In einem Kommentar zu den Ermittlungen zu den sog. „Bundeslöschtagen“ spricht FAZ-Redakteur Rainer Blasius in seiner Zeitung von einer „Blamage“ für die Sonderermittler der Bundesregierung und bezeichnet deren Tätigkeit – obwohl ja immer noch Originalakten fehlen – als „eine schmutzige Kampagne gegen Kohl und seine Mitarbeiter“:
„Die Jagd auf angebliche Datenlöscher und Aktenvernichter im Ministerialbeamtenrang ist zu Ende. Vor genau vier Jahren hatte Kanzleramtschef Steinmeier den 'Sonderermittler' Hirsch (FDP) berufen. Im Juni 2000 war der in seinem Abschlußbericht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Datenbestand im IT-Netz des Kanzleramtes kurz vor der Regierungsübergabe 1998 'zu zwei Dritteln zentral und heimlich gelöscht worden' sei. Viele frohlockten über die entdeckten angeblichen „Bundeslöschtage“ am Ende der Ära Kohl. Sie wurden sogar als flankierende Maßnahme zu einer Unterschlagung von Regierungsschriftgut hingestellt.
Den Hirsch-Bericht nahm Steinmeier zum Anlaß, gegen einen früheren Abteilungsleiter im Kanzleramt und einen Referatsleiter Strafanzeige wegen des Verdachts der Datenveränderung zu stellen. Dreimal folgten die erfahrenen Bonner Berufsermittler dem Hobbyermittler Hirsch nicht: Im Januar 2001, im März 2003 und im Oktober 2003 wollten die Staatsanwälte – die selbst öffentlich und wiederholt als 'faul', 'untertänig' und 'kohlhörig' beschimpft wurden – das Verfahren einstellen. Zweimal setzten sie ihre Arbeit auf Wunsch des Kanzleramtes und der vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft fort. Aber die Dauer ihrer Recherchen änderte nichts an dem Befund: Die Vorwürfe erwiesen sich als unhaltbar.
Trotzdem weigerte sich die Regierungszentrale unter Steinmeiers Leitung, daraus frühzeitig Konsequenzen zu ziehen. Statt der Fürsorgepflicht nachzukommen, setzte er über Jahre die unter Verdacht gestellten Beamten und deren Familien einem Spießrutenlauf aus. Im vergangenen Oktober äußerte sich Steinmeier sibyllinisch, aber der Generalstaatsanwalt, ein politischer Beamter und SPD-Mitglied, verstand ihn sofort und wertete die letzte Reaktion als Fachaufsichtsbeschwerde – obwohl er in Köln doch minutiös über die Tätigkeit seiner Bonner Ermittler informiert war, die in Verfahren von herausragender Bedeutung einer ständigen Berichtspflicht ihm gegenüber unterliegen. So konnte die Blamage für Hirsch und Steinmeier um weitere vier Monate verzögert werden. Obschon in unserer Zeit das Wort Skandal überstrapaziert wird, muß festgehalten werden, daß es sich hier um nichts anderes als um eine schmutzige Kampagne gegen Kohl und seine Mitarbeiter gehandelt hat.“
Quelle: FAZ, 14.2.2004, Nr. 38, S. 1