Die Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen (CH) zeigte das umfangreiche Archiv aus 290 Jahren Kirchen- und Sittengeschichte Schönholzerswilen erstmals einer breiten Öffentlichkeit. Während der Eröffnung der Ausstellung von Gegenständen und Dokumenten aus drei Jahrhunderten Pfarreigeschichte wies die Kirchgemeindepräsidentin von Schönholzerswilen, Erika Schlauri, darauf hin, dass es wohl einmalig sei, dass eine Kirchgemeinde eine solche lückenlose Dokumentation des kirchlichen Lebens präsentieren könne. Diplom-Archivar Charles E. Stäheli habe das Material, das bisher in Schränken und Truhen im Pfarrhaus-Estrich aufbewahrt wurde, chronologisch sortiert und zu einer ansprechenden Ausstellung im Chor der Kirche aufgebaut.
Das Archivmaterial, das zeitlich mit dem Kirchenbau 1714 beginnt, wird gemäss Erika Schlauri in einem klimatisierten und feuerfesten Kellerraum für die Nachwelt eingelagert. Als Besonderheit erwähnte sie, dass der farbig bemalte, fast 300-jährige Grundrissplan der Kirche im Original noch vorhanden sei. Pfarrer Ruedi Bertschi stellte das Archivmaterial in eine theologische Sicht. Er meinte, die Aufarbeitung der vielen Dokumente berge ein gewisses Risiko in sich. Da komme nämlich nicht nur Glorreiches, sondern auch Belastendes, mitunter auch Beschämendes zum Vorschein. Die Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen stelle sich aber ihrer Geschichte im Bewusstsein, dass «alles durch die Gnade Gottes» geschehe.
Offenbar schrieben die Pfarrherren von Schönholzerswilen gern. Jedes Vorkommnis in der Gemeinde, hauptsächlich Negatives, wurde detailliert niedergeschrieben. Archivar Charles E. Stäheli teilte das umfangreiche Chronikmaterial in neun Themenkreise ein, die ein lebendiges Bild geben, wie die Menschen vor Hunderten von Jahren lebten. So sind ganze Pakete von Toten- und Geburtsscheinen sowie Ehebescheinigungen vorhanden. Sogar ein ganzes Bündel längst abgelaufener Obligationen wurde aufgefunden.
Mehrmals gab es auch Spannungen zwischen Katholiken und Evangelischen. Letztere hatten in vielen Fällen das Recht, ihre Abdankungen in katholischen Kirchen abzuhalten. Als sie 1746 in Welfensberg am Karfreitag einen Verstorbenen beerdigen wollten, verweigerte ihnen der katholische Messpriester das Grabgeläute, da an einem Karfreitag in der katholischen Kirche nicht geläutet wird. Da schlugen die Angehörigen des Toten die Kirchentüren ein und läuteten selbst, begleitet von «Schänden und Schmähen» der «Catholiken». Ein Pfarrherr hatte den Ungehorsam eines 23-jährigen Burschen registriert. Dieser hatte sich nämlich beim Hausbesuch des Pfarrers geweigert, zu «bätten».
Ein Sittengericht wachte über das Leben der Gemeindeglieder. Verschiedentlich musste dieses unverheirateten Paaren, die «in Sünde lebten», bei Strafe befehlen, entweder zu heiraten oder sich zu trennen. Männer, die ein Mädchen geschwängert hatten, wurden verpflichtet, dieses zu heiraten. Das Gericht überwachte auch streng die Kleidung des Volkes, und besonders oft mussten junge Frauen verwarnt werden. Noch im 19. Jahrhundert herrschte in unserem Lande bittere Armut. Da musste die Gemeinde Schönholzerswilen öffentliche Speisungen der Armen organisieren. In einem grossen Masse gibt es Dokumente über Unterstützung armer Mitbürger. So musste einem «Armengenössigen» die ärztliche Behandlung bezahlt werden. Positiv ist vermerkt, dass es viele spendefreudige Reiche gab, die ihre armen Mitbürger finanziell unterstützten. So könne noch vieles über die verblichenen Generationen von Schönholzerswilen berichtet werden. Es ist sicher erfreulich, dass die Kirchgemeinde an einer fachmännischen Archivierung der Dokumente zu Gunsten der Nachwelt interessiert war und sich dies 12.000 Franken kosten liess.
Kontakt:
Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen
Kirchgemeindepräsidentin Erika Schlauri-Hugentobler
Hagenwilerstrasse 10
CH-8577 Schönholzerswilen
m.schlauri@bluewin.ch
Pfarrer Ruedi Bertschi
Pfarrhaus
CH-8577 Schönholzerswilen
Tel: 071 633 13 08
ruedi.claudia@bluewin.ch
Dipl.-Archivar Charles E. Stäheli
Ringstrasse 9
CH-8575 Bürglen TG
Telefon/Telefax: 071 633 18 03
chestarch@gmx.ch
Quelle: Thurgauer Zeitung, 2.3.2004