Hinter den Mauern des Staatsarchivs Amberg verbergen sich nicht nur Schätze für Historiker, sondern vor allem auch für Heimat- und Familienforscher. Aber auch für alle anderen Interessenten öffnen sich dort die Türen am Montag, 28. Juli, zur Ausstellung „Vom mittelalterlichen Briefgewölbe zum modernen Staatsarchiv“. Außerdem wird der neue Kurzführer vorgestellt, der ab Freitag, 25. Juli, auch im Internet unter www.gda.bayern.de zu lesen sein wird.
Anhand von Originaldokumenten erläutert die Ausstellung die wechselvolle Geschichte des Staatsarchivs, das aus dem Briefgewölbe des Amberger Viztumamts hervorgegangen ist. Dieses wurde bereits 1330 von den Pfalzgrafen bei Rhein errichtet.
Weiterhin erhalten die Besucher einen Überblick über Registratoren, Archivare und deren Arbeit. Ebenso werden die verschiedenen Archivgebäude der Stadt erläutert. So hingen die Pergamenturkunden seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Ledersäcken im Fuchssteiner Turm des Amberger Schlosses, um sie vor Mäusefraß zu schützen. Für die Neuzeit liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf dem wechselvollen Schicksal des Archivs im 19. Jahrhundert: Vom Registraturdepot zum modernen Staatsarchiv.
In dem Kurzführer werden unter anderen die notwendigen technischen Grundinformationen, ebenfalls eine kurze Geschichte des Archivs und die verschiedenen Bestandsakten aufgeführt: Insgesamt ruhen über 2,6 Millionen Archivalien in dem Gebäude. In die geschichtsträchtigen Urkunden, Amtsbücher, Akten, Karten und Pläne kann bis Freitag, 19. September, ein Einblick gewonnen werden.
Kontakt:
Staatsarchiv Amberg
Archivstr. 3
92224 Amberg
Tel. 09621/307270, Fax 09621/307288
E-Mail: poststelle@staam.bayern.de
Quelle: Oberpfalznetz, 18.7.2003
Unterlagen aus den Keramischen Werken ins Stadtarchiv
Hermsdorf. Frühere Bestände aus dem Archiv der Keramischen Werke Hermsdorf sollen im Stadtarchiv Hermsdorf eingegliedert werden, bestätigte Hermsdorfs Bürgermeister Gerd Pillau dazu Gespräche mit der Firma Jenoptik in Jena. Der Zeiss-Nachfolger hatte in den 1990er Jahren den Firmennachfolger der Keramischen Werke in Hermsdorf übernommen und damit auch die Bestände. Die Stadt ist bestrebt, historische Unterlagen zur Firma wie auch zu Hermsdorf wieder ins Holzland zurück zu holen. Dagegen sollen Personaldokumente in Jena bleiben.
Kontakt:
Stadtarchiv Hermsdorf
Eisenbergerstr. 56
07629 Hermsdorf
Tel.: (036601) 2701
Fax: (036601) 2703
Quelle: OTZ 17.7.2003
Erste konkrete Bestandsaufnahme der Kulturzerstörungen im Irak
Eine Woche lang sollten sich neun internationale Spezialisten für Archäologie, Museumskunde, Restaurierungseinrichtungen, Bibliotheken, Denkmalpflege und Interpol unter Leitung des stellvertretenden UNESCO-Generalsekretärs Bouchenaki über den Erhalt von Kulturgütern im Irak informieren (s. Bericht).
Das Ergebnis ist erschütternd, wie Margarete vann Ess, die wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin am 17. Juli in der FAZ berichtet: Im Süden des Landes werden archäologische Stätten, antike Hauptstädte wie Nippur und Isin, aber auch bislang wissenschaftlich nur wenig bekannte Orte systematisch geplündert und dadurch zerstört. Die Raubgräber wissen sich geschützt durch bewaffnete Hintermänner und ließen sich beispielsweise in Isin auch während des Besuches der UNESCO-Delegation nicht bei ihrer Arbeit stören.
Kulturgüter im Norden des Landes scheinen generell nicht so gefährdet zu sein wie diejenigen im Süden. Wichtige archäologische Orte wie Nimrud und Hatra werden jetzt effektiv durch Soldaten der Coalition Provisional Authorities (CPA) geschützt. Systematische Plünderungen, wie sie im Süden vorkommen, sind bislang nicht bekannt.
Ein wichtiger Teil des UNESCO-Gutachtens galt historischen Bauwerken in Bagdad, Basra, Erbil und Mossul. Nur wenige haben unter direkten Kriegseinwirkungen neue Schäden erlitten.
Mittlerweile dringt auch das Problem der Plünderungen archäologischer Stätten immer deutlicher ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit; Maßnahmen zum Schutz der Stätten werden seitens der CPA angekündigt und auch eingeleitet. Erste Konfiszierungen von Kunstobjekten aus geplünderten Orten werden publik. Im Mittelpunkt aber stehen nach wie vor die Ereignisse im Irak-Museum in Bagdad. Einen ersten vorläufigen Untersuchungsbericht stellte jetzt Matthew Bogdanos, der die dortigen Raubzüge im Auftrag des United States Central Command untersuchen soll, anlässlich einer internationalen Tagung in London vor. Noch einmal ließ er die Ereignisse revue passieren. Ausnahmslos alle bislang berichteten Zahlen, auch alle Informationen zu den verschwundenen Objekten in zeitungen und Internetforen waren nicht korrekt, betonte Bogdanos: Aus den Ausstellungsräumen wurden 40 Objekte gestohlen, davon sind zehn zurückgekommen. Aus den Restaurierungslaboren wurden 199 Objekte gestohlen, von denen 30 – überwiegend wertvolle Elfenbeinschnitzereien – zurückgegeben worden sind. Größere Verluste werden aus den Magazinräumen gemeldet, die für die Öffentlichkeit normalerweise verschlossen sind. Der Magazinkomplex wurde am 9. und 10. April militärisch genutzt, von dort aus wurde auf den Platz vor dem Museum geschossen. Plünderungen dieses Magazins wurden in zwei von drei Räumen festgestellt. Zur Zeit sind 2.703 Objekte als gestohlen gemeldet.
Die Untersuchungen werden weitergehen, die mühsame Arbeit der Mitarbeiter der irakischen Antikenverwaltung ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie findet nach wie vor unter schwierigen Bedingungen statt.
Kontakt:
Orient-Abteilung des
Deutschen Archäologischen Instituts
Podbielskiallee 69-71
14195 Berlin
Deutschland
Tel: Tel: +49-(0)1888-7711-0
Fax: +49-(0)1888-7711-189
E-Mail: orient@dainst.de
Quelle: FAZ, 17.7.2003, Nr. 163 / Seite 38.
Aus Trumans Tagebüchern
Harry S. Truman, von 1945 bis 1953 dreiunddreißigster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war kein großer Tagebuchautor. Er war zwar durchaus willig, schrieb oft und eifrig lose Seiten mit seinen Erfahrungen und Betrachtungen voll, schaffte es aber nicht, sich zu einer konsequenten Tagebuchführung zu bringen.
Einige Lücken zumindest können nun gefüllt werden. In der Truman Library, dem ihm und seinem Nachlaß gewidmeten Gedenktempel in Independence in seinem Heimatstaat Missouri, wurde ein Tagebuch entdeckt, das in zweiundvierzig meist ausgesprochen schön geschriebenen Einträgen das Jahr 1947 durchmißt. Blau eingebunden, stand das Büchlein achtunddreißig Jahre lang unbeachtet auf dem Regal, weil es mit seinem Titel „The Real Estate Board of New York, Inc., Diary and Manual“ auf eine Immobilienlobby verweist, die das Diarium dem Präsidenten zum Geschenk gemacht hatte. Auf den ersten hundertundsechzig Seiten gibt es neben viel Werbung nur über die Organisation und deren Mitglieder Auskunft. Erst danach fangen die Tagebuchseiten an, auf die ein Bibliothekar beim Umräumen stieß.
Obwohl 1947 als Schlüsseljahr der Regierung Truman gilt, werden Historiker nur mit Maßen auf ihre Kosten kommen. Weder erfahren sie etwas über die Entstehung der Truman-Doktrin, die eine Ausdehnung des kommunistischen Machtbereichs zu verhindern trachtete, noch über den mit ihr verknüpften Marshallplan für den Wiederaufbau Westeuropas. Statt dessen ist nachzulesen, wie Truman sein Herzasthma geheimhielt, wie er mit dem Tod seiner Mutter zurechtkam und wie er sich bei Lady Astor unbeliebt machte. Allerdings wird nun ein Verdacht bestätigt, den Truman immer auszuräumen suchte. Offenbar sagte Dwight D. Eisenhower doch die Wahrheit, als er behauptete, Truman habe ihn seinerzeit ermuntert, die Präsidentschaft anzustreben, um damit der potentiellen Kandidatur eines anderen Kriegshelden, des den Republikanern nahestehenden Generals Douglas MacArthur, zu begegnen. Truman selbst wollte dem Weißen Haus, in dem er sich wie in einem „großen weißen Gefängnis“ fühlte, den Rücken kehren, seinem Freund Ike jedoch als Vizepräsident zur Verfügung stehen.
Der widerwillige Präsident, der nach dem Tode Franklin D. Roosevelts 1945 vom Amt des Vizepräsidenten nachrücken mußte, war es leid, unter wenig Zuspruch der Bevölkerung gegen einen republikanischen Kongreß anzukämpfen. Von General MacArthur aber, der ihm nach seinen pazifischen Siegen einen „Überlegenheitskomplex“ zu haben schien, wollte er sich nicht verdrängen lassen. Alles überflüssige Sorgen. Eisenhower lehnte ab, und auch MacArthur mochte nicht für die Gegenseite antreten. Truman hielt noch einmal vier Jahre durch, bis Eisenhower ihn 1953, diesmal aber als Republikaner, aus dem Gefängnis an der Pennsylvania Avenue befreite. Zuvor gelang es Truman noch, MacArthur den Laufpaß zu geben und ihn von all seinen militärischen Pflichten im Korea-Krieg zu entbinden.
Viel brisanter jedoch ist eine zweite Passage, so schockierend, daß sie in ersten Berichten der „Associated Press“ und „New York Times“ gar nicht erwähnt wurde. Nach einem Gespräch mit Henry Morgenthau, dem Finanzminister a.D. und Anwalt für eine gestrenge Behandlung Nachkriegsdeutschlands, schrieb Truman unter dem Datum des 21. Juli 1947: „Die Juden, finde ich, sind sehr, sehr selbstsüchtig. Sie bewegt es nicht, wie viele Esten, Letten, Finnen, Polen, Jugoslawen oder Griechen ermordet oder als DP (Displaced Persons) mißhandelt werden, wenn sie nur als Juden ihre besondere Behandlung bekommen. Wenn sie aber Macht besitzen, ob physischer, finanzieller oder politischer Art, haben ihnen weder Hitler noch Stalin an Grausamkeit oder schlechter Behandlung des Underdogs etwas voraus. Kommt ein Underdog nach oben, spielt es keine Rolle, ob er den Namen eines Russen, Juden, Negers, Unternehmers, Arbeitnehmers, Mormonen, Baptisten trägt – er dreht durch. Ich habe sehr, sehr wenige gefunden, die sich, wenn der Wohlstand kommt, ihrer früheren Verhältnisse erinnern.“
Trumans Tirade gegen die Juden hat Befremden hervorgerufen, galt er doch bisher als einer ihrer großen Fürsprecher. Immerhin hatte er die Anerkennung des Staates Israel gefördert, als sein Außenministerium sich noch dagegen aussprach. Das hat ihn zumindest in den ersten Augenblicken nach der Entdeckung des Tagebuchs davor geschützt, als Antisemit gebrandmarkt zu werden. Eher werden seine Äußerungen einer Geisteshaltung zugeschrieben, die damals noch keine allzu ausgeprägten Empfindlichkeiten einkalkulieren mußte, um mit ihren Vorurteilen gesellschaftlich akzeptabel zu bleiben. Jeder amerikanische Präsident muß damit rechnen, daß keine Zeile von ihm verlorengeht. Auch das würde die Annahme bestätigen, Truman habe sich nicht privat demaskiert, sondern verbreiteten, damals noch nicht tabuierten Ressentiments Ausdruck verliehen. Heute wird die Debatte wohl kaum zu vermeiden sein.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.07.2003, Nr. 162 / Seite 33.
Hauptausschuss Herdecke berät den Fall Rose
Herdecke/Herne. Erst in diesem Sommer wurde bekannt, dass der Historiker Olaf Rose sich weit rechtsaußen tummelte, wenn er nicht an seinem Schreibtisch im Stadtarchiv Herne saß, wo er für die Stadt das Thema Zwangsarbeit erforschte (s. Bericht). Heute befasst sich der Herdecker Hauptausschuss mit dem Fall.
Die Stadt Herne, die ihn über zwei Jahre als ABM-Kraft beschäftigte, hatte Konsequenzen aus dem fall gezogen: Eine Dokumentation „Zwangsarbeit und Kriegsgefangene in Herne und Wanne-Eickel zwischen 1940 und 1945“, für die Rose Texte liefern sollte, wird nicht erscheinen. Das Material „ist für uns wertlos“, befand Kulturdezernentin Dagmar Goch.
Herdeckes Hauptausschuss muss heute einen Bürgerantrag beraten, der fordert: Die Stadt solle auf die Dienste Roses verzichten. Er habe sich „für eine – ob offizielle, halboffizielle oder ehrenamtliche – Tätigkeit für die Stadt durch seinen Umgang mit Rechtsradikalen selbst disqualifiziert“.
Quelle: Westfälische Rundschau, 17.7.2003
Genealogie in den Ravensberger Blättern
Der Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg stellte dieser Tage sein erstes Schwerpunktheft zum Thema Genealogie vor. Die neue Ausgabe der Ravensberger Blätter sei eine Handreichung für Familienforschung, dafür, wie man sie betreibe und an wen man sich wende, sagte Bärbel Sunderbrink vom Stadtarchiv Bielefeld als Redakteurin der „Blätter“ gegenüber der Neuen Westfälischen.
Wichtigste Quelle für Genealogen sind die Kirchenbücher. Für das historische Westfalen (als preußische Provinz) sind alle Kirchenbücher im Landeskirchlichen Archiv Bielefeld auf Mikrofilm einzusehen. Die Daten katholischer Familien sind in den Bistumsarchiven Paderborn und Münster aufgehoben.
„Viele Menschen lernen über die Genealogie erst Archive kennen und schätzen, beschäftigen sich dann auch mit anderen Aspekten von geschichte“, sagt Sunderbrink. Sie rät Interessenten, alle Hemmungen vor Archiven abzulegen und „munter drauflos zu forschen“.
Die Ravensberger Blätter sind beim Stadtarchiv Bielefeld bzw. beim Historischen Verein zum Preis von 4 Euro zu erhalten (Telefon: 0521/51-2469).
Ravensberger Blätter –
Organ des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e.V. 2003, Heft 1
Inhalt:
- S. 1-3
Uwe Standera: Familienforschung in Ravensberg - S. 3-9
Wolfgang Günther: Das Landeskirchliche Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen – ein
Zentrum für die Familienforschung - S. 9-13
Otto-Wilhelm Bertelsmann: Die Anfänge der Geschichte der Familie Bertelsmann [v.a. 16./17. Jh.] - S. 14-32
Uwe Standera: Der Hof Rottmann zu Elverdissen Nr. 14. Geschichte einer bäuerlichen Familie vom 17. bis zum 19. Jahrhundert - S. 33-49
Georg-Friedrich Schaaf: Drei Pastorentöchter und der genealogische Zusammenhang zwischen den Ravensberger Pastorenfamilien Sandhagen, Dreckmann, Löning und der nach Ostfriesland gegangenen Pastorenfamilie Schaaf im 17. und 18. Jahrhundert - S. 50-70
Buchbesprechungen - S. 71
Nachruf für Werner Fischer 1910-2003 - S. 71-72
Namen, Notizen, Termine
Quelle: Westfalen-Blatt, 15.7.2003; Neue Westfälische, 15.7.2003.
Die Archivarin
Brigitte Streich ist die Hüterin der Wiesbadener Vergangenheit. Herrin über 1.280 laufende Meter verzeichneter Akten und Amtsbücher, über zirka 60 Nachlässe, etwa 40 Archive von Vereinen und Verbänden, über Karten und Pläne, Plakate, Bilder und zirka 23.000 Microfiches.
Nach zwei abgeschlossenen Ausbildungen kam der heute 49-jährigen die Idee zu studieren. Die Fachhochschulreife hat sie nachgeholt und entscheidet sich 1977 für Romanistik und Geschichte. Und auch für den Assistenten ihres Professors, bei dem sie über den Hof der Kurfürsten von Sachsen im späten Mittelalter promoviert. Der Assistent wird geheiratet, der Professor, selbst Archivar, gibt den Anstoß für die endgültige berufliche Richtung. Brigitte Streich studiert am Institut für Archivwissenschaften in Marburg. Nach ihrem Abschluss arbeitet sie zwei Jahre als Archivrätin in Magdeburg, leitet sieben Jahre das Stadtarchiv in Celle und ist vor zwei Jahren nach Wiesbaden gezogen, um Archivdirektorin zu werden.
Bei Archivaren denken viele Leute an verstaubte Sonderlinge, meint die FR in ihrem Porträt der Archivarin. „Das Vorurteil begegnet einem überall. O.k., zu den Akten werden wir in Keller oder Dachböden geführt, da ist es schon staubig.“ Die Aufgabe ist aber eher das Gegenteil von Staub: „Wir haben dafür zu sorgen, dass etwas bleibt, zu erkennen, was in 50 Jahren mal wichtig sein könnte, es aufzubereiten und für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen. Wir forschen selbst und halten Vorträge.“
Brigitte Streich mag besonders die Wiesbadener Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Ihr „Herzblut“ aber hängt an der frühen Neuzeit. „Zum Beispiel sind da die Briefe eines Fürsten aus dem frühen 16. Jahrhundert, die sind so drastisch, der nahm kein Blatt vor den Mund.“ Die Quellen würden ärmer, je moderner sie seien. Geschichte sei zudem nie langweilig. „Wenn man sich lange mit ihr beschäftigt, fängt sie an zu leben.“
Kürzlich wurde Brigitte Streich zur Landesvorsitzenden der Archivare gewählt. „Der hessische ist der erste Landesverband in den alten Bundesländern, da kommt erstmal viel Schreibkram auf mich zu.“
Sie ärgert die Lage des Wiesbadener Stadtarchivs. „Hier Im Rad wirken wir gar nicht als Teil der Stadtverwaltung. Und es kommt auch nicht so schnell mal jemand vorbei.“ Ihr Wunsch und ihr Ziel ist es aber, das Stadtarchiv „zu einer Institution für alle“ zu machen. Denn die 1.280 laufenden Meter Akten und mehr sind für jeden zugänglich.
Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
Telefon: 0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429
Fax: 0611 / 31-3977
stadtarchiv@wiesbaden.de
geöffnet montags bis freitags: 8 bis 12 Uhr, mittwochs: 8 bis 18 Uhr.
Quelle: FR vom 16.7.2003
Nürnberger Stadtbibliothek sucht frühere Besitzer der Judaica-Sammlung Julius Streichers
Nürnberg (APA/dpa). Eine schwierige Hinterlassenschaft der Nazi-Zeit ruht in den Regalen der Nürnberger Stadtbibliothek: eine Sammlung von mehreren tausend Büchern, die sich mit dem Judentum beschäftigen oder früher Juden gehörten. Zusammengetragen haben sie paradoxerweise die Nationalsozialisten selbst, nämlich der berüchtigte „Frankenführer“ Julius Streicher und sein antisemitisches Hetzblatt „Der Stürmer“. Im Internet suchen die Verantwortlichen der Stadtbibliothek jetzt nach den früheren Eigentümern der Bücher, die heute als „Raubgut“ gelten.
Knapp 9.000 Bände umfasst die bizarre Sammlung, berichtet Christine Sauer von der Abteilung Handschriften und Alte Drucke der Nürnberger Stadtbibliothek. Neben einem Komplex von mehr als 4.000 Schriften zum Judentum „im weitesten Sinne“ sowie zur Freimaurerei enthält sie 4.500 Titel an Schöner Literatur in zahlreichen Sprachen.
Bewegte Geschichte
Soweit sich die seltsame Geschichte dieser Sammlung rekonstruieren lässt, waren die Bücher nach Kriegsende 1945 in den Redaktionsräumen des „Stürmer“ gefunden worden. Hinzu kamen Bücher aus dem Privatgut Pleikershof von Julius Streicher, der 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde. Die amerikanische Militärregierung übergab die Bücher dem damaligen Bibliotheksdirektor.
Erst 1993 identifizierte sich die israelitische Kultusgemeinde (IKG) Nürnberg als Eigentümer und berief sich auf eine mündliche Vereinbarung aus dem Jahr 1945. In diesem Jahr schließlich wurden diese Besitzverhältnisse schriftlich fixiert.
„Geistige Rüstkammer“
Die Sammelschwerpunkte entsprechen nach Sauers Angaben den im „Stürmer“ behandelten Themen: Hetze gegen Juden, Freimaurer, „Bolschewisten“ und die Kirche. „Hinweise nähren die Vermutung, dass die Büchersammlung als geistige Rüstkammer und Nachschlagebestand für die Kampagnen des „Stürmer“ benutzt wurden“, erklärt die Bibliothekarin.
Der größte Teil der „Sammlung IKG„, wie sie heute genannt wird, wurde nach 1957 katalogisiert. Mitte 1997 begann Leibl Rosenberg, ein Kenner des Judentums, mit der Katalogisierung der noch unerschlossenen 1200 Exemplare. In akribischer Kleinarbeit versuchte Rosenberg, Spuren von Vorbesitzern zu finden: Er forschte nach handschriftlichen Besitzeinträgen, Widmungen, Stempeln und Exlibris.
Öffentlich zugänglich
Die identifizierten Besitzeinträge werden nun im Internet weltweit zugänglich gemacht. Mit mehr als 800 Meldungen ist die Nürnberger Stadtbibliothek nach eigenen Angaben der größte Zuträger zur „Lost Art Internet Database“ von Bund und Ländern. Diese seit 2001 existierende Datenbank soll der Dokumentation und Recherche von Kulturgütern dienen, die während der Nazi-Zeit verloren gingen.
Daneben bietet die Bibliothek seit kurzem die Möglichkeit, sämtliche Besitzvermerke in einem für das Internet freigeschalteten Katalog zu recherchieren. „Hier können auch die nicht an Lost Art gemeldeten Bücher gefunden werden“, erklärt Sauer. „Wir versuchen, möglichst viele Bücher an die Eigentümer zurückzugeben.“
Kontakt:
Stadtbibliothek
Sammlung IKG
Egidienplatz 23
90403 Nürnberg
Tel.: (0911) 231 – 27 21
Fax: (0911) 231 – 54 76
E-Mail: Leibl_Rosenberg@stb.stadt.nuernberg.de
http://www.stadtbibliothek.nuernberg.de/
Lost Art Internet Database: http://www.lostart.de/
Quelle: Der Standard, 14.7.2003
Zeitungs-Ausschnittarchiv
Im Unternehmensarchiv der Axel Springer AG wurde jüngst ein Bestand besonderer Art erschlossen, wie man auf H-Soz-u-Kult erfahren konnte: Vom Haus Broschek, dem Verlag des „Hamburger Fremdenblattes“, hat das Verlagshaus Anfang der 1950er Jahre das Zeitungsausschnittsarchiv (sog. Textarchiv) übernommen. Darunter sind große Mengen biografischer Artikelsammlungen aus den Jahren 1908-1954. Die mit Quellenangabe aufgeklebten biografischen Zeitungsartikel von A-Z stammen überwiegend aus deutschen, aber auch aus internationalen Zeitungen.
Von besonderer Bedeutung erscheinen die umfangreichen Artikelsammlungen zu prominenten Politikern, Unternehmern, Künstlern und Personen der Zeitgeschichte. Beispielsweise sind zu Adolf Hitler 6 Archivkartons mit Artikeln aus der Presse bis 1954 vorhanden. Bei Joseph Goebbels (von 1933-1954) und Hermann Göring (1932-1954) liegen ebenso umfangreiche Artikelmappen vor. Zu Goebbels und Göring fertigte eine Praktikantin detaillierte Verzeichnisse der Artikel an (vgl. Anhang unten). Daneben gibt es auch große Mengen von Zeitungsartikeln über nicht-prominente Personen, zu denen biografische Recherchen heute schwierig sein können.
Diese biografische Artikelsammlung („Broschek-Archiv“) steht zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung. Interessenten können sich beim Unternehmensarchiv der Axel Springer AG (unternehmensarchiv@axelspringer.de) in Hamburg melden. Interessenten müssen allerdings vor Ort Einblick in die Sammlung nehmen (können dabei aber auch kopieren). Seitens des Unternehmensarchivs werden keine Kopien angefertigt und verschickt.
Anhang:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/daten/2002/goebbels_1933-54.pdf
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/daten/2002/goering_1932-54.pdf
Kontakt:
Dr. Erik Lindner
Axel Springer AG
Unternehmensarchiv
Telefon: +49 (0) 40/3 47-2 57 49
Telefax: +49 (0) 40/3 47-2 64 73
erik.lindner@axelspringer.de
Homepage <http://www.axelspringer.de>
Theunissens Blick entgeht kein Riss
Skalpell, Fimo, Bienenwachs und Knetgummi gehören genauso zu seinem Handwerkszeug wie feinstes Japanpapier und gutes Leder. Alles nicht nur gut erreichbar, sondern äußerst sorgfältig bereit gelegt, denn zu Ferdinand Theunissens Arbeit gehört Genauigkeit und feine Abstimmung unbedingt dazu.
Der 64-Jährige ist Restaurator im Stadtarchiv Neuss. Über einen Mangel an Arbeit kann sich der gebürtige Mönchengladbacher, der als Kunstbuchbinder angefangen hat und seit 1983 in Neuss arbeitet, nicht beklagen. Allein von den 120 laufenden Metern des Preußenbestandes (der bis 1945 datiert wird) sind 50 Prozent so stark beschädigt, dass sie unbedingt restauriert werden müssen.
„Alles, was den Archivaren in die Hand fällt“ – beim Durchforsten des Bestandes – landet letzten Endes in der mustergültig aufgeräumten Werkstatt im hinteren Teil des historischen Gebäudes. Dort sind wegen der empfindlichen alten Akten und Bücher Luftfeuchtigkeit und Temperatur genauestens geregelt – und schaffen zudem mit 50 Prozent und 20 Grad ein angenehmes Arbeitsklima -; dort liegen Bücher und Urkunden manchmal für Wochen, bis sie endlich wieder einen Zustand erreicht haben, der die Lagerung für die „nächsten hundert Jahre“ möglich macht.
Denn für seine Arbeit muss Theunissen nicht nur mit dem Skalpell umgehen können, wenn er zum Beispiel Lücken eines uralten Papierbogens mit feinem Japanpapier schließt, sondern seinen „Patienten“ auch Zeit geben. Ein Buch zu restaurieren zum Beispiel, braucht viele Wochen, weil der Prozess durch ständiges Reinigen, Wässern und Glättern sich in die Länge zieht: „Vor jedem nächsten Schritt muss es vollständig getrocknet sein.“ Doch wenn etwa das fertig restaurierte „Missa Coloniense“, eines der ersten Gutenberg-Drucke, vor einem liegt, lässt sich ermessen, wie wunderbar haptisch ein Arbeitserfolg sein kann.
Wenn er Akten hervorholt wie jene von 1816 – „Auswanderungen betreffend“ -, deren Seiten sich einrollen und Deckel eingerissen sind, ist sein Griff fest und behutsam zugleich. Dass der Restaurator seinen Beruf liebt, ist indes nicht nur seinen ebenso kompetenten wie verständlichen Erklärungen anzumerken, sondern vermittelt sich auch durch sein Engagement für den Nachwuchs: Seit Jahren sitzt Theunissen im Prüfungsausschuss der Handwerkskammer und leitet im Stadtarchiv Praktikanten der Fachhochschule Köln an. – Fimo, Knetgummi und Bienenwachs braucht der Restaurator übrigens, um Siegel nachzuarbeiten.
Kontakt:
Stadtarchiv Neuss
Oberstr. 15
41460 Neuss
Tel.:02131-90-4257
Fax.:02131-90-2433
Quelle: ngz-online, Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 4.7.2003 (mit Foto).