Hans-Joachim Hecker vom Münchner Stadtarchiv nimmt seit November 2003 Buch für Buch vom Stapel auf seinem Schreibtisch. Er blättert in Akten des Berliner Bundesarchivs, stöbert in Urkunden des Reichskolonialamts und arbeitet sich durch die Tabellen des Freiburger Militärarchivs. Bis Ende Februar will Hecker auf Grundlage dieses Materials ein Gutachten erstellen.
Das Gutachten hat die Stadt München in Auftrag gegeben. Sie will von dem Archivar Hecker wissen, ob sie Straßennamen ändern soll, die auf die deutsche Kolonialzeit zurückgehen. Weil manche Münchner das wollen, andere aber nicht, fliegen derzeit die Fetzen. Besonders in den Stadtteilen Trudering-Riem und Bogenhausen: Dort gibt es 28 Straßen, die an einschlägige Orte oder Personen aus der Zeit von 1884 bis 1918 erinnern. Während sich kaum jemand an der Samoa- oder Togostraße stört, sind die Ehrungen für Kolonialkrieger wie Lothar von Trotha oder Hans Dominik umstritten: Viele Quellen belegen deren Kriegsverbrechen.
Wahrscheinlich hat Hans-Joachim Hecker von den Herero gelesen. Den nomadischen Rinderzüchtern in Südwest-Afrika, dem heutigen Namibia. Ihnen schwatzten deutsche Händler seit 1885 fast ihr gesamtes Land ab – gegen Schnaps und alte Gewehre. Irgendwann fanden die Herero für ihre Rinder, die „Ozongombe“, kein Weideland mehr und kein Wasser. Als sich deutsche Siedler immer öfter an den Frauen des Stammes vergingen, erhoben sich 80.000 Herero im Januar 1904 gegen ihre Unterdrücker.
Am Ende des Jahres waren 60.000 Herero tot: niedergemäht von deutschen Maschinengewehren, verdurstet auf der Flucht in die Omaheke-Halbwüste, krepiert in den Gefangenenlagern der Kolonialherren. Einige Herero buddelten auf der Suche nach Wasser mit der bloßen Hand 15 bis 20 Meter tiefe Löcher in den heißen Sand. Um länger kämpfen zu können, saugten die Krieger die Milch aus den Brüsten ihrer Frauen.
Wie der Führer der 10.000 Mann starken deutschen Schutztruppe gegen die Aufständischen vorging, kann Archivar Hecker in einem Brief nachlesen: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen.“ Der Verfasser des so genannten Vernichtungsbefehls war Generalleutnant Lothar von Trotha.
Im Münchner Stadtteil Trudering-Riem gibt es bis heute eine „Von-Trotha-Straße“ – zum Unmut der Grünen. Stadtrat Siegfried Benker fordert, München „zu entkolonialisieren“. Der Stadt müsse bewusst werden, „dass wir bei Personen, die eindeutig als Kriegsverbrecher gelten, handeln müssen“.
Dass in Deutsch-Südwest Verbrechen begangen wurden, ist für den Geschichtsprofessor Andreas Eckert von der Universität Hamburg erwiesen. „Gerade Lothar von Trotha gehört eindeutig in die Kategorie bestimmter Nazi-Verbrecher“, sagt der Afrika-Experte. Der habe „sicher keinen Straßennamen verdient“. Genauso wenig wie Hans Dominik, der „Schlächter von Kamerun“. Den ehrt Bogenhausen mit einer Straße, derweil in der früheren Kolonie noch heute das geflügelte Wort „Du bist bösartig wie Dominik“ kursiert.
Doch darüber wird Hans-Joachim Hecker in der „Liste der amtlichen Namenserläuterungen“ nichts lesen. Stattdessen: „Hans Dominik, verdient um die Erforschung und Befriedung der ehem. Deutschen Kolonie Kamerun (1893-1910).“ Kein Wort davon, dass der Premierleutnant mit dem Ruf „Waidmannsheil“ auf Menschenjagd ging. Kein Wort davon, dass der Mann mit dem Schnauzer bei jeder Gelegenheit seine Nilpferdpeitsche auf Rücken niederzischen ließ. Auch kein Wort davon, dass sich Dominik nach einem Bajonettangriff seiner Leute ergötzte: „Ich habe die Bestie im Menschen entfesselt gesehen.“
Vielleicht wird Christiane Hacker reagieren, wenn sie das erfährt. Noch sagt die Vorsitzende des Bezirksausschusses Bogenhausen, die Bürger hätten „überhaupt keine Lust, ihre Adresse zu ändern“. Und: Man dürfe die Straßennamen „nicht nach heutigem Verständnis von political correctness überprüfen“. Dabei hat die SPD-Politikerin schon einmal gehandelt – vor vier Jahren. Damals änderte der Münchner Stadtrat auf ihren Rat hin den Namen der „Carl-Peters-Straße“. Peters hatte zur selben Zeit wie Hans Dominik Menschen gelyncht – in Deutsch-Ostafrika. Nun ziert die Forscherin Ida Pfeiffer das Straßenschild.
Für den Kollegen von Hacker in Trudering-Riem hat sich „das Thema von-Trotha-Straße erledigt“. Die heiße „schon seit zehn Jahren nur noch nach dem Geschlecht derer von Trotha“ und nicht nach Lothar, dem Verbrecher, beteuert Georg Kronawitter, der Vorsitzende des Bezirksausschusses. Dass sie noch immer die Waterbergstraße kreuzt – benannt nach dem Ort der Entscheidungsschlacht zwischen Deutschen und Herero im August 1904 -, das sagt der CSU-Mann nicht. Je nach Wertung des Gutachtens will er „über den einen oder anderen Fall“ noch mal nachdenken. Denn bei manchen Taten sei „die Schmerzgrenze erreicht“.
Die ist für die Herero in Namibia längst überschritten. Der Stamm, der heute mit 122.000 Menschen nur rund sieben Prozent der Bevölkerung stellt, will die Geschichte nicht auf sich beruhen lassen. Gegen den Willen der Regierungsmehrheit der Ovambo, die Deutschland als Entwicklungshelfer nicht vor den Kopf stoßen will, kämpfen die Herero hundert Jahre nach ihrem Aufstand erneut – diesmal um eine Entschädigung. Ihr Oberhäuptling Riruako sagt: „Die Deutschen haben sich mit dem Holocaust an Juden, Sinti und Roma beschäftigt, nun werden sie sich mit dem Genozid an den Herero auseinander setzen müssen.“ – Wie der Münchner Archivar Hans-Joachim Hecker.
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Quelle: Merkur Online, 21.2.2004
Schneller Zugriff auf Wormser Bestandsdaten
Das Stadtarchiv Worms, auf dessen umfangreiche Fotosammlung erst dieser Tage hingewiesen wurde, kann seinen Nutzern und allen Interessierten dank des Internets einen wesentlich verbesserten Zugang zu seinen Bestandsdaten anbieten und sich auch besser präsentieren.
Auf der Homepage unter www.stadtarchiv-worms.de findet sich unter der Rubrik „Bestände“ seit kurzem eine Datenbank mit dem kompletten Text der bereits im Jahre 1998 als Buch veröffentlichten Beständeübersicht einschließlich Suchmöglichkeiten und weiteren Informationen zu bestimmten Beständen.
Das Stadtarchiv verspricht sich von diesem im Vergleich zu anderen Kommunalarchiven sehr komfortablen Angebot eine weltweit bessere Kenntnis über all die Unterlagen. Insbesondere Interessierte von auswärts sowie wissenschaftliche Nutzer aber auch Heimatforscher werden den vielfältigen Nutzen der Übersicht zu schätzen wissen.
Eine umfassende Aktualisierung der Daten auf den derzeitigen Verzeichnungs- und Erschließungsstand wird zurzeit vorbereitet. Zusätzlich zu den Hauptdaten sind von einigen wichtigen Beständen Findmittel hinterlegt, die eine Recherche im Detail ermöglichen. Hier sollen nach und nach weitere Daten zu erschlossenen Archivbeständen eingestellt werden. Durchgeführt hat die Arbeiten zur Erstellung der Datenbank die Wormser Studentin Dorothea Spille im Rahmen ihres Praxissemesters an der Fachhochschule Worms.
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Quelle: Wormser Zeitung, 21.2.2004
Vatikan-Archive wegen Personalmangels oft geschlossen
Der Vatikan hält nach Ansicht des römischen Historikers Peter Godman seine Geheimarchive nicht nur aus Heimlichtuerei verschlossen. Vielmehr fehle es der römischen Kurie schlichtweg an Personal, sagte der gebürtige Neuseeländer bei der Vorstellung seines neuen Buches «Der Vatikan und Hitler – Die geheimen Archive» in Berlin. Die Archive seien an Werktagen lediglich von 08.30 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet – zu kurz für eingehende wissenschaftliche Arbeit.
Der einflussreiche Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, beispielsweise habe als langjähriger Wissenschaftler durchaus das Bedürfnis, bisher unbekannte Dokumente zugänglich zu machen. Allerdings werde es noch sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, die Archive auch nur zu ordnen, sagte Godman, der als einer der ersten in die Geheimarchive Einsicht nehmen durfte.
Godman, der auch in Tübingen lehrte, arbeitet in seinem Buch heraus, dass Papst Pius XII. (Amtszeit 1939-1958) zwar Opportunist, aber kein Antisemit gewesen sei. Pius, der lange auch als Nuntius in Berlin lebte und die Nazis von Anfang an kannte, habe Sympathien für die Deutschen und deren Kultur gehabt, nicht aber für die Nazis.
Der Vatikan und auch Pius hätten im Kommunismus die größte Gefahr gesehen und daher Arrangements mit Faschismus und Nationalsozialismus betrieben. Aus diesem Opportunismus heraus sei die «Politik des Schweigens» entstanden. Dieser Papst habe «einen gewissen Mut gehabt, aber nur hinter den Kulissen, nicht in der Öffentlichkeit». meinte Godman. Er beschreibt Pius XII., der mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli hieß, als hoch intelligenten Mann und sehr fleißigen Arbeiter – «er stand um 06.00 Uhr auf und ging um 02.00 Uhr schlafen». Aber er habe «keine Fantasie, keine Originalität, keine Visionen» gehabt.
Link:
Vatikanisches Geheimarchiv
Quelle: Lausitzer Rundschau, 21.2.2004
Kulinarisches Inventar der Schweiz
Typische Schweizer Produkte wie Sauerkraut oder Bündnerfleisch sollen inventarisiert werden. Falls die Liste der kulinarischen Spezialitäten nicht schon vor dem Entstehen dem Rotstift der Kantone weichen muss. Das kulinarische Inventar soll mehr als nur eine Sammlung von Schweizer Kochrezepten werden: So sollen Angaben zu Produkten, deren Herstellung und Genuss, sowie deren Geschichte gemacht werden, berichtete der LID-Mediendienst vergangene Woche.
Die Initiatoren erhoffen sich so, dass Schweizer Spezialitäten bei Produzenten und Konsumenten im Bewusstsein geweckt und der Verkauf gefördert werden. Das Inventar könne aber auch zu wissenschaftlichen Arbeiten verwendet werden. Die Vorarbeit für ein solches Archiv existiert bereits. Nach einem Postulat an das Parlament hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) im Jahr 2001 ein Pilotprojekt lanciert und inzwischen 50 vollständige Produktbeschreibungen aufgenommen.
Was jetzt noch fehlt, ist das Geld. Das BLW hat zwar 0,75 Mio. Franken für das Projekt gesprochen. Budgetiert sind aber 2,1 Mio., die jetzt von den Kantonen kommen müssten. Gerade grosse Kantone sehen bei den leeren Kassen keine Möglichkeiten Geld dafür aufzutreiben.
Anfang dieses Jahres wurde der Verein Kulinarisches Erbe der Schweiz gegründet. Dieser will das Projekt vorantreiben und weiter mit den Kantonen verhandeln sowie auf Sponsorensuche gehen. In der Schweiz werden bereits verschiedene Kulturgüter von Ortsbilder über Landschaften und Naturdenkmäler inventarisiert. Aus Frankreich stammt nun die Idee, auch kulinarisches Erbe als Kulturgut zu sehen.
Quelle: Basler Zeitung, 20.2.2004
Firmenarchiv Brauerei Schopen ans StA Bedburg
Jeder, der vor gut 50 Jahren an einem Bedburger Tresen Platz nahm und ein Bier bestellte, verriet schon damit eine Menge über sich. Sofort wusste der Wirt, ob sein Gast im Süden oder im Norden der Stadt zu Hause war. Das behauptet jedenfalls einer, der es wissen muss: Peter Schopen, Firmeninhaber der ehemaligen Bedburger Brauerei Schopen, erinnert sich noch genau, was damals von wem getrunken wurde und warum. „Der Altbier-Äquator lief mitten durch Kaster. Wer näher an Düsseldorf wohnte, bestellte Alt, wer näher an Köln war, Pils. Kölsch spielte zu der Zeit keine Rolle“, erzählt Schopen amüsiert.
Im alten Keller der Kirchhertener Brauerei übergab er jetzt das Firmenarchiv des 1839 gegründeten Familienunternehmens „Brauerei Schopen“ in Form von Rechnungs- und Lohnbüchern, Mappen, Schriftwechseln, Bauplänen und Zeichnungen, die teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammen, an Bürgermeister Willy Harren. Schon bald sollen die Dokumente im Stadtarchiv Bedburg zu sehen sein.
„Wir haben keine Nachkommen, die unsere Brauerei weiterführen und deshalb Interesse an den alten Schriftstücken haben könnten“, erläutern Peter Schopen und seine Frau Sieglinde ihren Entschluss. Den Stadt-Archivar Uwe Depcik freut's: „Die Unterlagen dokumentieren nicht nur die Unternehmensgeschichte, sondern verraten auch viel über die Region. Außerdem ist es das einzige komplett erhaltene Bedburger Firmenarchiv und deshalb für uns sehr wertvoll.“
Schwer falle es ihnen nicht, die kostbaren Dokumente aus der Hand zu geben, beteuerten die Eheleute. „Im Archiv sind sie gut aufgehoben, wir freuen uns.“ Nicht ganz so einfach mag den beiden das Ausschenken des „fast letzten“ Schopen-Pils aus der Flasche gefallen sein, das sie gestern mit Harren und Stadtkämmerer Gunnar Koerdt teilten. Nur noch in Fässern, nicht aber in Flaschen gebe es Schopen-Pils zu kaufen, ließ Schopen wissen. „Ein paar Kästen“ habe er noch im Keller, verriet er. „Aber wenn die leer sind, ist Schluss.“
Kontakt:
Stadtarchiv Bedburg
Rathaus Kaster
Am Rathaus 1
50181 Bedburg
Tel.: (02272) 402-105
Fax: (02272) 402-149
Ansprechpartner: Uwe Depcik
E-Mail: u.depcik@bedburg.de
Quelle: Kölnische Rundschau, 20.2.2004
Dokumente zur Geschichte des Deutschen Frauenrings
Drei Umzugskartons prallvoll mit Unterlagen hat der Deutsche Frauenring in Braunschweig jetzt dem Frauenarchiv übergeben: Protokolle, Briefe, Fotos, Satzungen, Veranstaltungsprogramme und mehr. Die gesamte schriftliche Historie eines Vereins, der seit mehr als 50 Jahren politische und soziale Frauenarbeit in Braunschweig leistet.
„Ein wunderbarer Schatz“, urteilt Lena Kreie, die seit Juli vergangenen Jahres vom Frauenarchiv beauftragt ist, historisches Material zur Geschichte Braunschweiger Frauen zu sammeln und zu sichten. „Wir würden uns freuen, wenn unsere Unterlagen das Interesse von Geschichtsforschern wecken könnten. Sicherlich lässt sich an unserer Vereinsgeschichte exemplarisch die Entwicklung eines Frauenvereins von der Nachkriegszeit bis heute aufzeigen“, meint Marlene Ruschmeier, Vorsitzende des Ortsrings.
Die Kartons des Frauenrings sind die erste geschlossene Sammlung, die das Frauenarchiv in die Hände bekommt. Bislang hatten sich nur einzelne Braunschweigerinnen vom Aufruf des Frauenarchivs angesprochen gefühlt. „Wir haben die Hoffnung, dass das andere Frauenvereine anspornt, sich ebenfalls von ihren Dokumenten zu trennen. Schließlich sind sie nicht verloren, denn über das Stadtarchiv ist ein Zugriff jederzeit möglich“, betont Lena Kreie.
Seit Anfang des Jahres sitzt dort Olaf Piontek, im Auftrag des Frauenarchivs mit der Erfassung der Dokumente betraut. Er wird die Daten zur Sammlung des Frauenrings bald ins Computersystem des Stadtarchivs einspeisen. „Von Seiten der Technischen Universität gibt es bereits Anfragen, da sich das Material für Magister- und Doktorarbeiten anbietet“, freut sich Dr. Christa Karras, Vorsitzende des Frauenarchivs.
Die Braunschweiger Ortsgruppe des Frauenrings wurde 1946 gegründet. Die Initiative ging von Martha Fuchs aus, damals Ministerin für Wissenschaft und Volksbildung, später die erste und bisher einzige Oberbürgermeisterin der Stadt Braunschweig. Die erste Sichtung des Materials – über Jahrzehnte sorgsam gehütet von der heute 89-jährigen Erika Obermann – hat bereits spannende Einblicke in die Nachkriegszeit offenbart. „In den Unterlagen finden sich aus dieser Zeit interessante Hinweise, wie denn ein solcher Stadtfrauenverein einzurichten und zu führen sei“, berichtet Lena Kreie. Sie seien den Frauen damals von der britischen Militärtverwaltung an die Hand gegeben worden, „da man wohl der Überzeugung war, dass diese ein wenig Nachhilfe in der Organisation demokratischer Frauenvereine gebrauchen könnten“. Ziel sei es gewesen, „die Erziehung der Frauen zu steigern, um es ihnen als Bürger möglich zu machen, ihren Beitrag zum allgemeinen Wohle zu leisten“.
So ein Stadtfrauenverein sollte selbstverständlich unparteilich sein und keiner Sekte angehören. „Neben diesen hochgesteckten Zielen“, so Lena Kreie, „gab es auch ganz praktische Hinweise für die Arbeit.“ Bei jeder Zusammenkunft sollte zum Beispiel eine halbe Stunde der Unterhaltung vorbehalten sein, bei der die Mitglieder an Teetischen so verteilt werden sollten, dass sie sich untereinander besser kennen lernen konnten. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass entscheidend immer der Mehrheitsbeschluss sei. Die Ideen der britischen Besatzung prägten auch die Satzung des Niedersächsischen Frauenrings, der folgende Ziele festschrieb: Heranbildung der Frau zur Staatsbürgerin und stärkere Einschaltung in das öffentliche und soziale Leben, kameradschaftliche Zusammenarbeit von Mann und Frau unter gleicher rechtlicher Stellung und gleicher Wertung ihrer Arbeit, Pflege eines gesunden Familienlebens und des Gefühls für menschliche Würde, Verwirklichung eines dauernden Friedens sowie Gedankenaustausch und Verbindung mit den Frauen des Auslands.
Über die Jahre hat der Frauenring die Frauengeschichte Braunschweigs durch Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen entscheidend mitgeprägt. Olaf Piontek wird also eine Menge zu tun bekommen. Bis Mitte 2005 wird er im Archiv arbeiten. Finanziert werden seine und Lena Kreies Arbeitsstunden von der Stiftung Nord/LB-Öffentliche. „Ohne deren Förderung wäre diese Arbeit nicht möglich“, dankt Vorsitzende Karras den Geldgebern des Projekts.
Kontakt:
FrauenArchiv Braunschweig
Petritorwall 3
38114 Braunschweig
Telefon und Fax: 0531 / 1 89 57
info@frauenarchiv.de
www.frauenarchiv.de
Deutscher Frauenring e.V.
Vorsitzende: Renate Schulze
Honrothstraße 21
38118 Braunschweig
Telefon (0531) 50 08 72
Quelle: Braunschweiger Zeitung, 19.2.2004
Stiftung Sächsische Gedenkstätten erhält Einsicht in ukrainische Archive
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten kann künftig in ukrainischen Archiven zu Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges forschen. Die Einrichtung (Link) unterzeichnete am Donnerstag in Berlin eine Rahmenvereinbarung mit dem staatlichen Archivkomitee der Ukraine, die die Erschließung von historischen Dokumenten zu Kriegsgefangenen beider Nationen regelt, wie das Bundesinnenministerium in Berlin mitteilte.
Ziel des Projekts sei es, Schicksale von deutschen und sowjetischen Gefangenen anhand von nun zugänglichen Akten aufzuklären und die Umstände der Gefangenschaft zu untersuchen. Ähnliche Abkommen gibt es den Angaben zufolge bereits mit Russland und Weißrussland.
Kontakt:
Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dülferstraße 1
01069 Dresden
Tel. +49 351 4695540
Fax. +49 351 4695541
E-Mail. info@stsg.smwk.sachsen.de
http://www.stsg.de/
Quelle: Freie Presse Online, 19.2.2004
Geschichte der Flüchtlinge in St. Gallen 1933-1945
2.000 bis 3.000 Flüchtlingen hat der ehemalige St. Galler Polizeikommandant Paul Grüninger illegal über die Grenze verholfen. Das hat ihn seine Arbeit gekostet. Erst viel später – in den 90er-Jahren – hat Grüninger Rehabilitierung erfahren. Die «Grüninger-Flüchtlinge» sind längst nicht alle Frauen und Männer, die in den Jahren 1933 bis 1945 über die Grenze in die Schweiz und den Kanton St. Gallen gelangten – illegal auch sie. «Der Kanton St. Gallen hat mehr als 10.000 Flüchtlinge aufgenommen», sagt Jörg Krummenacher.
Der Journalist recherchiert seit zwei Jahren zur St. Galler Flüchtlingsgeschichte. In seinem Büro stapeln sich Flüchtlingslisten aus dem St. Galler Staatsarchiv (Flüchtlingsakten, Akten der Politischen Polizei), dem Bundesarchiv, den Archiven für Zeitgeschichte in Zürich und München sowie weiteren Archiven. «Vermutlich», so Krummenacher, «hielten sich nochmals einige tausend Flüchtlinge versteckt im Kanton auf. Sie sind auf keiner offiziellen Liste zu finden.» Die Flüchtlinge lebten im ganzen Kanton, gut 3.000 allein in der Stadt St. Gallen. «Im Linsebüel-Quartier gab es kaum ein Haus, in dem keine Flüchtlinge wohnten», sagt Krummenacher. Und: Der «Walfisch» – heute eine Unterkunft für Asylsuchende – war bereits damals eine Flüchtlingsstätte.
Wie viele Flüchtlinge hat der Kanton St. Gallen ab- oder ausgewiesen? Beim Aktenstudium ist Krummenacher bisher auf «einige Dutzend» Rückweisungen durch st. gallische Behörden gestossen. Gut 200 Fälle dürften dokumentiert sein. «Eine Schätzung», sagt der St. Galler Journalist, «die tatsächliche Zahl von Rückweisungen und Ausschaffungen war um ein Mehrfaches höher.» Er geht von «mehreren hundert ausgeschafften und mehreren tausend abgewiesenen Flüchtlingen» aus. Bei seinen Recherchen ist Krummenacher ein brisantes Papier in die Hände gekommen: Ein Brief von Heinrich Rothmund, Chef der Polizeiabteilung des EJPD, an den St. Galler Regierungsrat Valentin Keel, datiert vom 25. März 1939. Rothmund, Bürger von St. Gallen, hält darin fest, dass es nicht möglich sei, die Immigranten, die dank Hauptmann Grüninger oder auch dank Valentin Keel einreisen konnten, wieder auszuschaffen. «Es hat keinen Zweck, solche Leute auszuschaffen und damit dem sicheren Untergang preiszugeben.» Trotzdem haben die St. Galler Behörden in den Monaten nach diesem Brief mehrere Flüchtlinge ausgeschafft. Warum? «Die Ausweisungen erfolgten, nur so kann ich den Brief Rothmunds interpretieren, willkürlich und gegen den ausdrücklichen Willen des Bundes – zumindest zu jenem Zeitpunkt», sagt Krummenacher. In seinem Buch zur St. Galler Flüchlingsgeschichte – es wird Ende 2004/Anfang 2005 erscheinen – zeichnet er den Fall einer Familie nach, die drei Tage vor Erhalt der Ausreisepapiere ausgeschafft, später von den Nazis deportiert und im Konzentrationslager getötet wurde.
Den Brief von Rothmund hat Krummenacher von einem damaligen Flüchtling erhalten. Insgesamt hat er mit 60 Zeitzeugen Gespräche geführt. «Nur dank dieser Begegnungen und Erzählungen ist es einigermassen möglich, die Vorgänge jener Zeit zu rekonstruieren. Würde dies ausschliesslich mit Hilfe von Aktendossiers erfolgen, entstünde ein verfälschtes Bild», ist er überzeugt. Die Zeitzeugen – die meisten waren zu jener Zeit Kinder oder junge Erwachsene – seien in ihren Schilderungen inhaltlich äusserst korrekt, in ihren Erinnerungen überraschend genau. «Fehlerhaft sind sie bei der Nennung von Daten.» Bei der zeitlichen Einordnung ihrer Geschichten stützt sich Krummenacher deshalb auf Akten und Fakten. «Umgekehrt», hat er die Erfahrung gemacht, «ist es ein Irrglaube, Aktenmaterial sei immer fehlerfrei.» Bei seinen Nachforschungen sei er häufig auf Widersprüche gestossen, die sich nur dank Vergleichen unterschiedlicher Quellen hätten klären lassen. Oder sonst eben als Widersprüche stehen blieben – auch im Buch.
Für die «Erstellung eines druckfertigenManuskripts» hat Jörg Krummenacher vom Kanton Geld erhalten: 14 0000 Franken aus dem Lotteriefonds. Seit bald zwei Jahren arbeitet der Journalist die Flüchtlingsgeschichte des Kantons St. Gallen 1920 bis 1950 auf. Das Buch wird Ende 2004/Anfang 2005 im Limmat-Verlag erscheinen.
Quelle: Tagblatt (Schweiz), 19.2.2004
Kerpener Burg 1689 von Kerpener Bürgern zerstört
Die stolze Burg Kerpen brennt. Am 21. April 1689 geben die Franzosen die Festung auf, die sie bei einem der Feldzüge Ludwigs XIV. erobert hatten. Sie legen Feuer, sprengen den Hauptturm und flüchten dann vor herannahenden feindlichen Truppen. Nur ein Turm und der daran angebaute Trakt bleiben heil.
Offenbar geben die Kerpener selbst ihrer Burg den Rest. Die Archivarin Maria Rößner-Richarz, die für den Verein „Heimatfreunde der Stadt Kerpen“ die Kerpener Gerichtsakten verzeichnet, stieß auf Protokolle aus dem Jahr 1697, in denen Zeugen von Plünderungen der Kerpener nach dem Abzug der Franzosen berichten. Ihr Fazit: „Diese letzte Zerstörung der Kerpener Burg ist mit ziemlicher Sicherheit das Werk der Kerpener Bürger selbst gewesen.“
In den neuen Kerpener Heimatblättern gibt die Bonnerin ihre Entdeckung wieder. Als Rädelsführer werden vor allem die beiden Kerpener Bürgermeister Otto Voiß und Heinrich Wirths in der Zeugenanhörung belastet. Voiß soll die Kerpener ermutigt haben: „Wer get nimbs, der get hatt“ – Wer es nimmt, der hat's.
Zwei Wochen lang sollen mehrere hundert Kerpener die Burg geplündert haben. Sie schafften alles Eisenwerk wie die Brunnenketten, Holz von den Zugbrücken und Steine weg. In der Kommandeurswohnung legte offenbar Voiß selbst Feuer. Er soll auch den eisernen Wimpel vom Turm geholt und Steine für seinen Brunnen abgefahren haben. Wirths und Voiß jedoch leugnen jede Beteiligung.
Rößner-Richarz vermutet, dass der damalige Verwalter der Burg, Johann Jacob von Tondi, die Kerpener denunziert hatte, weil er auf Schadenersatz hoffte. Ihrer Meinung nach lassen sich die Aussagen ganz unterschiedlich interpretieren: „Waren die Kerpener damals nur ein marodierender Haufen, der, mit dem Bürgermeister an der Spitze, aus Habgier die Burg zerstörte? Ergriffen Sie die Gelegenheit, um gegen ihre Herren aufzustehen?“
Info:
Die Kerpener Heimatblätter sind zum Preis von 3,50 Euro im Haus für Kunst und Geschichte erhältlich. In der aktuellen Ausgabe berichtet zudem Gerd Friedt über zwei jüdische Familien, die im 19. Jahrhundert in die USA und nach Kanada auswanderten, und Fritz Hemmersbach setzt die Dokumentation der Chronik der Pfarre St. Martinus 1933 bis 1960 fort.
Kontakt:
Haus für Kunst und Geschichte
Stiftsstraße 8
D-50171 Kerpen
Tel: 02237/58-0, 922170
Fax: 02237/58-102
Quelle: Kölnische Rundschau, 19.2.2004
Mehr als 300.000 Fotos im Stadtarchiv Worms
In der Fotoabteilung des Stadtarchivs Worms schlummert ein wahrer Schatz an Zeitdokumenten in Bildform. Über 300000 Fotos, Negative und Dias dokumentieren Leben, Menschen, Ereignisse und Architektur der Nibelungenstadt im Spiegel der Zeit.
Das Bildmaterial reicht vom späten 19. Jahrhundert über die NS-Zeit bis hin zur aktuellen Gegenwart. Und es spiegelt auch damit die Entwicklung der Fotografie wider, die mit der schwierigen Belichtung großdimensionaler Glasplatten begann, sich über die Schwarzweiß-Fotografie auf Zelluloid in Kleinbild- und Mittelformaten fortsetzte und sich heute schließlich der modernen digitalen Chiptechnik bedient. Der Technik hat sich die Fotoabteilung im Stadtarchiv nie verschlossen. So verfügt man dort bereits über mehr als 6.000 Digitalaufnahmen von Worms und Umgebung.
Mit der Kamera „bewaffnet“ oder bei getöntem Licht in der Dunkelkammer; die Mitarbeiterinnen der Fotoabteilung sorgen dafür, dass die wichtigen Ereignisse in Worms im Bild für uns und die Nachwelt erhalten bleiben. Ob Empfänge im Rathaus oder anderswo, sportliche Begegnungen auf offizieller Ebene, kulturelle oder künstlerische Events, Feste und größere Bauprojekte: die Fotoabteilung des Archivs ist vor Ort mit der Kamera dabei.
Im Bestand finden sich Bilddokumente von Festen wie dem Wormser Backfischfest ebenso wie Jubiläen und Besuche hoher Staatsgäste. Das Stadtarchiv mit seinem eigenen Fotolabor arbeitet eng mit der städtischen Pressestelle, aber auch mit verschiedenen Verlagen, Agenturen und Universitäten im In- und Ausland zusammen. Dort werden aber auch Dienstleistungen für Ämter der Stadtverwaltung erbracht, wie zum Beispiel die Entwicklung von Radarfilmen. Auch den Wormser Bürgerinnen und Bürgern stehen die unzähligen Zeitdokumente in Bildform zum günstigen Preis zur Verfügung. Und womöglich findet sich auf dem ein oder anderen Foto der Vergangenheit so mancher Bürger oder dessen Vorfahren wieder.
Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Telefon: 0 62 41/8 53-47 00 o. 47 06
Telefax: 0 62 41/8 53-47 10
stadtarchiv@worms.de
www.stadtarchiv-worms.de
Quelle: Wormser Zeitung, 19.2.2004