Das dunkelste Kapitel der deutschen Medizingeschichte kann jetzt mit Hilfe einer umfassenden Datenbank weiter aufgeklärt werden. Das Bundesarchiv in Berlin stellt jetzt die Daten der „Euthanasie“-Verbechen im „Dritten Reich“ online zur Verfügung.
Das Bundesarchiv in Berlin erhob in einem dreijährigen Projekt mit Unterstützung der Bundesärztekammer und der Deutschen Forschungsgemeinschaft Informationen aus 296 Archiven.
Bei der Vorstellung des Quellenverzeichnisses aus Deutschland, Österreich, Polen und Tschechien bekannte sich die deutsche Ärzteschaft am Dienstag in Berlin erneut zur Mitverantwortung an den so genannten Euthanasie-Verbrechen im „Dritten Reich“.
Von 1939 bis 1945 wurden etwa 200.000 Frauen, Männer und Kinder, die als psychisch Kranke oder Behinderte in Krankenanstalten und Heimen lebten, ermordet.
Die ausgewerteten Archive umfassen insgesamt 740 Bestände, davon 614 in Deutschland, 85 in Polen, 31 in Österreich und 10 in Tschechien.
Das Bundesarchiv verwahrt auch 30.000 Patientenakten, die vom DDR- Staatssicherheitsministerium beschlagnahmt wurden. Die Datenbank steht auf der Homepage des Bundesarchivs allen Interessierten zur Verfügung.
Quelle: ORF, 30.9.2003
Archivvielfalt durch knappe Kassen bedroht
Die deutschen Archivare befürchten eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen infolge immer knapperer öffentlicher Mittel. In einigen Bundesländern wie Thüringen und Baden-Württemberg werde bereits über neue Strukturen der Archivlandschaft diskutiert, sagte der Vorsitzende des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA), Volker Wahl, am Dienstag in Chemnitz. Die Verwaltungen wollten beispielsweise durch Zusammenlegung von dezentralen staatlichen Archiven Kosten sparen. Im bayerischen Schongau sei auch die Schließung eines Kommunalarchivs beabsichtigt gewesen.
Der von Dienstag bis Freitag in Chemnitz stattfindende 74. Deutsche Archivtag als der bedeutendste Kongress dieser Art in Europa wende sich ganz entschieden gegen solche Tendenzen. «Wir führen kein Nischendasein zwischen alten Schriften», sagte Wahl. Die Aufgaben als Hüter historischer Überlieferung und zur wissenschaftlichen Aufarbeitung sowie als Dienstleister seien gesetzlich fixiert. Dies verlange qualifiziertes Personal, das nicht endlos reduziert werden könne. Archive seien nicht mit Bibliotheken, Museen und anderen Kultureinrichtungen gleichzusetzen, deren Betrieb eine freiwillige kommunale Aufgabe sei, unterstrich der VdA-Vorsitzende.
Die Chemnitzer Stadtarchivarin Gabriele Viertel betonte, gerade die Kommunalarchive in den neuen Bundesländern leisteten wichtige Hilfe bei der Klärung von Alltagsfragen der Bürger. So bearbeite ihre Einrichtung pro Woche bis zu 20 Anfragen zum früheren Schulbesuch, der in den Rentenantragsunterlagen nachgewiesen werden müsse. Auch Duplikate von DDR-Facharbeiterzeugnissen, Nachweise der Beschäftigung von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg und Immobilienunterlagen im Zusammenhang mit der Regelung offener Vermögensfragen würden oft nachgefragt.
Am Deutschen Archivtag unter dem Thema «Archive im gesellschaftlichen Reformprozess» nehmen rund 800 Fachvertreter aus dem In- und Ausland teil. Die Tagung wird begleitet von der Fachmesse Archivistica, auf der Technik und Techniken zu Erhalt, Lagerung und Erfassung von Archivgut vorgestellt werden.
Quelle: Freie Presse online, 30.9.2003
Rolle der Archive im gesellschaftlichen Reformprozess
Vom 30. September bis zum 3. Oktober findet in Chemnitz der 74. Deutsche Archivtag statt, an dem mehrere hundert Archivarinnen und Archivare vorwiegend aus der Bundesrepublik, aber auch in großer Zahl aus dem europäischen Ausland teilnehmen werden. Der Deutsche Archivtag, der jährlich in Verbindung mit der Fachmesse ARCHIVISTICA abgehalten wird, ist der bedeutendste Archivkongress dieser Art in Europa. Veranstaltet wird er vom VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare, dem mit rund 2.200 Mitgliedern größten europäischen Berufsverband der Archivare.
Das Thema des diesjährigen Archivtags ist von ganz besonders aktueller Brisanz: Es geht um die Rolle der Archive im gesellschaftlichen Reformprozess. Wie das Programm zeigt, sind die archivischen Einrichtungen als Hüter historischer Überlieferung alles andere als weltabgewandte Stätten verträumten Sammelns und Ordnens. Die Archivarinnen und Archivare sehen sich aufgerufen, mit gestaltend auf die Herausforderungen unserer sich verändernden Welt zu reagieren. Die Verzeichnisse zu den in ihnen verwahrten Urkunden, Akten, Karten und Plänen, die bis ins tiefe Mittelalter zurückreichen, sind heute schon zu einem großen Teil im Internet zugänglich; oft finden sich hier sogar die herausragenden Dokumente selbst. Mit den Möglichkeiten einer Verbesserung der archivspezifischen Online-Angebote wird sich der Kongress ausführlich befassen. Dazu passt thematisch die intensive Beschäftigung mit einem neuen Verständnis von Kundenorientierung, die für die von vielen Sparten der Wissenschaft, aber auch von vielen Bürgern zu privaten Zwecken genutzten Einrichtungen kein Fremdwort ist, sondern selbstverständliche Grundlage ihrer Arbeit.
Hochaktuell werden vor allem die Sitzungen sein, die sich mit den organisatorischen Veränderungen der Archive im Kontext der aktuellen Verwaltungsreform befassen. In mehreren Bundesländern vollziehen sich derzeit gravierende Strukturreformen, die in Fachkreisen kontrovers diskutiert werden. So wurden In Sachsen-Anhalt und in Nordrhein-Westfalen die bisher selbständigen Archiveinrichtungen als Abteilungen zu einem Landesarchiv zusammengefasst, während in Thüringen dezentrale Strukturen verstärkt wurden. In Baden-Württemberg und in Sachsen stehen ebenfalls Neustrukturierungen an. Auch im kommunalen Bereich hat es vielfach Veränderungen gegeben, hier sind insbesondere Verbünde von Archiven geschaffen worden und weiter in der Planung.
Dass die Archivarinnen und Archivare sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch kritisch mit der unmittelbaren Gegenwart auseinander setzen, zeigt das Thema des Eröffnungsvortrags, den der Bonner Politologe Meinhardt Miegel hält: Verdrängte Wirklichkeiten – die Lebenswelt der Deutschen. Kaum ein anderer Berufsstand muss sich so umfassend und intensiv mit den Problemen der Gegenwart befassen wie die Archivare: Gehört es doch zu Ihren Hauptaufgaben, heute die Dokumente auszuwählen, die späteren Generationen die Erforschung unserer Zeit ermöglichen.
Das Programm des Archivtags ist im Internet abrufbar: www.archivtag.de
Quelle: ots Originaltext: Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA), 23.9.2003
Nachlass des Verlegers Max Bruns
Seit zwei Jahren archiviert Anne Kathrin Pfeuffer im Kommunalarchiv Minden den Nachlass von Max Bruns, der bis dato eher ein ungeordnetes Dasein fristete. Der derzeitige Firmeninhaber des Hauses J. C. C. Bruns, Rainer Thomas, hatte sich 1996 entschlossen, den Nachlass als Depositum an das Kommunalarchiv der Stadt Minden zu übergeben, damit jeder Interessent öffentlich Zugang zu den alten Schätzen hat. Bei der Suche helfen eine elektronische Datenbank, in der genau aufgelistet wird, wo sich welche Fotos und Dokumente im Archiv befinden.
Der Nachlass besteht zu einem großen Teil aus Firmenunterlagen des Druck- und Verlagshauses J. C. C. Bruns. Das Unternehmen wurde 1834 von Johann Christian Conrad Bruns in Minden gegründet und begann mit dem Druck von Postformularen. Seit 1856 gibt Bruns die Tageszeitung in Minden heraus. Im Jahr 1881 wurde der Druckerei eine Verlagsabteilung angeschlossen. Neben deutschen Autoren wie Alfred Mombert und Johannes Schlaf erschienen die ersten deutschen Gesamtausgaben der Werke von Charles Baudelaire, Gustave Flaubert und Edgar Allan Poe.
Neben den Firmenunterlagen enthält der Nachlass außerdem persönliche Dinge des Dichters Max Bruns (Enkel des Verlagsgründers Johann Christian Conrad Bruns) und seiner Ehefrau, die Lyrikerin und Märchenerzählerin Margarete Sieckmann.
Die Archivarin Anne Kathrin Pfeuffer landete während eines Praktikums in ihrer Heimatstadt Buxtehude im Archiv. Nach dem Studium in Passau absolvierte sie eine Ausbildung zur Dipl.-Archivarin in Stuttgart und Marburg, wo sie sich unter anderem auch mit der Schriftkunde vom Mittelalter bis zur Neuzeit vertraut machte. Ihre guten Kenntnisse in alten Schriften waren schließlich auch eine wichtige Voraussetzung für ihre derzeitige Arbeit im Kommunalarchiv, da der Nachlass Bruns zu einem großen Teil aus handschriftlichen Schriftstücken besteht.
Allzu viel lesen darf beziehungsweise sollte ein Archivar jedoch nicht. „Meine Aufgabe ist es, die Schriftstücke systematisch zu ordnen und zu beschreiben, dabei darf ich mich jedoch nicht in Details verstricken“, so die Archivarin. Ihre Arbeit wird noch etwa ein Jahr dauern, danach ist der Nachlass Bruns dann erschlossen und kann mit Hilfe eines Findbuches bewertet werden. Leider wüssten jedoch die wenigsten Mindener, dass sie so etwas Wertvolles, wie das Kommunalarchiv haben, bedauert Anne Kathrin Pfeuffer.
Kontakt:
Kommunalarchiv Minden
Tonhallenstr.7
D-32423 Minden
Telefon: 0571/97220-0
Telefax: 0571/97220-11
kommunalarchiv@minden.de
Quelle: mt-online.de (Mindener Tageblatt), 29.9.2003.
Frauenleben in Baden-Württemberg seit 1750
Mühlacker (PZ). Mäuseplage, Hagelsturm und ein Frauenname: Catharina Wedderkopf. Inmitten einer Akte im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv (HSTAS) über eine Zehntverleihung im 18 Jahrhundert. Das war ungewöhnlich und der Anstoß für Stadtarchivarin von Mühlacker, Marlis Lippik, sich mit der Dürrmenzerin zu beschäftigen, die sich per Gerichtsbeschluss in die Männerwelt gewagt hatte. Catharina Wedderkopf gehört zu den neun historischen und aktuellen Frauen aus Mühlacker die – ergänzend zur Wanderausstellung „Schwäbinnen und Badenerinnen, Frauenleben in Baden und Württemberg von 1750 bis 2001“ – einige Stellwände in der Mühlacker Kelter mit ihren Lebensläufen füllen.
Unterschiedliche Schicksale
„Heute braucht man sich nicht mehr zu verteidigen, wenn man eine Ausstellung über Frauen macht“, sagte Stadtarchivarin Marlis Lippik bei der Eröffnung am Freitagabend vor rund 100 Besuchern und fünf der neun porträtierten Mühlackerinnen. Das Bundesverdienstkreuz haben Erna Händle, Elisabeth Brändle-Zeile, Ruth Schlegel, Gerlinde Beck und Erika Gerlach bekommen, Elsi Ascher-Schütz und Charlotte Kussbach waren die ersten Gemeinderätinnen, Marthe Bracher starb vermutlich im KZ Strutthoff und Catharina Wedderkopf bildete den Zufallsfund in der Stadtgeschichte.
Zahlreiche Porträts
Die Wanderausstellung porträtiert in der Kelter auf 15 Leintüchern noch mehr Frauen, insgesamt drei Jahre lang ist sie an 16 Austellungsorten zu sehen. Mitarbeiter der Stadtmuseen Sachsenheim und Eppingen haben insgesamt 30 Frauenleben aus 250 Jahren zusammengesucht. „Eine interessante Auswahl haben sie getroffen“, sagte Diana Finkele, Leiterin des Museums Sachsenheim.
Von Dichterinnen über Komponistinnen bis zu politisch aktiven Frauen, die in Baden oder Würtemberg wirkten, reicht die Palette. Gemeinsam waren sie Vorreiterinnen der erfüllten Rolle der Frau in einer Zeit, in der Männer noch die Hosen an hatten.
Nicht nur Lob geerntet
Gemeinsam war vielen von ihnen auch, dass sie ob ihrer frauenunüblichen Tätigkeiten schief angesehen wurden. „Mit Frauen soll man sich nie unterstehen zu scherzen“, zitierte Oberbürgermeister Arno Schütterle Goethe in seiner Rede zur Ausstellungseröffnung. Außerdem würdigte er das Engagement vieler Frauen, namentlich derer, die im Stadtarchiv tätig sind, was zwar oft im Hintergrund stattfände, aber einen unverzichtbaren Bestandteil der Verwaltungsarbeit bilde.
Quelle: Pforzheimer Zeitung, 29.9.2003
Protokolle der Metallwerke Unterweser AG entdeckt
Der Zufall fördert zuweilen längst verloren geglaubte Dinge ans Tageslicht. Dazu zählten bis vor wenigen Monaten die Protokollbücher der Aufsichtsratssitzungen der im Jahre 1906 gegründeten Metallwerke Unterweser AG. Bei der Renovierung des aus der Gründerzeit stammenden Verwaltungsgebäudes waren die Protokolle in einem eisernen Geldschrank wieder aufgetaucht. Was die Aufsichtsräte bei ihrer ersten Versammlung am 26. September 1906 beschlossen, ist jetzt im Archiv des Rüstringer Heimatbundes nachzulesen.
Dr. Rainer Menge, Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens „Xstrata“ in Friedrich-August-Hütte, zu dem die ehemaligen Metallwerke seit Dezember 2002 gehören, überreichte zwei Protokollbücher an den Archivar des Rüstringer Heimatbundes, Wolfgang Engelhardt. Das sei Stadtgeschichte pur, schwärmte Engelhardt bei der Durchsicht der zunächst in tadelloser Deutscher Schrift geführten Protokolle. Die beiden Kladden umfassen die Jahre 1906-1917 und 1917-1953. Insgesamt sind 113 Sitzungen des Aufsichtsrates darin festgehalten.
Gleich auf den ersten Seiten befindet sich der Vertrag mit der Großherzoglichen Regierung in Oldenburg und den Metallwerken Unterweser AG über den Verkauf von Ländereien und die Errichtung von industriellen Anlagen. Neben den Notizen über Ankäufe von Bauland sowie den Berichten über das jeweilige Geschäftsjahr werde auch die soziale Verantwortung des Unternehmens deutlich, so Engelhardt weiter. Für die tausend Arbeiter bauten die Manager der „Hütte am Meer“ Wohnungen in Phiesewarden, später in Friedrich-August-Hütte.
Die Zinkherstellung in Deutschland begann um 1800 in Oberschlesien. Die Gründer der Hütte – Geschäftsführer Dr. Wiegand vom Norddeutschen Lloyd und Dr. Sondheimer, Geschäftsführer eines Frankfurter Bankhauses –, hofften, dass sich die Zinkproduktion auch in Nordenham zu einem lukrativen Geschäft entwickeln würde. Lag die jährliche Produktion zunächst bei 10.000 Tonnen, wurde sie auf 40.000 Tonnen gesteigert. Zum Vergleich: „Zurzeit werden jährlich 140.000 Tonnen produziert“, betonte Menge.
Die wechselvolle Geschichte der Metallwerke Unterweser ist in den Büchern dokumentiert: die miserable Wirtschaftslage in der Weimarer Republik ebenso wie der Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst durch den Koreakrieg (1950-1953) zog die Produktion in Nordenham wieder kräftig an.
Kontakt:
Rüstringer Heimatbund e.V.
Hessenstraße 7
26954 Nordenham
Quelle: Nordwest-Zeitung, 26.9.2003
Neues Gebäude für das Brandenburg. LHA
Das „Gedächtnis Brandenburgs“ hat neuen Raum: Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) hat am 26.9. gemeinsam mit dem Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs die neuen Magazingebäudes des Archivs in Bornim in Betrieb genommen. „Jahrzehnte lagerte das historische Schriftgut des Landes in der östlichen Pflanzenhalle der Orangerie von Sanssouci“, sagte Wanka. Die dortigen Gebäude hätten jedoch nicht den Erfordernissen von Brand- und Arbeitsschutz genügt. Das Land komme nun dem Ziel einen Schritt näher, Bornim zum künftigen Hauptsitz des Landeshauptarchivs auszubauen.
Insgesamt werden dort etwa 40.000 Meter laufende Meter Akten, 10.000 Urkunden, 100.000 Karten sowie 100 Nachlässe verwahrt. Insgesamt sind in Bornim bisher fünf Millionen Euro verbaut worden. Das neue klimatisierte Magazin mit seinen Platz sparenden Rollregalen fasst etwa ein Drittel der bisher in der Orangerie provisorisch untergebrachten Akten und Amtsbücher.
Planungen für einen zweiten größeren Baukomplex für weitere Magazine, einen Öffentlichkeitsbereich und Arbeitsräume haben begonnen, das Bebauungsplanverfahren ist eingeleitet. Insgesamt werden in den Standort bis zur endgültigen Fertigstellung rund 20 Millionen Euro investiert.
Quelle: Morgenpost, 27.9.2003
Schongau: Kreisarchivar setzt sich ein
Kreisarchivpfleger Max Biller malt ein düsteres Bild: Wenn Schongau seinen Archivar entließe, würde sich die „traditionsreiche Stadt dem Gespött und der Lächerlichkeit preisgeben“, und zwar bundesweit, sagte der Pollinger Heimatforscher gestern bei einem Pressegespräch im Schongauer Rathaus. Hintergrund für Billers Befürchtung ist die Forderung der CSU-Stadträte, dem Museumsleiter und Archivar Richard Ide wegen der städtischen Finanzkrise zu kündigen.
Für Biller war es „nicht erfreulich“, von derartigen Plänen zu hören. Dabei mische er sich nicht aus „Gschaftlhuberei“ ein, sondern weil es ihm ein „echtes Anliegen“ sei. Je geschichtsträchtiger eine Stadt sei, desto wichtiger sei es, dass eine Fachkraft das Archiv betreut, betonte der Kreisarchivpfleger, der dieses Amt seit nunmehr 27 Jahren bekleidet. Wichtig sei auch, dass sich ein und dieselbe Person „lange und möglichst kontinuierlich“ um ein Archiv kümmert. Weiter machte Biller deutlich, dass es sich beim Archiv um eine Pflichtaufgabe der Kommune handle.
„Wir können das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“, bekräftigte Bürgermeister Friedrich Zeller (SPD). Ganze Zivilisationen würden auf Archiven aufgebaut. Das „Gedächtnis der Stadt“ könne man nicht einfach stornieren und beiseite schieben. „So weit können wir es nicht kommen lassen. Die Schmerzgrenze ist erreicht.“ Der Rathauschef verwies darauf, dass in der Kreisstadt Weilheim zwei Kräfte das Museum und das Archiv betreuen, während in Schongau diese beiden Bereiche in der Hand von einer Person liegen. „Es ist eine Tatsache, dass wir das Archiv brauchen“, fügte er hinzu.
Richard Ide sieht die digitale Archivierung als Problem der Zukunft. Hier sei nicht klar, „ob das einer nebenher leisten kann“. Neben dem Archiv ist auch ungewiss, in welchem Rahmen das Stadtmuseum weitergeführt wird. Zwei Vereine, die ursprünglich nach der Sommerpause die Leitung hätten übernehmen sollen, haben bereits abgesagt.
Kontakt:
Stadtmuseum Schongau
Christophstraße 55
86956 Schongau
Tel. 08861-20602
Museum-Archiv@Schongau.de
Quelle: Weilheimer Süddeutsche Zeitung, 12.9.2003.
Vergangenheit des Körner Hellwegs
Jeder der fünf Vorortbereiche, die sich im Dortmunder Nordosten entlang der Hellwegschiene ziehen – Körne, Wambel, Brackel, Asseln und Wickede, bis zur Stadtgrenze Unna – hat sein Eigenleben. Obwohl die Straße selbst ihren Zusammenhang durch die gemeinsame Historie vorweist. Der Hellweg ist etwas Besonderes.
Das wussten schon lange vor den Ortsgründungen entlang des Weges unsere sächsischen Ahnen. Später die Römer, die die Verbindung als Heerstraße nutzen. Im Mittelalter führte der Hellweg von Duisburg bis Höxter. Seine Nachfolger – die preußische Chaussee aus dem frühen 19. Jahrhundert (die heutige B 1) und die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts fertiggestellte Autobahn 44 „folgen prinzipiell der alten Wegführung, wenn sie heute auch unter Umgehung der Innenstädte etwas südlicher verlaufen“, so Reinhild Stephan-Maaser vom Hellweg-Museum Unna.
Schon Kaiser Karl nutzte alten Weg
Dortmunds große Stadthistorikerin Luise von Winterfeld beschreibt in ihrer „Geschichte der Freien- und Hansestadt Dortmund“ in der Auflage von 1956, dass der Name Hellweg, „an dem viele uralte Friedhöfe lagen, mythologisch als Weg galt, der zur Totengöttin Hel“ führte.
Sehr viel nüchterner sei nach von Winterfeld eine Deutung von Karl Rübel aus dem 19. Jahrhundert. Er setzte den Namen mit Kaiser Karl dem Großen in Verbindung (um 800), der zum Schutze des Reichsgutes seine Gefolgsleute an der großen Heerstraße, dem Hellweg, ansiedelte.
Dr. Norbert Reimann beschreibt in der 1994 verlegten „Geschichte der Stadt Dortmund“, dass der Hellweg „als älteste und wichtigste Verkehrsverbindung zwischen Rhein und Weser“ gilt.
Und Reimann weiter: „Der ,Hellweg´ bedeutet ,lichter, breiter Weg´ und bezeichnete wichtige Königs- und Heerstraßen, deren Breite der Länge eines Speeres entsprach. Er war keineswegs nur auf den rheinisch-westfälischen Hellweg beschränkt“.
Körne genießt neben allen übrigen Vororten Dortmunds eine Sonderstellung: Er war der erste Bereich, der nach Dortmund eingemeindet wurde.
Hintergrund des Eingemeindungsbeginns war natürlich der industrielle Fortschritt in den Ruhrgebietsstädten. Fast hätte die neue Stadt Gelsenkirchen die alte Stadt Dortmund überrundet, zumindest, was die Einwohnerzahlen anging.
Denn das blutjunge Gelsenkirchen war von 1900 bis 1905 von 37 000 auf 147 000 Seelen angewachsen. Doch die alte Reichs- und Hansestadt Dortmund reagierte schneller.
Dr. Günther Högl beschreibt diesen „Wettlauf“ in dem vom Stadtarchiv herausgegebenen Band „Geschichte der Stadt Dortmund“ so: „1901 begannen die Eingemeindungsverhandlungen mit der Gemeinde Körne im Kreishaus des Landkreises Dortmund, die am 22. März 1904 mit der Genehmigung des Vertrages abgeschlossen wurden.“ Und mit dem Gesetz vom 1. April 1905 wurde dann Körne als erster Gebietsteil aus dem Landkreis Dortmund in den Stadtkreis Dortmund aufgenommen.
Der Körner Hellweg, zwischen zwei Brücken gelegen, die einerseits die Stadtmitte und andererseits den Vorortsbereich Wambel abschließen, markiert als Hauptverkehrsader eben auch Körne.
An diesem Hellwegbereich haben sich viele Geschäfte angesiedelt, die dem Kunden alles bieten, von Lebensmitteln über Modefachgeschäfte, Apotheken bis Zoohandlung, Reinigungen und vieles mehr. Der Körner Bewohner braucht eigentlich nur zum Hellweg zu gehen und wird fündig. Das betrifft auch den Gastronomiebereich. Die Kneipe an der Ecke, deutsche und ausländische Angebote in den vielen Gaststätten, jeder Geschmack wird „vor Ort bedient“. Und dass die Körner auch zu feiern verstehen, zeigt ihr dreitägiges Fest „Körner Treff“, vom Gewerbeverein ins Leben gerufen, das just jetzt noch bis einschließlich Sonntag rund um das Ärztehaus mit viel Unterhaltung läuft.
1,2 Kilometer lang ist übrigens der Körner Hellweg-Beritt von Brücke zu Brücke. Insgesamt bringt es der östliche Hellweg-Bereich bis Unna auf zehn Kilometer Länge.
Immer mit der Stadt verknüpft
Dass Körne und sein Hellweg politisch zur Bezirksvertretung Innenstadt-Ost und nicht zu der von Brackel gehört, ist wiederum mit der geschichtlichen Entwicklung zu erklären. Das alte Körne, urkundlich im 10. Jahrhundert erstmals erwähnt, hat sich immer mehr zu Dortmund als zu den benachbarten Gemeinden hingezogen gefühlt.
1906, also nach Körnes Eingemeidung, aber vor der Eingemeindung weiterer Ortschaften am Hellweg, eröffnete die Straßenbahngesellschaft des Landkreises eine Strecke auf dem Hellweg, die eben von Körne über Asseln und Wickede nach Unna führte. Nachdem die Straßenbahngesellschaft von der Stadt übernommen worden war, führte die damalige Linie 11 vom Dortmunder Hauptbahnhof bis Unna. Das letzte Stück wurde erst 1965 still gelegt.
Quelle: WAZ Dortmund, 12.9.2003
Schätze der Modezeichnerin Regina May im Stadtarchiv
Fein säuberlich gestapelt, wartet auf einem Tisch im Stadtarchiv Wiesbaden eine kleine Auswahl von Illustrationen, Zeichnungen und Gegenständen aus dem Nachlass von Regina May (1923-1996). Nur ein Teil jener etwa 130 Ausstellungsstücke, die vor genau einem Jahr unter dem Titel „Illustration und Mode. Spiegel der Zeit“ im Museum Wiesbaden zu sehen waren und zuvor auch in der Frankfurter Stadtbücherei und in der Berliner Kunstbibliothek.
Ehemann und Nachlasshüter Achim Koch hat diese Arbeiten seiner Frau als Dauerleihgabe dem Stadtmuseum überlassen. In Wiesbaden lebte Regina May seit ihrer Jugend. Hier soll auch die Sammlung bleiben. Das geplante Stadtmuseum bewahrt sie vorerst in den Räumen des Stadtarchivs auf.
Regina May selbst wäre nie auf die Idee gekommen, ihre Arbeiten auszustellen, bemerkte Achim Koch. „Aber es wäre schade, wenn das Oeuvre meiner Frau bei mir im Keller verstauben würde.“ Schubläden und Schränke seien voll mit noch nicht geordneten Sachen.
Der Name Regina May mag zunächst nur wenigen etwas sagen. Obwohl eines ihrer frühen Werke – ohne Übertreibung – Millionen Bundesbürgern bekannt sein dürfte: der Titelkopf der FAZ. Im Jahre 1949 als frisch gebackene Gebrauchsgrafikerin und Absolventin der Städelschule, „pinselte“ sie in zehn Tagen, wie damals der „Spiegel“ berichtete, den schwierigen Zeitungskopf „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Erst nach mehreren Anläufen fanden die Herausgeber was sie wollten. Der schließlich genehmigte Zweizeiler aus Fraktur und Antiqua blieb seither unverändert. Gerahmt und unter Glas liegen Ur- und Endfassung auf einem Tisch im Stadtarchiv. Daneben Zeichnungen aus den späten 40er Jahren: Illustrationen für Wiesbadener Verlage und die Mainzer „Allgemeine Zeitung“.
In der Mainzer Verlagsanstalt hatte Regina May ihre Druckerlehre absolviert und später als Schriftenzeichnerin gearbeitet. Bekannt geworden aber ist sie durch einen unverwechselbar eigenen Strich in Sachen Mode. Mit dem brachte sie zwischen 1950 und 1975 Schwung auf die FAZ-Seite „Für die Frau“ und ins „Constanze-Modeheft“ ebenso. Die Modezeichnungen der 50er Jahre hätten sie wahnsinnig geärgert, weil sie so altmodisch gewesen seien, meinte sie. Dabei herrschte in der Modewelt gerade Christian Diors aufregender New Look mit den schwingenden Ballerinaröcken, den Riesenhüten und armlangen Handschuhen.
Als FAZ-Korrespondentin getarnt, zeichnete Regina May zunächst nur heimlich auf den großen Galas der Couture in Paris, Florenz oder Mailand. Aus Furcht vor Nachahmern war das „Mitzeichnen“ untersagt. Neben ihren schnellen und trotzdem präzisen Skizzen liest man die berühmten Namen Patóu, Dior, Balmain, Givenchy, Cardin und St. Laurent.
Nicht eine Modezeichnerin wie alle anderen wollte sie sein, sondern eine „Modeinterpretin“. Ihre Linien sind klar und erfassen bis hin zur Überzeichnung durch Reduktion immer das auf den Punkt gebrachte Wesentliche. Karikaturen nannte sie ihre Figuren gern. Und hat recht damit, wenn sie die Begabung meinte, genau zu beobachten und ein typisches Merkmal treffsicher zu betonen. Hellwach erkannte sie, was hinter den Kleidern steckt: ein sich wandelnder Zeitgeschmack und ein sich mit ihm wandelndes Frauenbild. „Sie müssen vor allem anderen lernen zu sehen“, hieß ihr „Lehrsatz“ an der Fachhochschule Wiesbaden, wo sie zehn Jahre lang als Dozentin arbeitete.
Ein bewundernswert sicheres Gespür für Entwicklungen und neue Trends habe sie gehabt, so Achim Koch. Bis zu ihrem Tod war sie deshalb bei namhaften Textil- und Accessoires-Firmen als Modeberaterin höchst willkommen. Aus der Beraterzeit stammt ein „Objekt“, das etwas unscheinbar den Stapel mit Zeichnungen krönt. Klein und viereckig glänzt es in schwarzem Lackleder, trägt lange schmale Henkel und einen silbernen Sichelverschluss: Eine Mustertasche für die Collection Nouvelle Couture von Gold-Pfeil. An das Unternehmen hatte Regina May vor Jahren auch ihre einstige Volontärin Jil Sander vermittelt. Die Mode sei ein gefährliches Pflaster für seine Frau gewesen, meinte Achim Koch lächelnd. „Sie hat viel Geld dafür ausgegeben.“ Manchmal sogar ein Paar Schuhe doppelt gekauft, damit im Notfall Ersatz vorhanden war.
Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 13.09.2003