Für das russische Kulturministerium gehen die deutsch-russischen Verhandlungen um die Rückgabe des Rathenau-Archivs weiter wie gehabt. Meldungen über eine Note des russischen Außenministeriums, wonach das einst von Präsident Jelzin der deutschen Seite versprochene Konvolut von rund 70.000 Akten zum Staatseigentum und Deutschland zum ehemaligen Feindstaat erklärt wurden (Meldung) und die heftige politische Reaktionen auslöste, seien zu seiner Behörde nicht vorgedrungen, erklärte der Leiter der Restitutionsabteilung Alexander Kibowski.
Nach Ansicht des Kulturministeriums kann der Nachlass des ehemaligen deutschen Außenministers Walther Rathenau, der 1922 in Berlin von Antisemiten ermordet wurde, nicht der offiziellen Kulturbeute zugeschlagen werden, mit welcher sich die Sowjetunion für erlittene eigene Kulturgüterverluste vermeintlich rechtmäßig entschädigte.
Rathenaus Nachkommen wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, die sein Archiv von ihnen erpressten. Die Erben leben heute in der Schweiz, weshalb die russische Seite zu erwägen habe, ob die Aktensammlung nach Deutschland oder in die Schweiz gehöre, sagte Kibowski.
Es bleibt die Frage, so die FAZ heute, ob das nominell für die Beutekunst zuständige Kulturministerium von diesbezüglichen Regierungsentscheidungen einfach übergangen wird. Beobachter fragen sich, wie lange Kibowskis Chef, der liberale Kulturminister Schwydkoi, sich unter dem neoimperialen Regime wird halten können.
Quelle: FAZ, 15.1.2004, 33.