Erneut wurde ein Skandal um einen hohen Beamten der Landesregierung der Steiermark bekannt. Eine Sekretärin war monatelang den unerträglichen sexuellen Belästigungen ihres Chefs ausgesetzt. Ob es – wie in einem anderen Fall – zu einer gerichtlichen Verurteilung des Täters kommt, ist jedoch fraglich.
Der betroffene Hofrat, der seit seiner Publikation „Protokoll mit Zeremoniell und Etikette“ im Land als Experte für heikle Benimmfragen gilt, dürfte gegenüber einer ihm unterstellten Frau nicht nur die Etikette über Bord geworfen haben. Der ehemalige Protokollchef des Landes quälte seine Sekretärin mit diversen Übergriffen. Dabei wurde der Frau abwechselnd mit unangenehmen Konsequenzen gedroht oder eine Beförderung versprochen, sollte sie etwas erzählen beziehungsweise schweigen. Die mittlerweile schwer kranke Frau wandte sich schließlich an die Gleichbehandlungsbeauftragte des Landes, Ingrid Jauk.
Wie Jauk bestätigte, bat der Mann sein Opfer in einem Sechs-Augen-Gespräch um Entschuldigung, wonach die Frau alle weiteren Schritte einstellte. Die Sekretärin verzichtet damit auch auf einen Schadenersatz von bescheidenen 363,4 Euro, der ihr nach dem Landes-Gleichbehandlungsgesetz zustehen würde. Statt einer Bestrafung wurde ihr ehemaliger Chef mit 1. Jänner 2004 als Referent ins Landesarchiv versetzt.
Die ÖVP-Landeshauptfrau der Steiermark, Waltraud Klasnic, war am Mittwoch zu keinerlei Stellungnahme in der „Grapsch-Causa“ bereit. Ein Vorgehen, das ihr von den Frauensprecherinnen von SPÖ, FPÖ und den Grünen unisono als Vertuschung übel genommen wird. Die Grünen-Frauensprecherin Edith Zitz will Klasnic nun im persönlichen Gespräch konfrontieren. Denn Zitz selbst habe in ihrer Funktion als Landtagsabgeordnete wiederholt unter verbalen sexuellen Belästigungen eines ÖVP-Kollegen zu leiden gehabt.
Quelle: Der Standard, 15.1.2004