NS-Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie

In Berlin verteilten sich, für jedermann sichtbar, während des Zweiten Weltkrieges rund 1.000 Zwangsarbeiter-Barackenlager über die gesamte Stadt. In den letzten Kriegsjahren arbeitete in der Reichshauptstadt jeder Fünfte unter Zwang. Zeitzeugen berichten, dass die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in diesen Jahren das Stadtbild prägten.

Die Berliner Bevölkerung hat dies aus ihrer Wahrnehmung „bewusst ausgeblendet und die zwangsweise Arbeit Leistenden nach 1945 totgeschwiegen“. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie“, die im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall entstand und diese Woche vorgestellt wurde.

„Die Ausbeutung der Zwangsarbeiter wurde in den Betrieben sorgfältig organisiert“, erklärt der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Arno Hager, das Interesse seiner Gewerkschaft am Thema. An der Basis scheint das noch nicht richtig angekommen zu sein: Bei der Suche nach Zeitzeugen und Informationen habe sie einen Aufruf in die Mitgliederzeitung der IG Metall gesetzt, jedoch keine Antwort erhalten, so die Autorin, die Soziologin Tanja von Fransecky.

Noch immer ist es der Forschung nicht gelungen, eine vollständige Liste der Firmen zu erstellen, die von der Zwangsarbeit profitierten. In Berlin als wichtigem NS-Rüstungsstandort stimme sie vermutlich weitgehend mit dem damaligen Branchenbuch der Metallindustrie überein, so Fransecky. Insgesamt arbeiteten eine halbe Million Zwangsarbeiter in der Stadt. Die Autorin zeigt in ihrer Arbeit, dass die Berliner Betriebe nicht nur von der Leistung der Zwangsarbeiter profitierten, sondern auch für deren menschenunwürdige Lebensverhältnisse mitverantwortlich waren. Neben der Deutschen Arbeitsfront betrieben auch die großen Firmen eigene Barackenlager. Von ihren kargen Löhnen mussten die Zwangsarbeiter ihre Unterkunft und Verpflegung bezahlen. An die Auflage, die „Ausländer“ voll zu verpflegen, hielten sich die Firmen dennoch nur selten. Zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen trug kaum eine Betriebsleitung von sich aus bei, wie Fransecky herausfand.

Auch bei der Disziplinierung der Zwangsbeschäftigten nahmen die Betriebe eine aktive Rolle ein. Siemens übergab jährlich 300 bis 400 auffällig gewordene Arbeiter der Gestapo. Intern konnten die Betriebe ihre Beschäftigten weitgehend eigenmächtig bestrafen. Die Firma Ehrich und Graetz AG in Treptow etwa sperrte Zwangsarbeiter drei Tage in Dunkelheit ohne Schlafgelegenheit bei Wasser und Brot ein. Jeder Betrieb beschäftigte einen „Abwehrabgeordneten“, der der Gestapo gegenüber verantwortlich war. Bei Fluchtversuchen russischer Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen galt der Befehl, sofort zu schießen.

Mit der Studie ist Fransecky ein Überblick über dieses unmenschliche Kapitel der Berliner Stadtgeschichte gelungen. Das ursprüngliche Ziel der Untersuchung, den Alltag von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den Berliner Metallbetrieben zu erforschen, hat sie allerdings nicht erreicht: Dazu fehlten der Autorin die Aussagen von Zeitzeugen.

Info:
Vortrag und Diskussion „Zwangsarbeit in der Berliner Metall- und Elektroindustrie – Ergebnisse einer Studie der Otto Brenner Stiftung“ am 25. Februar 2004 (pdf-Datei)

Quelle: taz Berlin, Nr. 7295, 27.2.2004

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