Film über die Bombardierung Schaffhausens wiederentdeckt

Die Filmrolle lag während Jahren unbeachtet im Stadthaus, kam dann in ein Depot des Stadtarchivs Schaffhausen, wo sie Archivar Peter Scheck jetzt reaktivierte und in eine für den PC kompatible DVD-Fassung brachte (Link). Gedreht wurde der wiederentdeckte Tonfilm vom Luftschutzamt des Eidgenössischen Militärdepartementes offenbar noch am Tag der Bombardierung am 1. April 1944 und primär vermutlich als Dokumentation und Instruktion für militärische Zwecke.

In einer eindrücklichen Abfolge von Aufnahmen werden brennende Häuser, rauchende Trümmer, Feuerwehrleute und Soldaten auf Leitern und an Schläuchen gezeigt, auch Bilder verängstigter und fassungsloser Bewohner. Vorab beim Museum, an der Beckenstube, am Herrenacker, im damaligen Industriequartier am Rhein in den Mühlenen und am Bahnhof muss die Verheerung, verursacht an jenem Ostersamstag durch ein amerikanisches Bombengeschwader, ungeheuer gewesen sein. In den ersten Stunden nach dem Bombenabwurf herrschte wohl ein unvorstellbares Chaos, das sich aber – auch gemäss dieser bisher noch nie veröffentlichten Bilder – schnell gelegt hat und einer disziplinierten und erstaunlich besonnenen ersten Hilfe Platz machte.

Wucht der Sprengbomben

Die offensichtlich auch Tage danach noch in der Altstadt weilende Filmequipe hat diesen Einsatz in überwiegend professionellen und scharfen Aufnahmen festgehalten – Männer und Frauen, die bei Rettungs- und Aufräumungsarbeiten beherzt zupacken, auch eifrige Jugendliche, Pfadfinder, die beim schwer getroffenen Naturhistorischen Museum am Herrenacker ausgestopfte Tiere herumtragen. Mehrfach erwähnt der Sprecher des Films die immense Gewalt der 400 Brand- und Sprengbomben, die 45 Kilogramm schwer waren und beim Abwurf das Dach und das oberste Stockwerk eines Gebäudes (wie das Restaurant Thiergarten) durchschlugen und erst nach dem Einschlag explodierten. Die Bomben entwickelten schon damals eine ungemein zerstörerische Kraft, Schaffhausen hatte an diesem Schreckenstag 40 Todesopfer, 270 teilweise schwer Verletzte und 500 Obdachlose zu beklagen. Der Bombenabwurf, den auch Neuhausen und Feuerthalen zu spüren bekamen, legte selbst massiv gebaute Häuser teilweise in Schutt und Asche, so die damals gegenüber dem Kraftwerk gelegene Tuchfabrik – die dort vorhandenen Stahlkonstruktionen glühten nach einem Volltreffer und Vollbrand, verbogen sich unter der Hitze und fielen innert Sekunden wie ein Kartenhaus zusammen.

Aufgabe «geschickt gelöst»

Anfänglich hätte es den Leuten des Luftschutzes und der Feuerwehr vor allem an Wasser, auch am nötigen Leitungsdruck gefehlt, bemängelt der Kommentator des Films. Darüber hinaus lobt er aber die Einsätze und die vorbildliche Organisation der örtlichen Hilfskräfte. Sie hätten die Aufgabe «geschickt und zweckentsprechend gelöst», heisst es im Film. Und: Die Bevölkerung habe «das Leid tapfer getragen». Entscheidend in diesen Tagen war die überlegte Führung durch Stadtpräsident Walther Bringolf und Oberst Oscar Frey. Eine wichtige Rolle zur Bewältigung des Elends spielte neben den Ärzten und dem Pflegepersonal des Spitals hinter dem Bahnhof auch Els Peyer-von Waldkirch, die Leiterin der Obdachlosenfürsorge.

Anfrage aus Deutschland

Von der Bombardierung Schaffhausens existieren neben schriftlichen Berichten zahlreiche Fotos, auch Luftaufnahmen des Militärs sowie ein – allerdings nur bedingt aussagekräftiger – kurzer Amateurfilm und Zusammenschnitte aus alten «Kino-Wochenschauen». Von einem dramaturgisch aufgebauten Film in der Länge und Qualität, wie er jetzt vom Stadtarchiv vorgefunden wurde, war aber bisher nichts bekannt. Die Entdeckung machte Archivar Peter Scheck nach einer kürzlich erfolgten Anfrage einer deutschen Fernsehanstalt, die Material für eine Sendung über den Zweiten Weltkrieg suchte. Fast zeitgleich interessierte sich auch das Schweizer Fernsehen; der Sender wird den Film oder Ausschnitte davon voraussichtlich im März ausstrahlen.

Den Historikern wird das Dokument kaum neue Erkenntnisse liefern. Als beeindruckendes Zeugnis der für Schaffhausen unvergesslichen Stunden und Tage dürfte der Film trotzdem auf grosses Interesse stossen.

Die Bombardierung Schaffhausens kurz vor 11 Uhr am 1. April 1944 dauerte nur gerade 40 Sekunden – und machte der hiesigen Bevölkerung überdeutlich, wie grausam Krieg sein kann. In der Stadt zählte man auf einen Schlag mehr als 50  Grossbrände.

Die Amerikaner entschuldigten sich damals umgehend für den verheerenden Luftangriff, richteten später auch Entschädigungen aus; die Stadt erhielt für öffentliche und private Schäden 40 Millionen, der Kanton zusätzlich 14 Millionen Franken. Während anfänglich Zweifel bestanden, steht heute für die Experten und vorab die Historiker fest: Die Bombardierung durch die amerikanischen Piloten erfolgte irrtümlich.

Kontakt:
Stadtarchiv Schaffhausen
Fronwagplatz 24
CH-8200 Schaffhausen
Tel. Sekretariat ++41 52  632 52 32 
Fax ++41 52  632 52 31

Quelle: SHN, 15.1.2004

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