Jenni Zykla behauptet in der taz, dass ihre Geschichte wirklich passiert sei. Wer das nicht glaube, könne sie anrufen, dann erzähle sie alles noch mal en detail.
„Der Zufall wollte es, dass mir the other day, wie der Angelsachse sagt, auf einer Party eine junge, dissertierende Staubforscherin gegenüber stand. Wir kamen rasch ins Gespräch, denn auch ich kann auf einige Erfahrung im Umgang mit den verschiedenen Arten der Staubbildung zurückblicken, und so erkannte die angehende Dr. Staub in mir schnell eine Gleichgesinnte, wenn auch einen Laien.
Komm mich doch mal besuchen, beruflich, schlug ich ihr vor, und die Doktorin in spe willigte begeistert ein. Dann erzählte sie von ihren eigenen Staubexperimenten: Sie habe, so sagte sie mit einem kleinen Niesen, in ihrer Wohnung mittlerweile siebenundzwanzig verschiedene Kulturen angelegt, auf unterschiedlichsten Oberflächen, unter anderem – natürlich – Teppich, Stein, Porzellan, organische Oberflächen und Glas. Interessant sei es vor allem, zu beobachten, wie sich Bakterien an gemeinen Staubpartikeln festkrallten, um einen möglichst großen Bewegungsspielraum zu nutzen – Staub kommt ja bekanntlich überall hin. So wie die bösen Mädchen.
Ihr Problem sei jedoch, sagte die Staubforscherin und kratzte sich nachdenklich, dass sie im Laufe der Recherche für ihre Staub-Dissertation ein etwas merkwürdiges Verhältnis zu den Objekten ihrer Forschungen entwickelt habe. Sie unterscheide zum Beispiel nicht mehr zwischen „normalem“ Staub und „wissenschaftlich interessantem“ Staub, das hieße, es fiele ihr schwer, den – eigentlich forschungsunwürdigen – Staub auf ihren Regalen zu entfernen, weil sie immer Angst habe, damit eventuell einen wichtigen Aspekt ihrer Doktorarbeit, nun ja, unter den Tisch zu kehren. Mit Teppichen ginge es ihr ähnlich: Die letzten drei Staubsaugerbeutelinhalte habe sie einfach nicht wegschmeißen können.
Außerdem habe sie mittlerweile so viel Interessantes zum Thema Staub gesammelt, dass sie – anstatt einer anstrengenden Dissertation – viel mehr Lust habe, damit eine Ausstellung zu konzipieren. Wir kamen ins Faseln, überlegten uns schöne Locations für die Staubausstellung, alte Archive zum Beispiel, in die man aufgrund eines vorhandenen Fundus gar nicht mehr so viele Exponate transportieren müsste, oder Abbruchhäuser. Dann dachten wir über die Präsentation nach: Normale Glaskästen würden es vermutlich nicht tun. Vielleicht müsste man den Staub vergrößert aus Pappmaché nachbilden, quasi Tropfsteinhöhlen zum Durchwandern bauen. Auf jeden Fall, fiel mir ein, müssen die BesucherInnen der Ausstellung am Eingang ihre Allergiepässe zeigen, sonst nippelt noch einer ab. Und natürlich sollte man den Ausstellungsraum vor Zugluft schützen.
Wir stießen mit unseren Drinks auf den Dreck dieser Erde an und spannen weiter. Einer ihrer Kommilitonen, erzählte die Forscherin, sei bereits während des Studiums durch sein besonders missgünstiges Verhalten aufgefallen, und als sie ihr Staubthema zur Dissertation angemeldet habe, sei er vor Neid fast geplatzt. Sie mache sich Sorgen, dass er eine etwaige Ausstellung sabotieren könnte, etwa mit einem aus antistatischen Putztüchern selbstgenähten Schal zur Vernissage käme.
Ich konnte sie beruhigen. Solange wir keinen Sponsor finden, sagte ich, Hoover oder Miele oder so, stände die Ausstellung eh in den Sternen, und sie solle lieber in Ruhe ihre Doktorarbeit zuende bringen. Sie nieste bekräftigend, nahm ein Taschentuch aus der Tasche und wischte damit leicht über die Stehlampe, neben der wir standen. Dann faltete sie das Tuch vorsichtig wieder zusammen und steckte es in ihre Hosentasche. Das Glück liegt auf der Straße, sagte sie ernst. Man muss es nur aufwischen.“
Quelle: taz Berlin lokal Nr. 7232 vom 12.12.2003, Seite 25.