Nachdem die bunten Blätter bereits über den Hungerstreik zweier Münchner Wirtinnen, darunter die stadtbekannte Performance-Künstlerin Petra Perle (Link), berichtet hatten, ist diese Aktion, die Karl Valentins Nachlass von Köln nach München heim holen soll, nun auch Thema der Feuilletons, denen es freilich wie ein verspäteter Faschingsscherz erscheint.
Zum Volkssänger, Komiker, Literatur- und Filmemacher Karl Valentin haben die hungerstreikenden Frauen ein direktes Verhältnis. Sie bewirtschaften das Turmstüberl im Münchner Valentin-Musäum. Die Damen, die von Statur und Umfang das Hungern vermutlich eine Weile durchhalten könnten, vielleicht sogar den Nebeneffekt einer Gewichtsabnahme in der Fastenzeit listig einkalkulierten, sprechen von einer Streikdauer von bis zu zwei Wochen. Falls „die Kölner“ bis dahin nicht zu Kreuz kriechen sollten, wird es ernst. Ein „Protestmarsch“ gen Norden ist avisiert. Die Valentiade der Wirtinnen wurde in der vergangenen Woche durch die Anfrage zweier der CSU-Opposition angehörender Stadträte ausgelöst, wie München es denn in Zukunft mit Karl Valentin zu halten gedenke (siehe dazu die Pressemitteilung des Münchner Kulturreferates vom 1.3.2004).
Die Frage berührt eine himmelschreiende Peinlichkeit. Um den genialen Spaßmacher, den größten, den Deutschland im zwanzigsten Jahrhundert hervorbrachte, macht München seit seinem Tod einen Bogen. Ja, noch zu Lebzeiten wurde er dort vergessen. Der Mann, dem manche den Rang eines Chaplin beimessen, verbrachte seine letzte Lebenszeit als Lagerist und Depotarbeiter im Münchner Stadtmuseum. Er starb verarmt 1948. Sowohl in der NS-Zeit wie in den frühen Nachkriegsjahren paßte der „traurige Hanswurst“, wie ihn der Münchner Literat Ernst Hoferichter genannt hat, nicht in die politische Landschaft.
Von den Indianern und Eskimos abgesehen, bemerkte er einmal, sei er nirgends so wenig bekannt wie bei seinen Landsleuten. Als seine Witwe 1953 den Nachlaß Valentins der Stadt München für 7.000 Mark anbot, schlug diese ihn aus. Und noch einmal, in den Achtzigern, bekundete sie ihr Desinteresse, als über die Möglichkeit diskutiert wurde, Valentins Geburtshaus in der Au zu einer Gedenkstätte zu machen, der eine Forschungsstelle hätte angegliedert werden können.
Aufgekauft wurde der Nachlaß von dem Theaterhistoriker an der Universität Köln, Carl Niessen. Vermutlich hat es ihn befriedigt, den Fang seinem Kontrahenten, dem Münchner Theaterprofessor Arthur Kutscher, vor der Nase weggeschnappt zu haben. Wie viele obsessive Sammler saß Niessen dann zunächst einmal auf seiner Beute fest, auch nachdem er sie für 380.000 Mark 1959 an die Universität Köln verkauft hatte. Er wollte die Papiere selbst bearbeiten. Dazu kam es nie. Nach seinem Tod 1969 gab es ein langes Trauerspiel mit der Witwe um die Auswertung des Nachlasses. Erst 1985 wurde er durch richterlichen Beschluß öffentlich zugänglich gemacht. In einem Stiftungsvertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen wurde verfügt, die Privatsammlungen Niessen an Ort und Stelle zu belassen. Ob das die Münchner Wirtinnen wissen? Sie mögen noch so effektvoll hungern, marschieren, zetern – rechtlich haben sie keinerlei Chance. „Die Kölner“ haben den Valentin schließlich nicht geklaut.
Valentins Texte liegen inzwischen in einer zum Teil heftig befehdeten kritischen Gesamtausgabe des Piper Verlags vor. Und ob der Nachlaß in Köln oder München bearbeitet wird, ist für die interessierte Nachwelt unerheblich. Allerdings ist bisher von einem größeren Interesse daran nichts zu hören. Dabei wäre dort nach Auskunft von Wolfgang Till, dem Leiter des Münchner Stadtmuseums, der den Katalog anläßlich einer Ausstellung zum 100. Geburtstag Valentins herausgab, durchaus einiges zu entdecken. Laut Till ist Valentins Bildwelt noch wenig erforscht. Der Künstler, den man heute „multimedial“ nennen würde, sammelte Postkarten, Fotos, Plakate als Anregung für seine Texte und Filme.
Quelle: FAZ, 3.3.2004, Nr. 53, S. 39
Sommerprogramm Historischer Arbeitskreis Archive
Der St. Pöltener Archivdirektor Dr. Thomas Aigner lädt u.a. via H-Soz-u-Kult zur Teilnahme am diesjährigen Sommerprogramm des Historischen Arbeitskreises Archive ein. Das Programm steht diesmal ganz im Zeichen des Beitritts von Ungarn zur Europäischen Union im Mai.
Aufgrund der kirchenhistorischen Verbindung Österreichs mit seinem Nachbarland und wegen der geringen räumlichen Entfernung sei es möglich, Verbindungen und Kooperationen zu knüpfen. Schon seit längerer Zeit arbeitet man im Diözesanarchiv bzw. Institut zur Erschließung und Erforschung kirchlicher Quellen und in der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs an einem intensiveren Gedankenaustausch und verschiedenen Möglichkeiten der Kooperation mit den ungarischen Kollegen.
Erste Früchte dieser Bemühungen haben sich im kommenden Semesterprogramm niedergeschlagen. Das Primatial- und Domkapitelarchiv Esztergom (dt. Gran) ist nicht nur aufgrund der Stellung der Erzbischöfe dieses Bistums in Geschichte und Gegenwart Ungarns, sondern auch aufgrund seines quellenmäßigen Reichtums, der auch einiges zu Österreich enthält, als bedeutendstes kirchliches Archiv in Ungarn zu bezeichnen. Am 12. März findet daher, veranstaltet gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs und dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung, in dessen Hörsaal (nähere Angaben siehe unten) ein Vortrag des Direktors des Primatialarchivs Esztergom, Dr. Andras Hegedüs, statt. Am 5. Juni führt dann die jährliche Arbeitssitzung in die weltberühmte Erzabtei Pannonhalma (dt. Martinsberg). Wie üblich, finden am Vormittag Vorstellungen von Forschungsarbeiten bzw. -projekten in ungezwungenem Rahmen statt, und am Nachmittag erfolgt dann eine Besichtigung der Erzabtei mit dem hwst. Herrn Erzabt Dr. Asztrik Varszégi. In der Arbeitssitzung möge über eigene Forschungen berichtet werden. Die Kosten werden pro Person ca. 20.- EUR betragen. Anmeldung entweder telephonisch (02742 324 321, 322) oder per Email (archiv@kirche.at).
Zu zwei weiteren Vorträgen, die wie gewohnt in St. Pölten im Diözesanarchiv stattfinden werden, wird zudem eingeladen: Dr. Johannes Frimmel wird am 29. April über das Stift Melk im Josephinismus sprechen und Mag. Ronald Risy wird am 24. Juni die jüngsten Ergebnisse der Grabungen in der Rosenkranzkapelle im St. Pöltner Dom vorstellen.
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PROGRAMM SOMMER 2004
12.03.2004-24.06.2004, St. Pölten / Wien / Pannonhalma
Freitag, 12. März, 17.00 Uhr:
Gem. mit Institut für Österreichische Geschichtsforschung und Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs:
Dr. Andras HEGEDÜS (Esztergom/H):
Das Primatial- und Domkapitelarchiv Esztergom
!!! Ort: Hörsaal des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Universität Wien, Dr. Karl-Lueger-Ring 1, 1. Stock rechts !!!
Donnerstag, 29. April, 14.30 Uhr:
Dr. Johannes FRIMMEL (Wien):
Das Stift Melk zur Zeit Josephs II. – Kulturgeschichtliche Aspekte
Ort: Diözesanarchiv St. Pölten, Leseraum
Samstag, 5. Juni, 9.00-18.00 Uhr:
Arbeitssitzung in Pannonhalma
9.00-12.00 Vorstellung verschiedener Themen aus dem Bereich der niederösterreichischen Kirchengeschichte
12.00-14.00 Mittagessen
14.00-18.00 Besichtigung der Erzabtei und ihrer Sammlungen mit dem hwst.
Herrn Erzabt Dr. Asztrik Varszégi
Anmeldung für Autobus (Kosten ca. 20.- EUR): 02742 324 321,
archiv@kirche.at
Ort: Erzabtei Pannonhalma (H), Autobahnabfahrt Györ Ost
Donnerstag, 24. Juni, 14.30 Uhr:
Mag. Ronald RISY (Wien):
Der Dom in St. Pölten und seine Vorgeschichte im Lichte der jüngsten Forschungen
Ort: Diözesanarchiv St. Pölten, Leseraum
Kontakt:
Dr. Thomas Aigner
Diözesanarchiv St. Pölten
Domplatz 1
A-3100 St. Pölten
+43 2742 324 321
+43 2742 324 321
archiv@kirche.at
www.dsp.at/dasp
Quelle: H-Soz-u-Kult, 2.3.2004
Wallraffsche Kartei in Saarlouis nun aufgearbeitet
Die so genannte Wallraffsche Kartei im Kreisarchiv Saarlouis (Zentrum für Familienforschung) gewährt nicht nur Einblicke in die Geschichte des Kreises Saarlouis, sie ist vor allem eine wertvolle Quellensammlung für demografische und soziografische Forschungen. Genealogen aus der ganzen Welt nutzen sie, über 1.000 pro Jahr, bisher gut 30.000, um nach Vorfahren zu forschen. Sie ist nach Studienprofessor Dr. Wilhelm Joseph Wallraff (1865-1949) benannt, der 1928 als Lehrer für Latein und Griechisch ans humanistische Gymnasium nach Saarlouis kam. Er wertete alle verfügbaren Standesamtsregister und Kirchenbücher aus, notierte auf Blättern aus DIN-A-5-Schulheften nach Ortschaften gegliedert Angaben zur Bevölkerung des ganzen Kreises Saarlouis mit Ausnahme des Raumes Lebach-Schmelz für die Zeit vom 17. bis 19. Jahrhundert. So entstanden von 1928 bis 1949 mit immensem Fleiß rund 40.000 Blätter in 16 großen, offenen Kästen.
1963 kaufte der Landreis die Kartei von der Familie an, begann sie zu sichern. Nun konnte die 1983 begonnene Neuerfassung der Kartei abgeschlossen werden. Eigentlich sollte diese Arbeit innerhalb von drei Jahren beendet sein. Sie dauerte länger – geht sogar noch weiter. Landrat Peter Winter stellte als „Endprodukt“ 75 große blaue Bände vor, in denen die Wallraffsche Kartei nun gut lesbar vorliegt.
Von 1983 bis 2000 arbeiteten 25 Männer und Frauen an der Kartei, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt wurden. Der Umgang mit der Kartei ist seinerseits interessant, spiegelt Zeitgeschichte wider. Zu Lebzeiten Wallraffs bekam seine Kartei ungewollt Bedeutung: Auf Grund der „Nürnberger Gesetze“ von 1935 mussten Angehörige des öffentlichen Dienstes und aktive Soldaten einen so genannten „Arier-Nachweis“ erbringen. In der Wallraffschen Kartei sind die religiösen Bekenntnisse vermerkt. Heute nutzen vor allem Genealogen, Familien- und Heimatforscher, diesen Schatz als Hilfsmittel für ihre Ermittlungen.
Die Blätter der Kartei litten unter der Benutzung, vergilbten. Die Schrift verblasste. Dazu kamen Kriegseinwirkungen. Und es wurden Blätter schlechterdings geklaut. 1976 entschloss sich Landrat August Riotte, die Kartei verfilmen zu lassen. Gernot Karge, langjähriger Kreisarchivar, heute Geschäftsführer der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis (mit 800 Mitgliedern der größte heimatkundliche Verein im Saarland) schilderte, wie das geschah. Man nahm mit den besten Spezialisten auf dem Gebiet der Mikroverfilmung Kontakt auf, nämlich der „Genealogischen Gesellschaft der Heiligen der letzten Tage„, den Mormonen in Salt Lake City im US-Staat Utah. Nach zweimonatigen Filmarbeiten hatte man 39 Rollen Mikrofilm mit fast 50.000 Aufnahmen. Nach dem Druck in Buchform steht nun die Digitalisierung bevor. Karge stellte in Aussicht, dass man in Zukunft mit einer Diskette einfachen Zugang zur Kartei haben kann.
Kontakt:
Kreisarchiv Saarlouis – Zentrum für Familienforschung
Landratsamt Kaiser-Wilhelm-Straße 4 – 6
66740 Saarlouis
Postanschrift:
Postfach 18 40
66718 Saarlouis
Telefon: 0 68 31 / 4 44 – 4 25
Telefax: 0 68 31 / 4 44 – 4 60
www.kreis-saarlouis.de
Quelle: Saarbrücker Zeitung, 2.3.2004
Geschichte erfahrbar und erlebbar machen – Tag der Archive 2004
Der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare ruft alle Archive zur Gestaltung des Tages des offenen Archivs („TAG DER ARCHIVE“) in Deutschland am 25. September 2004 auf. Der vollständige Wortlaut des Aufrufs ist der Homepage des Tages der Archive zu entnehmen:
„In den Archiven Geschichte entdecken! Ermöglichen Sie unter diesem Motto interessierten Bürgerinnen und Bürger eine Entdeckungsreise durch Ihr Archiv. Der für den 25. September 2004 geplante, nach 2001 zweite bundesweite TAG DER ARCHIVE soll ihnen einen vertieften und ungewohnten Einblick in die Archive erlauben und zugleich die Neugier potentieller Archivbenutzer wecken. Öffnen Sie deshalb die Archivmagazine an diesem Tag für Interessenten und fördern Sie bei den Besuchern das Interesse an der vielfältigen Tätigkeit unseres Berufsstandes.
Geschichte erfahrbar und erlebbar zu machen und an ausgewählten Archivalien und Mediendokumenten aufzuzeigen, sollte ein verlockendes wie lohnendes Ziel sein. Die Rolle der Archive für die Erforschung der Vergangenheit und für das bessere Verständnis der Gegenwart muss verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden. Somit ergibt sich die große Chance, die Akzeptanz der Archive in der Gesellschaft zu erhöhen und Schwellenängste vor Archivbesuchen abzubauen.“ […]
Der VdA bietet den teilnehmenden Archiven Materialien (gedruckt und auf CD-Rom) zur Gestaltung der örtlichen Tage der Archive an (pdf-Downlad des Bestellscheins).
Link: www.tagderarchive.de
Kontakt:
VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.
-Geschäftsstelle-
Postfach 21 19
99402 Weimar
Tel. 03643/ 870-235
Fax. 03643/ 870-164
info@vda.archiv.net
290 Jahre Pfarrei- und Archivgeschichte Schönholzerswilen
Die Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen (CH) zeigte das umfangreiche Archiv aus 290 Jahren Kirchen- und Sittengeschichte Schönholzerswilen erstmals einer breiten Öffentlichkeit. Während der Eröffnung der Ausstellung von Gegenständen und Dokumenten aus drei Jahrhunderten Pfarreigeschichte wies die Kirchgemeindepräsidentin von Schönholzerswilen, Erika Schlauri, darauf hin, dass es wohl einmalig sei, dass eine Kirchgemeinde eine solche lückenlose Dokumentation des kirchlichen Lebens präsentieren könne. Diplom-Archivar Charles E. Stäheli habe das Material, das bisher in Schränken und Truhen im Pfarrhaus-Estrich aufbewahrt wurde, chronologisch sortiert und zu einer ansprechenden Ausstellung im Chor der Kirche aufgebaut.
Das Archivmaterial, das zeitlich mit dem Kirchenbau 1714 beginnt, wird gemäss Erika Schlauri in einem klimatisierten und feuerfesten Kellerraum für die Nachwelt eingelagert. Als Besonderheit erwähnte sie, dass der farbig bemalte, fast 300-jährige Grundrissplan der Kirche im Original noch vorhanden sei. Pfarrer Ruedi Bertschi stellte das Archivmaterial in eine theologische Sicht. Er meinte, die Aufarbeitung der vielen Dokumente berge ein gewisses Risiko in sich. Da komme nämlich nicht nur Glorreiches, sondern auch Belastendes, mitunter auch Beschämendes zum Vorschein. Die Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen stelle sich aber ihrer Geschichte im Bewusstsein, dass «alles durch die Gnade Gottes» geschehe.
Offenbar schrieben die Pfarrherren von Schönholzerswilen gern. Jedes Vorkommnis in der Gemeinde, hauptsächlich Negatives, wurde detailliert niedergeschrieben. Archivar Charles E. Stäheli teilte das umfangreiche Chronikmaterial in neun Themenkreise ein, die ein lebendiges Bild geben, wie die Menschen vor Hunderten von Jahren lebten. So sind ganze Pakete von Toten- und Geburtsscheinen sowie Ehebescheinigungen vorhanden. Sogar ein ganzes Bündel längst abgelaufener Obligationen wurde aufgefunden.
Mehrmals gab es auch Spannungen zwischen Katholiken und Evangelischen. Letztere hatten in vielen Fällen das Recht, ihre Abdankungen in katholischen Kirchen abzuhalten. Als sie 1746 in Welfensberg am Karfreitag einen Verstorbenen beerdigen wollten, verweigerte ihnen der katholische Messpriester das Grabgeläute, da an einem Karfreitag in der katholischen Kirche nicht geläutet wird. Da schlugen die Angehörigen des Toten die Kirchentüren ein und läuteten selbst, begleitet von «Schänden und Schmähen» der «Catholiken». Ein Pfarrherr hatte den Ungehorsam eines 23-jährigen Burschen registriert. Dieser hatte sich nämlich beim Hausbesuch des Pfarrers geweigert, zu «bätten».
Ein Sittengericht wachte über das Leben der Gemeindeglieder. Verschiedentlich musste dieses unverheirateten Paaren, die «in Sünde lebten», bei Strafe befehlen, entweder zu heiraten oder sich zu trennen. Männer, die ein Mädchen geschwängert hatten, wurden verpflichtet, dieses zu heiraten. Das Gericht überwachte auch streng die Kleidung des Volkes, und besonders oft mussten junge Frauen verwarnt werden. Noch im 19. Jahrhundert herrschte in unserem Lande bittere Armut. Da musste die Gemeinde Schönholzerswilen öffentliche Speisungen der Armen organisieren. In einem grossen Masse gibt es Dokumente über Unterstützung armer Mitbürger. So musste einem «Armengenössigen» die ärztliche Behandlung bezahlt werden. Positiv ist vermerkt, dass es viele spendefreudige Reiche gab, die ihre armen Mitbürger finanziell unterstützten. So könne noch vieles über die verblichenen Generationen von Schönholzerswilen berichtet werden. Es ist sicher erfreulich, dass die Kirchgemeinde an einer fachmännischen Archivierung der Dokumente zu Gunsten der Nachwelt interessiert war und sich dies 12.000 Franken kosten liess.
Kontakt:
Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen
Kirchgemeindepräsidentin Erika Schlauri-Hugentobler
Hagenwilerstrasse 10
CH-8577 Schönholzerswilen
m.schlauri@bluewin.ch
Pfarrer Ruedi Bertschi
Pfarrhaus
CH-8577 Schönholzerswilen
Tel: 071 633 13 08
ruedi.claudia@bluewin.ch
Dipl.-Archivar Charles E. Stäheli
Ringstrasse 9
CH-8575 Bürglen TG
Telefon/Telefax: 071 633 18 03
chestarch@gmx.ch
Quelle: Thurgauer Zeitung, 2.3.2004
Diskussion um Göttinger Hitlerrede-CD
Sebastian Wertmüller, Vorsitzender des Deutsche Gewerkschaftsbundes (DGB) in Göttingen, hat das Vorhaben des Stadtarchivs Göttingen kritisiert, eine CD-Rom mit der einzigen Göttinger Wahlkampfrede Adolf Hitlers zu veröffentlichen. Die Historikerin Cordula Tollmien, die in den vergangenen Jahren die Zwangsarbeit in Göttingen erforscht hat, verteidigt hingegen die geplante Publikation. Sie nennt Wertmüllers Äußerungen eine „unbegründete Schnellschussattacke“.
Der DGB-Regionalvorsitzende Sebastian Wertmüller äußerte zwar „Verständnis dafür, dass in historischen Dokumentationen Originaldokumente in Schrift, Bild und Ton eine große Rolle spielen“. Die Veröffentlichung einer Hitler-Wahlkampfrede auf einer Multimedia-CD sprenge jedoch den dokumentarischen Rahmen. „Das ist schon Verkaufsförderung mit dem größten Verbrecher der deutschen Geschichte“, sagte Wertmüller. „Ich kann nur hoffen, dass es sich tatsächlich um eine Dokumentation handelt, bei der die Ausschnitte aus der Rede Hitlers nur einen Teil ausmachen“ (Pressemitteilung vom 27.2.2004).
Tollmien erklärte, sie sei fassungslos angesichts der DGB-Vorwürfe. Die CD-Rom sei sicher keine rechtsradikale Publikation, sondern eine „sorgfältig vorbereitete Quellenedition“, auf die sie als Historikerin schon lange warte. Tollmien verdächtigt den DGB-Vorsitzenden, sich in Unkenntnis des aufbereiteten Materials auf Kosten des Göttinger Stadtarchivs und seiner Mitarbeiter profilieren zu wollen.
Die CD-Rom soll am 11. März offiziell vorgestellt und zum Preis von 15 Euro verkauft werden. In einem Brief an den DGB-Vorsitzenden hat Ernst Böhme, Leiter des Stadtarchivs, dessen Vorwürfe zurückgewiesen. „Es überrascht mich, dass Sie ohne Kenntnis der Sache mit massiven Vorwürfen gegen das Stadtarchiv an die Öffentlichkeit gegangen sind.“
Wertmüller wecke mit seinen Äußerungen den Verdacht, das Stadtarchiv wolle eine neonazistische Klientel bedienen. Titel der Publikation sei „Die Wahlkampfrede Adolf Hitlers am 21. Juli 1932 mit Erläuterungen und Dokumenten“. Sie sei eine Verbindung von Tondokument, Erläuterungen, Zeitzeugenaussagen und Presseberichten – und vor allem für den Einsatz im Schulunterricht gedacht. Böhme: „Im übrigen wird die CD nicht frei im Handel, sondern nur über uns erhältlich sein.“
Kontakt:
Stadtarchiv Göttingen
Hiroshimaplatz 4
37083 Göttingen
0551/400-3122
0551/400-2764
stadtarchiv@goettingen.de
Quelle: Göttinger Tageblatt, 2.3.2004
„Alte Post“ in Iserlohn und ihre neuen Nutzer
Eines der zentralen historischen Gebäude Iserlohns ist wieder in den Mittelpunkt des städtischen Lebens gerückt. Die „Alte Post“ am Theodor-Heuss-Ring ist gleich mit vier neuen Nutzern Anlaufstelle für viele Iserlohner geworden. Nachdem sich Verbraucher-Zentrale, Stadtarchiv, City Management und Institut für Bildung im Dezember in den neuen Räumen eingerichtet haben (siehe Bericht), luden sie am Samstag zu einem Tag der Offenen Tür ein.
Zehn Monate lang wurde das alte Gebäude unter der Federführung des Kommunalen Immobilienmanagements umgebaut, 1,5 Millionen Euro kostete die Sanierung. Vom Ergebnis zeigten sich die vielen Besucher am Samstag sehr angetan.
Ein ganz anderes Arbeiten als in den mehr als beengten alten Räumen ist für Stadtarchivar Götz Bettge und seine drei Mitarbeiterinnen möglich. Rund 800 Quadratmeter stehen ihnen in der ersten und zweiten Etage der „Alten Post“ zur Verfügung. Das Archivgut wird jetzt unter einem Dach und vor allem fachgerecht gelagert. Die Besucher haben in einem eigenen Raum reichlich Platz, ihren privaten Forschungen nachzugehen. Das wird auch den Schulklassen zugute kommen, die das Archiv bislang kaum nutzen konnten.
Kontakt:
Stadtarchiv Iserlohn
Theodor-Heuss-Ring 5
58636 Iserlohn
Telefon: 02371 / 217-1920 / -1921 / -1922
Telefax: 02371 / 217-2982
archiv@iserlohn.de
Quelle: Lüdenscheider Nachrichten, 2.3.2004
Sammlung des Alinari-Archivs in München
Das oft zitierte Bild von München als nördlichster Stadt Italiens bekommt zur Zeit eine völlig neue Bedeutung: Gleich drei Ausstellungen haben sich mit dem Sehnsuchtsziel jenseits der Alpen befasst. Aber eben nicht nur mit Klischees rund um gelato, Vespa und amore, sondern auch mit den dunklen Seiten des sonnigen Landes. So zeigt das Bayerische Staatsarchiv noch bis zum 15. April „Die Kinder der Villa Emma in Nonantola“, eine Dokumentation der Rettung von 73 jüdischen Kindern durch die Bewohner der norditalienischen Stadt Nonantola.
Und schon beginnt die nächste Schau: Im Marmorsaal der Bayerischen Staatsbibliothek läuft vom 3. bis zum 31. März die Ausstellung „Italien, ein einmaliges Land“ mit Fotografien von den Jahren 1900 bis 2000 aus dem Florentiner Archiv Alinari eröffnet.
Mit etwa 150 ausgesuchten Bildern will die Sammlung in Zusammenarbeit mit dem italienischen Generalkonsulat die Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert unter Berücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen illustrieren. Alinari ist eines der ältesten Fotoarchive der Welt. 1852 in Florenz gegründet, hat sich das heute in mehrere Bereiche verzweigte Unternehmen von Beginn an die Bewahrung der italienischen Lichtbildkunst zur Aufgabe gemacht. Das Alinari-Archiv enthält 120.000 Fotografien.
Die nun zum ersten Mal in Deutschland zu sehenden Fotografien sind mehreren Themen zugeordnet, wie Natur und Landarbeit, alte Dörfer, Mittelmeer, Krieg und „Neue Weltordnung“. Momentaufnahmen und Inszenierungen zeigen Alltagsszenen, Architektur- und Landschaftsbilder. Doch dabei folgt die Ausstellung ihrem Titel „Ein einmaliges Land“ vor allem insofern, als die meisten Aufnahmen Idyllen zeigen, in denen die unschönere Realität ausgespart bleibt. Gemessen am Anspruch, 100 Jahre Geschichte Italiens zeigen zu wollen, wirkt die präsentierte Auswahl der Bilder beliebig, stellenweise sogar wie aus einer Werbebroschüre entnommen, die Italien als interessantes Reiseland oder kompetenten Geschäftspartner darstellen soll.
Was dagegen weitgehend fehlt, sind Betrachtungen der heiklen Kapitel der italienischen Geschichte. Beim Kapitel „Neue Weltordnung“ etwa kommt nicht die Thematisierung des Terrors der Roten Brigaden, nicht die Entführung und Ermordung des Politikers Aldo Moro vor. Einige Bilder, die weniger schöne Seiten Italiens zeigen, finden sich dennoch in der Schau: unter „Spuren des Menschen“ etwa Umweltzerstörungen, unter „Fernen Ländern entgegen“ Aufnahmen von Flüchtlingsströmen aus Italien nach Amerika und aus Albanien nach Italien. Doch es scheint, als sei damit der Mut der Kuratoren, die Schau um Abbilder kontroverser Themen zu bereichern, bereits erschöpft.
Kontakt:
Bayerische Staatsbibliothek
Ludwigstraße 16
80539 München
Telefon: ++49 89 28638-0
Fax: ++49 89 28638-2200
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 1.3.2004
Darmstädter „Haus der Geschichte“ kein betonierter Aktenfriedhof
Lange schon wird im Theaterhaus Georg Mollers am Karolinenplatz kein Theater mehr gespielt. Denn seit dem 3. Februar 1994 hat das in „Haus der Geschichte“ umbenannte und restaurierte Gebäude eine neue Funktion. Als Archiv, Ort historischer Forschung und als Stätte von Ausstellungen, Vorträgen und Konzerten steht es den Darmstädter Bürgern zur Verfügung.
Zum zehnjährigen Bestehen des Hauses der Geschichte (siehe Bericht vom 19.2.2004) fand am Sonntag, den 29.2.2004, ein Festakt statt. Professor Friedrich Battenberg, Leiter des Staatsarchivs, nannte als einen Grund für die damalige Schaffung eines neuen Staatsarchivs im alten Mollerhaus die enorme Menge alter Akten, die im Schlossgebäude keinen Platz mehr hatten. Battenberg bedankte sich in seiner Jubiläumsrede ganz besonders bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Staatsarchivs. Ohne sie sei diese enorme Arbeit nicht zu schaffen gewesen.
Joachim-Felix Leonhard, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, betonte in seinem Vortrag, alle Initiatoren des Staatsarchivs könnten sich glücklich schätzen, dass die neue Funktion des Mollerhauses durchgesetzt worden sei. „Die Stadt Darmstadt wollte mit der Einrichtung des Archivs ein Haus der Begegnung für Menschen und einen Ort für den Austausch von Informationen schaffen“, so Leonhard.
Die Mischung von Archiv und Ausstellungsort bieten ein weiteres Kulturzentrum in der Stadt. Auch Pädagogik wird im Darmstädter Staatsarchiv groß geschrieben. Denn Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, über die Vergangenheit zu forschen und sich zu bilden.
Die Institution ist mittlerweile mit staatlichen Mitteln nicht mehr zu finanzieren. „Ich muss zugeben, dass mich bei der Planung vor zehn Jahren die Summe erschreckte, die für den Umbau des alten Mollerhauses ausgegeben werden sollte“, sagte die ehemalige Wissenschaftsministerin und Vorsitzende des Vereins des Konzertchors, Evelies Mayer. „Es ging doch nur um die Beherbergung von Akten.“ Doch inzwischen sei die Akzeptanz bei den Darmstädter groß: Sie seien froh, dass das Haus mit Leben gefüllt und für jeden zugänglich sei. „Es wurde nicht zu einem betonierten Aktenfriedhof“, betonte Mayer.
Kontakt:
Staatsarchiv Darmstadt
Karolinenplatz 3
D-64289 Darmstadt
Telefon: 06151/165900
Telefax: 06151/165901
e-mail: poststelle@stad.hessen.de
Quelle: Echo Online, 1.3.2004