Engere Kulturpartnerschaft von Mainz und Wiesbaden

Unabhängig von der Entscheidung, ob Wiesbaden das Angebot des Mainzer Stadtrates, sich gemeinsam als Kulturhauptstadt Europas zu bewerben, annehmen wird, treiben die beiden Fachdezernenten der Städte die Kulturpartnerschaft weiter voran.

Nach mehreren Gesprächen haben Rita Thies und ihr Mainzer Amtskollege Peter Krawietz vereinbart, die in den vergangenen zwei Jahren entstandene kulturelle Zusammenarbeit nun forciert auszubauen. Im vorigen Jahr lag der Schwerpunkt der Zusammenarbeit im Bereich der Bildenden Kunst und hatte zu intensiven Kontakten geführt. Diese positiven Erfahrungen sollen nun Anlass für weitere gemeinsame Projekte sein.

So werden u.a. die Stadtarchive beider Städte zum diesjährigen „Tag der Archive“ am 25. September eine gemeinsame Veranstaltung durchführen, um die jeweilige Geschichte der Nachbarstadt zu vermitteln.

Kontakte:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
Postleitzahl/Ort:  65197 Wiesbaden
Telefon:  0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429 
Fax:  0611 / 31-3977 
E-Mail:  stadtarchiv@wiesbaden.de

Stadtarchiv Mainz
Rheinallee 3 B
55116 Mainz
Telefon (0 61 31) 12 21 78
Telefax (0 61 31) 12 35 69
stadtarchiv@stadt.mainz.de

Quelle: Main-Rheiner, 28.2.2004

Jugendarchiv ist nun Außenstelle vom Staatsarchiv Marburg

Das Archiv der Deutschen Jugendbewegung auf der 1415 im Auftrag von Landgraf Ludwig I. gebauten Burg Ludwigstein oberhalb von Witzenhausen (Werra-Meißner-Kreis) ist seit einigen Wochen eine Außenstelle des Hessischen Staatsarchivs in Marburg. Das Archiv auf der ehemaligen Jugendburg im Werra-Meißner-Kreis dient seit 1890 der Sammlung und Sicherung von Dokumenten der deutschen Jugendbewegung. Rund 26.000 Bücher, 420 laufende Meter Akten, 160.000 Fotos, zahlreiche Schallplatten mit „Wandervogel“-Liedern wie „Aus grauer Städte Mauern“, Filme von Jugendlagern sowie Fahnen, Wimpel und sogar Kochtöpfe umfasst das Archiv.

Bis Ende vergangenen Jahres wurde das Archiv von der „Stiftung Jugendburg Ludwigstein und Archiv der deutschen Jugendbewegung“ getragen. Jährliche finanzielle Zuwendungen des Landes Hessen waren bis zu diesem Zeitpunkt die wichtigste Finanzquelle. „Die Übergabe in die Trägerschaft das Staatsarchivs bedeutet die langfristige Sicherung des Archivs“, freute sich die Leiterin des Archivs auf der Burg, Dr. Susanne Rappe-Weber.

„Die neue Außenstelle des Staatsarchivs soll dauerhaft bestehen bleiben“, erläuterte Dr. Andreas Hedwig, Leiter der Landesinstitution Hessisches Staatsarchiv. Abgesehen von der finanziellen Sicherung habe das Engagement aber auch noch weitere Konsequenzen. Die Übernahme bringe klarere Strukturen mit sich, erklärte Hedwig, der ab dem 1. Januar 2004 auch zuständig ist für die Dienstaufsicht über das Jugendbewegungs-Archiv. Zudem gelte jetzt auch das Archivgesetz für die Einrichtung auf Burg Ludwigstein. Prinzipiell habe somit jeder Bürger das Recht auf Einsicht in die dort gelagerten Archivalien.

Kontakt:
Jugendburg Ludwigstein,
37214 Witzenhausen
Telefon 05542/501710;
www.burgludwigstein.de 

Quelle: Oberhessische Presse, 28.2.2004

Wohlfahrtsverband arbeitet NS-Euthanasie-Programm auf

Genaue Zahlen gibt es nicht, aber auf etwa 200.000 wird die Zahl der Menschen geschätzt, die zwischen 1939 und 1945 sterben mussten, weil sie als „lebensunwert“ galten. Das Euthanasie-Programm der NS-Regierung hatte in diesen Jahren eines seiner Zentren in Nassau, wo allein in den drei Anstalten Hadamar, Eichberg und Kalmenhof über 20.000 Behinderte als „unnütze Esser“ umgebracht wurden. In Hadamar, wo dafür eigens eine Gaskammer eingerichtet worden war, starben innerhalb eines Jahres allein 10.000 Menschen jeglichen Alters den Gas-Tod.

Für diese unmenschliche Aktion, die unter dem Kürzel „T 4“ lief (weil der Beschluss zum Euthanasie-Programm in der Berliner Tiergartenstraße 4 gefasst wurde), waren indessen nicht nur Ärzte und Pfleger der psychiatrischen Krankenhäuser verantwortlich, sondern ebenso auch das dort tätige Verwaltungspersonal. Besonders aktiv zeigten sich dabei die im „Bezirksverband Nassau“ zusammengefassten Anstalten im Bereich Wiesbaden – in Hadamar, Kiedrich (Eichberg) und Idstein (Kalmenhof). Gesteuert wurde der Prozess vom Landeshaus am Kaiser-Friedrich-Ring aus, wo der seit 1867 bestehende Bezirksverband Nassau als preußischer Kommunalverband für den Regierungsbezirk Wiesbaden seinen Sitz hatte.

Der Landeswohlfahrtsverband Hessen, der 1953 an die Stelle des preußischen Kommunalverbandes trat und heute die durch die Euthanasie um ihren Ruf gebrachten Krankenhäuser rund um Wiesbaden verwaltet, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die düsteren Kapitel in der Geschichte seines Vorgängers, des „Bezirksverbands Nassau“, aufzuarbeiten, der Menschen zu gedenken, die in der Hitlerzeit als „Lebensunwerte“ liquidiert wurden, und auch die Schuld des Verwaltungspersonals zu ermitteln. Das bestand nicht nur aus engagierten und fanatisierten Parteigängern, die in die leitenden Positionen gesetzt wurden, sondern auch aus altgedienten mittleren und kleinen Mitarbeitern im Beamtenstatus.

Teil der Bemühungen des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, der sich heute neben anderen Aufgaben um 53.000 Behinderte zu kümmern hat und mit einem Etat von 1,3 Milliarden Euro seinen Aufgaben gerecht werden muss, ist ein 788 Seiten starker wissenschaftlicher Textband, der unter dem nüchternen Titel „Verwaltung des Krankenmordes“ die Rolle des Bezirksverbands Nassau im Nationalsozialismus untersucht und darstellt. Autor der mit wissenschaftlicher Akribie aufgearbeiteten Studie, die sich vorwiegend auf Archivmaterial des Landeswohlfahrtsverbandes wie auch des Staatsarchivs stützt, ist der Historiker Peter Sandner. Er hat seine Arbeit am gestrigen Freitag im Hauptstaatsarchiv an der Mosbacher Straße in Wiesbaden vorgestellt. Sandner ist selbst im LWV-Archiv tätig und betreut darüber hinaus die zentrale Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie in Hadamar.

Warum gerade der Raum Wiesbaden ein Zentrum dieser Mordaktion war, findet seine Erklärung darin, dass hier besonders „tüchtige“ Verwaltungsbeamte erfolgreich bemüht waren, die finanziellen Defizite der psychiatrischen Anstalten des Kommunalverbandes abzubauen. Das erreichten sie, indem sie ihre Gaskammern und anderen Liquidierungstechniken nicht nur für die eigenen Patienten nutzten, sondern sie auch den Verantwortlichen der T 4-Aktion für auswärtige „Lebensunwerte“ anboten. Wovon dann so intensiv Gebrauch gemacht wurde, dass die Anstalten mit finanzieller Unterstützung aus Berlin ihre Defizite loswurden.

Kontakt:
Landeswohlfahrtsverband Hessen
Funktionsbereich Archiv, Gedenkstätten, Historische Sammlungen
Ständeplatz 6 – 10
34117 Kassel
kontakt-archiv@lwv-hessen.de

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 28.2.2004

Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg

Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg, 1914 von John Meier gegründet, gilt heute als das zentrale, einzigartige Archiv für die Volksmusikforschung in Deutschland. Was Anfang des 20. Jahrhunderts als private Liedsammlung eines Völkerkundlers begann, ist inzwischen zu einer umfangreichen Dokumentationsstelle des deutschen Volksliedes mit internationaler Ausstrahlung herangewachsen.

Das Archiv – heute Eigentum des Landes Baden-Württemberg – sammelt nicht nur, sondern erforscht auch die Geschichte des deutschen Volksliedes und publiziert die wissenschaftlichen Ergebnisse in einer eigenen Reihe. Darüber hinaus machen rund 20.000 Schallaufzeichnungen das Fachgebiet für die Besucher auch akustisch erfassbar. 

Kontakt:
Deutsches Volksliedarchiv
Arbeitsstelle für internationale Volksliedforschung
Silberbachstr. 13
79100 Freiburg i.Br.
Tel: (0761) 70 50 3-0, Fax: -28
info@dva.uni-freiburg.de

Quelle: DeutschlandRadio Berlin, 28.2.2004 (Vorschau auf Sendung am 21.3.2004)

Drei Handschriften des Nibelungenliedes in einer Ausstellung

Dies ist eine Gelegenheit, die zu unseren Lebzeiten nicht wiederkehren wird: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte sind die drei ältesten und wichtigsten Handschriften des Nibelungenliedes in einer Ausstellung versammelt. Und es ist gut möglich, daß es auch das letzte Mal sein wird. Nur wenige Schritte trennen die drei klimatisierten Vitrinen voneinander, in denen die Handschriften A, B und C liegen. Sie stammen aus München, St. Gallen und Karlsruhe, wo die Handschrift C seit drei Jahren aufbewahrt wird, nachdem das Haus Fürstenberg das kostbare Manuskript 1999 zum Verkauf angeboten hatte. Der spektakuläre Ankauf aus Mitteln der Bundesrepublik und der Landesbank Baden-Württemberg bot den Anlaß zu dieser reichen Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, von der man ohne Übertreibung sagen darf, daß sie einmalig ist. Denn es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß die verschiedenen Leihgeber noch einmal bereit sein werden, die Risiken auf sich zu nehmen, die Transport und Präsentation derart empfindlicher Objekte nun einmal mit sich bringen.

Alle drei Handschriften stammen aus dem dreizehnten Jahrhundert und dürften in Schreibstätten im alemannisch-bayerischen Alpenraum oder in Tirol entstanden sein. Keine der Handschriften gibt das Original wieder, dessen erste schriftliche Fixierung etwa um das Jahr 1200 erfolgt sein dürfte. Die Anfänge des Nibelungenliedes liegen im Dunkeln, der Verfasser ist ebensowenig bekannt wie der Entstehungsort. Es spricht jedoch viel dafür, daß Wolfger von Erla, Bischof von Passau von 1191 bis 1204, der Auftraggeber des Werkes war.

Der Dichter des Nibelungenliedes griff auf jahrhundertealte Überlieferungen zurück, die teilweise bis in die Zeit der Völkerwanderung zurückreichten. Die vernichtende Niederlage eines germanischen Stammes gegen eine Hunnenstreitmacht, die vielleicht in römischen Diensten stand, dürfte der historische Kern der Dichtung gewesen sein, die in vielen verschiedenen Formen und Kulturkreisen überliefert wurde. So zeigt die Ausstellung etwa um 1020 in Mittelschweden entstandene Felsritzungen mit Szenen der Sigurdsage oder einen Bildstein von der Insel Gotland, wo sich seit dem neunten Jahrhundert die frühesten Zeugnisse der Nibelungensage erhalten haben. Der Drachentöter, eine ursprünglich eigenständige Überlieferung mit merowingischen Wurzeln aus dem fünften Jahrhundert und der Nibelungenhort sind Motive, die auch in der „Edda“ zu finden sind, der nordischen Liedersammlung.

Als sich der unbekannte Dichter um 1200 an die Arbeit machte, hatten in einer Jahrhunderte überspannenden Kette mündlicher Überlieferungen ganz unterschiedliche Motive zusammengefunden, die nun nach den damals herrschenden literarischen Moden und Gesetzen der Heldenepik erstmals schriftlich niedergelegt wurden. Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg waren Zeitgenossen des „Nibelungenlied“-Dichters, der seinen Stoff auf 39 Âventiuren verteilte, die wir heute als Kapitel wahrnehmen. Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Wort soviel wie Erzählung, Begebenheit oder Abenteuer.

Über den individuellen Anteil des jeweiligen Schreibers an Inhalt und Form des Nibelungenliedes hat die Fachwelt viel diskutiert. Zunächst hatte man die Existenz eines als verbindlich anzusehenden Originals angenommen, das mehr oder minder präzise kopiert wurde. Später wurde der Kopist zu einer Art Redakteur, der nicht Abschriften, sondern eigenständige Fassungen erstellte. Genaue Vergleiche der drei Handschriften haben weitreichende Übereinstimmungen, aber auch gravierende Abweichungen im Detail erkennen lassen.

Auch die äußere Form variiert stark. Während Handschrift A und B den Text platzsparend zweispaltig präsentieren, weist Handschrift C nur eine Spalte auf. Wie kostbar aber auch für ihren Schreiber das Pergament gewesen sein muß, zeigt ein Kuriosum: Das prächtige Initial auf der ersten Seite ist spiegelverkehrt. Der Schreiber muß das U also mechanisch kopiert haben, konnte den Fehler aber später nicht mehr korrigieren. Noch weniger Wert auf Vollkommenheit der kostbaren Handschrift legte der Sammler und Historiker Joseph von Laßberg, der sie 1815 während des Wiener Kongresses erwarb und mit seinem Exlibris verunstaltete.

Als Laßberg die Handschrift C mit dem Geld einer Freundin, der Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg, erwarb, war ihre Existenz gerade einmal sechzig Jahre bekannt. Der Lindauer Arzt Jacob Hermann Bodereit hatte sie am 29. Juni 1755 in der Bibliothek des Grafen von Hohenems entdeckt, sein Freund Johann Jacob Bodmer veröffentlichte nur zwei Jahre darauf eine erste Edition und prägte den Vergleich mit Homers „Ilias“. Eine einzigartige, auch unheilvolle Rezeptionsgeschichte begann, die von den Freiheitskriegen bis zum Ersten Weltkrieg reichte, als der Reichskanzler von Bülow Österreich der „Nibelungentreue“ versicherte und nach der Niederlage die „Dolchstoßlegende“ erfunden wurde. Zahllose Künstler wie Füssli, Schnorr von Carolsfeld, Peter Cornelius, Richard Wagner, Fritz Lang und zuletzt Heiner Müller und Moritz Rinke schrieben an dieser Nachgeschichte mit. Die politische Instrumentalisierung des „Nibelungenliedes“ erreichte ihren trostlosen Höhepunkt unter den Nationalsozialisten, als Göring den todgeweihten Soldaten im Kessel von Stalingrad die Nibelungen als Vorbild für einen sinnlosen Heldentod empfahl.

Die Rezeption des Nibelungenliedes wird in der überaus sehenswerten Karlsruher Ausstellung ausführlich dokumentiert, nimmt aber sinnvollerweise deutlich weniger Raum ein als der Versuch, die Lebenswelt der Nibelungen vorzustellen. Dazu wurden zahlreiche, oft einzigartige Objekte zusammengetragen, die unter Überschriften wie „Rittertum“, „Von Lindwürmern und Drachen“, „Höfische Jagd“ oder „Schiffahrt auf Fluß und Meer“ motivgeschichtliche Hintergründe erhellen. Ein kostbarer Tragaltar, eine Einbaumtruhe und die fast tausendjährigen Überreste eines Bootes illustrieren die Reise der Burgunden, die auf der Donau ihrem Tod an Etzels Hof entgegenfuhren. Ein prächtiges Aquamanile und achthundert Jahre alte hölzerne Daubenbecher und Drechselteller geben einen Eindruck von einer mittelalterlichen Festtafel. In Kinderaugenhöhe angebrachte, leicht verständliche Kurztexte sowie zahlreiche Zusatzveranstaltungen wie eine kalligraphische Schreibwerkstatt sorgen dafür, daß auch Kinder Zugang zu einer grausamen, faszinierenden und widersprüchlichen Welt finden, die nicht all ihre Geheimnisse preisgeben will. Noch immer wissen wir etymologisch nicht, was es eigentlich bedeuten soll, das Wort von den „Nibelungen“.

Info:
Die Ausstellung läuft noch bis zum 14. März. Der Katalog kostet im Buchhandel 29,90 Euro. Am heutigen Samstag (28.2.) findet von 18.30 bis 24 Uhr eine „Nibelungen-Nacht“ mit Vorträgen, mittelalterlicher Musik und einer Theateraufführung statt.

Kontakt:
Badisches Landesmusem Karlsruhe
Schloss
76131 Karlsruhe
Tel.: 0721 / 926 – 6514
Fax: 0721 / 926 – 6537
E-Mail: info@landesmuseum.de

Quelle: FAZ, 28.2.2004, Nr. 50, S. 37

„Heimatbesessener“ Kreisarchivar

Kreisarchivar Wolfgang Burkhardt sitzt nachdenklich an seinem Schreibtisch im Dippoldiswalder Landratsamt. „Ich bin jetzt schon das 15. Jahr im kommunalen Archivwesen tätig. Dass ich kurz vor der Wende diese Richtung einschlug, war eine meiner besten Entscheidungen in beruflicher Hinsicht“, schätzt er ein.

Dazu gebracht hatte ihn sein Interesse an der Heimatgeschichte. „Wir leben in einer Region mit einer hochinteressanten Historie“, sagt er. Vieles davon gerate mit der Zeit unweigerlich in Vergessenheit. Doch das Wichtigste sollte bewahrt und für die Zukunft erhalten bleiben. Archive würden dazu einen wertvollen Beitrag leisten, und er sei froh, auf diesem Gebiet arbeiten zu dürfen.

Seine ursprüngliche Lebensplanung hätte ganz anders ausgesehen, berichtet der Archivar. Er wuchs in Freital als Sohn eines Stahlwerkers auf und erlernte den Beruf des Schlossers. Danach studierte er Maschinenbau und übte verschiedene Verwaltungstätigkeiten aus. „Nebenbei habe ich mich da schon immer mit Heimatgeschichte befasst, und das wusste man auch beim damaligen Rat des Kreises Freital“, erzählt Burkhardt. So sei ihm 1989 auch von dort aus die Frage gestellt worden, ob er nicht das Kreisarchiv übernehmen wolle. Es habe sich damals in einem erbarmungswürdigen Zustand befunden. Kurz entschlossen hätte er zugesagt, um die Einrichtung zu retten.

An der Berliner Humboldt-Universität erwarb sich Burkhardt eine Zusatzqualifizierung und im Dresdner Hauptstaatsarchiv absolvierte er einen berufsbegleitenden Lehrgang, um sich fit für seine neue Aufgabe zu machen. Als 1994 der Weißeritzkreis gebildet wurde, zog er mit seinen Unterlagen nach Dippoldiswalde und führt seitdem dort das neue Kreisarchiv.

Sein Büro in der Dr.-Friedrichs-Straße lässt den Heimatfreund erkennen. Die Wände zieren Plakate und Bilder von Wilhelmine Reichard, der ersten deutschen Ballonfahrerin aus Freital, sowie von Museen und Eisenbahnen der Umgebung. Burkhardt umgibt sich gern damit, denn so sind ihm liebe Dinge aus der Region immer nah. Doch der Kreisarchivar ist nicht nur ein Schwärmer. Der Liebe zur Heimat muss für ihn auch die Tat folgen. So hat er es als freiwillige Dienstaufgabe übernommen, halbjährlich die Treffen der Ortschronisten und Heimatforscher des Weißeritzkreises zu organisieren. „Dort befördern wir den Dialog untereinander und tauschen uns aus über neue Möglichkeiten der Heimatforschung und der Archivierung ihrer Belege.“

Aber auch privat steckt Burkhardt voller Elan. „Ich möchte kein Datum verpassen, das aus regionalhistorischer Sicht von Belang ist. Und dann überlege ich, wie es am besten den aktuellen Gegebenheiten zugeordnet werden kann“, erklärt er. Jetzt hat Wolfgang Burkhardt, der bei Insidern schon als „Heimatbesessener“ gilt, Freitals Wahrzeichen, das König-Albert-Denkmal auf dem Windberg, im Blick. Am 18. August wird es 100 Jahre alt. „Ich möchte, dass dieses Jubiläum in würdiger Form gefeiert wird“, sagt er und will die Freitaler dafür mobilisieren.

Kontakt:
Zentralamt Weißeritzkreis
Kreisarchivar Wolfgang Burkhardt
Dr.-Friedrichs-Str. 2
D-01744 Dippoldiswalde
Telefon:  03504-634 167/200
Wolfgang.Burkhardt@weisseritzkreis.com

Quelle: Sächsische Zeitung, 28.2.2004

NS-Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie

In Berlin verteilten sich, für jedermann sichtbar, während des Zweiten Weltkrieges rund 1.000 Zwangsarbeiter-Barackenlager über die gesamte Stadt. In den letzten Kriegsjahren arbeitete in der Reichshauptstadt jeder Fünfte unter Zwang. Zeitzeugen berichten, dass die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in diesen Jahren das Stadtbild prägten.

Die Berliner Bevölkerung hat dies aus ihrer Wahrnehmung „bewusst ausgeblendet und die zwangsweise Arbeit Leistenden nach 1945 totgeschwiegen“. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie“, die im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall entstand und diese Woche vorgestellt wurde.

„Die Ausbeutung der Zwangsarbeiter wurde in den Betrieben sorgfältig organisiert“, erklärt der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Arno Hager, das Interesse seiner Gewerkschaft am Thema. An der Basis scheint das noch nicht richtig angekommen zu sein: Bei der Suche nach Zeitzeugen und Informationen habe sie einen Aufruf in die Mitgliederzeitung der IG Metall gesetzt, jedoch keine Antwort erhalten, so die Autorin, die Soziologin Tanja von Fransecky.

Noch immer ist es der Forschung nicht gelungen, eine vollständige Liste der Firmen zu erstellen, die von der Zwangsarbeit profitierten. In Berlin als wichtigem NS-Rüstungsstandort stimme sie vermutlich weitgehend mit dem damaligen Branchenbuch der Metallindustrie überein, so Fransecky. Insgesamt arbeiteten eine halbe Million Zwangsarbeiter in der Stadt. Die Autorin zeigt in ihrer Arbeit, dass die Berliner Betriebe nicht nur von der Leistung der Zwangsarbeiter profitierten, sondern auch für deren menschenunwürdige Lebensverhältnisse mitverantwortlich waren. Neben der Deutschen Arbeitsfront betrieben auch die großen Firmen eigene Barackenlager. Von ihren kargen Löhnen mussten die Zwangsarbeiter ihre Unterkunft und Verpflegung bezahlen. An die Auflage, die „Ausländer“ voll zu verpflegen, hielten sich die Firmen dennoch nur selten. Zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen trug kaum eine Betriebsleitung von sich aus bei, wie Fransecky herausfand.

Auch bei der Disziplinierung der Zwangsbeschäftigten nahmen die Betriebe eine aktive Rolle ein. Siemens übergab jährlich 300 bis 400 auffällig gewordene Arbeiter der Gestapo. Intern konnten die Betriebe ihre Beschäftigten weitgehend eigenmächtig bestrafen. Die Firma Ehrich und Graetz AG in Treptow etwa sperrte Zwangsarbeiter drei Tage in Dunkelheit ohne Schlafgelegenheit bei Wasser und Brot ein. Jeder Betrieb beschäftigte einen „Abwehrabgeordneten“, der der Gestapo gegenüber verantwortlich war. Bei Fluchtversuchen russischer Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen galt der Befehl, sofort zu schießen.

Mit der Studie ist Fransecky ein Überblick über dieses unmenschliche Kapitel der Berliner Stadtgeschichte gelungen. Das ursprüngliche Ziel der Untersuchung, den Alltag von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den Berliner Metallbetrieben zu erforschen, hat sie allerdings nicht erreicht: Dazu fehlten der Autorin die Aussagen von Zeitzeugen.

Info:
Vortrag und Diskussion „Zwangsarbeit in der Berliner Metall- und Elektroindustrie – Ergebnisse einer Studie der Otto Brenner Stiftung“ am 25. Februar 2004 (pdf-Datei)

Quelle: taz Berlin, Nr. 7295, 27.2.2004

Wege kommunaler Unternehmens-Überlieferung

Testamente und Bewerbungsunterlagen aus dem 19. Jahrhundert, hundert Jahre alte Kassenbücher, Urkunden, Bauzeichnungen und vergilbte Fotos – \“die Schopen-Brauerei ist das einzige Bedburger Wirtschaftsunternehmen, dessen Unterlagen wir komplett haben\“, freut sich Stadtarchivar Uwe Depcik angesichts der gerade durchgeführten Aktenübernahme (siehe Bericht) .

Die Dokumente anderer Firmen, wie der Bedburger Wolle, der Rheinischen Linoleumwerke (RLB) oder der Zuckerfabrik seien verschollen oder in anderen Händen, bedauert der Archivar. Das Fehlen großer Teile der Firmenarchive hatte sich besonders im Rahmen der kürzlichen Recherchen für Zwangsarbeitsnachweise bemerkbar gemacht. So hatte die Bedburger Wollindustrie während des Zweiten Weltkriegs zwar viele Fremdarbeiter/innen beschäftigt, Belege über dieses bekannte Geschehen waren aber kaum zu finden gewesen.

Es ist mitunter eher glücklichen Umständen zu verdanken, wenn durch Zufallsfunde Archivbestände überhaupt noch gerettet werden können: Als beispielsweise kurz nach der Stilllegung der RLB mit deren Abriß begonnen wurde, hatten spielende Kinder auf der Straße Personalunterlagen leitender Angestellter gefunden. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion gelang es dem Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv (Köln), Teile der vollkommen unsortierten Akten in Kartons zu verpacken und vor der Vernichtung zu retten (der Bestand wird momentan verzeichnet). Da zu diesem Zeitpunkt in Bedburg kein Archiv bestand, sind allerdings keine Unterlagen in der Stadtverwaltung gelandet.

Es sollten daher nach Auffassung von Stadtarchivar Depcik, der seine Archivar-Laufbahn einst mit einer ABM in einem Unternehmensarchiv begonnen hat, Kommunalarchive verstärktes Interesse an ihrer lokalen Wirtschaftsgeschichte zeigen. Kümmert man sich in archivberatender Hinsicht hingegen nicht um ansässige Wirtschafts- und Industrieunternehmen, so geht ein großer Teil an regionaler Überlieferung verloren.

Schließlich sei auch aus wirtschafts- und sozial-, aber auch aus alltagsgeschichtlichem Interesse die Nachfrage nach ehemals am Orte ansässigen Unternehmen wohl nicht nur im Bedburger Stadtarchiv durchaus beachtlich. Umso deutlicher trete jedoch das Manko zutage, wenn hier kaum noch Unterlagen über die für die Region bedeutenden Firmen vorhanden sind.

Kontakt:
Stadtarchiv Bedburg
Uwe Depcik
Am Rathaus 1
50181 Bedburg
Telefon: (02272) 402 105
FAX: (02272) 402 812
u.depcik@bedburg.de

Neues vom Herrn Keuner

Die Stiftung Archiv der Akademie der Künste hat soeben die umfangreiche „Brecht-Sammlung Reni Mertens-Bertozzi“ für ihr Bertolt-Brecht-Archiv erworben und übernommen. Es handelt sich um die im Rahmen der Forschungen von Werner Wüthrich in Zürich aufgefundenen Arbeitsunterlagen des Schriftstellers. Das 120 Positionen umfassende Konvolut von Brecht-Autographen, Briefen, Fotos und Widmungsexemplaren ist der bedeutendste Zuwachs für das Brecht-Archiv seit dessen Bestehen. Die Sammlung befand sich im Besitz der 2000 verstorbenen Filmemacherin Renata Mertens-Bertozzi. Sie hatte Brecht und seiner Familie in Feldmeilen Unterkunft geboten, Texte von ihm übersetzt und herausgegeben und Aufführungen und Publikationen vermittelt.

Die insgesamt 44, in der Regel mehrteiligen Manuskripte stammen aus der Exilzeit, einige Blätter gehen aber bis in die zwanziger Jahre zurück. Bedeutendstes Stück der Sammlung ist die Mappe „geschichten vom h k“. Sie enthält fünfzehn bislang völlig unbekannte Keuner-Geschichten sowie textgeschichtlich relevante Fassungen bereits bekannter Geschichten. Wichtig sind ferner eine Überlieferung der „Koloman Wallisch Kantate“ mit einer Rahmenhandlung, die aus den Liedern und Chören erst eine Kantate macht, ein Handexemplar der Churer „Antigone“-Bearbeitung, ein gründlich korrigiertes Manuskript des „Kleinen Organons für das Theater“, der bislang nur englisch überlieferte Aufsatz „Das andere Deutschland“ von 1943, eine unbekannte Filmskizze, ein Prosafragment sowie Fassungen und Bühnenmanuskripte der Stücke „Mann ist Mann“, „Furcht und Elend des III. Reiches“, „Der gute Mensch von Sezuan“, „Herr Puntila und sein Knecht Matti“, „Arturo Ui“, „Schweyk“ und „Der kaukasische Kreidekreis“, Erzählungen, Schriften und Gedichte. Mehr als 500 Briefe vermitteln neue Aufschlüsse über Brechts Aufenthalt in der Schweiz und über die Brecht-Rezeption in Deutschland, der Schweiz, Italien und Frankreich.

Zwei komplementäre Ausstellungen präsentieren ausgewählte Stücke der Sammlung. Der Strauhof Zürich zeigt in Zusammenarbeit mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste ab März in Zürich die Exposition „Brecht in der Schweiz“, die den Arbeitsplatz Zürich als Drehscheibe zwischen Exil und Wirkung im Nachkriegsdeutschland dokumentiert. Die Keuner-Mappe und wesentliche andere Dokumente der Sammlung stehen im Zentrum der von der Stiftung Archiv der Akademie der Künste in Zusammenarbeit mit dem Strauhof Zürich verantworteten Ausstellung „Neues vom Herrn Keuner“, die im Herbst im Liebermann-Haus in Berlin zu sehen ist.

Zur Berliner Ausstellung erscheinen die „Geschichten vom Herrn Keuner“ im Suhrkamp Verlag als „Zürcher Fassung“ mit den unbekannten Texten, herausgegeben von Erdmut Wizisla.

Kontakt:
STIFTUNG ARCHIV DER AKADEMIE DER KUENSTE
Bertolt-Brecht-Archiv
Dr. Erdmut Wizisla
Archivleiter
Chausseestrasse 125
D-10115 Berlin
Germany
Telefon: + 30 / 2830570 – 32
Telefax: + 30 / 2830570 – 33
e-mail: wizisla@adk.de (neu)
Akademie im Internet: www.adk.de

Quelle: Pressemitteilung ADK vom 23. Januar 2004

Digitalisierung von Bachs Handschriften

Das Leipziger Johann-Sebastian-Bach-Archiv erhält Unterstützung bei der Digitalisierung von Handschriften des berühmten Komponisten. Die Hamburger Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius überweist in den nächsten zwölf Monaten 110.000 Euro, wie die Leipziger Institution mitteilte. Gefördert werden die Restaurierung und Digitalisierung von Originalhandschriften.

Es handelt sich dabei im Wesentlichen um die 44 Originalstimmensätze von Bachs zweitem Leipziger Kantatenzyklus, dem so genannten Choralkantatenjahrgang. Zudem werden weitere Autographen Bachs und seiner Familie sowie wertvolle Handschriften, Musikdrucke und Bücher des 16. bis 18. Jahrhunderts restauriert, die zu dem erhaltenen Restbestand der historischen Thomasschul-Bibliothek gehören und die vom Bach-Archiv verwahrt werden.

Durch die anschliessende Digitalisierung solle «der kulturgeschichtlich wertvolle Quellenbestand über das Internet einem breiteren Nutzerkreis zugänglich gemacht sowie über das Intranet wissenschaftliche Detailarbeit ermöglicht werden.» Hoch auflösende Scans böten dafür die Voraussetzungen.

Parallel dazu startet die Retrokatalogisierung der weltweit bedeutendsten Spezialbibliothek zur Musikerfamilie Bach, erklärte das Archiv. Ziel sei es, die Altbestände an Musikalien sowie die Aufsatzsammlung «Literatur» samt Titelnachweisen elektronisch zu erfassen und in die Datenbank der Bibliothek zu integrieren. Nach Abschluss der Arbeiten seien die umfassenden Sammlungen dann einem internationalen Nutzerkreis von Wissenschaftlern, Praktikern und Musikliebhabern über das Internet zugänglich.

Kontakt:
Bach-Archiv Leipzig
Thomaskirchhof 15/16
D-04109 Leipzig
Tel.: +49 (0341) 9137-0
Fax: +49 (0341) 9137-105

Quelle: Der Zürcher Oberländer, 27.2.2004