Archivverbund und Gedenkstätte Bautzen II ziehen Jahresbilanz

Grit Richter-Laugwitz, Leiterin des Archivverbundes, und Silke Klewin, Chefin der Gedenkstätte Bautzen, zogen gestern Bilanz der Arbeit ihrer Einrichtungen im Jahre 2003 und gaben einen Ausblick auf die für 2004 geplanten Aktivitäten.

Beide Frauen konnten sich im abgelaufenen Jahr über gestiegene Benutzer- bzw. Besucherzahlen freuen. Während die sechs Besucherarbeitsplätze im Archivverbund im Jahre 2002 zu 75 Prozent ausgelastet waren, stieg deren Auslastung 2003 auf 90 Prozent an. 427 Benutzer hielten sich an insgesamt 1.023 Tagen im Archiv auf. Die Themen, zu denen anhand der vorhandenen Archivalien geforscht wird, sind sehr breit gefächert. So waren unter anderem die Bautzener Musikgeschichte, die Umsiedlerproblematik und die Wirtschaftsgeschichte der Stadt sehr stark nachgefragt.

Die enorm große Auslastung ihrer Einrichtung führt Grit Richter-Laugwitz auch auf einen gewissen Benutzerstau zurück, der dadurch entstand, dass die Akten des Staatsfilialarchives lange Zeit nicht nutzbar waren. Um einem Abflauen des Interesses entgegenzuwirken, möchte die Archivleiterin offensiv auf Lehrer, speziell die für Deutsch und Geschichte zugehen. „Die Mehrzahl der Pädagogen weiß noch zu wenig über unsere Möglichkeiten und darüber, dass wir eine offene Einrichtung sind“, so ihre Einschätzung. Außerdem will die Archivverbunds-Chefin im Herbst eine Besucherbefragung anstellen, um die Kundenfreundlichkeit noch weiter zu verbessern. Selbstverständlich wird es auch 2004 wieder eine Vortragsreihe im Stadtarchiv geben.

Fast 70.000 Menschen besuchten 2003 die Gedenkstätte Bautzen. Dazu zählen auch die Zuschauer der 44 Aufführungen von „Romeo und Julia auf Bautzen II“, des gemeinsamen Projektes von Gedenkstätte und Deutsch-Sorbischem Volkstheater. „Dieses Experiment hat weit über die Region hinaus zur Steigerung unseres Bekanntheitsgrades beigetragen“, so Silke Klewin. „Es erregte auch in Fachkreisen Aufsehen, so dass andere Gedenkstätten sich überlegen, Gleiches zu tun.“ Neben Vortragsabenden und Ausstellungen organisierten die Mitarbeiter 486 Führungen. Als Frucht der gedeihlichen Zusammenarbeit beider Institutionen und im Ergebnis einer gemeinsamen Veranstaltung zum 50. Jahrestag des 17. Juni 1953 liegt jetzt die Broschüre „Der 17. Juni 1953 in Bautzen“ aus der Feder von Grit Richter-Laugwitz vor. Sie ist zum Preis von 3,90 Euro erhältlich.

Kontakt:
Grit Richter-Laugwitz
Archivverbund Bautzen
Schloß-Straße 10
02625 Bautzen
Tel.: 0 35 91/53 10 86
Fax: 0 35 91/4 26 47
E-Mail: grit.richter-laugwitz@bautzen.de

Gedenkstätte Bautzen
Weigangstraße 8a
02625 Bautzen
Postanschrift:
Postfach 1928
02609 Bautzen
Telefon/Fax: 0 35 91 / 4 04 74
E-Mail: info.bautzen@stsg.smwk.sachsen.de

Quelle: Sächsische Zeitung, 29.1.2004

Seit 25 Jahren Marktarchivar und -chronist

Die Idee, die Geschichte aufzuschreiben und Zeitzeugnisse zu sammeln, ist nicht neu. Max Biller verweist dazu auf einen kleinen, vergilbten Zeitungsausschnitt im Ausstellungsraum des Peißenberger Archivs. Dort ist zu lesen, dass schon König Ludwig I. anno 1837 anregte, alle Gemeinden sollten Archive anlegen. „Angeregt wird von oben schnell was“, meint Biller dazu. Die Umsetzung mache aber viel Arbeit. Und dieser Arbeit geht Biller für Peißenberg nun seit 25 Jahren mit Freuden nach.

Wenn Biller über das Archiv der Marktgemeinde erzählt, das er in der ehemaligen Hausmeisterwohnung des Rathauses eingerichtet hat, ist er nicht zu bremsen. Eine Vielzahl von Namen und Zahlen aus der Peißenberger Geschichte hat er im Kopf. Vom Rest weiß er, wo er nachschauen kann. Hunderte von Aktenordnern hier, Tausende von Fotos und Dias da, ohne dass der Archivar den Überblick in der Sammlung verliert, zu der neben Kohlebrocken aus dem Bergwerk auch ein Peißenberger Biertragel und eine rumänische Bierflasche gehören. „Von einem Peißenberger Braumeister gebraut“, erklärt Biller.

Wie er dazu kam, das Archiv zu betreuen, weiß Biller noch ganz genau. Es war die Heimatkunde, die er als Lehrer an der Schule St. Johann unterrichtete. „Wie hoch ist der Turm?“, „Wie viele Glocken hängen dort oben?“ und ähnliches hätten die Schüler immer wieder gefragt. Und was habe er darauf antworten können? „Ja, mei . . .“ So trug er Fakten über den Ort zusammen, die als Unterrichtsgrundlage dienen konnten. Und dieses Wissen wollte er allen zugänglich machen. Nachdem er die vakante Stelle des Gemeindearchivars übernommen hatte, machte er sich sofort daran, das Wissen für die Veröffentlichung aufzubereiten. Was seither in Peißenberg geschehen ist, ist in den Jahreschroniken nachzulesen, und aus der ursprünglichen Stoffsammlung für den Schulunterricht wurde das „Peißenberger Heimatlexikon“.

Das älteste Stück im Archiv ist rund 300 Jahre alt. Gemeindeaufzeichnungen sind es, die Biller neu binden ließ, „in Kalbsleder“, versteht sich. Der Archivar kümmert sich aber nicht nur um Altes. Er sammelt auch laufend Neues. „Rund 30 Objekte kommen pro Jahr dazu“, schätzt er. 2003 waren der Spaten, mit dem der erste Spatenstich am Bürgerhaus gemacht wurde, eine Doktorarbeit über prähistorische Funde und ein Videofilm über den Abbruch des Kraftwerkkamins darunter.

Auch das Archiv selbst hat Biller ordentlich dokumentiert: „Damit einmal der Nachfolger schnell den Überblick hat.“ Der pensionierte Lehrer, der sein Alter für „nicht so wichtig“ hält, denkt aber noch nicht ans Aufhören. Im Gegenteil: Er hat schon neue Pläne. Wenn das Bürgerhaus in den Tiefstollenhallen fertig ist, möchte er dort eine Plakatausstellung machen. Vom ältesten Plakat, das für das Volksfest 1933 warb, bis zum neuesten über eine Antarktisexpedition von Ärzten soll dort ein repräsentativer Querschnitt von dem zu sehen sein, was einst Peißenberg und mehr bewegte. Natürlich will Biller auch die Chronik der Marktgemeinde weiterführen, die seit 25 Jahren erscheint. Und dann hat er noch einen großen Plan. „In den 20 Jahren hat sich viel getan“, meint er angesichts des Alters des Peißenberger Heimatlexikons, „es wäre Zeit für ein Nachfolgewerk.“

Quelle: Merkur online, 29.1.2004

Die Stiftung soll nicht mehr preußisch sein

Zum Abschluss seiner Jahrespressekonferenz voller Erfolgsmeldungen und Ankündigungen von Museumseröffnungen musste der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Klaus-Dieter Lehmann, doch noch einmal tüchtig schimpfen. Über Russland und den seit 60 Jahren vermissten, nach 1945 geraubten Eberswalder Goldschatz, der von Spiegel-TV in einem Geheimdepot in Moskau gefilmt werden durfte. Schließlich habe es Absprachen mit Irina Antonowa, der als überaus streng, rigide und meist unzugänglich bekannten Direktorin des Puschkin Museums, gegeben, denen zufolge zunächst die Forscher geheime Schätze sehen dürften, dann erst die Öffentlichkeit. „Uns geht es um die wissenschaftliche Aufarbeitung“, so Lehmann, „nicht so sehr um die Rückgabe“. Darum habe sich die Politik zu kümmern. Gerade der Eberswalder Goldschatz könne in Russland lediglich beschrieben, nicht aber wissenschaftlich bearbeitet werden. Die Erwerbungsbücher nämlich befänden sich in Berlin.

Warum die Absprachen unter Wissenschaftlern dieses Mal gebrochen wurden und ein Fernsehteam das Gold filmen durfte, weiß Lehmann nicht. Gerüchten zufolge habe Irina Antonowa nur Weisungen höherer Vorgesetzter befolgt. Lehmann geht davon aus, dass sie nun – wie bisher praktiziert – die Vor- und Frühgeschichtler aus Berlin nach Moskau einlädt, den Schatz zu begutachten.

Das wäre dann eine Frohbotschaft für die nächste Jahrespressekonferenz, die sich perfekt in die Erfolgsserie, die in diesem Jahr erwartet wird, fügen würde. Denn eines ist schon im Januar dieses Jahres klar: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird immer größer und schöner. Das Kunstgewerbemuseum im Köpenicker Schloss wird im Mai wiedereröffnet. Im dann geräumten Kunstgewerbemuseum am Kulturforum ist ein Mode- und Designmuseum geplant. Die Helmut Newton-Foundation eröffnet im Juni, das Museum für Vor- und Frühgeschichte wird ebenfalls im Juni wiedereröffnet. Im September folgt die Flick Collection im Hamburger Bahnhof. Friedrich Christian Flick wird, wie geplant, den kompletten Umbau der Rieck-Halle am Hamburger Bahnhof bezahlen. Den Verbindungsbau zwischen der Halle und dem Hamburger Bahnhof zahlt die Stiftung. Im Oktober eröffnet mit dem Münzkabinett der erste Teil des Bodemuseums. Die Staatsbibliothek, die 14 Prozent mehr Ausleihen und 18 Prozent mehr Lesesaalbenutzer im vergangenen Jahr zählen konnte, wird bis 2010 einen Bücherspeicher in Friedrichshagen bekommen. Das Gelände, das der Bund der Stiftung übertragen wird, soll später auch das Depot der Museen beherbergen.

Da sich in den Museen viel ändert, soll auch bei der Stiftung nicht alles beim Alten bleiben. Präsident Klaus-Dieter Lehmann, der im Dezember vom Stiftungsrat bis 2008 (also drei Jahre über das Pensionierungsalter hinaus) in seinem Amt bestätigt wurde, will die Stiftung umbenennen. Sein Vorschlag für einen neuen Namen: „Stiftung Nationaler Kulturbesitz„. Die Diskussion um die Umbenennung will er in der nächsten Zeit beginnen, denn der Name „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ sei nach der Auflösung Preußens 1947 lediglich eine staatsrechtliche Formulierung gewesen. Heute stelle sich die Stiftung als nationale Einrichtung für Kunst und Kultur dar, so Lehmann, die vom Bund und allen 16 Ländern finanziert wird. Dafür wolle er die Verlängerung seiner Präsidentschaft nutzen. Die Stiftung, die aus den Sammlungen und Archiven des preußischen Staates hervorgegangen ist, zählt mit 17 Museen, der Staatsbibliothek, dem geheimen Staatsarchiv und Forschungseinrichtungen zu den weltweit größten Kultureinrichtungen.
 
Quelle: Morgenpost, 28.1.2004

Hitlers Befehl kein neuer Fund

Was in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Januar von Hanns C. Löhr als „neuer Fund“ aus dem amerikanischen Nationalarchiv in Washington präsentiert wurde, um endlich, wie es ein wenig reisserisch in der Überschrift des Artikels hiess, „Hitlers Befehl“ zu belegen, ist ein alter Fund, so legt Michael Wildt heute in der NZZ dar.

Das Dokument, ein Vermerk Heinrich Himmlers vom 10. Dezember 1942, von der FAZ als Faksimile abgedruckt, ist mitnichten jetzt erstmals aufgetaucht, sondern seit langem der Forschung zugänglich und etliche Male zitiert worden. So verweist Richard Breitman in seiner Himmler-Studie, einem Standardwerk aus dem Jahr 1991, ebenso auf diesen Vermerk wie Peter Longerich in seinem Buch über Hitler und den Weg zur «Endlösung». Und in der vor fünf Jahren erschienenen Edition des «Dienstkalenders» Heinrich Himmlers wurde dieses Dokument bereits veröffentlicht und eingehend kommentiert.

Der Autor des Artikels meint mit diesem Vermerk erstmals belegen zu können, dass es eine persönliche Anweisung Hitlers gegeben habe, die französischen Juden zu ermorden. Worum ging es im Dezember 1942? Zu diesem Zeitpunkt hatte Hitler längst die Anweisung zur Ermordung von Kranken und Behinderten in der «Euthanasie-Aktion» gegeben, längst die verbrecherischen Mordbefehle für den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion erteilt. Auch hatten die Vernichtungslager in Chelmno, Belzec, Sobibor und Treblinka ihre mörderische Arbeit bereits aufgenommen. In Auschwitz wurden seit dem Juli 1942 jüdische Menschen aus ganz Europa systematisch selektiert; die «Arbeitsunfähigen», vor allem Kinder, Frauen und Alte, wurden in den Gaskammern ermordet. Darunter auch Tausende Juden aus Frankreich, um deren Deportation das Reichssicherheitshauptamt und insbesondere Eichmanns Männer sich intensiv bemüht hatten. An der Entscheidung zur Deportation der französischen Juden im Herbst 1941 war auch Hitler beteiligt gewesen. Im November 1942 änderte die Landung alliierter Truppen in Marokko und Algier die Lage in Frankreich fundamental. Um zu verhindern, dass sich das Vichy-Regime auf die alliierte Seite schlug, besetzte die Wehrmacht auch den Süden Frankreichs, und damit waren sämtliche Juden in deutscher Hand.

In dieser Situation führte Himmler eine seiner häufigen Unterredungen mit Hitler, um zu klären, wie es im besetzten Frankreich weitergehen sollte. In dem Treffen am 10. Dezember mit zahlreichen Besprechungspunkten kam auch das Schicksal der Juden zur Sprache. «3. Juden in Frankreich 600-700 000», steht auf Himmlers handschriftlichem Vortragszettel (der in der «FAZ» nicht erwähnt wird); daneben ein Haken und das Wort «abschaffen», das auf Hitler zurückgehen kann, aber nicht muss. In Himmlers nachträglich diktierter Gesprächsnotiz, eben jenem zum «neuen Fund» aufgebauschten Vermerk, heisst es dann dazu: «Der Führer hat die Anweisung gegeben, dass die Juden und sonstigen Feinde in Frankreich verhaftet und abtransportiert werden. . . . Es handelt sich um 6-700 000 Juden.»

Himmler und Hitler ging es seit 1941 um die Deportation sämtlicher in Frankreich lebender Juden, einschliesslich der französischen Staatsbürger jüdischen Glaubens, die die Vichy-Regierung als Einzige von der Deportation ausnehmen wollte. Die Besprechung am 10. Dezember 1942 ist nur ein Glied in einer Kette. Die Zahl von 600 000 bis 700 000 Juden ist deutlich überhöht und bezog offenbar die in Nordafrika lebenden Juden mit ein, worauf Götz Aly bereits 1995 hinwies. Hanns C. Löhr schreibt neun Jahre später den Satz: «Etwas merkwürdig erscheint auf den ersten Blick allerdings die hohe Anzahl von Opfern, die Himmler in seiner Niederschrift erwähnt.» – Merkwürdig ist wohl eher der Umgang mit angeblichen Archivfunden und Hitler-Befehlen. Ohne Zweifel sind Dokumente rar, die Hitler persönlich mit den Vernichtungsbefehlen des Regimes verbinden. Insofern ist dieser Vermerk Himmlers vom 10. Dezember 1942 ein wichtiger, er ist aber keineswegs der einzige Beleg und ein erstmaliger schon gar nicht.

Info:
Michael Wildt arbeitet am Hamburger Institut für Sozialforschung; zuletzt erschien, von ihm herausgegeben, der Sammelband «Nachrichtendienst, politische Elite, Mordeinheit. Der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS» (Hamburg 2003).
 
Quelle: NZZ, 28.1.2004

Die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ geht zu Ende

Die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944“ hat nach Ansicht von Jan Philipp Reemtsma eine Reihe wichtiger Ergebnisse gebracht. In einem dpa-Gespräch nannte der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung die breite öffentliche Resonanz, eine Reihe von Anschlussforschungen und veränderte Kontroll-Standards für zeitgeschichtliche Ausstellungen. «Ohne den Wirbel um falsch zugeordnete Bildunterschriften zu Archivfotos in unserer ersten Wehrmachtsausstellung wäre das Bewusstsein für den Recherchebedarf auf diesem Gebiet nie so geschärft worden», sagte Reemtsma.

Wegen einiger fehlerhaft zugeordneter Bildlegenden hatte Reemtsma die 1995 gestartete erste Wehrmachtsausstellung des Instituts 1999 zurückgezogen. Eine völlig neu konzipierte Exposition zum selben Thema ging 2001 auf Tour und ist von diesem Donnerstag an bis zum 28. März zum letzten Mal in Hamburg zu sehen. «Bis dahin war es nicht ungewöhnlich – wenn auch immer kritisierbar – sich bei Fotos einfach auf Provenienzangaben der Archive zu verlassen.» Nach der öffentlichen Resonanz auf diese Missgriffe sei deutlich geworden: «Von nun an wird jeder zusätzlich zu den Archivangaben eigene Recherchen vornehmen müssen. Jetzt gelten andere Standards», sagte Reemtsma.

Ihm sei 1999 schnell klar gewesen, dass eine neue Ausstellung zum Thema Verbrechen der Wehrmacht ganz neu aufgebaut sein müsste. «Wir wollten darin auch über den völkerrechtlichen Kontext des Begriffs „Verbrechen“ aufklären und über die Dimension dieser Verbrechen. Wichtig war mir, das Moment der individuellen Handlungsspielräume zu thematisieren.» Er habe die Verantwortung empfunden, den Menschen klarzulegen, was richtig und was falsch gewesen war. «Durch die Krise der ersten Ausstellung war bei manchen der Eindruck entstanden, die These selbst sei fragwürdig. Es musste klargestellt werden, dass das nicht der Fall war», meinte Reemtsma.

Info:
Wehrmachtsausstellung
29.01.2004—28.03.2004
Kampnagel, Hamburg
http://www.verbrechen-der-wehrmacht.de/

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 28.1.2004

Ausstellung zu „50 Jahre Staatsvertrag“

Das Land Niederösterreich organisiert 2005 zum Jubiläum „50 Jahre Staatsvertrag“ eine große Ausstellung auf der Schallaburg. Die Schau unter dem Titel „Österreich ist frei“ wird vom 15. April bis zum 1. November kommenden Jahres laufen (Pressemitteilung als pdf).

Auf der Schallaburg werde „die“ Staatsvertragsausstellung für Österreich stattfinden, kündigte der wissenschaftliche Leiter Stefan Karner (Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung) an. Keine andere werde so lange dauern, keine andere werde einen derartigen Umfang haben.

Die Schau soll auch mit einer „Sensation“ aufwarten. Ziel sei es, das Originaldokument des Staatsvertrages aus dem russischen Staatsarchiv in Moskau nach Niederösterreich zu holen. Karner zufolge gibt es fünf Originale. Jenes in Moskau sei nicht nur das mit Siegeln versehene, sondern auch das vom damaligen Außenminister Leopold Figl am 15. Mai 1955 im oberen Belvedere in Wien der Öffentlichkeit präsentierte.

Im Mittelpunkt von „Österreich ist frei“ werden insbesondere auch zwei „große Niederösterreicher“ stehen, so Landeshauptmann Erwin Pröll (V): Leopold Figl und Julius Raab als „Väter“ des Staatsvertrages und „Baumeister“ der Zweiten Republik. Karner: „Die Beiden sollen durch die Ausstellung führen. Ihre Politik ist der rote Faden.“ Die Schau beginne deshalb am 15. April 2005, weil an jenem Tag vor dann 50 Jahren die österreichische Delegation mit Figl, Raab, Adolf Schärf und Bruno Kreisky von der Unterzeichnung des Moskauer Memorandums in die Heimat zurückgekehrt und in Bad Vöslau gelandet war.

Karner betonte, dass die Ausstellung auf einen breiten Fundus an Exponaten zurückgreifen werde können. „Vieles wird erstmals gezeigt werden.“ Objekte aus staatlichen Archiven und Museen im In- und Ausland, aus privaten Sammlungen und auch von Privatpersonen (diese mögen sich mit Leihgaben an das Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung wenden – Schörgelgasse 43, 8010 Graz) sollen ein vielfältiges Bild der Nachkriegsjahre in Österreich geben. Jüngeren Besuchern der Schau soll die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern nachvollziehbar gemacht werden, ältere Menschen sollen selbst Erlebtes entdecken.

Quelle: Der Standard, 24.1.2004

Treffen der Heimatforscher im Stadtarchiv Dresden

Einfach haben sie es nicht, die Hobbyhistoriker und Heimatforscher. Von studierten Historikern werden sie verspottet, hin und wieder sogar zu Recht als rechthaberisch bezeichnet, von Nachbarn, Freunden und Bekannten oft belächelt. Warum beschäftigt man sich in seiner Freizeit mit dem historischen Verlauf des Kaitzbaches oder der Geschichte des Pferdes bei der Dresdner Feuerwehr? Gibt es nichts Wichtigeres als wochenlanges Rumhocken in Bibliotheken und Archiven? Dazu kommt, dass alles aus eigener Tasche bezahlt werden muss und ein geeignetes Forum, um Ergebnisse zu dokumentieren, in den meisten Fällen fehlt. Auch an hoffnungsvollem, begeisterungsfähigem Nachwuchs mangelt es. Und doch ist der Enthusiasmus der meist schon grauhaarigen Geschichtsfreunde nicht zu stoppen.

Unter dem Motto „Dresdner Stadtteilgeschichte“ lud das Stadtmuseum am Wochenende zum neunten Mal interessierte Laien und Wissenschaftler ein, um Dresdner Geschichte und Geschichten zu erzählen und zu diskutieren (Bericht). Während das Stadtmuseum bis 2006 umgebaut wird und dann in altem Glanz mit neuer Ausstellung erstrahlen soll, fand man für die Diskussion im Stadtarchiv Platz. Zum ersten Mal konnte dort auf Initiative von Museum, Archiv und dem Bürgerverein Trachau auch der Dresdner Markt der Geschichte und Geschichten eröffnet werden. Über 50 Vereine und Privatpersonen stellten sich und ihre Arbeitsergebnisse vor. Fachvorträge, Diskussionen, Filmvorführungen und Internetpräsentation rundeten das Programm bis Sonntagmittag ab. Wer suchte, fand Informationen zu Sächsischer Postgeschichte ebenso wie zur alten Elbfähre in Laubegast, zum Freimaurertum in Elbflorenz oder zum Projekt ehrgeiziger Studenten der TU, die das mittelalterliche Dresden in multimedialer Form aufleben lassen wollen.

Der Schwerpunkt lag dieses Mal aber eben bei der Geschichte einzelner Stadtteile. Ob Cotta, Striesen oder Hellerau – in der Anonymität der Großstadt identifiziert man sich gern über die eigene Wohngegend. Und dabei gilt wie bei gutem Wein: je älter, desto besser. Beste Karten also für Klotzsche oder Leuben, deren Geschichte gut bis ins Mittelalter zurückzuverfolgen ist. Pech nur, wenn, wie in Zschertnitz, von der Geschichte des Ortes kaum noch etwas zu sehen ist. Und so arbeiten viele Vereine daran, vorhandene Bauwerke oder historische Dorfkerne zu restaurieren, für Besucher attraktiver zu machen.

Das neueste Projekt des Kaditzer Vereins zur Ortsgeschichte ist beispielsweise die Wiedererrichtung einer jahrhundertealten Hochwassersäule, die bisher ein kaum beachtetes Dasein als Zaunspfosten führte. Zum nächsten Tag des Denkmals soll es soweit sein. Wohl dem, der bei seinen Bemühungen von einem ganzen Verein unterstützt wird. Andere kämpfen allein. Wie die Familie Boden, die sich für den Erhalt eines familieneigenen denkmalgeschützten, aber verfallenen Bürgerhauses in Friedrichstadt einsetzt. Immerhin begann in einer Gartenlaube auf diesem Grundstück die Erfolgsgeschichte von „Odol“. Carl August Lingner machte hier seine ersten Versuche mit dem Mundwasser.

Mit dem Treffen im Stadtarchiv gab es nun fern von bierseligen Stadtteilfesten die Möglichkeit, diese Geschichten und Schicksale einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, Kontakte zu knüpfen, Ideen und Gedanken auszutauschen. Und dass dieses Angebot dankbar angenommen wird, zeigten die gut 500 interessierten, zumeist älteren Besucher, die allein am Sonnabend die engen Gänge des Stadtarchives verstopften. Ein guter Start, auch wenn an der Präsentation gearbeitet werden muss. Geschichte ist spannend. Zumindest wenn sie gut erzählt und mit eindrucksvollen Bildern dargestellt werden kann. Ein Zugeständnis, das wohl an die Mediengesellschaft gemacht werden muss. Vielleicht sieht man dann auch wieder mehr junge Leute in Museen oder eben auf dem Dresdner Geschichtsmarkt.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass ohne die engagierte Arbeit der Heimatforscher viel Wissenswertes, auch manch liebenswertes Überflüssige längst in Vergessenheit geraten wäre. Der Erfolg des Treffens bestätigt die Organisatoren in ihrer Idee, ein gemeinsames Geschichtsforum zu schaffen. Nach dem gelungenen Test scheint eine Fortsetzung des Dresdner Geschichtsmarktes im nächsten Jahr und in größerem Rahmen möglich.

Kontakt:
Stadtarchiv Dresden
Elisabeth-Boer-Straße 1
01099 Dresden
www.dresden.de

Quelle: Sächsische Zeitung, 26.1.2004

Archivleiterin sammelt Zeitzeugenberichte über Arbeitslager

„Wer gedenkt der Lebenden, die einsam zurückbleiben?“ Ihren Mitmenschen fiele nichts an ihnen auf. Doch nachts geisterten sie durch eine düstere Welt voller Schrecken und Erniedrigungen.

Ein Niederländer, der im Zweiten Weltkrieg zum Arbeitsdienst ins Marinegemeinschaftslager nach Neuenkirchen verschleppt wurde, schrieb diese Zeilen. Bei einer Gedenkfeier am Bunker Valentin wurden sie vorgelesen. Eine die sie hörte, war die Leiterin des Kreisarchivs Osterholz, Gabriele Jannowitz-Heumann.

„Ich fühlte mich angesprochen“, sagt die Mitarbeiterin des Landkreises Osterholz. Seit Jahren forscht sie in Sachen Marinegemeinschaftslager. Sie hat sich durch die Zeit zurück gearbeitet: Von den 60er Jahren, als das Lager ein Hospital war, bis in die 30er Jahre, als das Gelände von der deutschen Kriegsmarine zur Errichtung eines Tanklagers angekauft wurde. Ein Jahr vor Kriegsende standen dort 200 Baracken. Um die 15.000 Menschen hausten auf dem Gelände, viele starben. Gemeinsam mit dem Verein Lagerstraße (Bremen), dem Heimatverein Neuenkirchen (Niedersachsen) und offiziellen Einrichtungen auf hanseatischer sowie niedersächsischer Seite arbeitet sie an einem Gedenkstätten-Konzept für die Opfer, die dieses Lager und der Bau des Bunkers gefordert haben.

Die Gedenkstätte soll ein Ort der Erinnerung werden: für die Toten wie die Überlebenden. „Haiko Kania vom Verein Lagerstraße möchte jedem Toten einen Namen geben“, nennt die Kreisarchivarin eine Facette der Forschungs- und Planungsarbeit. Sie selbst habe sich zur Aufgabe gemacht, die Schicksale der Überlebenden zu Papier zu bringen. Ein Franzose hat sie darin nun bestärkt. Er hofft, dass es „eine Baracke zu unserem Andenken“ geben wird. Ihm gefällt die Idee, eine der noch existierenden Lager-Hütten könne zur Gedenkstätte werden. Jannowitz-Heumann: „Einen besseren Arbeitsauftrag kann man nicht bekommen.“

Der inzwischen 81-Jährige gehört zu den Überlebenden des Lagers. In einem stetig reger werdenden Briefwechsel hat er Jannowitz-Heumann von seinem Schicksal berichtet. Als 21-Jähriger wurde er zum Arbeitsdienst nach Swinemünde abtransportiert. Anfang 1945 ging’s mit einem Vieh-Waggon nach Farge. Er sollte umerzogen werden. Die Fahrt dauerte Tage. Das Ziel war unbekannt. Als er und seine Leidensgenossen ankamen, fragten sie einen Franzosen, der bereits im Lager lebte, an was für einen Ort sie gebracht worden seien. Die Antwort: „Hier geht Ihr Burschen in die Scheiße. Und Ihr werdet jeden Tag ein bisschen sterben.“

Der Kreisarchivleiterin ist bewusst, wie schwer es Zeitzeugen fallen muss, über das Erlebte zu reden. Um so mehr bedeutet ihr der Briefkontakt. Vorsichtig habe sie den 81-Jährigen gefragt, ob er ihr von seiner Zeit im Lager berichten wolle. Seine Antwort fiel positiv aus: „Indem Sie mich fragen, erinnere ich mich.“ Mit jedem Schreiben, das er seitdem an sie adressiert hat, sind seine Berichte ausführlicher geworden. Vieles deckt sich mit Informationen aus anderen Quellen. Einiges war für die Archivarin aber auch neu. Die Briefe halfen Lücken im Geschichts-Puzzle zu schließen. Den Standort der Baracke Todt etwa konnte sie nun mit Hilfe des Franzosen bestimmen. Dort mussten die Neuzugänge gemeldet werden. „Ich möchte diese Berichte in der geplanten Gedenkstätte ausstellen.“

Ein weiterer Aspekt ihrer Arbeit: Die Landeszentrale für politische Bildung Bremen hat das Kreisarchiv zur Sammelstelle für die Dokumentation der Lager- und Bunkergeschichte erklärt. Jannowitz-Heumann: „Wir stellen zurzeit einen Sachkatalog über die Literatur zusammen, die es zu diesem Thema gibt.“ Gleichzeitig hat sie den Auftrag erhalten, eine Präsenzbibliothek aufzubauen.

Kontakt:
Kreisarchiv Osterholz
Bahnhofstraße
27711 Osterholz-Scharmbeck
(04791) 981-906 (Tel./Fax)

Quelle: Wümme-Zeitung, 27.1.2004

SPD-Fraktion beantragt Bericht zum Stadtarchiv Idstein

Durch einen Berichtsantrag will die SPD-Stadtverordnetenfraktion Klarheit über die Situation des Idsteiner Stadtarchivs gewinnen. Bei ihrem Berichtsantrag orientieren sich die Sozialdemokraten an einem Positionspapier der „Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag„, in dem zentrale Anforderungen an die Aufgaben von Kommunalarchiven formuliert wurden.

SPD-Fraktionsvorsitzender Alfred Strauß: „Zentrale Aufgabenfelder eines Stadtarchives sind nach dem benannten Positionspapier die Identitätsstiftung für Kommune und Bürger/innen durch Umgang mit ihrer Geschichte, die Gewährleistung des Informationsrechtes für alle Bürger/innen zu sozialverträglichen Bedingungen (Freier Zugang, geringe Kosten etc.), die Bewahrung der die Rechte der Kommune und ihrer Bürger/innen sichernden Dokumente, die Sicherung der Kontinuität und Transparenz des Verwaltungshandelns und die Erforschung der den Ort prägenden Phasen ihrer Entwicklung.“

Die Sozialdemokraten wollen nun konkret vom Magistrat erfahren, ob das Idsteiner Stadtarchiv im Hinblick auf seine sachliche und personelle Ausstattung den Anforderungen gerecht werden kann und ob es in der Dokumentation der Idsteiner Vergangenheit Lücken gibt. Und, falls solche Lücken vorhanden seien, wie diese in Zusammenarbeit mit anderen Stellen geschlossen werden können.

Alfred Strauß: „Insbesondere der notwendige Einsatz neuer Medien wie Internet zur Präsentation des Angebotes des Stadtarchivs für Bürger und Bürgerinnen, Verwaltung und Wissenschaft und die sachgerechte Archivierung im Verwaltungsbereich stellen immer höhere Anforderungen an das Stadtarchiv. Für eine sachgerechte Diskussion zur Leistungsfähigkeit des Stadtarchivs ist es erforderlich, umfassende Informationen zu einem Arbeitsbereich zu erhalten, der in der Stadtverordnetenversammlung zu häufig nicht die ihm eigentlich zukommende Aufmerksamkeit erhält.“

Kontakt:
Stadtarchiv Idstein, Stadtverwaltung
König-Adolf-Platz 2
65501 Idstein
Tel.: (06126) 78-0
Fax: (06126) 78-280

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 26.1.2004

Stadtrat besichtigt Stadtarchiv Deggendorf in den neuen Räumen

Das Stadtarchiv Deggendorf ist im Oktober ins „Deggendorfer Haus der Geschichte“ in die Franz-Josef-Strauß-Straße 5 umgezogen und hat im Untergeschoss zwei Magazinräume zu 56 qm und 122 qm sowie einen Vorsortierraum mit 28 qm. Gestern stand eine Besichtigung der Räume auf dem Programm des Stadtrates.

Zu den wertvollsten Stücken im Archiv gehört eine Bibel aus dem Jahr 1650; außerdem finden sich hier Amtsblätter aus der Zeit, in der Bayern noch ein Königreich war. Vor allem für Familien- und Heimatforscher aus der Umgebung ist das Stadtarchiv im „Haus der Deggendorfer Geschichte“ eine wahre Fundgrube. Die Bücher und Schriften sind übrigens hauptsächlich Spenden von Privatleuten.

Kontakt:
Stadtarchiv Deggendorf
Franz-Josef-Strauß-Straße 5
94469 Deggendorf

Quelle: Passauer Neue Presse (Deggendorfer Zeitung), 27.1.2004