Brilon erschwert Aktenzugang im „Opa-Streit“

Eine Woche nachdem Lokalhistoriker in einer Kleinstadt im Sauerland mit ihren Recherchen begannen, hat der „Opa-Streit“ um fragwürdige Äußerungen von Unionsfraktionsvize Friedrich Merz die bundespolitische Bühne erreicht. So meldeten sich gestern Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dieter Wiefelspütz und Sebastian Edathy, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus in der SPD-Bundestagsfraktion, zu Wort. Vor Ort, in Merz Heimatort Brilon, hat unterdessen die Stadtverwaltung versucht, die Forschungsmöglichkeiten für Lokalhistoriker und Pressevertreter zu erschweren.

Der Erste Beigeordnete der Stadt Brilon, Reinhard Sommer, erteilte gestern eine mündliche Dienstanweisung an alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Unterlagen des Briloner Stadtarchivs zum Verhalten von Merz Großvater, des ehemaligen Bürgermeisters Josef Paul Sauvigny, dürfen demnach nur noch nach ausdrücklicher Genehmigung Sommers veröffentlicht werden. Der Beigeordnete bestätigte dieses Vorgehen gegenüber der taz. „Das ist mein Recht als Beigeordneter“, sagte Sommer. Anfragen für weitere Archivmaterialien werde er „schnell und in üblicher Weise“ bearbeiten.

Anders als der derzeitige Briloner Bürgermeister Franz Schrewe (SPD) gehört der Beigeordnete Sommer der CDU an. „In Wahrheit ist die taz gar nicht an Sauvigny interessiert, sondern will nur Friedrich Merz in eine rechte Ecke stellen“, sagte Sommer.

Informanten der taz waren vergangene Woche im Briloner Stadtarchiv auf NS-freundliche Äußerungen Sauvignys gestoßen. Sauvignys Enkel Friedrich Merz hatte auf einer Parteiversammlung am 6. Januar in seinem sauerländischen Heimatort Brilon dazu aufgerufen, das „rote Rathaus“ der Stadt „zu stürmen“. Zur Begründung verwies er auf seinen Großvater, der im Nationalsozialismus bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1937 Bürgermeister des Orts war.

Sein Großvater habe „von 1917 bis 1937“ als Bürgermeister amtiert. Ihn, Merz, erfülle daher „mit tiefem Grausen“, dass derzeit „ein roter Bürgermeister“ amtiere. In keiner Gemeinde des Hochsauerlandkreises engagiere er sich so gern persönlich, wenn es darum gehe, „ein rotes Rathaus zu stürmen“. Diese Äußerungen bestätigten gegenüber der taz übereinstimmend drei Teilnehmer der Veranstaltung, bei welcher der CDU-Bürgermeisterkandidat für die Kommunalwahl aufgestellt wurde.

Vor drei Monaten hatte Merz sich bereits in einem Interview mit dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel affirmativ auf seinen Großvater bezogen. Auch damals bezog sich Merz auf die Amtszeit des Bürgermeisters. „Das war mein Großvater immerhin zwanzig Jahre von 1917 bis 1937“, sagte er in dem autorisierten Interview vom 28. September vergangenen Jahres. Grünen-Chef Bütikofer warf Merz gegenüber der taz vor, „die politische Auseinandersetzung zwischen den Parteien in einen geistigen Bürgerkrieg zu verwandeln – und das nicht zum ersten Mal“.

Quelle: taz Nr. 7262, 20.1.2004, S. 7

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