 1945 bis 1952 findet man z.B. den Hinweis auf ein Protokoll, in dem nachgewiesen wird, welche Bauern 1947 Prämien bekommen haben, weil sie zu 100 Prozent ihr Getreide abgeliefert haben. Eine Fundgrube für viele Chronisten, wie die Archivleiterin erklärt. Es gibt extra einen Nutzerraum, in dem sich Menschen, die im Archiv stöbern wollen, zurückziehen können.
Unterlagen aus den Gemeinden des Kreises Bad Doberan nach 1990 dagegen findet man nicht mehr im kreislichen Archiv. Denn seitdem ist jede Gemeinde für die Lagerung ihrer Unterlagen selbst verantwortlich und dazu auch verpflichtet, erklärt Rita Rossmann. In den meisten Fällen passiert das in den Amtsverwaltungen. Protokolle von den Gemeindevertretersitzungen im Amt Schwaan befinden sich beispielsweise im Schwaaner Rathaus, wie Amtschef Peter Faix bestätigt.
Das Kreisarchiv widerspiegelt aber auch die Strukturreform von 1994. In den von schweren Stahltüren verschlossenen Archivräumen finden sich die Unterlagen des Amtes Schwaan nicht. Die liegen in Güstrow, sagt Rita Rossmann. Doch auch dort nur bis zu den Jahren 1980, wie Güstrows Kreissprecherin Dr. Petra Zühlsdorf-Böhm erzählt. Wo die Unterlagen der Jahre 1980 bis 1990 abgeblieben sind, sei nicht bekannt. „Sie müssten eigentlich bei den Gemeinden sein“, so Zühlsdorf-Böhm.
Kontakt:
Landkreis Bad Doberan
Archiv
August-Bebel-Str. 3
18209 Bad Doberan
(03 82 03) 60-296/251
Rita.Rossmann@LK-DBR.de
Quelle: Ralf Badenschier, Bützower Zeitung, 17.3.2004