Archivare strukturieren Erinnerung nach Beständen. Im Stadtarchiv der Landeshauptstadt Potsdam gibt es zum Beispiel den Alt-Aktenbestand bis zum Jahr 1945 und den intern „Sozialismusbestand“ genannten Abschnitt von 1945 bis 1989. Der Bestand nach der Wende, sagt Archivleiterin Angelika Schulz, wird erst dann zusammengefasst, „wenn eine neue Struktur beginnt“. Was nicht notwendigerweise eine Revolution sein muss, sondern auch eine neue Verwaltungsstruktur sein kann.
Für einen knappen Überblick über seine Bestände und Leistungen liegt jetzt beim Stadtarchiv sowie beim Bürgerservice das erste Informationsblatt des Archivs aus. Auflage: 2000 Stück. „Wir wollen ein breites Publikum ansprechen“, sagte Angelika Schulz gestern bei der Vorstellung des Blättchens, „besonders auch Schulen“. Im Jahr 2003 verzeichnete das Stadtarchiv beispielsweise Nachforschungen zur Entwicklung von Stadtgebieten wie der Waldstadt II und, mit steigender Tendenz, Anfragen zur Familiengeschichte. In Einzelfällen meldeten sich sogar Interessenten aus Australien, Kanada, den USA. Kostenpflichtige Recherchen schlagen mit 17 Euro pro angefangener halber Stunde zu Buche. Mit 400 Nutzungsvorgängen gab es im Vergleich zum Jahr zuvor einen Rückgang um 50. Ein Grund: der Umzug in die einstige Alexandrinen-Grundschule in der Helene-Lange-Straße 14 im Mai. Die frühere Turnhalle, in der die Bestände nun lagern, wurde 1924/25 nach einem Entwurf des Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe errichtet. Sie beherbergt – aneinandergereiht – drei Kilometer Dokumente: Urkunden und Chroniken des 15. bis 20. Jahrhunderts, Melderegister und -karteien von 1855 bis 1883 und 1950 bis 1994, Karten und Pläne ab 1850 oder Aufzeichnungen über Gewerke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Stolz präsentierte Schulz den 1956 von den Stadtverordneten bestätigten Stadtwappen-Originalentwurf von Werner Nerlich sowie zwei historische Originale: einen handgeschriebenen und -illustrierten Gesellenbrief eines Gärtners von1797, dessen Abbild auch den Flyer ziert, und eine städtische Urkunde von 1450, an der das älteste erhaltene städtische Siegel prangt. Das genaue Gründungsdatum des Stadtarchivs selbst dagegen ist unbekannt; Magistrats-Dokumenten zufolge muss sie Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgt sein.
Für 2004 ist zum zweiten Mal ein „Tag der offenen Tür“ beim bundesweiten „Tag der Archive“ am 25. September geplant. Seit gestern ist das Stadtarchiv auch im Internetangebot www.potsdam.de unter „Potsdam“ entdecken“ und dort unter „Wissenschaft und Bildung“ zu finden.
Eine Schriftenreihe, wie sie andere Archive herausgeben, steht in Potsdam derzeit nicht auf der Tagesordnung, wohl aber eine große Bestandsübersicht. Sie erscheint aber, so Schulz, „nicht vor 2005“.
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Stadtarchiv@Rathaus.Potsdam.de
Quelle: Märkische Allgemeine, 3.1.2004