Am 16. Dezember 2003 sind die Archivalien der Stadt Waltershausen nach 15 Jahren aus der Obhut des Kreisarchivs Gotha von den Waltershäuser Stadtmüttern und -vätern wieder nach Hause befohlen worden. Es ist die fünfte Umlagerung der Dokumente.
Erste umfassende Kunde vom Archiv und der Art und Weise seiner Führung durch den Stadtrat liefert ein Bericht von Bürgermeister Oscar Albrecht vom 12. April 1880 an die Herzoglich Sächsisch-Coburgische Staatsregierung zu Gotha. Diese hatte dem Stadtrat in einem Erlass neun Fragen zur Aufbewahrung der Urkunden und Akten aufgegeben. Ziel war es, wichtige Akten und vor allem Urkunden für die praktische und wissenschaftliche Nutzung zu sichern und weiteren Verlusten durch unsachgemäßen Umgang und falsche Lagerung vorzubeugen und zu diesem Zweck im Schloss Friedenstein zu zentralisieren.
Beim Brand in der Borngasse im Jahr 1737 ist auch das Wohnhaus des Stadtsyndicus, Bürgermeister J. G. Juncker, abgebrannt. Er war damals mit der Ausarbeitung einer Waltershäuser Chronik beschäftigt und hatte dazu sehr viele und gerade die wichtigsten Originalurkunden der Stadt in seiner Wohnung. Diese sind alle verbrannt, vor allem auch eine „Historia der Stadt Waltershausen“, welche sich auf 50 Jahre lange Forschungen gründete.
Albrecht machte sich persönlich an die Beantwortung der Fragen. Für die Inventur der Urkunden bat er den Stadtphysikus Dr. med. Carl Polack um Hilfe. Er fertigte eine detaillierte Bestandsliste an.
Über das Pfarrarchiv wurde ein gesonderter Bericht von Superintendent Heinrich Schwerdt nachgereicht. In beiderseitigem Einverständnis wurden davon am 17. Juni 1881 insgesamt 452 Urkunden des stadträtlichen und des Pfarrarchivs aus der Zeit vor dem Jahre 1550 in das Herzogliche Haus- und Staatsarchiv durch Regierungsrat C. Kreuzburg übernommen.
Über fünf Jahrzehnte fand das Thema Stadtarchiv keine Erwähnung mehr. Erst Bürgermeister Nederkorn wandte sich im Juli 1936 an Staatsarchivrat Schmidt-Ewald mit der Bitte um Besichtigung der Aktenaufbewahrung im Rathaus und um Vorschläge für die Ordnung und Aufräumung des Archivs. Dieser musste feststellen, dass es nicht möglich war, an die Akten heranzukommen, weil sie stoß- und bergeweise auf dem Fußboden und in den Ecken übereinander gestapelt waren. Im November 1936 richtete Nederkorn an das Staatsarchiv Gotha die dringende Bitte um Herausnahme der Archivbestände aus der völlig unzulänglichen und feuergefährdeten Verwahrung – hinzu kam der Gesichtspunkt des Luftschutzes – und Unterbringung an sicherem Ort.
So wurden am 1. und 5. Juli 1937 unter der Aufsicht des Archivgehilfen Morgenstern die Akten in das Staatsarchiv nach Gotha gebracht. Sie wurden paketiert, nummeriert und ein Verzeichnis der mindestens 750 Pakete angefertigt. Die Kosten trug die Stadt.
Ein Großteil der danach bis zum Ende des Krieges 1945 in Waltershausen noch angefallenen Akten wurde kurz vor der Besetzung der Stadt durch die US-Truppen von den örtlichen Nazis vernichtet.
Rund 20 Jahre später wollte die Stadt die Archivführung selbst übernehmen. Sie stellte als Stadtarchivar ab 1957 den zuvor im IFA-Werk als Bibliothekar tätigen Helmut Christ ein. Grundstock des Archivs waren die bei der Stadtverwaltung vorhandenen 35 laufenden Meter Restbestände aus der NS-Zeit und die Akten der Nachkriegsjahre sowie 20 laufende Meter verzeichnislose Akten der eingemeindeten Dörfer Wahlwinkel, Langenhain und Rödichen. Als Archiv dienten drei Parterre-Räume unter dem Museum im Schloss Tenneberg. Datum der Rückführung des Stadtarchivs einschließlich der Repertorien, mit Ausnahme des Urkundenbestandes, aus Gotha war der 28. Mai 1958.
Der DDR-Archivgesetzgebung zufolge waren die kommunalen Archive ab 1976 in die Kreisarchive zu integrieren. Wenn auch verspätet, wurde darum im Oktober 1988 der Archivbestand, außer den Bau- und Personalakten, wieder nach Gotha gebracht. Diesmal in die ehemalige Kaserne an der Bürgeraue und in die Zuständigkeit und Verantwortung des Kreisarchivs unter der Leitung von A. Hartwich. Eine ausführliche Protokollierung der Übergabe erfolgte entsprechend den damaligen Gepflogenheiten nicht. Während der Benutzung wurde festgestellt, dass registrierte Akten nicht vorhanden sind. An zahlreichen Stellen der Findbücher ist daher der Buchstabe „f“ zu finden. Verschiedentlich wurde eine „f“-Akte zufällig in einem ganz andern Bündel gefunden. Aus einer vollständigen Fehlliste, die es bisher nicht gibt, könnte man voraussichtlich ersehen, ob Akten zielgerichtet, bezogen auf bestimmte Personen oder Vorgänge entwendet worden oder auch nur durch verantwortungslosen Umgang abhanden gekommen sein könnten.
Die nächste Umlagerung erfolgte im Sommer 1996 mit der Verlegung des Kreisarchivs aus dem von der Kaufland-Kette genutzten Kasernengebäude in das Landratsamt. Mit Einführung der Computertechnik wurde der Teilbestand F III nach dem Archivprogramm „Archimedes“ völlig inventarisiert. Für die Betreuung des Archivs hatte die Stadt Waltershausen ab 1999 einen Jahresbetrag an das Landratsamt zu zahlen. Um diese Kosten und erwartete Steigerungen zu vermeiden, hat die Stadt im Herbst 2003 entschieden, das Archiv in Eigenverwaltung zu nehmen und wieder auf Schloss Tenneberg in vorerst zwei Räumen rechts neben der Toreinfahrt unterzubringen. Mit der Archivnutzung durch die Öffentlichkeit ist nicht vor April 2004 zu rechnen.
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Quelle: Thüringer Allgemeine, 30.1.2004