In wenigen Tagen wird die Stadtbücherei Königstein ihre neuen Räume in der Wiesbadener Straße beziehen. Der Umzug ist Anlass für das Stadtarchiv, Rückblick auf die Geschichte der Königsteiner Bibliotheken und ihres „neuen“ Domizils zu nehmen.
Ab wann genau lesehungrige Bürgerinnen und Bürger sich mit Lektüre eindecken konnten, ist ungewiss. Fest steht, dass es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts eine katholische Gemeindebibliothek gab. Inwieweit diese eventuell nur den Mitgliedern der katholischen Kirchengemeinde zur Verfügung stand, ist nicht bekannt.
Als aufstrebender Kurort jedoch, dessen Gäste größtenteils aus Großstädten kamen und der gehobenen und gebildeten Mittelschicht angehörten, musste Königstein auch in kultureller Beziehung etwas bieten. So gab es Konzerte, Theateraufführungen – und auch ein „Lesezimmer“.
Für die Kurgäste insbesondere war das Lese- und Spielezimmer gedacht, das sich in einem Haus in der Falkensteiner Straße befand, das der Baronin von Rothschild gehörte. Auf Anfrage der Stadt stellte sie es alljährlich in den Sommermonaten zur Verfügung. Der Stadt oblag lediglich die Reinigung des Raumes. Hier gab es Spiele, Bücher und vor allem Zeitschriften und Zeitungen aus allen Teilen Deutschlands. In den städtischen Archivalien befindet sich ein kleines Büchlein, in das die Gäste ihre Beschwerden, Anregungen oder auch Lob eintrugen. Die Einträge, häufig auch anonym, beziehen sich allerdings nicht nur auf das Lese- und Spielezimmer. Hier einige Auszüge, die einen nicht immer freundlichen Umgangston miteinander dokumentieren: „Wen das hiesige Pflaster stört, kann ja leicht durch die Abreise abhelfen! Ein besseres Mittel giebt es wohl nicht!“ Auch das Wetter war damals schon Thema: „Es wird gebeten, Einsprache gegen den ständigen Regen zu erheben und bittet man die hochwohllöbliche Kurverwaltung diesbezügliche Änderungen im Plane der Schöpfung eintreten zu lassen. Auch Einer“
Mit den Gegebenheiten im Lesezimmer befassen sich andere Eintragungen: „Das laute Sprechen in dem Raum neben dem Lesezimmer ist außerordentlich störend und muß unbedingt untersagt werden. – Eine oft Gestörte“ – „Es wird höflichst gebeten, die furchtbar knarrende Thüre im Lesezimmer, sagen wir lieber Schwatzzimmer, zu ölen.“ – „Bei der jetzigen trüben Jahreszeit wäre es wirklich angebracht, für den Kurgast insofern Rechnung tragen zu wollen, dass das Lese- und Spielzimmer bis 10 Uhr abends geöffnet und beleuchtet ist.“
Diese Eintragungen stammen aus dem Jahr 1895. Bis in den Ersten Weltkrieg konnte die Kurverwaltung das Zimmer in der Falkensteiner Straße nutzen.
Neben diesem Lesezimmer gab es ab ca. 1909 eine „Unterhaltungsbibliothek zur freien Benutzung“ für die Kurgäste, die im Rathaus in der Hauptstraße 15, genauer gesagt im Meldeamt, untergebracht war. 1910 umfasste die kleine Kurbibliothek im Rathaus, Zimmer Nr.3, 230 Bände.
Doch auch die Königsteiner Einwohnerschaft hatte die Möglichkeit, sich Bücher auszuleihen. In jenen Jahren befand sich eine Leihbibliothek beim Buchhändler Heinrich Strack in der Hauptstraße 3.
1925, das Kurwesen erholte sich von den Auswirkungen des Krieges, gab es eine Kurbibliothek im Rathaus, Zimmer 4, die täglich von 11 bis 12 Uhr vormittags geöffnet war. Die Ausgabe der Bücher erfolgte unentgeltlich an Kurgäste und Mitglieder des Kurvereins.“ Am 20. November 1925 genehmigte der Magistrat die Anschaffung von Büchern im Wert von ca. 100 Mark.
1926 erfolgte die Übergabe der Bestände der Bibliothek des Vereins für Volksbildung an die Kurbibliothek. Diese Bibliothek war bis dahin in einem Schulsaal der Volksschule untergebracht, der nun von der englischen Besatzungsbehörde für andere Zwecke angefordert wurde. Da der Verein für Volksbildung seine Tätigkeit eingestellt hatte, konnte die Volksbibliothek der Kurbibliothek einverleibt werden. Es handelte sich um einen Zugang von 544 Büchern, zu denen noch 44 nicht eingebundene Bücher und Hefte kamen.
Für das Jahr 1934 sind – laut Aktenlage im Stadtarchiv – vier kleinere öffentliche und private Büchereien in Königstein nachweisbar. Es waren dies die Kurbibliothek Königstein mit 834 Bänden, die von der Kurverwaltung Königstein unterhalten wurde. In genanntem Jahr erfolgten 262 Entleihungen. Darüber hinaus gab es die Buchhandlung Georg Völker (Hauptstraße 22) mit 307 ausleihbaren Bänden. Hier wurden 1934 insgesamt 1250 Bücher ausgeliehen. Auch die Buchhandlung Ria Ose (vormals Buchhandlung Strack, s.o.) hatte eine kleine angeschlossene Bücherei mit 192 Bänden. Lehrerin Emma Kroth leitete die katholische Gemeindebücherei, die so genannte Borromäus-Bücherei.
Die seit 1938 bestehenden Pläne, auf Grundlage der Kurbibliothek eine städtische Bibliothek neu einzurichten, dauerten bis zur Realisierung zwei Jahre. Am 26. August 1940 wurde sie im Kur- und Verkehrsbüro eröffnet, Joseph Flugel war ihr Leiter.
Die Bestände der Bücherei wurden in jenen Jahren der Diktatur streng kontrolliert: „Durch einen Beauftragten der Regierung wurde dieser Tage eine Sichtung der Bestände unserer Kurbibliothek vorgenommen und dabei alle nicht mehr zeitgemäßen Bücher ausgemerzt. Die ausgeschiedenen Bände werden demnächst durch andere Werke ersetzt werden“, schrieb die Taunus Zeitung am 13. Februar 1939.
Auf Anweisung des Regierungspräsidenten vom 10. September 1941 erfolgte die Versiegelung der Borromäus-Bibliothek, ebenso wurden die Büchereien der evangelischen Kirchengemeinde und des Krankenhauses geschlossen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützten die amerikanischen Besatzungsbehörden den Aufbau des kulturellen Lebens auch in Königstein. Der amerikanische Hohe Kommissar McCloy bewilligte der Volksschule 1950 einen Betrag in Höhe von 250 DM für die Anschaffung eines „Bildwerfers“, und die Stadt erhielt aus der Amerika-Spende mehrere Bücher und eine Reihe amerikanischer Zeitschriften für die Volksbücherei im Kurhausbüro.
Quelle: Königssteiner Woche, 50. KW, 10.12.2003