Das hätten sich die Beteiligten auch nicht träumen lassen, dass zur Durchsetzung des Windrades am Nordholz in Enger tatsächlich Akten aus dem Jahre 1826 heran gezogen werden müssen. Doch die Unterlagen sind allen Ernstes im Detmolder Staatsarchiv ausgegraben worden. Und das kam so:
Das Ehepaar Diekenhorst möchte sein Windrad auf seinem Acker vor dem Nordholz bauen. Das Windrad soll auf Spezialtransportern angeliefert werden, wofür die Betreiber eine Sonderbetriebserlaubnis zur Benutzung und zum entsprechenden Ausbau einer Zuwegung benötigen.
Windkraftgegner unter den Anliegern hatten nun heraus gefunden, dass nicht eindeutig feststand, wem die entsprechende Straße (Nordhofstraße) in diesem Abschnitt gehört. Sechs Anlieger gibt es in diesem Bereich. Knapp 5.000 Quadratmeter Wegfläche wurden daher plötzlich als „herrenlos“ erklärt.
Es kam sogar so weit, dass die Stadt zunächst einmal ihr Wegerecht und in der Folge auch die Sonderbetriebserlaubnis zurückzog, da einer der Windkraftgegner das Wegerecht für sich beanspruchte. Eingeschaltete Rechtsanwälte befürchteten schon eine jahrelange Auseinandersetzung, da der vermeintliche Eigentümer den Diekenhorsts das Wegerecht nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge einräumen wollte, um so den Bau des Windrades zu verhindern. Andere Zufahrtsmöglichkeiten wären nur schwer zu realisieren gewesen.
Doch dann wurde endgültig entschieden, dass die Stadt der wahrscheinlichste Eigentümer des Weges ist. Unterlagen von 1826 belegen, dass die Wegerechte sich aus der früheren Verbindung zwischen Enger und Dreyen für den Kirchgang und den Leichengang bei Beerdigungen ableiten. Die Stadt war ohnehin bisher immer davon ausgegangen, dass sie der Eigentümer ist – was Unterhaltung und Verkehrssicherungspflicht angeht.
Nun arbeitet die Stadtverwaltung wieder an der Sonderbetriebserlaubnis, in der genau geregelt wird, unter welchen Auflagen und Bedingungen das Windrad die Straße benutzen darf.
Quelle: NW Enger/Spenge, 5.12.2003
Bibelausstellung in Wesel
Drucke und Kommentare vom 14. bis 18. Jahundert: Die katholische Pfarrgemeinde St. Martini in Wesel lädt zu einer Bibelaustellung, die in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv und Stadtmuseum enstanden ist, in ihre Kirche ein. Die Ausstellung ist ein Beitrag zum Jahr der Bibel und präsentiert insgesamt 19 Werke aus der Fraterherren- und der Heresbach-Bibliothek. \“Sie zeigt einen Teil des kulturellen Reichtums der Stadt\“, so Dr. Martin Roelen vom Stadtarchiv.
Den Anfang der Austellung bilden klassische, lateinische Bibeln. Seit etwa 1452 werden Bibeln gedruckt. Erstes großes Ereignis war die in Mainz hergestellte \“Gutenberg-Bibel\“. Im 15. Jahrhundert erschienen 94 komplette lateinische Bibelausgaben. Im 16. Jahrhundert wurden mit mindestens 438 Vulgata-Ausgaben ungefähr so viele lateinische Bibeldrucke gezählt wie im 15., 17. und 18. Jahrhundert zusammen.
Teildrucke in Volkssprachen
Neben den kompletten Vulgatadrucken erschienen in dieser Frühzeit des Buchdrucks auch zahlreiche Teildrucke der Bibel – nicht nur in Latein, Griechisch oder Hebräisch, sondern auch in verschiedenen Volkssprache: Ausgaben in hochdeutsch bis katalanisch.
Die Ausstellung zeigt deutschsprachige Übersetzungen der Episteln und Evangelien aus dem lateinischen Missale im Spätmittelalter. Diese mittelhochdeutschen und mittelniederdeutschen Plenarien gehören zu den meistgedruckten und weitverbreitesten Büchern vor der Reformation.
Die erste komplette englische Bibelübersetzung, die Wyclif-Bibel, enstand von 1380 bis 1384. Die in der Ausstellung präsentierte Ausgabe geht auf ein Manuskript zurück, das nur das Neue Testament enthält.
Auswahl von Polyglottenbibeln
Darüber hinaus wird eine Auswahl so genannter Polyglottenbibeln gezeigt, die seit dem 16. Jahrhundert herausgeben wurden und aus editionsphilologischen Gründen neben dem hebräischen und griechischen Urtext verschiedene Übersetzungen desselben im Spaltendruck wiedergeben.
Unter verschiedenen Bibelkommentaren befindet sich \“das älteste und kostbarste Stück\“, so Pfarrer Heinrich Pauen, der Austellung – ein Bibelkommentar von 1481, eine prächtige, auf Pergament gedruckte, vierbändige Ausgabe des berühmtesten Exegeten des Spätmittelalters, Nikolaus de Lyra. Um den zentralen, fortlaufenden Bibeltext herum stehen Glossen des Autors.
Info:
Bis zum Sonntag, 11. Januar, können Interessierte die kostbaren Werke begutachten – vor und nach den Gottesdiensten werk- wie sonntags, von Dienstag bis Samstag in der Regel von neun bis 17 Uhr durch den Turmeingang (Kath. Pfarrgemeinde St. Martini in Wesel).
Kontakt:
Stadtarchiv Wesel
Klever-Tor-Platz 1
D-46467 Wesel
Telefon: 0281-1645-401
Telefax: 0281-1645-397
Quelle: NRZ Wesel, 5.12.2003
Kissinger belastet
Der damalige US-Außenminister Henry Kissinger drängte die argentinische Militärjunta im Oktober 1976, schneller gegen die linke Opposition vorzugehen. Dies geht aus Dokumenten hervor, die vom State Department freigegeben und vorgestern an der Universität Buenos Aires von Forschern des „National Security Archive“ vorgestellt wurden.
Am 7. Oktober 1976, ein gutes halbes Jahr nach dem Militärputsch, sagte Kissinger gegenüber seinem argentinischen Kollegen, Marineadmiral César Guzzetti: „Wir wünschen Ihren Erfolg. Ich bin der altmodischen Meinung, dass man Freunde unterstützen soll.“ In den USA werde nicht verstanden, dass in Argentinien ein „Bürgerkrieg“ stattfinde. Menschenrechtsprobleme würden beachtet, aber nicht der Kontext: „Je schneller Sie Erfolg haben, desto besser. Wir wollen eine stabile Situation. Wir werden Ihnen keine unnötigen Probleme verursachen.“ Anschließend warnte Kissinger vor möglichen Sanktionen durch das US-Parlament: „Wenn Sie fertig werden, bevor der Kongress seine Sitzungen [im Frühjahr 1977] wieder aufnimmt, umso besser.“ Diskret deutete er einen weiteren Grund für seine Eile an: den möglichen Sieg des Demokraten Jimmy Carter bei der bevorstehenden Präsidentenwahl.
Für Carlos Osorio vom „National Security Archive“ belegen die neuen Dokumente, dass US-Präsident Gerald Ford „eine offizielle und eine geheime“ Argentinien-Politik verfolgte. Öffentlich und in der Korrespondenz mit dem eigenen Botschafter in Buenos Aires versicherten hohe Regierungsbeamte, sie beharrten auf der Einhaltung der Menschenrechte. Als Botschafter Robert Hill empört nach Washington meldete, wie begeistert der Marineadmiral von seinem Treffen mit Kissinger zurückgekommen war, bekam er zur Antwort: „Guzzetti hörte nur das, was er hören wollte.“
Und noch ein aufschlussreiches Dokument präsentierten die Forscher: Argentiniens Armeegeheimdienst habe eine Liste von 22.000 zwischen 1975 und Mitte 1978 ermordeten oder „verschwundenen“ Menschen, berichtete 1978 ein chilenischer Geheimdienstagent seinen Vorgesetzten. Menschenrechtsgruppen gehen schon lange von 30.000 Todesopfern während des Militärregimes (1976 bis 1983) aus. Offiziell hingegen war stets von 9.000 Verschwundenen die Rede.
Quelle: taz Nr. 7227, 6.12.2003, 10.
Bilder der Vergangenheit
Archive seien das Gedächtnis der Verwaltung, sagt Dr. Karl Emsbach. Aber das sei für die Arbeit der Historiker im Kreisarchiv Zons zu wenig. Und so freute sich Emsbach am Freitag, dass er eine neue Sammlung auswerten darf, eine Sammlung übrigens, die etwas ganz Besonderes ist.
Die Eheleute Anni und Peter Gilges haben über Jahrzehnte einen Schatz bewahrt, den Gilges Vater einst zusammen getragen hatte: Glasdias, Stereoskop-Bilder, ein Fotoapparat vom Anfang des 20. Jahrhunderts und ein Dia-Vorführgerät aus der gleichen Zeit. „Wir haben schon oft erlebt, dass vieles einfach weggeworfen wird“, sagt Peter Gilges. So war es auch nach dem Tod des Vaters im Jahr 1956, als dessen Frau keinen Bedarf mehr für die Bilder sah. Peter Gilges hat aber einen Teil davon retten können.
„Ich habe das vor einigen Jahren dem Stadtarchiv Neuss angeboten, aber dort hat man sich nicht weiter um die Sammlung gekümmert.“ Dabei sind unter den Bildern, die zwischen 1858 und dem frühen 20. Jahrhundert entstanden sind, viele Neusser Motive dabei. Etwa vom Schützenfest, von der ehemaligen Brandgasse, von der Münsterkirche mit dem alten Altar oder vom Hochwasser in Neuss. Auch Schützenzüge sind vertreten, zum Beispiel das Gruppenfoto des Zuges „Quirinus Pütz“.
Dort halten alle Zugkameraden kleine Puppen in der Hand, wohl in Erinnerung daran, dass in Neuss die Kinder aus dem Quirinusbrunnen kommen. Doch Peter Gilges Vater, der den gleichen Vornamen hatte wie der Sohn, hat nicht nur selbst fotografiert. So erwarb er vom Gutsbesitzer Binger vom Nauenhof in Willich eine Sammlung von Glasdias, die Binger auf seiner Hochzeitsreise nach Afrika gemacht hatte. Außerdem gehört zur Sammlung auch ein Stereoskop-Bild, das den Mond im Jahr 1858 zeigt.
„Der Vater ging nie ohne Fotoapparat aus dem Haus“, sagte Anni Gilges. Das Haus der Familie stand damals am Neumarkt, „es ist längst abgerissen“. Heute leben die Eheleute Gilges in Gnadental. Die vier Kinder der beiden wollten die Sammlung zwar durchaus haben, doch letztlich haben sich Anni und Peter Gilges dafür entschieden, die Bilder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
So lagern jetzt im Kreisarchiv 200 Glasdiapositive aus der Zeit um 1900 sowie 100 Stereoskop-Bilder, darunter viele Neusser Motive und Bilder aus dem Kreis, wie zum Beispiel Zons. Mit dabei ist übrigens auch eine Aufnahme der Hammer Pont, einer Fähre, von der es laut Emsbach bislang noch kein Foto gab. Über den voll funktionstüchtigen Diaprojektor freut sich der Kreisarchivar auch. Denn nun kann er sich endlich die Glasdias anschauen, die bereits aus anderen Sammlungen im Archiv lagern.
Kontakt:
Kreisarchiv Neuss
Schloßstr. 1,
41541 Dormagen-Zons
Telefon: 02133 / 46061 Telefax: 02133 / 10564
Quelle: Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 5.12.2003
Nachlass Alfred Epsteins jetzt im Stadtarchiv
Kulturdezernent Peter Krawietz (CDU) und Wolfgang Dobras haben gestern Dokumente aus dem Nachlass Alfred Epsteins vor. Esther Epstein hatte die Dokumente dem Stadtarchiv Mainz überlassen.
Epstein wurde 1903 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Mainz geboren und ist hier aufgewachsen. Nach seiner Flucht vor den Nazis kehrte er 1960 durch einen Zufall nach Mainz zurück. Archivdirektor Dobras bezeichnete Epstein als eine „bedeutende Mainzer Persönlichkeit“. Epstein fungierte über Jahre als Vorsitzender, später Ehrenvorsitzender, der Mainzer Jüdischen Gemeinde und engagierte sich im Jugendwohlfahrtsausschuss der Stadt.
Der Nachlass, der bis in die Zeit kurz nach der Flucht Epsteins aus Deutschland zurückgeht, besteht zum Großteil aus Korrespondenz, Fotoalben, amtlichen Urkunden und Ehrungen, wie den Mainzer Ehrenring, sowie den Lebenserinnerungen Epsteins. Diese hatte er noch selbst dem Stadtarchiv übergeben. Gemeinsame Fotos Epsteins, zusammen mit Papst Johannes Paul II. oder Oberbürgermeister Jockel Fuchs gestatten Einblicke in Epsteins Leben. Dobras betonte den unschätzbaren Wert des Nachlasses. Nur mit persönlichen Unterlagen Mainzer Bürgen könne das Archiv seiner „Aufgabe als Gedächtnis der Stadt“ wirklich nachkommen, so Dobras. Krawietz bezeichnete den Nachlass Epsteins als „Teilstück der Mainzer Identität“.
Sowohl Krawietz als auch Dobras dankten Esther Epstein, der Frau des Verstorbenen. „Es muss für sie“, so Krawietz, „mit Gefühlen verbunden sein, die schmerzlich sind“. Ester Epstein bezeichnete die Gabe als Selbstverständlichkeit. Schließlich habe sich ihr Ehemann immer als Mainzer gefühlt.
Kontakt:
Stadtarchiv Mainz
Rheinallee 3 B
55116 Mainz
Telefon (0 61 31) 12 21 78
Telefax (0 61 31) 12 35 69
stadtarchiv@stadt.mainz.de
Quelle: Allgemeine Zeitung, 5.12.2003
Heftige Debatte über Nauroder Heimatdichter
Der Streit um die Einschätzung des Nauroder Heimatdichters Rudolf Dietz und die persönlichen Angriffe des Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Bernhard Lorenz, gegen Mitarbeiter des Wiesbadener Stadtarchivs beschäftigte gestern erneut das Stadtparlament. Die Grünen hatten sich per Antrag für die Archivare stark gemacht (siehe auch die Pressemitteilungen der Grünen vom 2.10. und vom 14.10.). Nach über einstündiger Debatte erklärte eine Mehrheit aus CDU, FDP und Republikanern die Sache für „durch Aussprache erledigt“.
Mitarbeiter der Stadtverwaltung seien „kein politisches Freiwild für junge wild gewordene Fraktionsvorsitzende“, mahnte Hubert Müller (Grüne) eine Entschuldigung von Lorenz und klare Rückendeckung für das Stadtarchiv von Oberbürgermeister Hildebrand Diehl an. Doch müsse man zur Kenntnis nehmen, dass Lorenz „sein Vergaloppieren nicht zugibt und nicht die Größe besitzt, sich bei den Mitarbeitern des Stadtarchivs zu entschuldigen“. Scharf kritisierte Müller das Redeverbot, das OB Diehl nach dem Vorfall über städtische Mitarbeiter verhängt hatte.
Für die CDU erwiderte Andreas Guntrum, ob Dietz Antisemit gewesen sei oder nicht, lasse sich nicht per Parlamentsbeschluss festlegen. Guntrum wiederholte die Vorwürfe des CDU-Fraktionsvorsitzenden, die Archivare hätten bei ihrer Beurteilung des Heimatdichters die Grundprinzipien wissenschaftlichen Arbeitens nicht beachtet: „Sie haben eine voreingenommene, schlampige und unwissenschaftliche Arbeit vorgelegt“.
Diese neue Attacke auf ihre Mitarbeiter wies Kulturdezernentin Rita Thies zurück. „Man fasst die Nachricht nicht und erschlägt den Überbringer“, beurteilte sie das Verhalten der CDU. Die Archivare hätten nie den Auftrag gehabt, ein wissenschaftliches Gutachten zu verfassen. Es sei nur um eine Stellungnahme gegangen.
Nachdem Guntrum eine „wissenschaftliche und rechtsstaatlich saubere“ Aufarbeitung gefordert hatte, hielt Peter Schickel (SPD) ihm die Ergebnisse der Nauroder Ortsbeiratsdiskussion vor. Selbst der habe erkannt, dass Teile des Dietzschen Werks problematisch und peinlich seien. „Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, was das für Inhalte sind“, so Schickel.
Stefan Krakowka (CDU) mokierte sich über „die unglaubliche Arroganz, mit der Sie auf einem Toten herumtrampeln, der sich nicht wehren kann“. Falls eine genaue Analyse Rudolf Dietz als Antisemit bewerte, sollte man „unter Umständen eventuell Konsequenzen ziehen“, so Krakowka.
Mehrfach nutzten Redner der „Republikaner“ die Gelegenheit, ihre Ideologie zu verbreiten, ließen sich über Antisemitismus und über Martin Hohmann aus. Ex-Republikaner Hirzel sprach vom „völkischen Grundgesetz“.
„Bereiten Sie diesem unseligen Unfug ein Ende“, mahnte SPD-Fraktionschef Rolf Praml Lorenz zur Entschuldigung, er nannte die Debatte „eine Schande für die Stadt“. Bernhard Lorenz schwieg.
Anfang November hatte auch DER SPIEGEL unter der Überschrift „Kulturkampf in Wiesbaden“ über die Auseinandersetzungen in Wiesbaden berichtet:
Vier vergilbte Zähne werden im Heimatmuseum von Wiesbaden-Naurod aufbewahrt – auf grünem Filz und unter Glas. Neben Rasiermesser, Brillen, Spazierstock und zahlreichen Fotos und Büchern. Diese Zähne waren einst dem Heimatdichter Rudolf Dietz gezogen worden. Und er – ein Poet für alle Gelegenheiten- hatte die schmerzhafte Operation in neckischen Versen verewigt.
Die Nauroder lieben „ihren Rudolf“, manche nennen ihn „nassauischen Goethe“, sie kennen ihn auswendig, zitieren ihn auf Hochzeiten und Beerdigungen. Für Alwin Becht, 72, dem Vorsitzenden des Geschichts-und Heimatvereins, ist er „der größte Sohn der Gemeinde“. Die Wander- und Heimatlieder des schriftstellernden Lehrers, der 1863 in Naurod geboren wurde und 1942 in Naurod starb, werden heute noch gesungen. Die Schüler der dritten Klasse lernen bis heute im Sachkundeunterricht zwei bis drei seiner Gedichte. Natürlich nur die netten.
Neben Märchen, Tiergeschichten und Theaterstücken für Laiendarsteller flossen auch Werbe-Sprüchlein für „Zobus Senf“ und „Rheingau Schokolade“ aus seiner Feder. An die 15 Straßen und Plätze in der Region sind nach ihm benannt, sowie ein paar Quellen im Nassauischen, dem Gebiet zwischen Wiesbaden und Limburg an der Lahn. Schon seit 1957 ist Rudolf Dietz Namenspatron der Nauroder Grundschule.
Und genau darüber hat sich das idyllische Dorf am Rande des Taunus, das seit 1977 Stadtteil der Landeshauptstadt Wiesbaden ist, in zwei emotionsgeladene feindliche Lager gespalten. Der Verse schmiedende Biedermann mit dem Zwirbelbart und dem Kneifer, der im Kreise seiner Familie so freundlich aus den alten Fotos lächelt, ist nach Ansicht seiner Kritiker ein „doppelter Rudolf“ dessen düstere Seite heute verborgen wird.
Rassistische Häme
Neben den launigen Liedern über die Freuden und Leiden seiner Mitmenschen hat Rudolf Dietz nämlich mindestens 30 Gedichte geschrieben, in denen er mit rassistischer Häme über „Schmuhlche“, „Mosesche“ oder „Nathansche“ herzieht, die „die klaane Leit“ ausplünderten.
Dietz lässt kaum ein antisemitisches Klischee aus, stellt in einem Gutachten das Stadtarchiv Wiesbaden fest: Juden sind hässlich, geldgierig, verlogen, kriminell, Kinder wollen nicht neben ihren stinkenden jüdischen Mitschülern sitzen. Diese erschreckenden Texte – alle in der lieblich klingenden hessisch-nassauischen Mundart – habe Dietz – so die Aussage seines Zeitgenossen Werner Prediger- sogar bei Schulfeiern vorgelesen.
Mehr noch. Schon vor der Machtergreifung Hitlers gehörte der Heimatdichter zum berüchtigten „Deutschbund“ einer antisemitischen, faschistischen Vorläuferorganisation. Im April 1933 trat er dann in die NSDAP ein. Nicht etwa eine Jugendsünde. Dietz war damals schon 70 Jahre alt und als Lehrer pensioniert. In mehreren Gedichten bejubelt er die Machtergreifung Hitlers, so in seinem 1936 veröffentlichten Gedicht „Reichslied“ und beschwört die Einigkeit „unterm Hakenkreuz“. Die beiden letzten Zeilen der Propaganda-Reime: „Nie mehr trennt ein fremder Keil, uns're Treuschar. – Hitler Heil!“
Im siebenköpfigen Ortbeirat (CDU,4, SPD,2, Grüne,1) wurde in einer turbulenten öffentlichen Sitzung beschlossen, sich zwar „vom politischen Dietz“ zu distanzieren, den Namen der Schule jedoch nicht anzutasten. So einfach scheint das zu sein. „Es ist unfair aus unserem heutigen Denken den Stab über etwas zu brechen, was in der damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches war“, argumentierte Hermann Stöcker, CDU, in seinem Rundbrief an die Bürger Naurods.
Kritiker werden als „Nestbeschmutzer“ beschimpft
Allein der Grüne Hans-Jürgen Anderle stimmte für die Umbenennung und wurde dafür öffentlich als „Nestbeschmutzer“ beschimpft: „Ich weiß, dass Dietz ein eher kleiner Fisch war. Nur leider gab es viel zu viele dieser „kleinen Fische“, sagt Anderle, „wir können die Kindern nicht die Ideale von Demokratie und Toleranz lehren, wenn ihr Schulpatron das Gegenteil gelebt hat.“ Außerdem verstießen die Parteien, die das zuließen gegen das hessische Schulgesetz und gegen das Grundgesetz.
Zwar hatte das Lehrerkollegium der Rudolf-Dietz-Schule geschlossen für einen neuen Namen gestimmt. Aber die Schulkonferenz kippte zwar nur mit einer Stimme Mehrheit den Beschluss. Schulleiter Bernd Siebold gibt sich gelassen: „Wir haben trotz des Namens 45 Jahre lang gute pädagogische Arbeit geleistet, und wir werden das weiterhin tun, wie immer unsere Schule heißt.“
Weniger entspannt ist die Atmosphäre im Dorf. In vielen Geschäften werden Unterschriften für Rudolf Dietz gesammelt. Es wird getuschelt, Nachbarn grüssen sich nicht mehr. An einigen hölzernen Hoftoren kleben Pamphlete, die auch in den beiden Wiesbadener Tageszeitungen als Anzeige erschienen. Darin bezichtigen zwei Nauroder Bürger die Befürworter der Umbenennung des „Hangs zur Diktatur“.
Der Konflikt um den umstrittenen Heimatdichter Rudolf Dietz hat Kreise gezogen: Zweimal schon hat die Stadtverordnetenversammlung der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden das heikle Thema auf der Tagesordnung gehabt. Bisher hat sich das Stadtparlament um eine Abstimmung gedrückt.
„Dann müssten wir auch Kant-, Hegel-, Fichte-, Luther- und Marx prüfen“
Denn auch hier steht die Front der Verweigerer. Da sind auf der einen Seite die grüne Fraktion und die SPD, die im Gegensatz zu ihren Nauroder Genossen für die Umbenennung sind. Auf der anderen Seite stehen geschlossen die CDU und die Fraktion der Republikaner. Die FDP ist gespalten und hat für die Abstimmung den Fraktionszwang aufgehoben.
Eine ganz besondere Begründung für die Ablehnungsfront hat sich der Wiesbadener CDU-Fraktionschef Bernhard Lorenz zurechtgebastelt: „Wir wollen Dietz nicht reinwaschen. Aber wenn man seinen Namen streicht, dann muss man auch alle Kant-, Hegel-, Fichte-, Luther- und Marxstrassen auf den Prüfstand stellen.“ Alle diese in Deutschland so verehrten Denker hätten sich antisemitisch geäußert.
Jetzt hat sich Oberbürgermeister Hildebrand Diehl (CDU) in den Streit um den Heimatpoeten eingeschaltet. Er will einen Prominenten finden, der per Gutachten Rudolf Dietz ein Gütesiegel verpasst – oder auch nicht. Letzte Woche erhielt er eine erste Absage von dem Historiker Michael Wolffsohn, Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München. Wolffsohn dankte für die „wertvolle Aufgabe“, für die er jedoch leider keine Zeit habe. Der Streit um die Frage, ob die Grundschule des Wiesbadener Stadtteils Naurod den Namen des umstrittenen Mundartdichters behalten soll, geht weiter.
Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
Postleitzahl/Ort: 65197 Wiesbaden
Telefon: 0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429
Fax: 0611 / 31-3977
E-Mail: stadtarchiv@wiesbaden.de
Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 5.12.2003, SPIEGEL online, 6.11.2003.
Freiberger Protest gegen geplanten Frevel an Beständen des Bergarchivs
Nach den öffentlich gewordenen Forderungen des Landesrechnungshofes zur Reduzierung des Bestandes der sächsischen Staatsarchive reißt die Empörung in Freiberg nicht ab (siehe vorigen Bericht). Es wäre ein Kulturfrevel, wenn historisch wertvolle und einmalige Unterlagen aus dem Bergarchiv auf Mikrofilm gebannt und danach im Reißwolf enden würden, hält der Rektor der TU Bergakademie Freiberg, Georg Unland, allein die Formulierung für völlig aus der Luft gegriffen. „Schließlich sind das einmalige Kulturschätze, die ähnlich den Museumsbeständen von Gemäldegalerie oder Grünem Gewölbe zu schützen sind“, meint der Chef der Universität, die zu den Hauptnutzern des Bergarchivs mit seinen Dokumenten aus über 500 Jahren zählt.
Auch der Vorstandsvorsitzende des Geokompetenzzentrums, Horst Richter, hat „große Sorge, dass das, was im Bericht des Landesrechnungshofes niedergeschrieben ist, bei den Finanzleuten auf fruchtbaren Boden fällt. Viele der über 60 Firmen des Zentrums würden den regionalen Vorteil des Bergarchivs nutzen und in Größenordnungen hier arbeiten. Ob bei Auswirkungen der Flut oder beim Altbergbau, im Bergarchiv hätten die Firmen schnell Zugriff, was für schnelles Handeln und Untersuchungen von entscheidendem Vorteil ist. Das Freiberger Archiv biete auch Unterlagen, die für die Sicherung des Altbergbaus der Wismut bedeutsam sind. Das von Staatsregierung und Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt wäre schwieriger zu realisieren, wenn Originalunterlagen fehlen. „Die Forderungen sind nicht seriös. Hier wird versucht, an der falschen Stelle zu sparen“, so Richter. Man sollte vielmehr die Dokumente in geeigneter Form einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Werde Schloss Freudenstein die neue Heimstatt des Archivs, könnten Ausstellungen zum Bestandteil der Angebote gehören.
„Vergessen wir nicht, es gab schon einmal eine Zeit, und die liegt gar nicht weit zurück, da nahm manches Kulturgut den Weg zu finanzstarken Sammlern. Was nützt uns heute in Archiven und Museen das auf ein Foto gebannte wertlose Exponat“, fragt Knut Neumann, 1. Vorsitzender der Historischen Freiberger Berg- und Hüttenknappschaft. Als langjähriger Nutzer des Bergarchivs hat er die Empfehlung des Rechnungshofes mit Verwunderung aufgenommen. Oft könne man von einem Original mehr erfahren als von der besten Kopie. Bei dem Archivgut handele es sich nicht nur um festgehaltene Erkenntnisse der Vergangenheit, sondern um Zeitzeugen von unersetzbarem Wert.
„Das Bergarchiv Freiberg ist ein unverzichtbarer Bestandteil nicht nur der sächsischen, sondern insbesondere der Freiberger Identität. Er ist verwurzelt mit den Bergbautraditionen unserer Vorfahren, zu denen sich die Freiberger Bevölkerung bewusst bekennt. Diese Wurzeln schrittweise zu kappen, führt zu Konsequenzen, die in Geld nicht mehr zu messen sind“, wendet sich der Vorstand des Fremdenverkehrsvereins der Stadt an die Verantwortlichen des sächsischen Landtages und der Staatsregierung. So berechtigt die Bemühungen des Rechnungshofes zur Reduzierung der Kosten im öffentlichen Bereich seien, so sollte der Respekt vor den wissenschaftlich-technischen und kulturellen Leistungen der sächsischen Geschichte eine Grenze setzen, heißt es. Bisher habe es keine Generation gewagt, Hand an Originaldokumentationen der durch Wissenschaft und Technik geprägten Vergangenheit zu legen.
Kontakt:
Sächsisches Bergarchiv Freiberg
Kirchgasse 11
09599 Freiberg
03731/372-250
03731/372259
Fuchsmühlenweg 7
09599 Freiberg
03731/30079-0
e-mail für beide Häuser:
bergafg@archive.smi.sachsen.de
Quelle: Freie Presse online, 3.12.2003
Handelskammer HB öffnet Archive
Die Bremer Handelskammer hat im Haus Schütting ein „Medienzentrum“ eingerichtet, das den Zugang zu mehr als 55.000 Bänden der ältesten noch existierenden Bibliothek der Hansestadt und den Archivalien aus mehr als sechs Jahrhunderten bremischer Wirtschaftsgeschichte ermöglichen soll.
Die Kammer bietet künftig über elektronische Datenbanken auch schnellen Zugriff auf Lieferantenadressen, Warenzeichen und andere Informationen für die unternehmerische Praxis.
Das Medienzentrum wird am Freitag, den 5.12., eröffnet.
Kontakt:
Handelskammer Bremen
Am Markt 13
28195 Bremen
Haus Schütting
Telefon : (0421) 3637-0
Telefax : (0421) 3637-299
service@handelskammer-bremen.de
http://www.handelskammer-bremen.de/
Quelle: Nordwest Zeitung, 4.12.2003
Nachbesserung bei Stadtteilarchiven
Das Timing war perfekt. Rechtzeitig zum Lokaltermin des Kulturausschusses der Bürgerschaft im Stadtteilarchiv Ottensen hatte die Koalition sich darauf geeinigt, den Etat der 14 Hamburger Geschichtswerkstätten im Haushalt 2004 noch einmal deutlich nachzubessern: 400.000 Euro soll die Subvention im kommenden Jahr betragen. Zur Erinnerung: Im Juni war im Haushaltsansatz 2004 die Streichung der kompletten jährlichen Zuwendung für die Geschichtswerkstätten in Höhe von 539.000 Euro angekündigt worden. Nach heftigen öffentlichen Protesten hatte die Kulturbehörde Ende Juli eingelenkt und 133.000 Euro versprochen, damit Räume und Sammlungen der Stadtteilhistoriker erhalten werden könnten.
Selbst innerhalb der Koalition war die radikale Sparmaßnahme, unter der in einem steigenden Kulturhaushalt ausgerechnet eine kleine, verdienstvolle Einrichtung mit zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern leiden sollte, umstritten. Die FDP, angetrieben von ihrem damaligen kulturpolitischen Sprecher Martin Woestmeyer, hatte mit Nachdruck auf eine Korrektur hingearbeitet. Überdies haben die Stadtteilarchive starke Fürsprecher in den Bezirken – was umso mehr ins Gewicht fällt, als die Geschichtswerkstätten entsprechend den neuen Globalrichtlinien Stadtteilkultur künftig nicht mehr bei der Kulturbehörde, sondern direkt in den Bezirken angesiedelt sein sollen. Und mit Gerhard Fuchs aus Wandsbek machte auch ein Bezirksamtsleiter mit CDU-Parteibuch deutlich, dass dies ohne mehr Mittel nicht funktioniere. Ausschlaggebend für die zweite Nachbesserung war am Ende wohl, dass Bürgermeister Ole von Beust sich persönlich dafür einsetzte, die Subvention durch Gelder aus Resttiteln des allgemeinen Haushalts der Finanzbehörde aufzubringen.
Der Ortstermin in Ottensen ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass diese Aufstockung eher eine Atempause als eine Bestandsgarantie sein kann. Denn die Geschichtswerkstätten sollen diesen Aufschub nutzen, sich neu zu strukturieren, sich in den Stadtteilen stärker zu vernetzen, Sponsoren zu suchen und das Ehrenamt weiter auszubauen. Doch ihre Vertreter ließen bei der Anhörung keinen Zweifel daran, dass diese Potenziale längst ausgeschöpft werden. Der Anteil an ehrenamtlichen Mitarbeitern liegt bei mehr als 80 Prozent. In der kleinen, agilen Geschichtswerkstatt St. Georg beispielsweise arbeiten nur Ehrenamtliche.
Trotz des Teilerfolgs sind die Archive unzufrieden, denn auch die 400.000 Euro bedeuten eine Kürzung von rund 25 Prozent, die bei kleinen Etats nur schwer verkraftet wird. Ruhe dürfte nach dieser Aufstockung jedenfalls nicht einkehren: Im kommenden Jahr wird über die Etats für 2005 und 2006 verhandelt. Das ist schon Vorwahlkampf, und ein so öffentlichkeitswirksames Thema wie dieses könnte eine unvorhersehbare Eigendynamik entwickeln.
Quelle: Hamburger Abendblatt, 3.12.2003
Steiner Stadtarchivar mit Leib und Seele
«Hier könnte man 200-jährig werden», hat Stadtarchivar Max Ambühl einmal gesagt. Mit «hier» meinte er das Stadtarchiv Stein am Rhein, das er nach seiner Pensionierung von 1981 bis 1989 liebevoll und gewissenhaft betreute, nachdem er 25 Jahre als Mittelstufenlehrer tätig gewesen war. Max Ambühl hat uns in der Woche vor dem 1. Adventssonntag für immer verlassen und wird nicht 200-jährig werden.
Was meinte Max Ambühl mit «200-jährig werden»? – Dazu gibt es zwei Antworten, schreibt der Stadtarchivar Michel Guisolan in seinem Nachruf: Die Ordnungs- und Erschliessungsarbeiten in einem Archiv sind nie abgeschlossen. Es kommen immer wieder neue Akten dazu, und es lassen sich immer bessere, feinere Findmittel erstellen. Zudem regen die Vielfalt und die Vielzahl der Archivdokumente sowie ihr verborgener Inhalt den Archivar und Geschichtsliebhaber zu stets neuen Forschungen und Arbeiten an. Ein Menschenleben genügt keinem Archivar, um sein Archiv in einen perfekten Zustand zu bringen, und schon gar nicht, um alle Schätze, die er pflegt, im Detail kennen zu lernen und in Form von Publikationen oder Dokumentationen auszuwerten und so dem interessierten Publikum zugänglich zu machen.
Die fehlenden Jahre zwischen seiner Amtsdauer und seinem Wunschalter von 200 Jahren hat Max Ambühl mit einem absolut bewundernswerten Einsatz wettzumachen versucht. Er hat nicht nur die reguläre Arbeitszeit in seinem Büro im Haus zum Steinbock verbracht, sondern viel, viel mehr Zeit: Das waren lange Abende – mitunter fast Nächte – und manches Wochenende. Pflichtbewusstsein – kann man aber bei einem Mann, der seine Arbeit als Hobby betrachtet, von Pflicht reden? – und Einsatz gingen bei Max Ambühl so weit, dass sogar der Stadtrat ihm einmal nahe legte, doch wenigstens am Wochenende zu ruhen, was er vehement verwarf. Als er 1981 sein Amt antrat, traf er einen riesigen Arbeitsberg an und hatte zahlreiche Projekte im Kopf.
Ich habe Max Ambühl nicht sehr gut gekannt. Doch in den sieben Jahren meiner Tätigkeit im Steiner Stadtarchiv bin ich ihm durch seine Arbeit fast täglich begegnet, sodass ich heute behaupten kann, ich kenne den Archivar Ambühl bestens. Meine Achtung vor seinen Leistungen ist ständig gestiegen. Ihn kennzeichneten ein äusserst hohes Mass an Einsatz, Arbeitsfreude, Präzision, Ausdauer, Begeisterungsfähigkeit und Liebe zur Geschichte aus. Nicht nur hat er als eine seiner ersten grossen Arbeiten den umfangreichen, von seinem Vorgänger verzeichneten Bestand verpackt und beschriftet, sondern er hat das notwendige Verpackungsmaterial – sprich Archivschachteln – selber angefertigt. Die von ihm, dem einstigen Handfertigkeitslehrer, aus ökonomischen und praktischen Gründen selber hergestellten Schachteln (es waren deren mehrere hundert) sind ein Muster an archivischer Durchdachtheit. Zudem hat er einen beachtlichen Teil der Verwaltungsakten des 19. und 20. Jahrhunderts geordnet, in seiner ihm eigenen perfekten Art verpackt und verzeichnet.
Doch gerade das jedem Perfektionismus anhaftende Sture war bei Max Ambühl wegen seiner Begeisterung für «sein» Archiv und seiner Offenheit für die Anliegen der Archivbenützer nicht vorhanden. Er war beileibe kein Elfenbeinturmgelehrter; vielmehr war er der Überzeugung, dass «Archive nur leben, wenn man sie öffnet», wie er 1986 anlässlich eines Interviews betonte. Max Ambühl indessen hat das Steiner Stadtarchiv nicht nur geöffnet. Er hat selber sehr intensiv an der Auswertung der darin befindlichen Dokumente teilgenommen. Daraus sind über fünfzig zum Teil umfangreiche unpublizierte Manuskripte, elf wissenschaftliche Publikationen und (für den Schulgebrauch) mehr als fünfzig Unterlagen zur Heimatkunde hervorgegangen, die uns auch heute noch sehr wertvolle Dienste leisten sowie viel Recherchierarbeit und damit das Verschwenden kostbarer Zeit ersparen.
Überragt werden diese Arbeiten noch von zwei sehr eindrücklichen Dokumentationen: Die erste betrifft die städtischen Ämter und die zweite die Häuser von Stein am Rhein. Erstere besteht in Form von umfangreichen Listen mit allen Ämtern und Amtsinhabern der Stadt aus der Zeit vom 15. bis 18. Jahrhundert. Die zweite Dokumentation ist noch eindrücklicher. Es ist die so genannte «Häuserdokumentation»; ihr kommt angesichts der historischen Häuserlandschaft von Stein am Rhein ein besonderer Stellenwert zu. Sie umfasst rund 15 000 Fichen, wo alle Besitzerwechsel und besondere Vorkommnisse minutiös aufgezeichnet sind. Diese Dokumentation ist einer der wertvollsten Schätze des Archivs.
Kontakt:
Stein am Rhein
Stadtarchiv Rathaus
CH – 8260 Stein am Rhein
Telefon (0 52 )7 42 20 41
Telefax (0 52) 7 42 20 30
E-Mail: stadtarchiv@steinamrhein.ch
Internet: www.steinamrhein.ch
Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 4.12.2003