Im Leseraum des Bornaer Stadtarchivs blättern zwei Leute in den Akten. Thomas Bergner und Dietrolf Berg. Bergner ist derzeit mit der Erfassung von Akten Bornaer Lageskizzen beschäftigt und Berg mit einem 30-seitigen Dokument über einen Wehrverband aus der Weimarer Republik, das Thema seiner Promotion – Alltag im Stadtarchiv.
Seit Wochen „wühlt“ sich der 26-Jährige aus Hessen durch die Archive Mitteldeutschlands. „Gestern war ich in Greiz und vorgestern in Gotha“, so Berg, der vor kurzem sein Geschichts- und Geografiestudium in Kassel beendet hat. Vor einigen Wochen hat er 120 Archive zwischen Magdeburg und Weimar schriftlich um Akteneinsicht gebeten. Die Bearbeitung solcher Anträge und das Heraussuchen der Akten sind nur ein Teil von Barbara Zurbrüggs Arbeit. Seit 1998 ist sie Archivleiterin der Stadt.
„Die meisten Besucher interessieren sich für ihre Familiengeschichten oder die Historie zu ganz bestimmten Gebäuden“, sagt Zurbrügg. Wissenschaftliche, heimat- und familiengeschichtliche Forscher sind ihre Hauptklientel. Doch Akteneinblicke bekommt nicht jeder. Ein berechtigtes Interesse ist streng nach dem sächsischen Archivgesetz geregelt. Beim erstmaligen Besuch ist ein Nutzungsantrag zu stellen. Im Jahresdurchschnitt lesen hier 150 Leute in allen möglichen Dokumenten. „Manche von denen bis zu einem halben Jahr“, erklärt Zurbrügg.
Bergner, ehrenamtlich im Förderverein des Museums engagiert, wälzte etliche Monate lang Akten für sein letztes Buch „625 Jahre Gnandorf“. Für die Bildbände „Borna – ein Jahrhundertbild“ und „Borna – Stadt der Braunkohle“ saß er noch mal so lange in der Abteilung Ortschronik eine Etage höher.
Die Akten sind seit dem Sommer in modernsten Rollregalanlagen untergebracht. Würden die in Pappkartons verstauten Dokumente nebeneinander gelegt, reichten sie um den halben Breiten Teich. Im vier Meter hohen Archivraum hat außer Zurbrügg kein anderer Mensch etwas zu suchen. Die Luftfeuchtigkeit liegt hier immer zwischen 45 bis 55 Prozent und die Temperatur zwischen 17 und 19 Grad Celsius. Gerade für die alten Rats-Urkunden aus der Zeit zwischen 1397 bis 1828 oder die uralten Unterlagen der Stadtverwaltung, die bis ins Jahr 1470 zurückreichen, ist das immens wichtig.
Kontakt:
Stadtarchiv Borna
Wettinstr. 9
04552 Borna
Tel.: 0 34 33 / 20 02 83
www.borna.de
Quelle: Leipziger Volkszeitung, 17.11.2003
Thurn- und Taxis kündigt Mitarbeitern der Hofbibliothek
Das Fürstenhaus Thurn und Taxis hat fünf Mitarbeiter seiner Hofbibliothek und des Archivs in Regensburg betriebsbedingt gekündigt. Ob die Kündigung auch den Leiter der Bibliothek, des Zentralarchivs und der Fürstlichen Museen, Dr. Martin Dallmeier, trifft, ist noch ungewiss.
Weder er noch eine Sprecherin des Fürstenhauses wollten das jüngst kommentieren. Jedenfalls ist Dallmeier laut Auskunft aus dem Schloss für die nächsten Wochen krank gemeldet. Archiv und Bibliothek sind angeblich auch geschlossen. Hintergrund der Aktion sind die schon vor Jahren begonnenen Überlegungen, die Fürstliche Bibliothek und das Archiv zur Universität zu „outsourcen“. Seinerzeit war auch noch von einer Übernahme des Personals die Rede. Die „Schaubibliothek“ mit rund 12.000 Bänden ist im berühmten Asamsaal untergebracht, weitere Bestände sind eingelagert.
Die Universität Regensburg will künftig tatsächlich die wissenschaftliche Erschließung von Archiv und Bibliothek der Thurn und Taxis sicher stellen, berichtet die Mittelbayerische Zeitung. Fürstin Gloria gibt die Betreuung am 1. Januar an die Hochschule ab und hat fünf Mitarbeitern gekündigt. Die drei Bibliothek-Mitarbeiterinnen und zwei Putzkräfte waren teilweise langjährige Beschäftigte, bis zu 30 Jahre im Haus, so Klaus Kirchberger, Generalbevollmächtigter von Thurn und Taxis. Gegen die Kündigungen liege bisher keine Klage vor; Kirchberger rechnet aber mit arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen.Die Kündigungen, so Kirchberger, seien der «Wermutstropfen» bei der Abmachung, die ansonsten vielfältige Vorteile berge. «Wir sparen erheblich an Personalkosten. Wir können Bibliothek und Archiv öffentlich halten, was wir gern möchten, aber nicht müssen. Und die Universität hat Zugriff auf unerschlossene Bestände.» Grund für die Übergabe, so Kirchberger, sind wirtschaftliche Überlegungen. «Überall wo wir Kosten sparen können, wollen wir das auch.»
Quelle: Amberger Zeitung, 14.11.2003; Mittelbayerische Zeitung, 15./16. November 2003
Der Papier-Restaurator im Staatsarchiv Detmold
Langsam strömt Wasser von unten in die Metallbox, in der ein Sieb die angefressenen, zerrissenen und vergilbten Buchseiten am Grund fixiert. Aus einem Küchenmixer schüttet Matthias Frankenstein den pürierten Faserbrei in einen Wassertank, in dem dieser nochmals verdünnt und mit Sauerstoff durchwirbelt wird. „98 Prozent Wasser und zwei Prozent Fasern“, erklärt der Papier-Restaurator die Zusammensetzung dieser Mischung.
Man nutze das Bestreben der Zellstoff-Fasern aus, sich im Wasser gegenseitig anzuziehen. Als das Wasser nach unten wieder abgesaugt wird, legen sich die dünnen Faserchen genau in die verbliebenen Lücken im Blatt sowie zwischen Papier und umliegender Gummischicht. Alle Löcher oder Abrisskanten sind nun wieder mit neuem Material geschlossen.
Nur eine Möglichkeit, historische Papiere wieder zu vervollständigen. Tägliche Arbeit von Matthias Frankenstein, Restaurator im Staatsarchiv in Detmold. Dort hat es der 31-Jährige mit unterschiedlichen Papier-Schäden vom Maus-Fraß oder Schimmelpilz-Befall bis zur verschmutzten und zerrissenen Oberfläche sowie einer Vielfalt an Papiersorten aus mehreren Jahrhunderten zu tun.
Nach der so genannten Anfaserung pinselt Frankenstein chemisch gelöste Zellulose als Leim über die Übergänge zwischen Alt und Neu, verstärkt sie durch hauchfeines Seidenpapier, das mit Weizenstärke verklebt wird. Das Ganze wird, zwischen Vlies und Filterkarton gelegt, in eine wärmende Presse geschoben.
Wenn das Papier da raus kommt, „dann hat es wieder Klang“, sagt der gelernte Buchmacher-Meister Frankenstein. Zwischen zehn und 15 Minuten dauert es, bis der Restaurator eine aus dem Buch heraus gelöste Doppelseite ergänzt hat. Was restaurierungswürdig ist, entscheidet der Archivar. „Das ältesteste Dokument im Haus ist eine Urkunde aus dem 12. Jahrhundert.
Beim Praktikum in Holland durfte ich auch schon eine Pergament-Handschrift aus dem achten Jahrhundert restaurieren.“ Das sind Objekte, die eine besondere Aura umgibt, sagt Frankenstein, „auch wenn wir es gewohnt sind, täglich mit Historischem umzugehen.“
Für jedes restaurierte Papier wird vorab ein Konzept angelegt, wie weit in das Original eingegriffen werden kann, oder was die Ergänzung bringt. Alterungsbeständigkeit ist eine Maxime bei den Arbeiten, die auf 150 bis 200 Jahre im restaurierten Zustand ausgelegt sind: „In den 70er Jahren wurde viel mit Folien gearbeitet. Jeder hat ‘rum geklebt, ohne zu wissen, was daraus wird. Heute müssen wir alte Tesafilme ablösen, die kleine Zeitbomben für das Papier geworden sind.“
Schwierig sei auch das zwischen 1850 und 1950 verwendete Papier: „Schlechte Qualität, sauer geleimt, nicht holzfrei und somit stark vom Säurezerfall bedroht.“ Dagegen war das, was schon im 12. Jahrhundert als Pergament auf den Tisch kam, ein echter „Qualitätsschatz“.
Über Datierungen, wenn nötig auch über die Handschrift, bei Urkunden über das Format oder die Oberflächenbehandlung und durch das Zerlegen der Bücher und über die verwendete Technik kann das Alter des Schriftwerkes bestimmt werden.
Das wiederum bestimmt die Technik und den Aufwand, mit denen restauriert wird. Ein Buch muss nachher funktionieren, muss die mechanische Beanspruchung ertragen. „Wir machen nichts neu. Restaurieren bedeutet erhalten und konservieren“, sagt Frankenstein, der eine halbe Stelle innehat, und betont die „Spuren der Zeit“, die nicht verwischt werden dürfen. Wie der gerade Schnitt in einer Pergament-Urkunde von 1594. Die Fäulnis-Schäden werden beseitigt, der Cut jedoch zeigt an, dass die Urkunde entwertet worden ist. Er bleibt drin.
Kontakt:
NW Staatsarchiv Detmold
und
Nordrhein-Westfälisches Personenstandsarchiv Westfalen-Lippe
Willi-Hofmann-Straße 2
D-32756 Detmold
Telefon: 05231/ 766-0
Telefax: 05231/ 766-114
E-Mail: poststelle@stadt.nrw.de
Quelle (mit Bild): Neue Westfälische, 17.11.2003
Nutzerzahl des Stadtarchivs Bad Kreuznach stieg kontinuierlich
Kontinuierlich sind die Nutzerzahlen im Bad Kreuznacher Stadtarchiv seit August 1994 gestiegen. Kamen damals noch rund 40 Besucher pro Jahr, sind es inzwischen rund 400. Am gestrigen Freitag wurde Steffen Kaul als 2000. Nutzer geehrt. Eigentlich wollte er nur Bilder holen, die er dem Stadtarchiv für die Ausstellung „Hier spielt die Musik“ zur Verfügung gestellt hatte. Doch diesmal wurde aus dem Besuch von Steffen Kaul, der mindestens einmal im Monat ins Stadtarchiv kommt, etwas ganz besonders. Der Bad Kreuznacher, dessen Hobby „Alt Kreuznach“ und vor allem historische Fotografien sind, wurde mit einer Flasche Wein als 2000. Nutzer geehrt – und das ausgerechnet an seinem Geburtstag.
Gezählt wird jeder, der das Angebot des Archivs nutzt – und zwar jedes Mal wenn er kommt. Diese Zahlen könne man nicht mit Besucherzahlen eines Museums vergleichen, sagte die Stadtarchivarin, Franziska Blum-Gabelmann. „Schließlich kommen hierher die Menschen mit einer bestimmten Fragestellung – hier findet Forschung statt.“ Die Zahlen zeigten, dass das Archiv bekannter geworden sei. „Vor allem am Freitagnachmittag ist es gut frequentiert“, erklärte die Archivarin. „Die Leute wissen, dass es Schätze zu bergen gibt; und es gibt qualifizierte Ansprechpartner.“
Überwiegend seien es Heimatforscher, die an bestimmten Aspekten der Stadtgeschichte interessiert seien. Dazu kommen Familienhistoriker sowie Wissenschaftler, die ein Spezialthema aufarbeiten. „Die Hobbyhistoriker sind dabei überwiegend Männer“, erläuterte Blum-Gabelmann. Junge Frauen beschäftigten sich vor allem unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten mit dem Angebot im Archiv.
„Sitzfleisch“ müssen jedoch alle Nutzer beweisen. Wichtig sei die Kontinuität in der Forschung, da dürfe man sich nicht entmutigen lassen, auch wenn man lange nichts finde, erklärte Blum-Gabelmann. Inzwischen habe sich aber eine richtige „Fan-Gemeinde“ des Archivs entwickelt, die sich auch einmal austausche.
Das Archiv, dessen Nutzung kostenfrei sei, sei dabei ein sehr demokratisches Mittel, um an Informationen zu kommen. Und es biete auch eine Möglichkeit, mit Gerüchten aufzuräumen. „Nur wenn ich etwas mit dem Original vergleiche, kann ich eine Fälschung erkennen“, erklärte die Stadtarchivarin. Und einige Familienforscher, die sich über Vorfahren informieren wollten, seien durch die Dokumente im Archiv mit einem ganz neuen Bild konfrontiert worden.
Kontakt:
Stadtarchiv Bad Kreuznach
Postanschrift:
Stadtverwaltung Bad Kreuznach Postfach 563
55529 Bad Kreuznach
Hausanschrift:
Stadtarchiv Bad Kreuznach Dessauerstraße 49
55545 Bad Kreuznach
Tel.: 0671 / 920 77 86
Fax: 0671 / 920 77 92
stadtarchiv-bad-kreuznach@t-online.de
www.stadt-bad-kreuznach.de
Das Archiv ist mittwochs und donnerstags von 9 bis 12 sowie freitags von 14 bis 17 Uhr offen.
Quelle: Allgemeine Zeitung, 15.11.2003
Filmdokument: Alte Bräuche in Attendorn
1989 wurde auf einem Dachboden im sauerländischen Attendorn eine Filmrolle entdeckt, die ein ganz außergewöhnliches historisches Filmdokument enthielt. Der 20-minütige Stummfilm porträtiert unter dem Titel 'Alte Bräuche in Attendorn' das auf mittelalterlichen Wurzeln fußende Oster- und Schützenfestbrauchtum der alten Hansestadt. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Attendorn hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) den Film jetzt neu bearbeitet und unter dem Titel 'Lebendige Vergangenheit – Alte Bräuche in Attendorn 1930' als Videofilm für eine regionalgeschichtlich und volkskundlich interessierte Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Neben den weit über das Südsauerland hinaus bekannten Bräuchen rückt der Film auch Sehenswürdigkeiten wie die damals als Jugendherberge dienende Burg Schnellenberg, die alte Kapelle Waldenburg sowie das gleichfalls in den Fluten der Biggetalsperre versunkene Forsthaus ins Bild.
„Nach allem was wir wissen“, erläutert Otto Höffer, Leiter des Stadtarchivs Attendorn, „hat eine Kölner Filmgesellschaft den Film 1930 auf Anregung des damaligen Attendorner Schützenvikars Konrad Sander produziert.“ Im Vorspann enthält das erhaltene Filmoriginal noch einen Lizenzvermerk der alliierten Behörden, der Film muss also unmittelbar nach 1945 noch einmal bearbeitet und vermutlich auch vorgeführt worden sein. Danach allerdings verschwand er in der Versenkung. Nach ihrer Wiederentdeckung 1989 übergab man die hoch entzündliche 35mm-Filmrolle dem Bundesarchiv.
2002 wurde der Leiter des Westfälischen Landesmedienzentrums beim LWL, Dr. Markus Köster, auf das Dokument aufmerksam und regte seine Neubearbeitung an. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv kommentierte das LWL-Landesmedienzentrum die als Stummfilm entstandene Produktion und reicherte sie musikalisch mit zeitgenössischen lokalen Kompositionen an. So restauriert hat das LWL-Landesmedienzentrum dieses Zeitzeugnis jetzt als Videoedition der Reihe „Westfalen in Historischen Filmen“ einer interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. „Nach dem Urteil des Bundesarchivs und auch unserer eigenen Einschätzung reicht die filmhistorische Bedeutung des Dokuments weit über Attendorn hinaus.“
„Bei aller historischen Patina“, schwärmt der Leiter des Westfälischen Landesmedienzentrums, „besticht der Film durch genaue Beobachtungsgabe, einen liebenswürdigen Schuss Humor und eine eigentümliche Mischung aus Zeitlosigkeit und Geschichte“. Vieles scheine sich in den über 70 Jahren, die seitdem vergangen sind, in Attendorn praktisch nicht verändert zu haben, anderes erinnere an längst vergangene Zeiten, so der gebürtige Attendorner weiter.
Interessierte können den Film im Südsauerlandmuseum kaufen oder direkt beim
Westfälischen Landesmedienzentrum in 48133 Münster, medienzentrum@lwl.org ,
Fax:0251/591-3982 für 9,90 Euro (+2,60 Euro Versand) beziehen.
Schulen und Vereine, die auch das Vorführrecht erwerben wollen, zahlen 35 Euro.
Kontakt:
Westfälisches Landesmedienzentrum
Warendorfer Straße 24
48145 Münster
Briefadresse: 48133 Münster
Tel.: 0251 / 591-3902
Fax: 0251 / 591-3982
E-Mail: medienzentrum@lwl.org
www.westfaelisches-landesmedienzentrum.de
Stadtarchiv Attendorn
Kölner Str. 12 / Postfach 420
Postfach 420
D-57439 Attendorn
Telefon: 02722-64420
Telefax: 02722-64421
E-mail: O_hoeffer@rathaus.attendorn.de
Quelle: LWL-Pressestelle, 14.11.2003
Im Archiv des Landkreises Güstrow
Geschichtliche Abrisse zu Dorfjubiläen, Chroniken zu Vereinsgeburtstagen oder Festschriften zu Familienfeiern – die Suche nach den Wurzeln hat zurzeit Konjunktur. Da sind Archive gefragt, in denen Geschichte aufbewahrt, geordnet und vor allem wieder auffindbar ist.
Das gewachsene Interesse der Öffentlichkeit spüren auch die Mitarbeiterinnen des Güstrower Kreisarchivs. War schon das Interesse zum Tag der Archive vor gut zwei Jahren gewaltig, so erlebte Gerda Wegner, Leiterin des Archivs im Kreishaus, auch großen Zuspruch, als sie in zwei Veranstaltungen der Kreisvolkshochschule ihren Arbeitsbereich vorstellte. Die Grundlagen für ein Kreisarchiv wurden vor über 50 Jahren gelegt. Mit der Zeit haben sich zirka 3.200 laufende Meter an Archiv- und Schriftgut angesammelt, allein 440 Meter sind es, die im Endarchiv lagern. „Archivgut kann bereits zehn Jahre nach seiner Entstehung genutzt werden. Wenn es Amtsgeheimnissen oder besonderen Rechtsvorschriften unterliegt, sind es 30 Jahre. Personenbezogene Akten erst zehn Jahre nach dem Tod des Betroffenen oder, wenn das Datum nicht bekannt ist, 90 Jahre nach der Geburt. Sollte beides nicht mehr feststellbar sein, so gelten dafür 60 Jahre nach der Entstehung der Unterlagen“, erklärt Gerda Wegner die Praxis.
Die meisten Unterlagen sind im Zwischenarchiv aufbewahrt. Das sind Akten, deren Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen oder deren Archivwürdigkeit noch nicht bestimmt sind. „Auch hierfür gelten für personenbezogene Daten datenschutzrechtliche Vorschriften“, versichert die Leiterin. Eine Zäsur brachte die Wende für das Kreisarchiv. War das Güstrower Archiv bis 1990 für 48 Gemeinden und die Städte Güstrow, Laage und Krakow am See zuständig, so wurden die Gemeinden nach der Kommunalverfassung des Landes eigenständig. „Das bedeutet, dass die Verwaltungsämter und ihre Gemeinden für die Verwahrung des Schriftgutes selbst verantwortlich sind“, weiß Gerda Wegner. „Da besteht leider auch die Gefahr, dass wichtiges Schriftgut verloren geht.“ Weitere Herausforderungen für die Mitarbeiter des Kreisarchivs bahnten sich 1994 an, als sich die Kreise Güstrow, Bützow und Teterow zum Großkreis Güstrow zusammenschlossen. Seitdem hat, bedingt durch zahlreiche ABM, die Arbeit an Ortschroniken zugenommen.
„Aber auch das Geschichtsbewusstsein der Menschen ist gestiegen“, hat Gerda Wegner beobachtet. Wer im Kreisarchiv Akten oder Sammelgut einsehen möchte, muss einen Benutzerantrag ausfüllen. Der für den Bereich zuständige Archivar recherchiert, ob die Unterlagen überhaupt vorhanden sind. Zu einem vereinbarten Termin werden die Akten bereit gestellt. Für Ortschronisten ist die Benutzung des Archivs weitgehend kostenlos. Gerda Wegner verhehlt nicht, dass sich damit auch heimliche Erwartungen verbinden. „Viele Chronisten überlassen uns nach Abschluss ihrer Arbeit ein Belegexemplar. Das archivieren wir natürlich auch.“ Über Mangel an Arbeit können sich die drei Mitarbeiterinnen, die mitunter Verstärkung durch Praktikanten oder Auszubildende erhalten, nicht beklagen. Gerade sind zahlreiche prall gefüllte Aktenordner zum ländlichen Wegebau im Kreis eingegangen. Und der neuste „Schatz“ sind 66 Kartons mit Bauakten zum neuen Kreiskrankenhaus.
Kontakt:
Kreisarchiv Landkreis Güstrow
Klosterhof 1
D-18273 Güstrow
Tel.: (03843) 755-125
Fax: (03843) 755-100
Landkreis_Guestrow@t-online.de
http://www.landkreis-Guestrow.de
Quelle: Güstrower Anzeiger, 15.11.2003
Aus dem Brecht-Archiv: Das fotografische Werk von Ruth Berlau
«Die Fotos sind so grossartig! Jetzt bist du Spezialist», schrieb Brecht 1947 aus Zürich an seine Mitarbeiterin und zeitweilige Geliebte Ruth Berlau nach New York. «Ich denke, ich mache Ende Januar etwas hier in der Schweiz, das musst du dann als Erstes in Europa aufnehmen.» Etwas, das war die «Antigone»-Aufführung nach Hölderlins Übersetzung am 15. Februar 1948 in Chur, mit einer erschütternden Helene Weigel als Antigone. Berlau kam, und ihre Szenenfotos werden zum ersten «Theatermodell» und Grundstock des Fotoarchivs des Berliner Ensembles, Brechts Ostberliner Hausmacht seit 1949. Inszenierung und Stück sollten eine streng formalisierte Einheit bilden, die reproduzierbar sein sollte auf verschiedenen Bühnen in verschiedenen Ländern, mit wechselnden Schauspielern und Regisseuren.
Da praktische Theaterarbeit weder durch patentamtliche Eigentumsansprüche noch durch Copyrights geschützt werden kann, legte Brecht höchsten Wert auf die exakte Dokumentation von Arbeitsvorgängen. Schon 1932 hatte er in Paris mit dem Fotografen Joseph Breitenbach zusammengearbeitet. Diese Aufgabe sollte nun Ruth Berlau übernehmen. Die Aufführung von Brechts «Galileo Galilei» 1947 am New Yorker Maxine Elliots Theatre mit Charles Laughton in der Hauptrolle war ihre erste Theaterarbeit mit Leica und Schmalfilmkamera. Vierundfünfzig Jahre später fand Grischa Meyer, Grafiker, Buchgestalter und Fotograf, im Berliner Brecht-Archiv neben den Theatermodellen 235 Mappen mit Rohabzügen der Fotos von Ruth Berlau, erkannte ihre gestalterische Qualität und fahndete in Privatarchiven nach weiteren Arbeiten.
Ihre Porträtserien von Max Frisch, Valeska Gert, Fritz Kortner oder Charly Chaplin, ihre impressionistischen Stadtbilder von Ostberlin und Kopenhagen lohnen die Wiederentdeckung in diesem schön gestalteten Buch. Als Porträtistin im Kreis deutscher Emigranten, als Beobachterin von New Yorker Strassenszenen und mit Sozialreportagen aus dem Hafenviertel hatte Berlau seit 1933 ein beachtliches Archiv künstlerischer Fotografie zusammengetragen. An der Dokumentation «Theaterarbeit» von 1952, in der sechs Aufführungen modellhaft analysiert wurden, hatte sie massgeblichen Anteil. Ruth Berlau wurde die «Fotografin an Brechts Seite». Was sie als Obsession verfolgte, seit die dänische Schauspielerin und Regisseurin dem Dichter ins Exil gefolgt war, wurde sie nicht: die Frau an seiner Seite. 1974 verbrennt Ruth Berlau in ihrem Krankenhausbett in Berlin.
Mit grossem Respekt rekonstruiert Grischa Meyer das Porträt einer mutigen, begabten Künstlerin. Er gibt ihr ein Werk zurück, das mit Brechts Tod 1955 in die Unsichtbarkeit entschwunden war. Sein klug zurückhaltender Essay entgeht der Bitterkeit, der den Ton der späten Selbstaussagen beherrscht, doch benennt er die Schwierigkeit, im Umkreis einer einnehmenden Genialität die Würde der eigenen Lebensleistung zu behaupten. Als enger Freund und Mitarbeiter von Heiner Müller hat Grischa Meyer viele Jahre am Berliner Ensemble gearbeitet und weiss, wovon er spricht. Aus den Verliesen der Brecht- Dämonen hat er eine lebendige Frau hervorgeholt, deren Kraft als Liebende ihrem stürmischen Temperament und ihrer Arbeitswut wohl nicht nachstand.
Info:
Grischa Meyer: Ruth Berlau. Fotografin an Brechts Seite.
Propyläen-Verlag, München 2003. 192 S., mit Abb., Fr. 65.50.
Quelle: NZZ, 13.11.2003
Scripturae publicae creditur
Bisherige Studien zum italienischen Notariat haben der urkundlichen fides, obwohl sie sie als fides publica stets erwähnen, kaum Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Dies liegt darin begründet, daß der Begriff mit ›Beweiskraft‹ übersetzt wurde und die Bedeutung ›Vertrauen‹ oder ›Glaubwürdigkeit‹ in den Hintergrund trat. Man betrachtete die fides als das quasi statische Resultat eines sich bis in das 12. Jahrhundert hinein vollziehenden Prozesses, innerhalb dessen das Dokument nicht nur als Beweismittel an Bedeutung gewann, sondern sich auch in seiner Gestalt änderte.
Die Interpretation der fides als das Ende der Entwicklung und ihre enge Anbindung an die Investitur des Notars führten dazu, daß die Mittel, mit denen das Vertrauen begründet, gefestigt und erhalten wurde, von der Forschung unbeachtet blieben.
Folglich erschließt die nun erschienene Arbeit, eine an der Universität Münster angenommene Dissertation, die im Kontext des damaligen Sonderforschungsbereichs 231 \“Träger, Felder und Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter\“ entstanden ist, dem Verständnis des Notariats in den italienischen Kommunen eine neue Dimension. In einem Brückenschlag zwischen der Rechts- und der Sozialgeschichte zeichnet Petra Schulte anhand der Person des Notars, der Niederschrift der Urkunde, der Wahl des Ortes und der Zeugen sowie der Intervention der Stadtgemeinde nach, wie sich die Vertrauensbildung im Urkundenwesen vollzog und welchen Wandlungsprozessen sie unterlag.
Quellengrundlage der Studie bilden die kirchlichen Urkundenbestände der lombardischen Stadt Como, kommunale Statutenbücher aus Ober- und Mittelitalien, die maßgeblichen Werke der Jurisprudenz sowie Handbücher zum Zivilprozeß und zur Notariatskunst.
Die Autorin:
Dr. Petra Schulte M.A. ist seit 2000 Assistentin am Historischen Seminar der Universität zu Köln.
Uni Münster ersteigerte zwei Droste-Handschriften
Mit der Ersteigerung von zwei Handschriften der Annette von Drost-Hülshoff konnte die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Münster ihre umfangreiche Droste-Sammlung um zwei wertvolle neue Stücke ergänzen. Die beiden Autographen befanden sich vor der Versteigerung in Schweizer Privatbesitz und waren nur als Kopie zugänglich. „Wir konnten sie nun für die Wissenschaft und die Öffentlichkeit dauerhaft sichern und damit den Ruf Münsters als Zentrum der Droste-Forschung festigen“, erklärt Dr. Roswitha Poll, Leiterin der ULB.
Bei den jetzt für 20.000 Euro ersteigerten besonders gut erhaltenen biographischen Zeugnissen handelt es sich um zwei Briefe aus unterschiedlichen Lebensphasen der Droste. Der erste Brief vom 5. September 1838, der an den Naturforscher Johannes Leunis gerichtet ist, zeigt Annette von Droste-Hülshoff als Sammlerin von Mineralien. Die Sammlerleidenschaft der Dichterin ist immer wieder Thema in ihrem Briefwechsel. Sie sammelte auch Autographen, Münzen, Kupferstiche und „geschnittene Steine“.
Der zweite Brief von Ende März 1848 ist wahrscheinlich das letzte schriftliche Zeugnis der Droste, denn das Schreiben stammt aus ihren letzten Lebenswochen. Hinter dem Adressat steht ein großes Fragezeichen: Hinweise im Tagebuch ihrer Schwester deuten auf Ludwig von Madroux hin, dem die Droste ihre gesammelten Werke und ein Gedicht gewidmet hat. In dem Brief an Madroux thematisiert die Briefschreiberin die Ereignisse um die Märzrevolution von 1848. Sie äußert die Hoffnung, dass „doch jetzt wohl nächstens völlige Ruhe und Sicherheit zurückkehren müssen, nach den letzten Ereignissen und dem entschlossenen Einschreiten der Regierung“. Damit dokumentiert sie bis in ihre letzten Tage hinein Interesse an der aktuellen Politik, die sie immer mit einer eigenen Meinung beurteilte.
„Mit den zwei neuen Schätzen besteht die Droste-Hülshoff Sammlung der ULB mittlerweile aus etwa 30 Einzelstücken“, präsentierte Dr. Bertram Haller, Leiter der Handschriftenabteilung der ULB, stolz die neuen Errungenschaften, mit denen die Biographie der Dichterin um wichtige Dokumente ergänzt werde. Beide Briefe illustrierten trotz ihrer Verschiedenheit das individuelle Profil der Droste.
Info:
www.miami.uni-muenster.de und
www.ulb.uni-muenster.de/hans
Quelle: upm – Mediendienst der Universitaet Muenster, 12.11.2003
Sammlung Cymontkowski ins Stadtarchiv Selm
„Ich möchte die Vergangenheit bewahren und für die heutigen Generationen lebendig halten.“ Mit diesen Worten übergab der Selmer Künstler Heinz Cymontkowski seine umfangreiche Sammlung erlesener Kostbarkeiten an Stadtarchivar Udo Kaiser.
Das Stadtarchiv im Amthaus ist seit gestern um eine umfangreiche Sammlung reicher. Der in Selm lebende Künstler Heinz Cymontkowski übergab an Archivar Udo Kaiser seinen Fundus an gesammelten Werken. Der Fundus erstreckt sich vom 17. Jahrhundert bis in die heutige Zeit und umfasst Bücher, Zeitschriften, Plakate sowie einige Fotos. Thematisch geht es bei den Exponaten um Faschismus, das Judentum, Antisemitismus, Alltagsleben in Selm, Ortsgeschichte und bibliophile Kostbarkeiten. „Eigentlich gefällt mir der Begriff Sammlung nicht“, sagte Heinz Cymontkowski gestern im Stadtarchiv. Ihm sei es wichtig, Dinge zu bewahren. Sammeln wolle er Zeugnisse der Geschichte nicht. In Zeiten der Schnelllebigkeit, deren Inhalte sich auf Wegwerfprodukte, Kurzworte und Schnellinformation per Internet beschränken, habe er sich die Aufgabe gestellt, das Weggeworfene an den Straßenrändern und aus Abrisshäusern aufzulesen. So habe er auch in Antiquariaten „Zurückgelassenes“ bewahren können, indem er es seinem Fundus einverleibte. Stets sei ihm jedoch der Bezug zu seiner Heimatstadt Selm wichtig gewesen. So ist es nicht verwunderlich, dass etliche Stücke aus Selm stammen und sich mit der Geschichte der Stadt befassen.
Als Dokumentationsstelle der Stadtverwaltung Selm übernimmt das Stadtarchiv Verwaltungsakten, Urkunden, Karten, Pläne und Fotos, die wegen ihrer historischen oder rechtlichen Bedeutung dauernd aufzubewahren sind. Darüber hinaus berät das Archiv Privatpersonen und Vereinigungen bei Fragen der Archivierung und Restaurierung erhaltungswürdiger Exponate. So ist es auch möglich, Sammlungen unter Berücksichtung der Eigentumsrechte zu hinterlegen. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der sachgemäßen Lagerung ist das besonders interessant. „Wir haben hier eine gleichbleibende Raumtemperatur von rund 15 Grad und halten mit speziellen Geräten die Luftfeuchtigkeit bei cirka 55 Prozent“, erklärte Stadtarchivar Udo Kaiser. Also: Beste Voraussetzungen, um Heinz Cymontkowskis Fundus zu „bewahren“.
Kontakt:
Stadtarchiv Selm
Adenauerplatz 2
D-59379 Selm-Brock
Telefon: 02592-69241
Telefax: 02592-69100
archiv@stadtselm.de
Quelle: WAZ, 13.11.2003