Nach zwei Jahren Vorbereitungszeit macht Dr. Volker Kahmen jetzt Führungen durch sein Kunst- und Literaturinstitut im Rosa Haus auf der Insel Hombroich. „Mein höchstes Gut war und ist, frei zu bleiben.“ Deswegen nur kurzeitige Bindungen an Arbeitgeber, an Verlage oder Kunstsammler, die sich von ihm gerne beraten ließen, aber seinen Lohn nicht in Mark und Pfennig, sondern in Bildern, Büchern oder Handschriften leisteten.
Bilder von René Magritte und Bruno Goller, Arbeiten von Gotthard Graubner, Erstausgaben von Goethe-Werken, Handschriften von Kafka, Lessing oder Rimbaud, Fotoarbeiten des Ehepaars Bernd und Hilla Becher und von Gisèle Freund, Radierungen, die höchstens noch ein zweites Mal auf der Welt existieren, Zeichnungen von Alberto Giacometti, ein umfangreiches Konvolut zum Schaffen von Else Lasker-Schüler – in Jahrzehnten hat der Literatur- und Kunstwissenschaftler Dr. Volker Kahmen ein Archiv herangebildet, dass selbst Leiter renommierter Institute und Archive staunen lässt.
Den größten Teil seines Bestandes hat er in eine Stiftung eingebracht, die ihren Platz im Rosa Haus auf der Insel Hombroich hat. Seit gut zwei Jahren richtet Kahmen das 1816 gebaute Haus als Kunst- und Literaturarchiv ein, „und ich werde wohl noch zehn weitere Jahre brauchen“, sagt er lächelnd. Nicht weil seine Arbeit etwa stockend voran ginge, sondern weil das Haus genauso wie seine Sammlung ständig in Bewegung bleiben soll.
Für Kahmen liegt die Funktion des Instituts nicht darin, in Vitrinen zu zeigen, was er besitzt, sondern er will für die „Augen der Besucher sichtbar machen, was in meinen Kopf steckt“. Und das sind vor allem Beziehungen. Zwischen Buchtiteln und Zeiterscheinungen, zwischen Schriftstellern und Bildenden Künstlern, zwischen Gemeinsamkeiten und Gegensätzen; zwischen Orten und Ereignissen.
Konkret sieht das es dann so aus, dass eine Giacometti-Zeichnung des Schriftstellers Arthur Rimbaud zu einer Erstausgabe von dessen „Trunkenem Schiff“ und weiter zu Guiseppe Ungaretti und dessen Übersetzern Paul Celan und Ingeborg Bachmann führt – und den Betrachter schließlich bei einer Handschrift von Martin Heidegger landen lässt, die Celan gewidmet ist, und dessen Arbeit wiederum das Thema von Ingeborg Bachmanns Promotion war … „Ich habe das Gespür dafür, weil ich darin lebe“, sagt Kahmen fast ein wenig hilflos – und kein anderer Satz könnte seine Verbundenheit mit der Sammlung besser ausdrücken als dieser.
„Das Sammeln ist einfach ganz tief in mir verwurzelt“, sagt er nachdenklich. Nicht, weil er etwas besitzen wollte, sondern weil ihn die Neugier trieb, der Sinn für Besonderes. Und sein „gutes Auge“, das er wohl schon als junger Kunst- und Literaturwissenschaftler gehabt haben muss, denn wenn er damals noch unbekannten, heute berühmten Künstlern die Kataloge formulierte, sucht er sich etwas von deren Werken aus. „Ich habe nie Geld genommen“, betont er und weiß dabei auch ganz genau, wie wichtig für ihn und seine Sammlung die vielen guten persönlichen Beziehungen zu Künstlern waren und sind.
Doch bei aller Begeisterung für seine Arbeit (die sich in jeder Minute seiner Führung ausdrückt) – Kahmen sieht sich eher als einen nüchternen Sammler. „Vielleicht liegt es daran, dass meine Eltern Naturwissenschaftler waren, und man von mir als Kind auch glaubte, ich werde einmal einer“, sagt er lächelnd. Immerhin hat der kleine Volker Bernstein, Mineralien und Versteinerungen gesammelt – und auch aufbewahrt, so dass jetzt einige Stücke daraus jetzt Goethes literarisch-naturwissenschaftlichen Ausflüge wunderbar ergänzen.
Die Vitrinen dafür hat ihm ein guter Freund gebaut, wie überhaupt die Renovierung des Rosa Haus ausschließlich mit Hilfe seines Freundeskreises bewältigt wurde, wobei sehr viel Wert auf Sorgfalt und Detailarbeit gelegt wurde. So respekt- und liebevoll, wie Kahmen mit seiner eigenen Sammlung umgeht, hat er sich auch dem Rosa Haus genähert; seine Schön- und Eigenarten behutsam hervorgekehrt und damit Gebäude und Inhalt zu einer harmonischen Einheit verbunden. Wer das neue Kunst- und Literaturinstitut betritt, findet sich wohl geborgen in einem Gesamtkunstwerk.
Führungen jeweils freitags nachmittags um 14 Uhr (maximal mit acht Personen) und nach Absprache (02182/2094)
Kontakt:
Stiftung Insel Hombroich
»Kunst parallel zur Natur«
41472 Neuss-Holzheim
Telefon (02182) 2094
eMail stiftung@inselhombroich.de
Quelle: Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 6.2.2004