Das handschriftliche Original der „Gründungsurkunde“ der NSDAP ist in den USA aufgetaucht. Experten halten das Dokument, das Hitlers Unterschrift trägt, für echt. Zugespielt wurde das einzigartige Schriftstück dem Münchner Verleger Fritz R. Glunk, der Auszüge davon in der am Montag erschienenen Ausgabe der politischen Kulturzeitschrift „Die Gazette“ veröffentlicht. Es ist Teil eines Konvoluts von insgesamt 50 Blatt, welches nach Einschätzung des NS-Experten Volker Dahm vom Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ), der die Kopien geprüft hat, wohl aus dem Hauptarchiv der NSDAP stammt. Bisher war von der Gründungsurkunde nur eine Maschinenabschrift bekannt.
Die ursprünglich Anfang 1920 von Hitler aus der „Deutschen Arbeiterpartei“ geformte NSDAP war nach dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch vom November 1923 verboten worden. Die „Neugründung“ der NSDAP erfolgte offiziell mit der Gründung eines Trägervereins am 21. August 1925 und der Eintragung des „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Vereins“ in das Vereinsregister einige Wochen später.
Das nun aufgetauchte Protokoll dokumentiert den formalen Akt der Neugründung der Nazi-Partei im August 1925, bei der anlässlich „einer in den Geschäftsräumen der N.S.D.A.P. Schellingstraße 50 stattgehabten Zusammenkunft“ von den sieben Anwesenden eine Satzung genehmigt und „Herr Adolf Hitler, Schriftsteller, München, Thierschstr. 41/I“ zum Vorsitzenden gewählt wurde. Erst 1935 wurde das legalistische Nebeneinander von Partei und Verein im Gefolge des „Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat“ beendet.
Die in penibler Handschrift beschriebenen Blätter waren nach Einschätzung des IfZ Teil eines überformatigen Heftes, bei dem es sich um eine Art Tagebuch der NSDAP-Ortsgruppe München gehandelt haben dürfte. Darin wurden etwa Sitzungen der örtlichen „Sektionsführer“ protokolliert; Hitlers Teilnahme ist durch mehrere eigenhändige Unterschriften belegt. Der Zeitraum der Aufzeichnungen liegt zwischen Juli 1925 und September 1928.
Enthalten sind auch Mitschriften bisher unbekannter Parteitags-Reden von prominenten Nazis auf dem „1. Reichsparteitag“ der NSDAP Anfang Juli 1926 in Weimar, darunter von Hitlers Propaganda-Beauftragtem Joseph Goebbels („Terror wird nicht mit 'sachlichen' Auseinandersetzungen, sondern nur mit Gegenterror überwunden“) und dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg („Wenn eine Lebenswelle entsteht, so wird sie zuerst entzündet durch das Wort eines gottbegnadeten Führers“).
Eine mit Maschine geschriebene englische Übersetzung des „Gründungsprotokolls“, die den Papieren beigelegt wurde, deutet darauf hin, dass die Dokumente bei Kriegsende den Amerikanern in die Hände fielen und im „Central Collecting Point Munich“ ausgewertet wurden. Die Originale sind im Besitz einer Amerikanerin, deren verstorbener Vater sie angeblich während seiner Zeit als US-Besatzungssoldat „erhalten“ habe.
Quelle: DER SPIEGEL, 12.3.2004