Im Zuge des Zusammenbruchs des Kaiserreichs 1918 waren die Archive des Adels reine Privatarchive geworden. In ihnen spiegelte sich allerdings nicht nur die Familiengeschichte der Besitzer, sondern auch ein erheblicher Teil der allgemeinen Geschichte wider. Aus diesem Grunde empfanden es die staatlichen Archive als ihre Pflicht, die Aufsicht über dieses Archivgut zu fordern. Überlegungen in Richtung einer umfassenden Aufsicht der Staatsarchive über alle nichtstaatlichen, also kommunalen, kirchlichen und privaten Archive hatten bereits bald nach Kriegsende eingesetzt. 1922 arbeitete Heinrich Otto Meisner einen entsprechenden Gesetzentwurf aus. Dennoch gingen die Bemühungen um ein „Archivalienschutzgesetz“ nicht nur von Preußen aus, sondern auch von den staatlichen Archiven anderer Länder sowie vom Reichsarchiv. Die preußische Archivverwaltung hatte allerdings Ende der 1920er Jahre die Initiative in die Hand genommen, da eine reichseinheitliche Regelung nicht durchzusetzen war. Ein neuer Gesetzentwurf für Preußen nahm wesentliche Bestimmungen von 1922 wieder auf und sah ein „ständiges staatliches Aufsichts- und Fürsorgerecht“ vor, das „die staatlichen Aufsichtsbehörden im Benehmen mit dem Staatsarchiv“ ausüben sollten.
Deutliche Kritik an diesem Entwurf kam zuerst von den Kirchen, deren archivischen Eigenaktivitäten von der staatlichen Archivverwaltung mit großem Argwohn verfolgt wurden. Die kritischen Stellungnahmen von kirchlicher und auch kommunaler Seite führten immerhin zu einer grundlegenden Überarbeitung des Entwurfs. Dieser „Dezemberentwurf“ von 1931 wurde dann allerdings nicht nur von den Kirchen scharf abgelehnt, sondern stieß auch unter den bereits seit 1923 in den „Vereinigten Westfälischen Adelsarchiven e.V.“ zusammengeschlossenen westfälischen Adelsarchivbesitzern auf helle Empörung.
Der Entwurf eines Archivgutschutzgesetzes wurde dann erst unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten durch Albert Brackmann wieder aufgegriffen, wie Norbert Reimann in seiner Antrittsvorlesung anlässlich der Ernennung zum Honorarprofessor am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam am 15. Mai 2003 darlegt. Sein Vortrag behandelt die Bestrebungen der staatlichen Archivverwaltungen, ein generelles Aufsichtsrecht, also eine Hegemonie, über die nichtstaatlichen Archive gesetzlich zugewiesen zu bekommen. Der Höhepunkt dieser Bestrebungen um den archivischen Kulturschutz liegt in der Mitte der 1930er Jahre und war damals nachhaltig politisch motiviert.
Der junge und engagierte Mitarbeiter Brackmanns, Georg Winter, der 1950 erster Präsident des Bundesarchivs werden sollte, verfasste ein „Memorandum über die Eingliederung der Archivverwaltungen in die staatliche Organisation“. Der darauf basierende neue Gesetzentwurf übertraf an Umfang und Regelungsintensität alle bisherigen. Grundsatz war die Hegemonie der staatlichen Archivverwaltung über alle anderen Archivsparten. Die Arbeit der Archive sollte bewusst in den Dienst des neuen Staates gestellt werden.
Doch die maßgeblichen politischen Instanzen waren keineswegs bereit, einer Fachbehörde wie der Archivverwaltung derart weitgehende Rechte über das öffentliche Schriftgut einzuräumen. So kam man in der Generaldirektion der Preußischen Staatsarchive bzw. im Reichsarchiv zu dem Schluss, die Frage des Archivgutschutzes von dem Vorhaben der „Verreichlichung“ des gesamten Archivwesens zu trennen. 1936 wähnte man dann die Verabschiedung des erneut überarbeiteten Archivgutschutzgesetzes in trockenen Tüchern, zumal Hitler bereits zugestimmt haben sollte. Vieles von den einstigen Wünschen Brackmanns und Winters war im neuen Entwurf auf der Strecke geblieben und die archivfachlichen Bestimmungen waren zugunsten politischer Willensbekundungen stark in den Hintergrund getreten. Dennoch lehnte Hitler im Dezember 1936 den Gesetzentwurf unerwarteterweise ab, er gab offenbar zu bedenken, dass „durch das Gesetz in allzu großem Umfange in die rein private Sphäre der Familien eingegriffen“ würde.
In der Folge reichten sich immer neu geänderte Gesetzentwürfe und Einwände Hitlers die Hand, bis dieser im Juni 1938 schließlich bat, von der Weiterverfolgung des Gesetzes Abstand zu nehmen. Man spekulierte damals, Hitler habe das Gesetz aus Rücksicht auf die Familie Wagner und den Nachlass Richard Wagners zurückgewiesen, doch waren seine Bedenken angeblich durchaus allgemeinerer Art. Seine Entscheidung gegen das Gesetz war, so Norbert Reimann, „ein bewusste und ganz persönliche“. Es scheint, als habe der frühere Direktor der Vereinigten Westfälischen Adelsarchive, Heinrich Glasmeier, Hitler vom Erlass des Archivgutschutzgesetzes abgeraten. Ihm als Gaugeschäftsführer der NSDAP im Gau Westfalen-Nord war Hitler seit dem Lipper Wahlkampf im Januar 1933 („Durchbruchsschlacht in Lippe“) tief verbunden.
Die Archivgutschutzgesetzgebung war jedenfalls endgültig gescheitert. Neuen Auftrieb erhielt dadurch jedoch der Gedanke eines aktiven Archivgutschutzes durch ein System von Archivberatungsstellen, deren Einrichtung dann besonders in der Kriegszeit segensreich gewirkt hat, deren Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings nur in NRW durch die Archivberatungsstellen der Landschaftverbände fortgesetzt wurde.
Erstaunlicherweise schien führenden Köpfen des deutschen Archivwesens nach dem Kriege, trotz der sichtbaren Not, eine Frage von besonderem Interesse zu sein, nämlich das seinerzeit gescheiterte Archivgutschutzgesetz nun endlich doch noch durchzubringen. Der einzige, der Bedenken zu haben schien, war Georg Winter, der Deutsche Archivausschuss beschloss hingegen schon 1948, das Gesetzesvorhaben voranzutreiben. Auf dem Deutschen Archivtag 1951 in Marburg wurde gar ein förmlicher Gesetzentwurf verabschiedet. Er wanderte allerdings wie seine sechs Vorgänger seit 1921 in die Akten, wurde im Gebiet der der Britischen Zone auch nachdrücklich zurückgewiesen. Mitte der 1950er Jahre schlief die Diskussion um ein solches Gesetz ein.
Und dennoch gab es einen weiteren Versuch der staatlichen Archive: In NRW wurde noch 1972 von der staatlichen Archivverwaltung ein erneuter Gesetzentwurf ausgearbeitet, der die alten Regelungsvorschläge unbekümmert wieder aufgriff. Die Kontinuität der ordnungsstaatlichen Archivgutschutzbestrebungen fand erst durch die moderne Archivgesetzgebung seit 1987 ihr Ende, als man andere Ziele verfolgte, nämlich insbesondere das, Archivarbeit auch vor dem Hintergrund eines umfassenden Schutzes von personenbezogenen Informationen weiterhin zu ermöglichen. Das gesamte nichtöffentliche Archivwesen ist – mit geringen Einschränkungen – nach wie vor von jeder gesetzlichen Regelung frei.
Quelle:
Norbert Reimann: Kulturschutz und Hegemonie. Die Bemühungen der staatlichen Archive um ein Archivalienschutzgesetz in Deutschland 1921 bis 1972 (Antrittsvorlesung anlässlich der Ernennung zum Honorarprofessor am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam am 15. Mai 2003)
Aufruf zum Tag der Archive 2004
2001 hatte der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare erstmals zu einem bundesweiten TAG DER ARCHIVE aufgerufen, der am 19. Mai des Jahres erfolgreich durchgeführt werden konnte. Rund 70.000 Besucher konnten an diesem Tag der offenen Tür in den deutschen Archiven gezählt werden. Die Bilanz dieses Ereignisses ist in dem auf dem 72. Deutschen Archivtag in Cottbus gegebenen Erfahrungsbericht enthalten (Tagungsband zum 72. Deutschen Archivtag 2001 in Cottbus, Der Archivar, Beiband 7, S. 351-365).
Nach den guten Erfahrungen anlässlich der erstmaligen Veranstaltung eines solchen Tages ruft der der Vorstand des VdA nunmehr für den 25. September 2004 erneut zu einem TAG DER ARCHIVE auf. In Anlehnung an den Tag des offenen Denkmals und an den Museumstag sollen die deutschen Archive an diesem Tag für Interessierte außerhalb der normalen Öffnungszeiten zugänglich sein. Die Archive erhalten dadurch eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Aufgaben – nicht nur in den Medien – vorzustellen sowie ihre Bedeutung für die Identität und Kultur unserer Gesellschaft herauszustellen. Die konkrete Ausgestaltung für den TAG DER ARCHIVE ist den einzelnen Archiven überlassen.
Die Archive sollten am 25. September 2004 zum einen den bisherigen Benutzern einen vertieften und ungewohnten Blick ins Archiv erlauben und zum andern die Neugier potentieller Archivbenutzer wecken. Führungen, Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen, Filmvorführungen haben sich als Programmelemente bewährt. Um eine größtmögliche Bandbreite des Archivwesens darzustellen, empfiehlt es sich, örtliche Kooperationspartner zu suchen. So könnten mehrere Archive an einem Ort einen „Archivwanderweg“ anbieten oder einzelne Archive die Zusammenarbeit mit anderen Kultureinrichtungen suchen.
Für die Archive werden seitens des VdA bis zum Frühjahr 2004 wieder Handreichungen mit Anregungen sowie Hilfen bei der Organisation und Durchführung der Aktion erarbeitet.
Quelle: Aufruf des VdA zum TAG DER ARCHIVE 2004 („Aktuelles“ auf der VdA-Homepage www.vda.archiv.net)
„Tag der offenen Tür“ im Sächsischen HSTA Dresden
Am 23. August 2003 beteiligt sich das Hauptstaatsarchiv Dresden in diesem Jahr erstmals mit einem „Tag der offenen Tür“ am „Tag des Gläsernen Regierungsviertels“. Wer sich dafür interessiert, wie die Unterlagen der Ministerien, der Gerichte und Behörden im Regierungsbezirk Dresden archiviert werden, welchen wichtigen Beitrag Archive leisten, um Verwaltungshandeln transparent zu machen und wie sie den Informationsanspruch von Bürgern, Wissenschaft und Verwaltung sichern, ist an diesem Tag herzlich zu einem Besuch eingeladen.
Es wird darüber informiert,
- welche Unterlagen ins Archiv kommen und wie sie ausgewählt werden,
- was Archivare tun, um die Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
- welche Maßnahmen Archivare und Restauratoren ergreifen, um die Unterlagen auch für die nächsten 1000 Jahre zu erhalten,
- wie man die Dienstleistungen des Archivs als Benutzer in Anspruch nehmen und
- wie man Archivar oder Archivarin werden kann.
Außerdem kann man auf einem Rundgang über 12 Stationen einmalige Originale aus der sächsischen Geschichte betrachten, beim Buchbinden selbst Hand anlegen, historische Filme ansehen oder erfahren was es heißt, 40.000 Meter Archivgut zu verpacken. Diese und viele andere Informationsangebote werden dafür sorgen, dass der „Tag der offenen Tür“ im Hauptstaatsarchiv ein echter Publikumsmagnet sein wird.
Zum „Tag der offenen Tür“ ist das Hauptstaatsarchiv von 11.00 bis 16.00 Uhr geöffnet. Gruppen, die an Führungen teilnehmen wollen, werden um Voranmeldung gebeten.
Kontakt:
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden
Frau Dr. Andrea Wettmann
Archivstr. 14
01097 Dresden
Tel.: 0351/8006-138
andrea.wettmann@archive.smi.sachsen.de
www.sachsen.de/archiv
DER ARCHIVAR 3/2003
Die Juli-Ausgabe 2003 von DER ARCHIVAR beinhaltet neben Beiträgen aus der Archivtheorie und Archivpraxis (hierin u.a. ein Erfahrungsbericht von Sigrid Peters über die Erarbeitung eines Thesaurus für die Stasi-Unterlagen) sowie Berichten aus dem Ausland (mit einem Situationsbericht Josef Nössings über von der Schließung bedrohte italienische Archive) folgende Aufsätze:
- Qualitätsparameter archivischer Arbeit – Überlegungen zur Dienstleistung und Ressourcengewinnung (Gabriele Stüber)
- Staatliche Archive als bürgernahe Einrichtungen mit kulturellem Auftrag (Robert Kretzschmar)
- Kulturarbeit – eine Kernaufgabe der Kreisarchive? (Irmtraud Betz-Wischnath e.a.)
- Die Verfolgung der Sinti und Roma im Natzionalsozialismus in Niedersachsen: Zur Aussagekraft von „Wiedergutmachungsakten“ (Raimond Reiter)
- Archive in Chemnitz
- Archivbericht Frankreich 200-2002: EDV und Archive (Wolfgang Hans Stein)
DER ARCHIVAR Heft 3, Juli 2003
hg. vom NRW-Hauptstaatsarchiv
Zweigarchiv Schloss Kalkum
Oberdorfstr. 10
40489 Düsseldorf
http://www.archive.nrw.de/archivar
Digitale Bibliothek Deutschland
Als zentrale Anlaufstelle für wissenschaftliche Literatur und Online-Fachinformationen haben jetzt nach einem Bericht von heise.de 37 Bibliotheken, Forschungsinstitute und Fachinformationszentren ein fächerübergreifendes Internet-Portal eingerichtet. Unter dem Kunstnamen vascoda, der Assoziationen zu dem portugiesischen Seefahrer und Entdecker Vasco da Gama (1469 bis 1524) weckt, soll es Anfang August zur internationalen Bibliothekskonferenz IFLA den Betrieb aufnehmen.
Vascoda bündelt die in Deutschland mit öffentlichen Mitteln aufgebauten Informationsdienstleistungen der Wissenschaft unter einem gemeinsamen Internet-Zugang mit einer einfach zu handhabenden Suchmaschine. Die Benutzung ist unentgeltlich, auch wird ein Großteil der Informationen, die sämtlich aus geprüften Quellen stammen, kostenlos zu beziehen sein. Daneben sind aber ebenso Angebote von Verlagen und kommerziellen Datenbanken kostenpflichtig verfügbar. Die Abrechnung erfolgt in diesen Fällen über die Registrierungs- und Zugangsmechanismen der jeweiligen Anbieter.
An dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Wissenschaftsportal sind unter anderem 23 Virtuelle Fachbibliotheken – wie MathGuide und ViFaPhys -, die vier großen Informationsverbünde EconDoc (Wirtschaft), GetInfo (Naturwissenschaft und Technik), infoconnex (Pädagogik, Sozialwissenschaften, Psychologie) und Medizin sowie die Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB) an der Universitätsbibliothek Regensburg beteiligt.
Quelle: Heise.de, 24.7.2003.
Kölns Nachlässigkeiten
„Return to Spender“ übertitelt die FAZ ihren Artikel über die drohende Schließung der Abteilung Sammlungen und Nachlässe im Historischen Archiv der Stadt Köln, das lange als Flagschiff unter den deutschen Kommunalarchiven galt, zudem das größte und eines der ältesten ist (vgl. Bericht).
Im Juni hatte die Kölner Stadtverwaltung eine Beschlussvorlage über die Auflösung der Abteilung eingebracht. Die Bestände sollen eingemottet, Schenkungen zurückgegeben werden und künftige Erwerbungen unterbleiben.
Seit zehn Jahren bereits ist das Historische Archiv dem kommunalen Spardruck ausgesetzt. Von einst 50 Mitarbeitern sind 30 übrig geblieben. Die allmähliche Auszehrung bekam vor allem die Abteilung Sammlungen und Nachlässe zu spüren, da deren Archivierung – anders als die des amtlichen Schriftgutes – nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Doch gerade diese Sammlungen machen das Renommee des Kölner Stadtarchivs aus. Neben dem mit 380 Kartons größten Nachlass Heinrich Bölls liegen hier 700 private Einzelfonds.
„Das Vermächtnis der Sammler würde rückgängig gemacht“, erklärt der Leiter der Abteilung, Eberhard Illner, der um die eigene Glaubwürdigkeit fürchtet. Viele der Nachlässe sind Schenkungen, die mit der Zusicherung, das sie wissenschaftlich aufgearbeitet werden und öffentlich zugänglich gehalten werden, anvertraut wurden. Andere wurden mit Drittmitteln erworben. Diese Gelder müssten zurückgezahlt, Spendenbescheinigungen aberkannt werden. Den erwarteten Einsparungen in Höhe von 138.000 Euro stünden, so Illner, Regressansprüche von mehr als einer halben Million Euro gegenüber.
Doch weder dieses finanzielle Argument, noch Bedenken des Rechtsamtes konnten die Beschlussvorlage bisher kippen.
Siehe auch den Kommentar von Konrad Adenauer (CDU), Vorsitzender des Kölnischen Geschichtsvereins: „Ein Akt der Barbarei“ (KSTA, 28.7.2003)
Kontakt:
Historisches Archiv der Stadt Köln
Severinstr. 222-228
D-50676 Köln
Telefon: 0221-221-22329
Telefax: 0221-221-22480
hastk@netcologne.de
http://www.stadt-koeln.de/kulturstadt/
Quelle: FAZ, 25.7.2003, S. 33.
Einblicke ins Schweriner Stadtarchiv
Das gute Stück ist in Leder und Holz gebunden und mit Messingschließen bewehrt: Das Stadtbuch von 1424 ist das älteste Stück im Schweriner Stadtarchiv in der Stellingstraße, wo sieben Mitarbeiter die Bestände pflegen. Die Urkunde über die Gründung Schwerins durch Heinrich den Löwen 1160 existiert nicht mehr. „Schwerin ist im 16. und 17. Jahrhundert dreimal abgebrannt“, erklärt Archivleiter Dr. Bernd Kasten. Da hätten die damaligen Archivare nur gerettet, was wichtig war. „Im Stadtbuch waren Grundstücksgeschäfte und Hypotheken verzeichnet.“ Es ging um Geld, deshalb hat der Foliant überlebt. Allerdings sind die uralten Akten aus Pergament oder Hadernpapier (aus Textilabfällen hergestellt) auch haltbarer als die Unterlagen der späteren Jahre.
Besonders Bestände ab etwa 1850 sind vom Zerfall bedroht – auch in Schwerin. „Damals wurde Holzpapier eingeführt“, erläutert Dr. Kasten. Es ist stark säurehaltig und wird mit der Zeit brüchig.
Das Verfahren zur Konservierung kostet 10 bis 15 Cent pro Blatt. Da die betroffenen Bestände hunderte Regalmeter füllen, ist die Konservierung eine finanzielle und handwerkliche Mammutaufgabe. Dr. Kasten kündigt an: „Vom nächsten Jahr an wollen wir unseren Restaurierungs-Haushaltstitel für die Papierkonservierung verwenden.“ Bücher und Karten sind bereits restauriert, die alten Zeitungen sind mikroverfilmt.
81 Regalmeter Akten sind 2002 ins Stadtarchiv gewandert, in der Archiv-Außenstelle in der Weststadt haben sich Bestände auf 2.000 Regalmeter Länge angesammelt. Auf fünf Prozent beziffert Dr. Kasten den Anteil, der schließlich als Päckchen wohlverschnürt in die endlosen Regalschluchten wandert, beschriftet mit Zahlen und Buchstaben, die nur dem Eingeweihten den Weg weisen. Manche Päckchen werden nie wieder aufgeschnürt.
Man solle sich aber nicht täuschen, sagt Dr. Kasten. „Ich dachte auch, die Korrespondenz der Kleingärtner mit dem Liegenschaftsamt aus dem 19. Jahrhundert werde nie jemand brauchen.“ Schon eine Woche später habe der Kleingärtner-Kreisverband nachgefragt… „Wir beurteilen, was irgendwann wichtig sein könnte“, erklärt Dr. Bernd Kasten die Herausforderung seines Berufes. „Irgendwann“ wird dabei in Jahrhunderten gemessen, deutsche Archive reichen bis zu 1.000 Jahre zurück. „Was einmal ins Archiv einsortiert ist, bleibt dort für immer.“
Kontakt:
Landeshauptstadt Schwerin
Stadtarchiv
19053 Schwerin
Tel.: (03 85) 56 29 70
Ansprechpartner:
Benutzerdienst: Jens-Uwe Rost
Tel.: 5 93 62 44
Rainer Blumenthal
Tel.: 59 80 10 61
Archivleiter: Dr. Bernd Kasten
E-Mail: Stadtarchiv@schwerin.de
Außenstelle (Bauakten- und Grundbucharchiv)
Willi-Bredel-Str. 18
19059 Schwerin
Tel.: 7 45 28 30
Ansprechpartner: Jörg Moll
Quelle: SVZ, 23.7.2003
Kertészs Archiv zugänglich
Das künstlerische Archiv des Literaturnobelpreisträgers Imre Kertész ist laut dpa jetzt in der Berliner Akademie der Künste (www.adk.de) auch der Forschung zugänglich. Der 1929 geborene Schriftsteller hatte seine Werkmanuskripte, Korrespondenzen und Notizen bereits Ende 2001 der Akademie als Depositum übergeben. Dazu gehören etwa die Manuskripte des „Romans eines Schicksallosen“, des „Spurensuchers“, des „Galeerentagebuchs“ und von „Ich, ein anderer“.
Die Beschäftigung mit der Shoah ist ein zentrales Thema der Akademie, wo auch große Bestände zur Künstleremigration während der NS-Zeit und zum Jüdischen Kulturbund in Deutschland betreut werden.
Kontakt:
Akademie der Künste
D-10557 Berlin-Tiergarten
Hanseatenweg 10
Tel: 030.390 76-0
Fax: 030.390 76-175
info@adk.de
NRW-Pilotprojekt für E-Government abgeschlossen
Zwölf nordrhein-westfälische Städte haben ausgewählte Verwaltungsverfahren auf elektronische Abwicklung umgestellt. Das Gemeinschaftsprojekt e-Government NRW wurde vom Städte- und Gemeindebund NRW initiiert. Beteiligt waren Microsoft Deutschland und die Bertelsmann-Stiftung. Dabei seien Lösungen geschaffen worden, die kostengünstig, auf andere Kommunen übertragbar und leicht auszubauen seien. „Damit ist der Grundstein zum Virtuellen Rathaus in Nordrhein-Westfalen gelegt“, erklärte heute der Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW (StGB NRW), Bergkamens Bürgermeister Roland Schäfer, in Düsseldorf zum Abschluss des Projektes.
Die Städte Bergisch Gladbach, Bergkamen, Coesfeld, Gütersloh, Herten, Lippstadt, Olsberg, Paderborn, Ratingen, Rees, Rietberg und Siegburg haben in acht Teilpilotprojekten den Verwaltungsvorgang auf elektronische Bearbeitungsweise umgestellt und damit den herkömmlichen Behördengang überflüssig gemacht, heißt es beim Städte- und Gemeindebundes. Zu den Teilprojekten gehören Bauleitplanung, Melderegisterauskunft und Personenstandswesen.
Das Pilotprojekt sei präzise dokumentiert worden. Dadurch und mit Hilfe der neu entwickelten Software E-Government Starter Kit könnten auch kleinere Städte und Gemeinden ohne größere Investitionen elektronische Verwaltungsverfahren für Bürger und die örtliche Wirtschaft einrichten. „Das wichtigste Ziel, die Übertragbarkeit der Ergebnisse, wurde damit erreicht. In Zeiten knapper Kassen kann auf diese Weise durch e-Government Geld gespart werden“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des StGB NRW, Bernd Jürgen Schneider.
Quelle: Heise.de, 22.7.2003.
Aus evangelischen Archiven Nr. 43/2003
Der aktuelle Jahresband 2003 „Aus evangelischen Archiven“ ist erschienen. In den Beiträgen erörtert u.a. Dieter Klose die Möglichkeit historischer Bildungsarbeit in Kirchenarchiven. Er überprüft dabei Anforderungen und Charakteristika der allgemeinen Archivpädagogik für den Bereich der kirchlichen Archive, d.h. Archive als schulische und außerschulische Lernorte, Bedingungen für Projektarbeit sowie spezifische archivtechnische und pädagogische Rahmenbedingungen.
Mit Sicherheit auch von Kirchenarchiven zu leisten sind nach Kloses Einschätzung zumindest folgende Aspekte: Informationsvermittlung über die Aufgaben des Archivs und über die fachliche Ausbildung der Archivmitarbeiter; Vorstellung einzelner Archivalientypen; Themenführungen; Betreuung von Referaten, Fach- und Abschlussarbeiten; Ausstellungshinweise; Vermittlung einer historischen Dimension gemeindlicher Existenz.
Inhalt des Heftes Nr. 43:
- Editorial (5)
- Rainer Hering: Kirchen in Monarchie, Republik und Demokratie. Neuerscheinungen zur neueren und neuesten Kirchengeschichte Deutschlands (7)
- Jens Murken: Erinnerungskultur und Biographie. Zur kommunikativen Praxis der Geschichte (37)
- Anette Neff: Mündliche Lebensberichte im Zentralarchiv der EKHN. Methoden der Erfassung, Aufbewahrung und Benutzung (55)
- Bernd Hey: Reduktionen und Pointierungen. Erfahrungen mit den biographischen Ausstellungsprojekten Ehmann, Wilm und Gerstein (73)
- Dieter Klose: Archivpädagogik – Chance für kirchliche Archive? (81)
- Andreas Metzing: Die Überlieferungen der linksrheinischen evangelischen Lokalkonsistorien der napoleonischen Zeit (99)
- Alexandra Mittmann: „… es soll unser Bestreben sein, von der leidvollen Vergangenheit frei zu werden …“ Das Archiv der Kirchengeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft Minden e.V. (109)
- Jörg Rohde: Pfarrbüchereien im Bereich der Hannoverschen Landeskirche (113)
- Paul Peucker: Die Erschließung der Topographischen Sammlung des Unitätsarchivs in Herrnhut (123)
- Gerhard Paasch: Unterstützung – Ablehnung – Anpassung. Hamburger Kirchengemeinden im Nationalsozialismus (131)
- Werner Jürgensen: Rechtsfragen zur Präsentation von Archivgut im Internet (137)
- Wolfgang Günther: Neues Archiv- und Kirchenbuchrecht in der westfälischen Landeskirche (153)
- Jens Murken: Tagungsbericht: Erinnerungsorte und Erinnerungskultur im deutschen Protestantismus des 20. Jahrhunderts (181)
Aus evangelischen Archiven Nr. 43/2003
ISSN: 1617-8238
Bezugsadresse:
Verband kirchlicher Archive
Geschäftsführung
Landeskirchliches Archiv Hannover
Goethestraße 27
30169 Hannover