Außerhalb Landaus wissen nur die wenigsten, dass es Thomas Nast aus Landau war, der dem globalen Weihnachtsmann zeichnend Gestalt gab, zuerst 1862 in der amerikanischen Illustrierten „Harper´s Weekly“.
Was als uramerikanische Christmas-Ikone gilt, geht tatsächlich zurück auf die Erinnerungen des deutschen Auswanderers Nast an den kettenrasselnden „Pelznickel“ seiner pfälzischen Kindertage, der die Bösen in den Sack steckt. Der Stadtarchivar von Landau, Michael Martin: „Nast war sechs Jahre alt, als er 1846 wie Zehntausende andere mit seiner Mutter von Landau über Paris und Le Havre nach Amerika ging.“
Landau zur Zeit der Auswanderung beschreibt Archivar Martin so: „Da gab es einen direkten freiheitlichen Traditionsstrang über die Französische Revolution, den Landauer Jakobinerclub und das Hambacher Fest der Demokraten 1832 bis später dann zur Bewegung von 1848. Landau war vom Westfälischen Frieden bis zum Sturz Napoleons integraler Bestandteil Frankreichs. Als dann die Bayern kamen, hatten die hier ein Mentalitätsproblem mit dem französisch-freiheitlichen Flair.“ Thomas Nasts Vater kam mit dem bayerischen Besatzungsregime, als „Hautboist“, also Militärmusiker, im Königlich-Bayerischen Infanterieregiment Wrede nach Landau. Dreißig Kreuzer Tagessold, das war vorn und hinten zu wenig. Der kleine Thomas kam ärmlich in der „Roten Kaserne“ zur Welt; eine Tafel an seinem Geburtshaus weist heute auf ihn hin, es gibt eine Thomas-Nast-Straße und eine Thomas-Nast-Schule, in der die Kinder lernen, woher der Santa Claus kommt, eben aus ihrer Stadt.
Sie lernen aber auch, dass Thomas Nast in Amerika eine weihnachtsmärchenhafte Karriere machte und zum „Vater der politischen Karikatur in Amerika“ wurde, der mit seinen bissigen Zeichnungen mehrere Präsidentenwahlen entscheidend beeinflusste. Mit dem Englischen kann der kleine Nast sich nicht anfreunden, in der Schule wird es nichts mit ihm, aber er zeichnet wie besessen. Die Eltern schicken ihn zum deutschen Historienmaler Theodor Kaufmann in die Lehre. Er ist fünfzehn, als seine ersten Zeichnungen in der New Yorker Wochenzeitung „Leslie´s Illustrated Newspaper“ gedruckt werden. Das Blatt schickt ihn nach London, damit er zeichnend über den Weltmeisterschaftskampf im Boxen berichtet. Die Dienstreise verlängert er um einige Wochen auf Sizilien, wo er sich Garibaldis Freiheitskämpfern anschließt. Zurück in Amerika heiratet er eine Frau aus gutem Hause, die dem nahezu analphabetischen Jungstar die literarische Bildung nahe bringt.
Nasts große Zeit beginnt, als der Bürgerkrieg ausbricht. Er befriedigt die immense Nachfrage nach Bildern bei „Harper´s Weekly“, der ersten illustrierten Zeitschrift Amerikas, die national verbreitet und mit ihren Bildern gerade auch bei Analphabeten erfolgreich ist. Der Landauer Stadtarchivar Martin schreibt: „Nast trifft mit seinem Stil die Stimmung der Nordstaatler. Die Blätter erreichen millionenfache Auflagen und flattern jetzt auch als Sonderdrucke unters Volk. Nast ist Mitte Zwanzig, berühmt, aber nicht satt. Er zeichnet weiter gegen die Skaverei an, gegen den Ku-Klux-Klan. In New York bringt er mit seinen Karikaturen William Marcy Tweed zur Strecke, den Kongressabgeordneten und „Alleinherrscher“ New Yorks. Thomas Nast ist jetzt 31 und auf der Höhe seines Ruhms. Auf Vortragsreisen verdient er ein Vermögen.
Doch das Glück wendet sich zusehendst. Als es in einer harmoniesuchenden Konsolidierungsphase darum ging, die Wunden des Bürgerkrieges zu heilen, „wird das Terrain für den Satiriker und Moralisten schwieriger“, wie Archivar Michael Martin schreibt. Nasts Hausblatt „Harper´s Weekly“ wird unpolitisch; 1884 verliert Nast sein Vermögen bei einer Spekulation. Er versucht vieles, kommt aber nicht mehr so recht auf die Beine. Präsident Theodore Roosevelt schickt den Freund 1902 als Botschafter nach Equador, damit der ein Auskommen hat. Aber ein halbes Jahr später stirbt Nast dort am Gelbfieber, am 7. Dezember, einen Tag nach Nikolaus. Sein Santa Claus aber wird unsterblich, erst recht, als Coca-Cola ihn 1931 für die Werbung vereinnahmt. Michael Martin hat vor Jahren einmal bei Coca-Cola nachgefühlt. „Die sagen natürlich, sie hätten ihren Santa selbst erfunden, aber es ist doch nicht zu leugnen: Er geht samt Rentierschlitten und Elfenwerkstatt am Nordpol auf Nasts Zeichnungen zurück und damit am Ende auf den pfälzischen Pelznickel. Für uns Deutsche ist der Santa Claus ein Reimport.“
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Quelle: FAZ, 13.12.2003, 11.