Mielkes geheimnisvoller Koffer kehrt zurück

Nach fast fünfzehn Jahren Irrfahrt durch Archive verschiedener Behörden ist am Dienstag Erich Mielkes geheimnisumwitterter roter Koffer an seinen Ursprungsort zurückgekehrt. Das Bundesarchiv übergab den Koffer am Abend der Behörde für die Stasi-Unterlagen, die ihn fortan als Dauerleihgabe aufbewahren wird.

Genau genommen ist der Mielke-Koffer damit allerdings nicht dort, wo er bis zum Rücktritt des Stasi-Ministers lagerte. Der hatte das Behältnis Jahrzehnte lang in einem Stahlschrank seines Dienstzimmers im Haus 1 des Stasi-Komplexes an der Lichtenberger Normannenstraße aufbewahrt. Jetzt steht der Koffer im benachbarten Haus 7, wo das von der Birthler-Behörde verwaltete MfS-Aktenarchiv untergebracht ist.

In dem Koffer sollen sich unter anderem Unterlagen aus der NS-Zeit befunden haben, die den späteren SED-Chef Erich Honecker belasten. Diese Dokumente, die angeblich aus den dreißiger Jahren stammen, betreffen Honeckers Zeit als Jungkommunist und seine Zeit im Untergrund. Sie sollen – so heißt es – das Bild Honeckers als aufrechter und unbeugsamer Widerstandskämpfer korrigieren. Der Grund dafür, warum Mielke diese Originalakten aufbewahrte, liefert seit langem Stoff für Diskussionen: Brauchte der Stasi-Minister die Unterlagen, um im Notfall Erpressungsmaterial gegen seinen Boss in der Hand zu haben? Oder wollte Mielke Honecker nur beschützen vor möglichen Anfeindungen?

Anfang 1990, als die Stasi aufgelöst wurde und die DDR-Justiz gegen Mielke ermittelte, beschlagnahmte das Zentrale Landeskriminalamt den Koffer-Inhalt. Ein Stasi-Offizier aus der MfS-Abteilung IX/3, der damals in der Ermittlungsbehörde arbeitete, kopierte das Material und versuchte, es zu Geld zu machen. Für 60 000 D-Mark wollte er die Unterlagen verscherbeln, die unter anderem den Häftlingsfreikauf durch die Bundesregierung, die Beteiligung Mielkes am zweifachen Polizistenmord in Berlin 1931 und Kontakte Honeckers zur Gestapo betrafen. Ein Käufer aber fand sich nicht. Selbst der BND winkte ab – zu teuer. Eine weise Entscheidung, denn der Dienst konnte nach dem 3. Oktober 1990 gratis in die Akten schauen: Die Bundesanwaltschaft übernahm den Koffer von der DDR-Justiz.

Im Januar wurden bereits Schriftstücke aus dem roten Koffer vom Bundesarchiv an die BStU übergeben.

Quelle: Andreas Förster, Berliner Zeitung, 31.3.2004

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