Protokolle der „Krieger-Kameradschaft 1873“ im STA Giengen

Der gewonnene Krieg von 1870/71 hatte für die Zeitgenossen eine zentrale Bedeutung. Durch die Gründung des Deutschen Kaiserreiches in Folge des Zusammenschlusses der kleindeutschen Staaten war ein alter Traum in Erfüllung gegangen. Der militärische Sieg über den „Erbfeind“ Frankreich und der Aufstieg zu einer europäischen Großmacht schuf in ganz Deutschland ein ausgeprägtes nationales Bewusstsein. Nach den gemeinsamen Entbehrungen im Felde und den militärischen Erfolgen schlossen sich ehemalige Kriegsteilnehmer in den ersten Friedensjahren auf örtlicher Ebene zu zahlreichen Veteranen- und Kriegervereinen zusammen.

In Giengen riefen 1872 die so genannten Ausmarschierten der Kriege von 1866 und 1870/71 ins Gasthaus zum Schlüssel zur Gründung eines Veteranenvereins auf. Zu den Mitgliedern zählten allerdings auch einige Altveteranen aus den napoleonischen Kriegen 1813/15. Von ihnen waren 1877 noch drei am Leben. Die feierliche und öffentlichkeitswirksame Fahnenweihe fand 1873 statt. Die Ausrichtung patriotischer Feiern wie der Sedan-Tag oder des Königs Geburtstag hatte sich der Verein zu einer seiner Aufgaben gemacht. In der Bevölkerung fanden sie großen Anklang.

Ein zweiter Zusammenschluss ehemaliger Kriegsteilnehmer zum so genannten Kriegerverein wurde im Jahr 1881 von 41 Kriegsteilnehmern in der Gaststätte zum „Bad“ ins Leben gerufen. Ihm schlossen sich 1924 die elf noch lebenden Mitglieder des sich auflösenden Veteranenvereins an. Sie fanden dort als Ehrenmitglieder Aufnahme. In der Folgezeit trug die neue Vereinigung den Namen „Veteranen- und Krieger-Verein“. Er hatte sich, ähnlich wie die „Vorgänger“, mit finanzieller Unterstützung der Stadt die Pflege der Kameradschaft sowie Hilfe für Mitglieder und deren Angehörigen im Krankheits-, Not- und Sterbefall zum Ziel gesetzt. Mit Familienausflügen, Weihnachtsfeiern, Waldfesten, Gedenkfeiern und anderen Veranstaltungen trat er an die Öffentlichkeit. Nach dem Ersten Weltkrieg wuchsen dem Verein neue Mitglieder zu. Im Jahre 1931 umfasste er immerhin noch 290 Personen bei rund 3.600 Einwohnern der Stadt.

In Folge der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 fielen die Vereine der Gleichschaltung zum Opfer. Der Krieger- und Veteranen-Verein wurde in „Kriegerkameradschaft 1873 im Kyffhäuserbund“ umbenannt und als Mitglied in den „Württembergischen Kriegerbund“ aufgenommen, der in der Organisation des NS-Reichskriegerbundes eingebunden war. Nur wenig ist von den Aktivitäten dieses Vereins in den Dokumenten des Stadtarchivs überliefert.

Umso höheren Stellenwert erhält dadurch ein Protokollband, der von 1934 bis 1945 geführt wurde. Dieses Buch wurde unlängst von Helmut Heiser aus Giengen dem Stadtarchiv zur Aufbewahrung übergeben. Der Band stellt nicht nur ein für Giengen relativ seltenes Dokument aus der Zeit des Nationalsozialismus dar, sondern spiegelt auch ein Stück Stadt-, Vereins- und Gesellschaftsgeschichte aber auch den Zeitgeist wider. Damals zeichnete als Vorstand Karl Mühlberger, der das Amt von Gottlieb Schmid im Oktober 1933 übernahm. Mühlberger starb im Mai 1944. Seine Nachfolge trat der Stellvertreter, nun „Kameradschaftsführer“ Ernst Finckh an. Am Anfang unterhielt der Verein noch eine Sterbekasse und leistete Krankenunterstützung. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges beschränkten sich die Aktivitäten vorwiegend auf die Teilnahme an Kundgebungen und Beerdigungen von Veteranen oder gefallenen Soldaten. Die Eintragungen im Protokollband enden mit dem Kriegsende in Giengen im April 1945, eine Woche vor dem Einmarsch amerikanischer Truppen in Giengen.

Kontakt:
Stadtarchiv Giengen
Kirchplatz 2,
89537 Giengen an der Brenz
Stadtarchivar Dr. Alexander Usler,
Tel. 07322/4803

Quelle: HZ online, 4.2.2004

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